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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.02.2003
Aktenzeichen: 1 W 244/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 181
WEG § 12 Abs. 1

Entscheidung wurde am 05.04.2004 korrigiert: die Entscheidung wurde komplett ersetzt, da sie unvollständig war
Erklärt der WEG-Verwalter, der zugleich Erwerber ist, die Zustimmung nach § 12 Abs. 1 WEG auch gegenüber dem Veräußerer, ist dies wirksam; § 181 BGB findet insoweit keine Anwendung.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 244/03

in der Grundbuchsache

betreffend das im Grundbuch des ... verzeichnete Wohnungseigentumsrecht,

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die weitere Beschwerde des eingetragenen Eigentümers und der Beteiligten zu 1) bis 3), eingelegt durch Notar D W, Kurfürstendamm 220, 10719 Berlin, gegen den Beschluss der Zivilkammer 86 des Landgerichts Berlin vom 18. März 2003 in der Sitzung vom 3. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 29. Oktober 2002 werden aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, von den in der Zwischenverfügung geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 78 bis 80 GBO zulässig. Sie ist auch begründet, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 78 GBO, §§ 561 ff. ZPO).

Das Landgericht hat angenommenen, die durch den Beteiligten zu 2) in seiner Eigenschaft als Verwalter erklärte Zustimmung zur Veräußerung nach § 12 Abs. 1 WEG sei entsprechend § 181 BGB (schwebend) unwirksam, weil der Beteiligte zu 2) an dem Veräußerungsgeschäft als Erwerber beteiligt ist. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand; die Zustimmung des Verwalters, der zugleich Erwerber ist, unterliegt nicht den Beschränkungen des § 181 BGB, wenn die Zustimmungserklärung gegenüber dem Veräußerer abgegeben werden kann und dementsprechend - wie hier anzunehmen ist - auch abgegeben wird (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1985, 390; Röll in Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 12 WEG Rn. 6; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 12 Rn. 13; Pick in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 12 Rn. 21; a.A. LG Traunstein, MittBayNot 1980, 164; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., § 12 WEG Rn. 4c).

Zwar handelt es sich bei der Zustimmung zur Veräußerung nach § 12 Abs. 1 WEG um ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft, für das § 181 BGB grundsätzlich gilt (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 1441; RGZ 143, 350, 352; BayObLG, Rpfleger 1983, 350; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 181 Rn. 6). Auch scheitert die Anwendung der Vorschrift nicht daran, dass der Verwalter bei der Abgabe der Zustimmungserklärung nicht im fremden, sondern im eigenen Namen handelt. Denn er nimmt bei der Ausübung der Zustimmungsbefugnis regelmäßig kein eigenes Recht wahr, sondern ein solches der Wohnungseigentümer, als deren Treuhänder und mittelbarer Stellvertreter er handelt (BGHZ 112, 240, 242; BayObLGZ 1980, 29, 35; OLG Zweibrücken, NJW-RR 1987, 269; OLG Saarbrücken, DNotZ 1989, 439 f.; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 12 WEG Rn. 4; Bub, NZM 2001, 502, 503). Das legt es nahe, den Anwendungsbereich des § 181 BGB auf den WEG-Verwalter auszudehnen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1986, 1077, 1078); seine Stellung als Treuhänder ist der von Trägern eines privaten Amtes (Testamentsvollstrecker, Nachlass- und Insolvenzverwalter) vergleichbar, für welche die entsprechende Anwendung des § 181 BGB wegen der Gleichheit der Konfliktslage anerkannt ist (vgl. BGHZ 113, 262, 270; 108, 21, 24; 30, 67; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 181 Rn. 3). Es liegt auch typischerweise ein Interessengegensatz vor, wenn der Verwalter, der zugleich Erwerber ist, über die Zustimmung zur Veräußerung entscheidet. Die Veräußerungsbeschränkung nach § 12 Abs. 1 WEG dient dem Schutz der Wohnungseigentümer vor einem persönlich oder finanziell unzuverlässigen Erwerber (Senat, FGPrax 1996, 140, 141; OLGZ 1978, 296, 298; BayObLG, DNotZ 1992, 229, 230; BayObLGZ 1977, 40, 42; OLG Zweibrücken, a.a.O.; vgl. auch BGHZ 37, 203, 208). Dieses durch den Verwalter treuhänderisch wahrzunehmende Interesse läuft seinem Eigeninteresse an dem Erwerb des Wohnungseigentums zuwider; eine objektive Eignungsprüfung des Erwerbers durch den Verwalter ist hier - mehr noch als in dem Fall einer Veräußerung des ihm gehörenden Wohnungseigentums (vgl. dazu BayObLG, NJW-RR 1986, a.a.O.), bei der der Verwalter ein Eigeninteresse an der Abwicklung des mit dem Erwerber geschlossenen Vertrages hat - schon wegen der Personenidentität ausgeschlossen.

Jedoch handelt es sich bei der Zustimmung vorliegend nicht um ein Rechtsgeschäft, das der Verwalter i.S.v. § 181 BGB "mit sich" vorgenommen hat. Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist ein Insichgeschäft grundsätzlich nur gegeben, wenn der Vertreter dieses sich selbst gegenüber als Erklärungsempfänger vornimmt (BGHZ 94, 132, 137; RGZ, a.a.O.; 76, 89, 92 f.; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 181 Rn. 8). Das ist hier nicht der Fall, denn der Beteiligte zu 2) hat die Zustimmungserklärung gegenüber dem eingetragenen Eigentümer als Veräußerer abgegeben. Er hat mit notariell beglaubigter Erklärung vom 19. April 2001 die soeben beurkundete Veräußerung genehmigt, ohne einen Erklärungsempfänger zu benennen; das bedeutet, dass die Zustimmung jedenfalls auch gegenüber dem anderen Teil des Vertrages erklärt wurde, wie dies gemäß § 182 Abs. 1 BGB möglich ist (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.).

