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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.12.2004
Aktenzeichen: 1 W 239/04
Rechtsgebiete: FGG, ZPO


Vorschriften:

FGG § 29 a
ZPO § 321 a
Jedenfalls mit Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetz am 1.1.2005 ist auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit die außerordentliche Beschwerde nicht mehr statthaft (im Anschluss an BGH NJW 2002, 1577)
1 W 238/04 1 W 239/04

Kammergericht Beschluss

in der Betreuervergütungssache

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortigen weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der Zivilkammer 87 des Landgerichts Berlin vom 4. Juni 2004 am 7. Dezember 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortigen weiteren Beschwerden werden nach einem Wert von bis zu 2000 EUR und von bis zu 1000 EUR als unzulässig verworfen.

Gründe:

1. Das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ist nicht statthaft. Gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts, welche die Festsetzung von Betreuervergütung betreffen, ist die weitere Beschwerde (§ 27 FGG) nur eröffnet, wenn das Beschwerdegericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hat (§ 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG). Dies ist hier nicht der Fall; vielmehr hat das Beschwerdegericht die Zulassung im Tenor und in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich abgelehnt. Diese Nichtzulassung ist bindend; die Entscheidung über die Zulassung unterliegt nicht der Nachprüfung durch das höhere Gericht (vgl. Keidel/Engelhardt, FGG, 15. Aufl., § 56 g Rn. 37; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 19 Vorbem. Rn. 16; BayObLG FGPrax 2002, 270;). Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Auch eine Zulassung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist nicht möglich (OLG Köln, OLGR 2003, 228). Allenfalls kommt eine ergänzende Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde durch das Beschwerdegericht unter den Voraussetzungen des § 321 a ZPO auf Gegenvorstellung hin in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 19.5.2004 - IXa ZB 182/03 für die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

2. Das Rechtsmittel, mit dem der Beteiligte die Entscheidung des Landgerichts unter dem Gesichtspunkt der sogenannten greifbaren Gesetzeswidrigkeit anfechten will, ist hier auch nicht als außerordentliche Beschwerde zulässig.

In der Vergangenheit war im Zivilprozess ebenso wie im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt, dass ein nach dem Verfahrensrecht unabänderlicher Beschluss dann anfechtbar sein muss, wenn die getroffene Entscheidung auf einer Verletzung grundrechtlich geschützter Verfahrensrechte, insbesondere des rechtlichen Gehörs, beruht oder sonst eine greifbare Gesetzwidrigkeit aufweist (vgl. BGHZ 119, 372; Senat, FGPrax 1996, 182, jeweils m. w. N.). Seit der Neuregelung der Zivilprozessordnung zum 1.1.2002 ist es jedoch für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit umstritten, ob der von der Rechtsprechung geschaffene Rechtsbehelf der außerordentlichen Beschwerde noch statthaft ist oder ob die Beteiligten statt dessen den Weg der Gegenvorstellung beschreiten müssen, um Rechtsschutz - speziell bei der Verletzung eines Verfahrensgrundrechts - zu erhalten.

Im Zivilprozess hat der Bundesgerichtshof angesichts der Neuregelung des § 321 a ZPO keine Möglichkeit gesehen, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, die bei "greifbar gesetzeswidrigen" Entscheidungen, insbesondere bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, in eng begrenzten Ausnahmefällen eine außerordentliche Beschwerde zum BGH für zulässig gehalten hat (vgl. BGH, Beschluss vom NJW 2002,1577). Mit dem neu geschaffenen § 321 a ZPO sei erstmals eine förmliche Abhilfemöglichkeit für Verfahren vorgesehen, in denen eine Überprüfung bislang nicht möglich war. Dabei habe der Gesetzgeber dem Gedanken der Selbstkorrektur den Vorzug gegeben, wonach ein erheblicher Verfahrensverstoß durch das Gericht zu korrigieren ist, das ihn begangen hat (iudex a quo). Diese Grundentscheidung sei zu beachten und die Eröffnung einer weiteren Instanz mithin ausgeschlossen.

