Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 30.08.2005
Aktenzeichen: 1 W 25/04
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 66 Absatz 3 Satz 1
GmbHG § 66 Absatz 5
Ein wichtiger Grund zur Abberufung des nach § 66 Absatz 5 GmbHG vom Gericht bestellten Liquidators besteht auch dann, wenn der Liquidator nicht hätte bestellt werden dürfen, weil der Antragsteller lediglich eigennützige Zwecke verfolgt und die von dem Liquidator durchzuführenden Maßnahmen nicht der Abwicklung dienen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 25/04

In der Handelsregistersache

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 16. Dezember 2003 durch die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch, den Richter am Amtsgericht Müller und den Richter am Kammergericht Dr. Müther in der Sitzung am 30. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 3.000 EUR mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass die Beschlüsse des Amtsgerichts Charlottenburg vom 22. Oktober 2002 und 28. April 2003 aufgehoben sind.

Gründe:

A.

Das Amtsgericht Charlottenburg hat auf den Antrag des Beteiligten zu 2) den Beteiligten zu 3) mit Beschluss vom 22. Oktober 2002 zum Nachtragsliquidator der am 31. Juli 2002 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschten Gesellschaft mit einem beschränkten Aufgabenkreis bestellt. Zuvor hatte der ebenfalls auf Antrag des Beteiligten zu 2) mit Beschluss vom 17. September 2002 zum Nachtragsliquidator bestellte Herr Cnnnn sein Amt niedergelegt und den Bestellungsbeschluss zurückgereicht. Gegen den Beschluss vom 22. Oktober 2002 hat sich der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1), die zum Zeitpunkt der Löschung die alleinige Gesellschafterin der Gesellschaft war, in ihrem Namen und unter - später nachgereichter - Vorlage einer Originalvollmacht mit Schreiben vom 12. Dezember 2002 gewandt mit dem Ziel, den Beteiligten zu 3) als Nachtragsliquidator abzuberufen und die Nachtragsliquidation für beendet zu erklären, hilfsweise einen Herrn Gnnn zum Nachtragsliquidator zu bestellen. Diese Anträge hat das Amtsgericht Charlottenburg mit Beschluss vom 28. April 2003 zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) am 19. Mai 2003 zugestellt worden. Hiergegen hat er mit Schriftsatz vom 2. Juni 2003, der am gleichen Tag beim Landgericht eingegangen ist, Beschwerde eingelegt. Nach der Übersendung dieses Schreibens hat der Beteiligte zu 3) mit Schriftsatz vom 28. Juli 2003 erklärt, dass er sich der bereits erhobenen Beschwerde aus eigenen Gründen anschliesse. Mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 hat das Landgericht den Beschluss vom 28. April 2003 aufgehoben und den Rechtsbehelf des Beteiligten zu 3), den es als Anschlussbeschwerde angesehen hat, als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 3) mit der am 21. Januar 2004 eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde.

B.

Die sofortige weitere Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt. Der Beteiligte zu 3) ist beschwerdebefugt. Nach dem Tenor der landgerichtlichen Entscheidung ist allerdings lediglich der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28. April 2003 aufgehoben worden, mit dem die Anträge der Beteiligten zu 1) auf Aufhebung der Nachtragsliquidation und hilfsweiser Bestellung eines anderen Nachtragsliquidators zurückgewiesen worden sind. Unberührt geblieben ist der Bestellungsbeschluss vom 22. Oktober 2002. Dass das Landgericht gleichwohl auch diesen Bestellungsbeschluss aufheben wollte, ergibt sich aber aus den Gründen der Entscheidung. Denn danach ist der Antrag der Beteiligten zu 1), der auf eine Abberufung des Beteiligten zu 3) als Nachtragsliquidators zielte, begründet. Das Landgericht führt insoweit weiter aus, dass die Bestellung einer anderen Person zum Nachtragsliquidator nicht tunlich sei. Enthält aber der Beschluss des Landgerichts die Abberufung des Beteiligten zu 3) als Nachtragsliquidators ist dieser auch im Sinne des § 20 Absatz 1 FGG, der nach § 29 Absatz 4 FGG auch im Rahmen der weiteren Beschwerde gilt, beschwerdebefugt (vgl. Senat, OLG-Report 2005, 505; OLG Köln OLG-Report 2003, 121 = Rpfleger 2003, 301; Keidel/Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 20 Rn. 92). Soweit das Landgericht angenommen hat, der Beteiligte zu 3) habe eine Anschlussbeschwerde eingelegt, ergibt sich die Beschwer schon aus dem Umstand, dass diese als unzulässig verworfen worden ist.

I. Die sofortige weitere Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Rechtsverletzungen, auf die die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden, § 27 Absatz 1 Satz 2 FGG in Verbindung mit § 546f. ZPO weist die landgerichtliche Entscheidung nicht auf.

1. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beteiligte zu 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28. April 2003 Anschlussbeschwerde einlegen wollte. Dies ergibt sich aus dem Schreiben vom 28. Juli 2003. Dem steht nicht entgegen, dass ihm zu diesem Zeitpunkt der Beschluss vom 28. April 2003 noch gar nicht bekannt war. Denn er hat seine Erklärung auch nach dem Erhalt des Beschlusses aufgrund des Schreibens des Landgerichts vom 30. Oktober 2003 nicht korrigiert. Dann aber durfte das Landgericht bei dem als Rechtsanwalt zugelassenen Beteiligten zu 3) von der Absicht ausgehen, dass dieser an seiner Erklärung festhalten will, zumal dieser selbst mit Schreiben vom 12. November 2003 erklärt hat, dass er nunmehr endlich verstehe, worum es eigentlich gehe. Einer weiteren Nachfrage entsprechend § 138 Absatz 1 ZPO, ob an der Erklärung festgehalten werde oder ob tatsächlich eine Anschlussrechtsmittel eingelegt sein soll, bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Die von dem Beteiligten zu 3) in dem Schriftsatz vom 25. Mai 2005 erklärte Anfechtung wegen Irrtums geht ins Leere, weil Verfahrenshandlungen nicht rückwirkend durch Anfechtungserklärung beseitigt werden können (vgl. BGH NJW 1963, 956, 957; Keidel/Kahl, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 11 Rn. 34). Ist das Landgericht aber zu Recht von der Einlegung einer Anschlussbeschwerde ausgegangen, war diese auch als unzulässig zu verwerfen, weil die Voraussetzungen der Anschlussbeschwerde nicht vorlagen, worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat. Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen.

2. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen seine dem Beschluss zu entnehmende Abberufung als Nachtragsliquidator der Gesellschaft richtet.

a) Das Landgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss vom 28. April 2003 ausgegangen.

aa) Es ist allerdings umstritten, ob ein Gesellschafter durch die Bestellung eines Nachtragsliquidators in der Weise beschwert ist, dass er sich gegen die Bestellung wenden kann (gegen ein Beschwerderecht: Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., Anh. § 60 Rn. 44; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 17. Aufl., § 60 Rn. 39; dafür: Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 60 Rn. 55). Der Senat hat in einem Beschluss vom 10. November 1981 (ZIP 1982, 59, 61) eine Beschwerdebefugnis jedenfalls dann verneint, wenn der Gesellschafter sich gegen die Bestellung eines Nachtragsliquidators mit dem Argument wendet, es sei kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden und deshalb keine Nachtragsliquidation erforderlich. Im dortigen Fall war Anlass der Bestellung die Behauptung des Gläubigers, der Gesellschaft stünden Schadensersatzansprüche gegen den Gesellschafter zu, der zuvor auch gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft gewesen war.

Der Senat ist der Auffassung, dass jedenfalls in einer Fallgestaltung wie der vorliegenden von der Beschwerdebefugnis auch eines Gesellschafters ausgegangen werden muss. Der Nachtragsliquidator hat die noch notwendigen Abwicklungsmaßnahmen durchzuführen, für ihn gilt die Vorschrift des § 70 GmbHG entsprechend. Soweit sich demnach Vermögenswerte ergeben, hat er diese in Geld umzusetzen und dieses nach der Befriedigung der noch vorhandenen Gläubiger an die Gesellschafter auszukehren. Im Rahmen dieser Konstellation spielt es für den Gesellschafter jedenfalls hinsichtlich der Person des Nachtragsliquidators eine erhebliche Rolle, wer das Amt ausübt. Denn dieser nimmt zugleich seine eigenen Vermögensinteressen wahr. Ob hinsichtlich der Annahme einer Beschwerdebefugnis etwas anderes gelten muss, wenn der Nachtragsliquidator lediglich entsprechend § 273 Absatz 4 AktG Abwicklungsmaßnahmen ohne Vermögensbezug vornehmen soll, kann hier offen bleiben. Denn der in dem Beschluss vom 22. Oktober 2002 aufgeführte Wirkungskreis hat einen erheblichen vermögensrechtlichen Bezug, weil es im Wesentlichen darum geht, nach dem Vortrag des Beteiligten zu 2) zugunsten der Gesellschaft bestehende Pfandrechte aufzuheben. Dies betrifft etwa die aufgrund des Arrestbefehls des Landgerichts Berlin vom 19. April 1995, Az.: 19 O 77/95, durchgeführten Pfändungen, aber auch die Vorgänge um die Vermietung der Wohncontainer an den Knnnnn Nnnnnnn e.V. Denn hier sollen der Container und Ansprüche auf Mietzins von der Gesellschaft gepfändet sein. Dass die den Sicherungen zugrunde liegenden Forderungen abgetreten sein sollen, steht einer Beschwerdebefugnis nicht entgegen, weil mit der Anordnung der Nachtragsliquidation zugleich behauptet worden ist, dass die Abtretung unwirksam sei.

