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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 05.06.2007
Aktenzeichen: 1 W 169/07
Rechtsgebiete: RVG-VV, ZPO


Vorschriften:

RVG-VV Nr. 3200
RVG-VV Nr. 3201
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 118
Beantragt der Berufungskläger Prozesskostenhilfe und legt zugleich unbedingt Berufung ein, die er auch begründet, ist die durch die Stellung eines Sachantrags des Berufungsbeklagten entstandene Verfahrensgebühr bei Berufungsrücknahme in voller Höhe zu erstatten. Daran ändern auch die Bitte des Berufungsklägers nichts, zunächst über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, und die Aufforderung des Gerichts an den Berufungsbeklagten, zunächst nur zu diesem Antrag Stellung zu nehmen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 169/07

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige Beschwerde der Beklagten zu 2 vom 14. März 2007 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 28. Februar 2007 durch den Richter am Kammergericht Müller als Einzelrichter am 5. Juni 2007 beschlossen:

Tenor:

In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden als nach dem Beschluss des Senats vom 2. November 2006 - 1 U 53 und 54/06 - von der Klägerin an die Beklagte zu 2 zu erstattende Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 415,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. November 2006 festgesetzt.

Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 im Beschwerdeverfahren bei einem Beschwerdewert in Höhe von bis zu 600,00 EUR zu tragen.

Gründe:

I.

Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 28. Juni 2006 gegen das Teilurteil des Landgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 und gegen das Schlussurteil des Landgerichts Berlin vom 14. Juni 2006 Berufung ein und beantragte, für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Sie bat die Beklagten zugleich, sich zunächst noch nicht zur Akte zu melden, sondern die Berufungsbegründung und den Beschluss zur Prozesskostenhilfe im Berufungsverfahren abzuwarten. Mit Schriftsätzen vom 21. Juli 2006 begründete die Klägerin die Berufungen gegen die beiden Urteile des Landgerichts Berlin. Sie bat, zunächst über ihren Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden. Mit gerichtlicher Verfügung vom 3. August 2006 wurde den Beklagten jeweils eine einfache Abschrift der Berufungsbegründungen mit der Aufforderung, zu dem Prozesskostenhilfeantrag Stellung zu nehmen, übersandt. Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28. August 2006 ließ die Beklagte zu 2 einen auf Zurückweisung der Berufung gerichteten Antrag ankündigen. Mit Schriftsatz vom 11. September 2006 nahm sie zu dem Prozesskostenhilfeantrag Stellung. Der Senat wies den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 26. September 2006 zurück. Nach gerichtlichem Hinweis, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, nahm die Klägerin die Berufung zurück, worauf der Senat ihr mit Beschluss vom 2. November 2006 die Kosten der Berufung auferlegte.

Die Beklagte zu 2 hat am 16. November 2006 u.a. die Festsetzung einer 1,6fachen Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3200 beantragt. Das Landgericht hat mit am 12. März 2007 zugestelltem Beschluss vom 28. Februar 2007 lediglich eine 1,1fachen Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 3201 festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 2 mit ihrem am 14. März 2007 als "Erinnerung/Rechtsmittel" bezeichneten Schriftsatz vom 13. März 2003, dem das Landgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Das Rechtsmittel der Beklagten zu 2, bei dem es sich um eine sofortige Beschwerde handelt, ist zulässig, §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, insbesondere ist es form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Auf seiten der Beklagten zu 2 ist eine Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 S. 1 RVG in Verbindung mit RVG-VV Nr. 3200 durch die Ankündigung des Antrags auf Zurückweisung der Berufung im Schriftsatz vom 28. August 2006 entstanden. Die Stellung eines Sachantrags schließt die vorzeitige Beendigung des Auftrags gemäß RVG-VV Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 aus (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Mai 2005 - 1 W 405/04 -, OLG-Report 2005, 646, 647; Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2005 - 1 W 434/04 -, OLG-Report 2006, 230 = AGS 2007, 271). Die Verfahrensgebühr ist in voller Höhe von der Klägerin zu erstatten, weil es sich um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung handelte, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Sachantrag der Beklagten zu 2 wurde zu einem Zeitpunkt gestellt, in dem er zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich war. Das ist dann der Fall, wenn von dem Berufungskläger ein Berufungsantrag gestellt und das Rechtsmittel begründet worden ist. Denn dann handelt es sich nicht mehr um nur eine zur Fristwahrung eingelegte Berufung bei der der Berufungskläger innerhalb der Berufungsfrist entscheiden will, ob das Berufungsverfahren durchgeführt werden soll oder nicht. Liegt die Berufungsbegründung vor, hat der Berufungsbeklagte ein berechtigtes Interesse daran, mit anwaltlicher Hilfe in der Sache frühzeitig zu erwidern und so eventuell bereits eine Zurückweisung der Berufung im Beschlussweg durch eigene zusätzliche Argumente zu fördern (BGH, NJW 2004, 73). Vorliegend lag die Berufungsbegründung im Zeitpunkt der Stellung des Sachantrags der Beklagten zu 2 bereits vor.

Der Erstattungsfähigkeit der Gebühr nach RVG-VV Nr. 3200 steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Beklagten gebeten hatte, sich zunächst nicht zur Akte zu melden. Soweit sie dies auf die Einreichung der Berufungsbegründung bezogen hatte, lag diese bereits vor. Die Beklagte zu 2 war aber auch nicht gehalten, bis zu einer Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abzuwarten. Das hätte der Fall sein können, wenn sie sich zu einem solchen Verhalten ausdrücklich verpflichtet hätte (BGH, a.a.O.). Ist ein Stillhalteabkommen - wie hier - aber nicht geschlossen worden, besteht für den Berufungsgegner keine rechtliche Verpflichtung, die im Berufungsverfahren entstandenen Gebühren nicht geltend zu machen (Senat, Beschluss vom 9. Mai 2005 - 1 W 20/05 -, OLG-Report 2005, 684).

Schließlich ist es für die Erstattungsfähigkeit auch nicht von Bedeutung, dass die Beklagten zunächst nur zur Stellungnahme zu dem Prozesskostenhilfeantrag aufgefordert worden waren. Hierzu bestand gemäß § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO Veranlassung. Die gerichtliche Verfügung vom 3. August 2006 änderte aber nichts daran, dass die Klägerin neben dem Prozesskostenhilfeverfahren zugleich die Berufung betrieb in deren Rahmen die Notwendigkeit der Stellung des Sachantrags allein zu beurteilen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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