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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.04.2004
Aktenzeichen: 1 W 173/03
Rechtsgebiete: PStG, EGBGB


Vorschriften:

PStG § 15a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
EGBGB Art. 6
EGBGB Art. 11
EGBGB Art. 13 Abs. 1
Die in Pakistan von einem Pakistani mit einer Deutschen geschlossene "Handschuhehe" ist in Deutschland auch dann wirksam, wenn bei Eheschließung zwar eine notariell beglaubigte, den Heiratspartner genau bezeichnende Vollmacht nicht vorlag, die Eheschließung aber der Ortsform entsprach und eine Willensvertretung den Umständen nach ausgeschlossen werden kann. Das ist der Fall, wenn die Frau bei der Eheschließung anwesend war und der in Generalvollmacht handelnde Vertreter dem in Deutschland als Asylbewerber sich aufhaltenden Mann zuvor als Familienoberhaupt seine Zustimmung zur Eheschließung erteilt hatte.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 173/03

In der Personenstandssache

betreffend die Anlegung eines Familienbuches

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3. vom 1. April 2003 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 11. März 2003 - 84 T 16/03 - in der Sitzung am 22. April 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 3.000,- EUR zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 45 Abs. 1, 48, 49 Abs. 1 Satz 2 PStG i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 29 FGG zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat - wie zuvor das Amtsgericht Schöneberg - rechtsfehlerfrei mit zutreffender Begründung die Voraussetzungen für die Anlegung eines Familienbuches für die von den Beteiligten zu 1. und 2. am 14. Mai 2000 in Pakistan geschlossene Ehe nach 15a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PStG bejaht. Die Beschwerdebegründung der Beteiligten zu 3. gibt keinen Anlass, die Sache anders zu beurteilen.

1) Die von den Beteiligten zu 1. und 2. begehrte Anlegung des Familienbuches stellt entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 3. keinen Verstoß gegen den ordre public (Art. 6 EGBGB) dar.

a) Die Sperrwirkung des Art. 6 EGBGB durch Nichtanwendung ausländischen Rechts tritt nur ein, wenn das Ergebnis seiner Anwendung im konkreten Fall in untragbarem Widerspruch zugrundlegenden deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen stünde (vgl. BGHZ 118, 312; Palandt/Heldrich, BGB, 63. Aufl. 2004, Art. 6 EGBGB, Rn. 5 m.w.N.).

b) Dies ist hier nicht der Fall. Zutreffend und unangefochten hat das Landgericht auf Seite 3 des Beschlusses dargelegt, die Eheschließung, bei der sich der Beteiligte zu 2. durch seinen älteren Bruder T J K hat vertreten lassen, sei nach den gemäß Art. 11 EGBGB maßgeblichen Grundsätzen pakistanischen Rechts formwirksam. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass der Bruder als Vertreter des Beteiligten zu 2. die Eheschließung mit der Beteiligten zu 1. entsprechend dem Willen des Vertretenen bewirkt hat: Der Beteiligte zu 2. wollte die Beteiligte zu 1. heiraten, so ist es geschehen. Das kann ohne jeden Zweifel aus der Erklärung des Bruders des Beteiligten zu 2. - die am 27. April 2000 vom Außenministerium in Islamabad beglaubigt wurde - sowie der persönlichen Anwesenheit der Beteiligten zu 1. bei der Trauungszeremonie am 14. Mai 2000 geschlossen werden. Die Anerkennung der Eheschließung als wirksam widerspricht nicht den Gerechtigkeitsvorstellungen der deutschen Rechtsordnung; sie steht vielmehr im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen.

2) Der sofortigen weiteren Beschwerde liegt die Auffassung zugrunde, eine nach Ortsform gemäß Art. 11 EGBGB zu beurteilende und daher wirksame "Handschuhehe" liege nur dann vor, wenn die Vollmacht bereits ihrem Wortlaut nach keine Möglichkeit der Willensvertretung zulasse. Da die notariell beglaubigte Generalvollmacht vom 3. Mai 1990 keine inhaltliche und zeitliche Begrenzung enthalte und das Schreiben des Bevollmächtigten an den Beteiligten zu 2. vom April 2000 keine ausreichende Bevollmächtigung darstelle, liege notwendig ein Fall der Vertretung im Willen vor, was zur Unwirksamkeit der Ehe führe.

Dem ist nicht zu folgen.

a) Richtig ist allerdings, dass eine Stellvertretung im Willen gegen das Vertretungsverbot des deutschen Rechts verstößt, das als zweiseitiges Ehehindernis aufzufassen ist (vgl. Staudinger/Mankowski, BGB, Neubearbeitung 2003, Art. 13 EGBGB, Rn. 219 m.w.N.). Soweit der übereinstimmende Wille beider Teile, die Ehe zu schließen, in Frage steht, ist nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB für die Beteiligte zu 1. das deutsche Recht anzuwenden, so dass dieses Ehehindernis der Wirksamkeit der Ehe auch dann entgegensteht, wenn das pakistanische Heimatrecht des Beteiligten zu 2. die Vertretung im Willen zulässt.

b) Eine Vertretung im Willen kann aber, wie zu 1 b) ausgeführt wurde, im vorliegenden Fall ausgeschlossen werden. Ob die für eine "Handschuhehe" verwendete Vollmacht, um gültig zu sein, bestimmte formelle Voraussetzungen zu erfüllen hat, ist eine Frage der Form der Eheschließung und daher gemäß Art. 11 EGBGB nach pakistanischem Recht zu beurteilen. Insoweit bestehen, auch unter Berücksichtigung der Überprüfung der Heiratsurkunde durch die deutsche Botschaft in Islamabad gemäß deren Schreiben vom 28. September 2001, keine Bedenken.

Soweit eine schriftliche, möglichst notariell beglaubigte und den Heiratspartner genau bezeichnende Vollmacht verlangt wird (vgl. Pritsche, StAZ 86, 329), handelt es sich nicht um formelle Voraussetzungen nach pakistanischem Recht, sondern um Hilfsmittel zur tatsächlichen Feststellung, dass im konkreten Fall keine unzulässige Vertretung im Willen vorliegt. Diese Festellung kann - wie auch in dem der Senatsentscheidung FamRZ 1973, 313 zugrundliegenden, ähnlich gelagerten Fall - auch aufgrund außerhalb der Vollmachtsurkunde liegender Umstände getroffen werden (zust. Staudinger/Hankowski; a.a.O. Rdn. 221; ebenso BayObLGZ 2000, 335). Das haben für den vorliegenden Fall die Vorinstanzen zu Recht bejaht (s.o. zu 1 b).

3) Eine Kostenerstattungsanordnung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist ausgeschlossen, denn die Beteiligte zu 3. ist nicht Beteiligte im Sinne dieser Vorschrift, weil sie als Standesamtsaufsichtsbehörde öffentliche Interessen wahrnimmt (Senat, StAZ 2000, 216). Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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