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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.11.2007
Aktenzeichen: 1 W 254/03
Rechtsgebiete: KostO, EWG-Richtlinie 69/335


Vorschriften:

KostO § 30 Abs. 1
KostO § 30 Abs. 2
KostO § 60
KostO § 61
EWG-Richtlinie 69/335
1. Die Erhebung der nach § 60 Abs. 1 KostO bemessenen Gebühr für die Eintragung eines weiteren Gesellschafters der Eigentümer-GbR im Grundbuch verstößt nicht gegen die Gesellschaftssteuerrichtlinie 69/335/EWG.

2. Der Wert der dinglichen Mitberechtigung des ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, aber mit Alleinvertretungsbefugnis eingetretenen Gesellschafters ist nach § 30 Abs. 1 KostO zu schätzen. Es ist sachgerecht, den Wert wie bei der Eintragung einer Firmenänderung des Eigentümers nach einem Prozentsatz des Grundstückswertes (hier: 10 %) zu bestimmen. Die Obergrenze nach § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO gilt nicht.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 254/03

In der Kostensache

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 4. April 2003 am 6. November 2007

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Erhebung einer Gebühr für die Eintragung der Beschwerdeführerin als weitere Eigentümerin-Gesellschafterin im Grundbuch. Eingetragene Eigentümer des Grundstücks waren die Beteiligten zu 1., 2. und 4. als BGB-Gesellschafter. Die Beteiligte zu 3. ist als Gesellschafterin ohne Anteil am Gesellschaftsvermögen in die GbR eingetreten. Aufgrund von Vollmachten der übrigen Gesellschafter war sie geschäftsführende, alleinvertretungsberechtigte Gesellschafterin der GbR. Unter dem 23.8.2002 hat der Notar eine entsprechende Grundbuchberichtigung beantragt. Diese ist erfolgt. Mit der beanstandeten Kostenrechnung vom 9.10.2002 wurde u. a. für die Eintragung des Eigentümers eine Gebühr von 1.317,00 EUR erhoben, wobei das Amtsgericht /Grundbuchamt als Ausgangswert 1/10 des Grundstückswertes zugrunde gelegt hat. Die hiergegen gerichtete Erinnrung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.11.2002 zurückgewiesen. Die Beschwerde vom 27.11.2002 hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 4.4.2003 zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin macht mit der vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde geltend, der Ansatz von 1/10 des Grundstückswertes sei überhöht, da die Beschwerdeführerin selbst keinerlei eigenen Grundstücksanteil erhalten habe. Darüber hinaus meint sie, die Erhebung der nach einem Bruchteil des Grundstückswerts bemessenen Gebühr verletze die Richtlinie 69/353 EWG des Rates vom 17.7.1999 in der Fassung der Richtlinie 85/303 EWG des Rates vom 10.6.1995 (im Folgenden: Richtlinie). Die in Ansatz gebrachte Gebühr verstoße gegen das Verbot, dass indirekte Steuern mit den gleichen Merkmalen wie eine Gesellschaftssteuer erhoben würden. Die Gebühr falle unter Art. 10 c) der Richtlinie.

II.

1. Die weitere Beschwerde gemäß § 14 Abs. 3 KostO a. F. (§ 163 KostO n. F.) ist zulässig. Das Landgericht hat sie in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich zugelassen. Das Rechtsmittel ist auch formgerecht eingelegt worden. Darüber hinaus ist die erforderliche Beschwer gegeben.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin, mit der diese sich gegen die Ansetzung einer Gebühr nach § 60 KostO für ihre Eintragung als weitere Gesellschafterin der Eigentümer-GbR wendet, greifen nicht durch.