Eine erweiternde oder entsprechende Anwendung des § 181 BGB ist für diese Konstellation abzulehnen. § 181 BGB ist eine formale Ordnungsvorschrift, die auf die Art des Zustandekommens des Rechtsgeschäfts bezogen ist; der Interessengegensatz zwischen mehreren vom Vertreter repräsentierten Personen ist zwar gesetzgeberisches Motiv, aber zur Tatbestandserfüllung grundsätzlich weder erforderlich noch ausreichend (BGHZ 77, 7, 9; 50, 8, 11). Das schließt es nach neuerem Verständnis allerdings nicht aus, den Schutzzweck des § 181 BGB für eine tatbestandliche Erweiterung heranzuziehen, wenn sich bei bestimmten Geschäften ein möglicher Missbrauch der Vertretungsmacht "generell-abstrakt" nach objektiv und einwandfrei feststellbaren Merkmalen erfassen lässt oder die Vorschrift bei einer rein formalen Betrachtungsweise ihre Bedeutung verlöre, weil sie ohne weiteres umgangen werden könnte (vgl. BGHZ 91, 334, 337; 77, a.a.O., S. 9f.; 64, 72, 76; Senat, NJW-RR 1999, 168). So ist anerkannt, dass bei amtsempfangsbedürftigen Willenserklärungen § 181 BGB Anwendung findet, wenn der handelnde Vertreter materiell Betroffener und damit sachlich der eigentliche Erklärungsempfänger ist (BGHZ 77, a.a.O.; RGZ 143, a.a.O., S. 353; BayObLGZ 1983, 213, 220). Handelt es sich jedoch - wie hier - um eine Erklärung, die wahlweise gegenüber verschiedenen privaten Adressaten abgegeben werden kann, kommt eine Anwendung des § 181 BGB nicht in Betracht, wenn der Dritte nicht nur formal, sondern auch der Sache nach Erklärungsempfänger ist (BGHZ 94, a.a.O.; RGZ 76, a.a.O., OLG Hamm, DNotZ 2003, 635, 636; OLG Düsseldorf, a.a.O.; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 181 Rn. 8; Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl., § 181 Rn. 31; a.A. Schramm in Münchener Kommentar, a.a.O., § 181 Rn. 28; Staudinger/Schilken, BGB, Neubearb. 2001, § 181 Rn. 41; offen lassend BayObLG, NJW-RR 1995, 1032, 1033; 1986, a.a.O.; Rpfleger 1983, a.a.O.). In der Abgabe der Erklärung gegenüber dem am Interessenkonflikt nicht beteiligten Empfänger liegt keine Umgehung der sonst eingreifenden gesetzlichen Beschränkung, da der formale Adressat durch die Erklärung auch materiell in seinen Rechten betroffen ist. Es liegt auch kein typischer Fall des Missbrauchs der dem Verwalter eingeräumten Befugnis vor, wenn er die Zustimmung zu einer Veräußerung erklärt, an der er selbst beteiligt ist; der darin liegende materielle Interessenkonflikt rechtfertigt allein die Anwendung des § 181 BGB nicht (vgl. BGHZ 113, a.a.O.; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 181 Rn. 14). Ein solches Verständnis ist nach Ansicht des Senats aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit, welche bei der teleologischen Auslegung zu beachten sind (vgl. Schramm in Münchener Kommentar, a.a.O., § 181 Rn. 9), weiterhin geboten.

Vorliegend ist der eingetragene Eigentümer gemäß § 182 Abs. 1 BGB auch der Sache nach Erklärungsempfänger; der von ihm geschlossene Vertrag wird durch die Zustimmung wirksam (§ 12 Abs. 3 WEG). Zudem steht ihm als veräußerungswilligem Wohnungseigentümer allein der Anspruch auf Erteilung der Zustimmung nach § 12 Abs. 1 WEG zu (vgl. Sohn, NJW 1985, 3060).

Schließlich ergibt sich - unabhängig von der Anwendung des § 181 BGB - auch aus dem Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses nicht mit der für die Auslegung von Grundbucheintragungen erforderlichen Klarheit (vgl. dazu Demharter, GBO, 24. Aufl., § 53 Rn. 4), dass der Verwalter von der Ausübung der Zustimmungsbefugnis ausgeschlossen sein soll, wenn er an der Veräußerung als Erwerber beteiligt ist. Auch wenn eine objektive Eignungsprüfung durch den Verwalter nicht stattfindet, wenn dieser selbst Erwerber ist, kann es zweckmäßig erscheinen, es im Außenverhältnis bei der Zuständigkeit des Verwalters zu belassen. Den Wohnungseigentümern verbleibt die Möglichkeit, eine Entscheidung über die Versagung der Zustimmung zu treffen, welche den Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG bindet (vgl. BayObLGZ 1980, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Ob der Verwalter bei Gefahr eines Interessenkonflikts verpflichtet ist, eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümer herbeizuführen, ist vom Grundbuchamt nicht zu prüfen.

Für eine Kostenerstattungsanordnung nach § 13a Abs. 1 S. 1 FGG besteht kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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