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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: 1 W 249/04
Rechtsgebiete: PStG, PStV, ZPO


Vorschriften:

PStG § 20
PStG § 46 a
PStG § 48
PStG § 60
PStG § 68 a
PStV § 11
PStV § 25
ZPO § 438

Entscheidung wurde am 07.11.2005 korrigiert: die Rechtsgebiete und Vorschriften wurden geändert und ein amtlicher Leitsatz hinzugefügt
1) Ein Rechtsgrundsatz, dass bei Beurkundungen des Personenstandes zum Identitätsnachweis gegenüber dem Standesbeamten nur ein gültiger oder erst kürzlich abgelaufener Reisepass geeignet ist, besteht nicht.

2) Die Anforderung an den Identitätsnachweis setzt im Zweifelsfalle der Standesbeamte nach Maßgabe des Einzelfalles fest. Dabei ist ein Pass wegen des Lichtbildes, der Registrierung und seiner durch die zeitliche Begrenzung seiner Gültigkeit erzwungenen regelmäßigen Überprüfung ein besonders geeignetes, jedoch nicht das einzig mögliche Mittel zum Nachweis der Identität. Steht die Identität der Person bereits anderweitig fest, ist die Vorlage des Reisepasses entbehrlich.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 249/04

29.09.2005

In dem Personenstandsverfahren

betreffend die Berichtigung des Entrages Nr. 4nnnnim Geburtenbuch des Standesamtes Mnnvon Bnnn

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 21. Juli 2004 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 2004 - 84 T 145/04 - am 29. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 3.000,- EUR zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Die Beteiligten zu 1) und 2) verlangen die Berichtigung des Geburtseintrages Nr. 4nnnndes Standesamts Mitte von Berlin. Dieser lautet:

"Eine Frau, deren Identität nicht geklärt ist, deren Wohnort unbekannt, hat am 14. Oktober 2002 ... einen Knaben geboren. Das Kind hat noch keinen Vornamen erhalten und noch keinen Familiennamen".

Das Amtsgericht Schöneberg hat den Standesbeamten mit Beschluss vom 4. Februar 2004 - 70 III 31/03 - angewiesen, den Eintrag durch Beischreibung folgenden Vermerks zu berichtigen:

"Mutter des Kindes ist InEnnnnn, wohnhaft in Bnnnnnn, Bnnnnnnn. Das Kind hat den Vornamen Snnerhalten und führt den Familiennahmen Ennnnn".

Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3) mit Beschluss vom 17. Juni 2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3).

B.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 47, 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 PStG in Verbindung mit §§ 22, 27, 29 FGG zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats ausgeführt, im Verfahren nach § 25 PStV könne ein Beteiligter, der keine Personenstandsurkunde vorlegen könne, seine Angaben zur Person durch andere öffentliche Urkunden nachweisen, die seine Identität bezeugten. Entsprechend habe die Beteiligte zu 1) durch Vorlage der Identitätskarte für palästinenische Flüchtlinge, ihre Geburtsurkunde sowie die weiteren vorgelegten Urkunden zur Überzeugung der Kammer ihre Identität nachgewiesen.

Die Beteiligte zu 3) ist dem mit dem Argument entgegengetreten, es gebe im Personenstandsrecht bei der Identitätsfeststellung einen allgemeinen "Passvorrang".

II. Die auf Rechtsfehler beschränkte Überprüfung dieser Entscheidung durch den Senat führt nicht zu Beanstandungen.

1) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass bei Eintragung in das Geburtenbuch der Identitätsnachweis der Beteiligten anders als durch die Vorlage eines Reisepasses geführt werden kann.

Bei der Eintragung eines Kindes in das Geburtenbuch trifft den Standesbeamten nach § 20 PStG eine Nachprüfungspflicht nur bei Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben des Anzeigenden.

Dabei ist zu unterscheiden:

a) Die nach § 68a PStG, § 25 PStV vorzulegenden Personenstandsurkunden bilden nach § 60 PStG in der Regel eine verlässliche Eintragungsgrundlage, so dass der Standesbeamte nur auftretenden Unstimmigkeiten nachzugehen hat, etwa wegen inhaltlicher Abweichungen zwischen den Angaben in der Anzeige und den vorgelegten Urkunden (vgl. Hepting/Gaaz, PStR, § 20 PStG, Rn. 9). Bei nicht verheirateten Eltern genügt gemäß § 25 Satz 1 Nr. 2 PStV zunächst die Vorlage der Geburtsurkunde der Mutter; sind die Zweifel dadurch nicht ausgeräumt, kann der Standesbeamte die Vorlage weiterer Urkunden verlangen, § 25 Satz 3 PStV.

Ausländischen Personenstandsurkunden kommt der besondere Beweiswert nach § 60 PStG zwar nicht zu (vgl. § 46a Abs. 2 PStG). Ihre Beweiskraft richtet sich nach den in § 438 ZPO niedergelegten Grundsätzen (§§ 48 Abs. 2 PStG, 12 FGG; vgl. Jansen, FGG, § 12 FGG, Rn. 29, und EinlBeurkG, Rn. 50; s.a. Hepting/Gaaz, PStG § 66 Rn. 14). Danach können Zweifel an der Echtheit insbesondere durch Legalisation ausgeräumt werden.

b) Die Zweifel des Standesbeamten können sich aber auch auf die Identität der Beteiligten beziehen. Bei der Vorlage von Personenstandsurkunden geht es dann um die Frage, ob diese den namentlich bezeichneten Personen zuzuordnen sind. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie der Nachweis der Identität zu erfolgen hat.

aa) § 11 Abs. 2 PStV betrifft nur Eheschließung und Heiratsbuch und in diesem Zusammenhang den Nachweis der Staatsangehörigkeit. Mittelbar betrifft er auch die Eintragung im Geburtenbuch, wenn es auf die Staatsangehörigkeit ankommt.