a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin verstößt die beanstandete Gebühr nicht gegen die Richtlinie 69/335 EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital. Soweit die Beschwerdeführerin selbst unmittelbar von der erhobenen Gebühr betroffen wird, greift Art. 10 c) der Richtlinie schon deshalb nicht ein, weil die Beschwerdeführerin nicht der ihrer Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin vorangehenden Eintragung "aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen" ist. Die Eintragung wäre vielmehr auch dann erforderlich gewesen, wenn es sich bei der Beschwerdeführerin um eine natürliche Person gehandelt hätte. Ein Zusammenhang der erhobenen Gebühr mit der Rechtsform der Gesellschaft könnte allenfalls aus der Sicht der GbR in Betracht kommen. Insoweit bestehen jedoch bereits erhebliche Bedenken, ob die GbR überhaupt in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt,die nach Art. 1 die Besteuerung von Kammergerichtpitalgesellschaft betrifft. In Betracht käme dies allenfalls in Anwendung von Art. 3 Abs. 1 c) der Richtlinie, wonach Kapitalgesellschaft jede Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck ist, deren Mitglieder berechtigt sind, ihre Anteile ohne vorherige Genehmigung an Dritte zu veräußern und deren Mitglieder für Schulden der Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person nur bis zur Höhe ihrer Beteiligung haften. An der vorausgesetzten Haftungsbeschränkung fehlt es jedoch im Fall einer GbR (BGHZ 146, 341 sowie die Nachweise bei Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 714 Rdnr. 18). Es kommt hinzu, dass die GbR als solche überhaupt nicht im Grundbuch eingetragen ist, ihre Rechtsform die Berichtigung also nicht notwendig gemacht hat. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, denn bei der erhobenen Gebühr nach § 60 Abs. 1 KostO handelt es sich der Sache nach um eine Besitzwechselsteuer nach Art 12 Abs. 1 b) der Richtlinie. Eine solche Besitzwechselsteuer ist nach Art. 12 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie nur dann unzulässig, wenn der erhobene Betrag höher ist als diejenigen Steuern und Abgaben, die in dem erhebenden Mitgliedstaat für gleichartige Vorgänge erhoben werden; die Prüfung ist von den nationalen Gerichten vorzunehmen (EuGH Urteil vom 15.6.2006 - C 264/04 bei Juris Abs. 44). Das ist hier nicht der Fall. Allein der Umstand, dass die Kostenordnung in § 60 Abs. 4 für den Eigentumsübergang im Erbfall und nach § 60 Abs. 2 KostO für die Grundbucheintragung von bestimmten Familienangehörigen geringere Gebühren vorgesehen hat, widerspricht noch nicht der Richtlinie (EuGH a.a.O.; OLGR München 2006, 845 f). Der Senat folgt insoweit der Auffassung des OLG München (a.a.O.), wonach eine Grundbuchberichtigung in Fällen der vorliegenden Art mit denjenigen Sachverhalten, für die die Kostenordnung eine Gebührenermäßigung vorsieht, nicht vergleichbar ist (vgl. auch FGMünchen, EFG 2007, 377 für die Grunderwerbssteuer).

b) Auch die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die Höhe der Gebühr greifen im Ergebnis nicht durch. Der Wert der dinglichen Mitberechtigung der Beschwerdeführerin kann nach § 30 Abs. 1 KostO geschätzt werden. Allerdings folgt der Senat dem Landgericht und der von ihm zitierten Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts nicht darin, dass sich die Wertbestimmung nach § 30 Abs. 2 KostO richte. In diesem Fall wäre auch die Obergrenze des § 30 Abs. 2 Satz 2 KostO zu beachten. § 30 Abs. 2 KostO ist grundsätzlich nur anwendbar, soweit nicht bereits eine Schätzung nach § 30 Abs. 1 KostO zu einem Geschäftswert führt (Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 30 KostO Rdnr. 44). Die Grenzen zwischen dem Anwendungsbereich von § 30 Abs. 1 und Abs. 2 KostO fließen. Im Zweifel hat Abs. 1 Vorrang vor Abs. 2 (Hartmann a.a.O. Rdnr. 48). Von einer Schätzung nach § 30 Abs. 1 ist nur abzusehen, wenn nach vernünftigem Ermessen und im Rahmen des Wertermittlungsverfahrens der Kostenordnung keinerlei Anhaltspunkte für eine Schätzung gewonnen werden. Nach Auffassung des Senats lässt sich der Wert der dinglichen Mitberechtigung der Beschwerdeführerin durch Zugrundelegen eines bestimmten Prozentsatzes des Grundstückswertes schätzen. So ist im Ergebnis auch das Landgericht unter Berufung auf die zitierte Entscheidung vorgegangen. Kann der Wertbestimmung ein Prozentsatz des als Beziehungswert herangezogenen Grundstückswert zugrundegelegt werden, so wird nicht vom Regelwert des § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO in Höhe von 3.000,00 EUR ausgegangen, sondern im Ergebnis eine Schätzung nach § 30 Abs. 1 KostO vorgenommen. Das erscheint sachgerecht, da auch bei Eintragung einer Firmenänderung des Eigentümers im Grundbuch so vorgegangen wird (Korintenberg/Reimann, KostO 16. Aufl., § 30 Rdnr. 35).

§ 61 Abs. 1 Satz 3 KostO enthält für den vorliegenden Fall keine dem § 30 Abs. 1 KostO vorgehende gesetzliche Regelung. Denn die Beschwerdeführerin hat keinen eigenen Anteil am Vermögen der GbR, der einer Wertberechnung zugrundegelegt werden könnte.

Die vom Landgericht vorgenommene Ermessensentscheidung kann nur auf ihre Gesetzmäßigkeit nachgeprüft werden. Die Angemessenheit und Zweckmäßigkeit unterliegt hingegen nicht der Nachprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts (BayObLGZ a.a.O.). Hier ist ein Rechtsfehler bei der Wertfestsetzung nicht erkennbar. Zulässigerweise hat das Landgericht bei seiner Entscheidung die Tatsache berücksichtigt, dass der Beschwerdeführerin nach den ihr erteilten Vollmachten die Alleinvertretungsbefugnis zukam. Eine derartige Position in der Gesellschaft stellt einen Wert dar, der es als gerechtfertigt ansehen lassen kann, den Geschäftswert auf 1/10 des Grundstückswertes festzusetzen (vgl. a.aO.).

3. Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 14 Abs. 7 KostO).

Ende der Entscheidung

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