Künftig wird im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH auch für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Notwendigkeit mehr bestehen, mit der außerordentlichen Beschwerde einen Rechtsbehelf außerhalb des geschriebenen Rechts zuzulassen. Denn mit dem Anhörungsrügengesetz vom 28. Oktober 2004, welches am 1. Januar 2005 in Kraft treten wird (vgl. BT-Drucksache 15/4061 und Plenarprotokolle des Deutschen Bundestages, 15. Wahlperiode, S. 12430), hat der Gesetzgeber auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit ein förmliches Verfahren zur instanzinternen Behebung eines grundrechtsrelevanten Verfahrensfehlers, nämlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgesehen. Nach dem künftigen § 29 a FGG ist auf die Rüge eines durch eine unanfechtbare bzw. nicht änderbare gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber auf den Gesetzgebungsauftrag des Bundesverfassungsgericht in der Plenarentscheidung vom 30. April 2003 - 1 PbvU 1/02 - reagiert, wonach die von der Rechtsprechung teilweise außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffenen außerordentlichen Rechtsbehelfe den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügen und dieser Zustand nur noch bis zum 31. 12. 2004 hingenommen werden kann (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1924,1928 f. und NJW 2003, 3687).

Ob die außerordentliche Beschwerde im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit derzeit, schon vor Inkrafttreten des Anhörungsrügengesetzes, nicht mehr statthaft ist, erscheint fraglich und im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 auch zweifelhaft. In der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Fachliteratur werden zur Statthaftigkeit der außerordentlichen Beschwerde unterschiedliche Auffassungen vertreten. Ein Teil der Oberlandesgerichte lässt das außerordentliche Rechtsmittel im Hinblick auf eine mögliche Selbstkorrektur des entscheidenden Gerichts nicht mehr zu (vgl. BayObLG FGPrax 2003, 25 - 26; BayObLG MDR 2003, 592; OLG Köln, OLGR 2003. 228; OLG Frankfurt a. M. FGPrax 2004, 75; auch Sternal, FGPrax 2004, 170 ff.). Der Senat ist bislang von der Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs dem Grunde nach ausgegangen (Senat, FGPrax 2003, 276), andere Gerichte und Teile der Literatur haben die Frage offen gelassen (vgl. BayObLG FGPrax 2002, 218; Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19, Rn. 39), ob in der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine sinngemäße Anwendung des § 321 a ZPO wegen der fehlenden Abhilfemöglichkeit bei sofortigen Beschwerden nach § 18 Abs. 2 FGG in Betracht komme (vgl. Keidel/Kahl, a. a. O.) .

Auch im vorliegenden Verfahren kann diese Frage offen gelassen werden, weil die Voraussetzungen für eine außerordentliche Beschwerde jedenfalls nicht vorliegen. Die außerordentliche Beschwerde wegen sogenannter greifbarer Gesetzeswidrigkeit ist nach der früheren Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn eine nach den gesetzlichen Vorschriften unanfechtbare Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und dem Gesetz inhaltlich fremd ist oder wenn die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (vgl. BGHZ 119, 372). Verstöße gegen eindeutiges materielles Recht oder gar nur Ermessensfehler reichen nicht aus; vielmehr ist die außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit auf Ausnahmefälle krassen Unrechts und unzumutbarer Härte beschränkt. (vgl. Keidel/ Engelhardt, a. a. O., § 56 g Rd. 43; Sternal, FGPrax 2004, 170) Hierfür hat der Beteiligte zu 1. aber nichts vorgetragen. Es sind auch keine Gesichtspunkte erkennbar, die dafür sprechen könnten, dass die Entscheidung des Landgerichts ohne jede Sachprüfung ergangen ist und damit einer rechtlichen Grundlage entbehren würde (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2000, 981). Der Beteiligte zu 1. rügt lediglich die auf § 287 Abs. 2 ZPO basierende Ermessensausübung des Landgerichts bei der zeitlichen Bewertung seiner Betreuungsarbeit anhand seiner eingereichten Zeitaufstellung als fehlerhaft und nicht nachvollziehbar. Das aber reicht zur Begründung der Statthaftigkeit einer außerordentlichen weiteren Beschwerde nicht aus. Sie kann nicht darauf gestützt werden, das Landgericht habe fehlerhaft den berechneten Zeitaufwand als übersetzt erachtet (vgl. Keidel/Engelhardt, a. a. O. § 56 g Rn. 43).



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