bb) Allgemein ist ein Pass wegen des Lichtbildes, der Registrierung bei der Passbehörde und seiner durch die zeitliche Begrenzung seiner Gültigkeit erzwungenen regelmäßigen Überprüfung ein besonders geeignetes Mittel zum Nachweis der Identität. Seine Vorlage ist erforderlich, wenn Zweifel des Standesbeamten nicht anders behoben werden können. Allerdings existiert entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kein aus dem Gesetz oder der Rechtsprechung ableitbarer Rechtsgrundsatz, dass zum Identitätsnachweis im Bereich des Personenstandswesen stets ein gültiger oder erst kürzlich abgelaufener Reisepass vorzulegen ist, sofern er beschafft werden kann. Steht die Identität bereits anderweitig fest, ist die Vorlage eines Reisepasses entbehrlich. Umgekehrt kann - je nach den Umständen des Einzelfalles - die Nichtvorlage oder Nichtverlängerung eines vorhandenen oder ohne Schwierigkeiten erhältlichen Reisepasses Zweifel an den Angaben i.S.d. § 20 PStG begründen (vgl. zu den praktischen Möglichkeiten des Standesbeamten bei der Prüfung einer zweifelhaften Identität Jauß, StAZ 2004, 118 ff.; auch Hepting/Gaaz, a.a.O., Rn. 11 ff.).

Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf Entscheidungen des Senats ergibt nichts anderes. Der Beschluss des Senats vom 27. Juni 2000 (StAZ 2000, 303), auf den sich auch das Landgericht bezieht, betrifft die Erteilung eines Ehefähigkeitszeugnisses, für die § 11 Abs. 2 PStV bei Nicht-Deutschen die Vorlage eines Reisepasses ausdrücklich verlangt. Der weiter zitierte Beschluss des Senats vom 9. April 2000 - 1 W 416/01 - betrifft die Berichtigung der Schreibweise eines Namens im Familienbuch nach Maßgabe der lateinischen Schriftzeichen in einem ausländischen Reisepass. Der von der Beschwerdeführerin daraus abgeleitete allgemeine "Passvorrang" bei der Identitätsprüfung im Personenstandswesen findet in der Entscheidung keine Stütze. Keinesfalls steht es im Belieben der Beteiligten, wie sie ihre Identität nachweisen; die Anforderungen setzt vielmehr pflichtgemäß nach Maßgabe des Einzelfalls der Standesbeamte fest. Danach verbleibende Zweifel können im Berichtigungsverfahren gerichtlich überprüft werden.

2) Zweifel an der Identität der Beteiligten zu 1), die nur durch Vorlage eines Passes zu beseitigen wären, haben das Amtsgericht und das Landgericht unter Würdigung der vorhandenen Urkunden rechtsfehlerfrei verneint.

Das Landgericht hat die Fotos in dem vom Landeseinwohneramt ausgestellten Ausweisersatzpapier und in der vorgelegten Identitätskarte für Palästinensische Flüchtlinge verglichen und ist zu dem Bewertung gelangt, sie zeigten dieselbe Person. Unter Berücksichtigung der Angaben in der Geburtsurkunde der Republik Libanon vom 28. April 1980 sowie der weiteren vorgelegten Urkunden ist es zu der Gewissheit über die Richtigkeit jedenfalls des einzutragenden Namens der Beteiligten zu 1) und Kindesmutter gelangt. Dies ist bei der vorzunehmenden Rechtsprüfung nicht zu beanstanden und wahrt die vorstehend dargelegten Grundsätze der Amtsprüfung.

Soweit sich aus dem Inhalt dieser Urkunden Widersprüche über sonstige Angaben zur Person ergeben (die Geburtsurkunde gibt als Geburtsdatum den 11. März 1980 an, während im Ausweisersatzpapier der 4. Februar 1980 genannt ist, und der Identitätskarte zufolge handelt es sich um eine im Libanon lebende Palästinenserin, während die Antragstellerin zu 1) gegenwärtig in Berlin lebt), bedurfte und bedarf dies im Hinblick auf die erstrebte Eintragung in das Geburtsregister keiner weiteren Aufklärung. Diese Umstände könnten im vorliegenden Fall allenfalls mittelbar Bedeutung erlangen, denn das Geburtsdatum der Mutter ist nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PStG nicht eintragungsbedürftig (vgl. § 21 PStG), und ihr richtiger Wohnort - Berlin - steht anderweitig fest (vgl. Ausweisersatzpapier, ausgestellt vom Landeseinwohneramt Berlin vom 9. Februar 2001). Eine Unstimmigkeit, die die Unrichtigkeit der übrigen übereinstimmenden Angaben indiziert oder Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunden nahelegt, brauchte das Landgericht jedoch auch nicht anzunehmen. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass es sich nicht um die einzigen Beweismittel gehandelt hat. Bereits das Amtsgericht hat die Ausländerakte der Beteiligten zu 1) beigezogen, ohne dass dies zu Zweifeln an deren Identität geführt hätte. Das Amtsgericht, ihm folgend das Landgericht, haben in der Gesamtschau der vorliegenden Beweismittel die Identität als festgestellt angesehen. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

C.

Für eine Kostenerstattungsanordnung nach der an sich zwingenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist kein Raum, da die Beschwerdeführerin als Standesamtsaufsichtsbehörde im Berichtigungsverfahren öffentliche Interessen wahrnimmt und deshalb nicht Beteiligte im Sinne des § 13a Abs. 1 FGG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 PStG ist (Senat, StAZ 2000, 216 m.w.N.).

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30, 161 KostO.

Ende der Entscheidung

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