bb) Das Landgericht konnte auch von einer Vertretungsbefugnis des Rechtsanwalts Pnnnnnnn für die Beteiligte zu 1) ausgehen. Das Landgericht hat insoweit keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Dies schadet gleichwohl nicht, weil der Senat die entsprechenden Feststellungen selbst treffen kann, weil es hier um verfahrensrechtliche Voraussetzungen geht. Nach § 13 Satz 2 FGG kann sich jeder Beteiligte durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die dem Verfahrensbevollmächtigten erteilte Vollmacht ist im Original zu den Akten gereicht worden. Der von dem Beteiligten zu 3) geltend gemachte Unterschied zu der Unterschrift auf der in Kopie eingereichten notariell beurkundeten Vollmachtserteilung ist nicht erkennbar. Beide Unterschriften weisen gleiche charakteristische Merkmale etwa bei dem Übergang des R zum kleinen O oder bei der Schriftweise des EL auf.

b) Auch die Entscheidung des Landgerichts, es lägen die Voraussetzungen für eine Abberufung des Beteiligten zu 3) als Nachtragsliquidator vor, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Ein wichtiger Grund nach § 66 Absatz 3 Satz 1 GmbHG für die Abberufung eines Liquidators - und zwar auch eines Nachtragsliquidators nach § 66 Absatz 5 GmbHG (vgl. OLG Köln Rpfleger 2003, 301, 302) - ist entsprechend § 38 Absatz 2 GmbHG insbesondere dann anzunehmen, wenn grobe Pflichtverletzungen oder eine Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung vorliegen. Auf ein Verschulden des Liquidators kommt es dabei nicht an BayObLG NJW-RR 1996, 1384; Scholz/K.Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 66 Rn. 45 mwN). Ein wichtiger Grund liegt aber auch dann vor, wenn der Nachtragsliquidator nicht hätte bestellt werden dürfen, weil der Antragsteller lediglich eigennützige Zwecke verfolgt und die von dem Nachtragsliquidator durchzuführenden Maßnahmen nicht der Abwicklung dienen. Denn auch dann liegt eine die Abberufung rechtfertigende Gefährdung des Abwicklungszweckes vor (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 37; BayObLG NJW-RR 1996, 1384; Scholz/K.Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 66 Rn. 45).

So liegt der Fall hier, was der Senat selbst beurteilen kann, weil der Sachverhalt insoweit geklärt ist. Die von dem Nachtragsliquidator nach dem Beschluss vom 22. Oktober 2002 durchzuführenden Maßnahmen dienen nicht der Vollbeendigung der Gesellschaft. Denn nach dem eigenen Vortrag des Beteiligten zu 2), der den Antrag auf Bestellung des Beteiligten zu 3) zum Nachtragsliquidator gestellt hat, ist die durch den Arrestbefehl des Landgerichts Berlin vom 19. April 1995, Az.: 19 O 77/95, gesicherte Forderung, für die die Pfändungsmaßnahmen angeordnet worden sind, am 9. Juni 2000 an einen Herrn Wnnnn Bnnnn abgetreten worden. Die Sicherungsrechte sind nach § 401 BGB insoweit auf den Abtretungsempfänger übergegangen. Denn die Vorschrift gilt auch für Pfändungspfandrechte (vgl. RGZ 67, 214, 221; 135, 272, 273; Roth in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 401 Rn. 4; Staudinger/Busche, BGB, 13. Bearbeitung, § 401 Rn. 17). Soweit der Beteiligte zu 2) weiter geltend macht, aus dieser Abtretung stünden der Gesellschaft Schadensersatzansprüche zu, steht die Durchsetzung dieser Ansprüche jedenfalls nicht in seinem berechtigten Interesse, worauf die Beteiligten zu 2) und 3) in diesem Verfahren mit Schreiben vom 24. Juni 2005 auch hingewiesen worden sind. Denn der Beteiligte zu 2) ist nicht Gesellschafter der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Löschung gewesen und wendet sich gegen die Abtretung nur deshalb, weil ihm diese in einem von ihm gegen den Herrn Bnnnn geführten Rechtsstreit im Wege der Aufrechnung entgegen gehalten worden ist. Ihm fehlte damit nach Lage der Akten insgesamt die Befugnis, die Bestellung eines Nachtragsliquidators zu beantragen. Auf die weiter von ihm in dem Schreiben vom 10. Juli 2005 geltend gemachten Gründe für die Durchführung einer Nachtragsliquidation kommt es nicht an. Denn für diese Maßnahmen ist der Beteiligte zu 3) nicht zum Nachtragsliquidator bestellt. Die Frage, ob die Abberufung - wie das Landgericht meint - auch darauf gestützt werden kann, dass der Beteiligte zu 3) nicht in der erforderlichen Weise für Dritte erreichbar ist, kann insoweit dahin stehen.

II. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Die in das Verfahren der weiteren Beschwerde einbezogenen Beteiligten haben keine gegensätzlichen Anträge gestellt. Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus den §§ 131 Absatz 2, 30 Absatz 2 KostO.



Ende der Entscheidung

Zurück