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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 31.07.2007
Aktenzeichen: 1 W 259/07
Rechtsgebiete: ZPO, RVG, RVG-VV


Vorschriften:

ZPO § 118 Abs. 1 Satz 3
RVG § 45 Abs. 1
RVG-VV Nr. 1003
RVG-VV Nr. 3101
RVG-VV Nr. 3104 mit Vorbem. 3 Abs. 3
RVG-VV Nr. 3337
RVG-VV Nr. 3513
1. Der "für die beabsichtigte Klage und den beabsichtigten Vergleich" beigeordnete Rechtsanwalt erhält aus der Landeskasse die Verfahrensgebühr (VV 3100, 3101), die Terminsgebühr (VV 3104 mit Vorbem. 3 Abs. 3) und die Einigungsgebühr (VV 1003), soweit diese Gebühren entstanden sind.

2. Durch die Fertigung des lediglich im PKH-Antragsverfahren eingereichten Klageentwurfs entsteht die verminderte Verfahrensgebühr VV 3101, soweit Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage bewilligt wird.

3. Wird in dem - hier vom Beschwerdegericht - anberaumten Erörterungstermin nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe "für die beabsichtigte Klage und den beabsichtigten Vergleich" ein Vergleich protokolliert, so erhält der beigeordnete Anwalt die Terminsgebühr nach VV 3104, Vorbem. 3 Abs. 3.

4. In diesem Fall ist nur die verminderte Einigungsgebühr nach VV 1003 entstanden.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 259/07 82 AR 148/06

In Sachen

hier: Kostenstreit des Rechtsanwalts Un Snnn, Annnnnnnnn, 1nn Bnnn,

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin hat auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking als Einzelrichter am 31. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden als dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aus der Landeskasse zu zahlende Gebühren und Auslagen über die bereits festgesetzten Beträge hinaus weitere 294,29 Euro festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1, 3 RVG zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist zum Teil begründet. Dem Beschwerdeführer stehen aufgrund seiner Beiordnung als Verfahrensbevollmächtigter der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens 23 O 366/05 Landgericht Berlin Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 1.383,88 Euro zu. Abzüglich der im Festsetzungsbescheid vom 17. Juli 2006 festgesetzten 1.066,39 Euro und der im angefochtenen Beschluss vom 28. März 2007 weiter festgesetzten 23,20 Euro verbleibt der noch festzusetzende Betrag von 294,29 Euro. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Zu Recht hat das Landgericht eine Verfahrensgebühr von - lediglich - 0,8 nach RVG VV 3100, 3101 Nr. 1 berechnet. Die PKH-Bewilligung und Beiordnung für die beabsichtigte Klage erfasst die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren, die mangels Einreichung der Klage zum Zwecke ihrer Zustellung jedoch als ermäßigte Gebühr nach VV 3101 entstanden ist. Der Prozessauftrag für den im PKH-Verfahren gefertigten Klageentwurf stand zunächst zwar unter der Bedingung, dass Prozesskostenhilfe für diese Klage bewilligt würde. Diese Bedingung ist aber eingetreten. Damit ist die Gebühr erwachsen.

2. Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht - lediglich - eine 1,0 Einigungsgebühr nach VV 1003 angesetzt. Zwar war das Streitverfahren mangels Einreichung der Klage noch nicht anhängig (siehe oben). Noch anhängig im Sinne der Anmerkung zu VV 1003 war aber das Verfahren über die Prozesskostenhilfe. Denn es kann keinen Unterschied machen, dass bei Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage und den beabsichtigten Vergleich bereits bewilligt und damit das gerichtliche PKH-Verfahren beendet war. Entscheidend ist, dass der anwaltliche Auftrag hinsichtlich des anhängig gemachten Streitgegenstands bei Abschluss des Vergleichs noch nicht beendet war, sondern diesen gerade mit umfasste. Daraus folgt auch, dass die Ausnahme zu VV 1003 - dass lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung beantragt war - nicht vorliegt. Denn Prozesskostenhilfe ist hier für den Streitgegenstand selbst beantragt worden (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken, RVG 17. Aufl., VV 1003, 1004 Rdnr. 7).

3. Soweit das Landgericht neben diesen Gebühren eine weitere 0,5-Verfahrensgebühr nach VV 3337 oder VV 3500 - mit einer weiteren Postentgeltpauschale nach VV 7002 - angesetzt hat, die von der PKH-Bewilligung für den beabsichtigten Vergleich umfasst seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

a) Durch seine Tätigkeit im PKH-Antrags- und -beschwerdeverfahren sind Rechtsanwalt Snnn allerdings die Gebühren nach RVG VV 3335, 3500 und 3513 entstanden. Die PKH-Bewilligung bezieht sich jedoch nicht auf diese Verfahren. Das ergibt sich auch nicht daraus, dass Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 6. Oktober 2005 gewährt wurde, also seit dem Tag des Eingangs des Antrags auf Prozesskostenhilfe. Denn an diesem Tag wurde auch ein Klageentwurf eingereicht, so dass die Beiordnung "für die beabsichtigte Klage" eine bereits zu diesem Zeitpunkt entfaltete Tätigkeit des Rechtsanwalts erfasste.

b) Das Landgericht verweist darauf, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs im PKH-Verfahren notwendig eine Gebühr des Anwalts für das Betreiben des Geschäfts einschließe (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe a.a.O. VV 3335 Rdnr. 29; Senat, MDR 1988, 787 = JurBüro 1988 1168; Senat MDR 1991, 263 = Anw.Bl. 1991, 543; KG - 19. ZS -, KG-Report 1996, 274; a. A. BGH NJW 2004, 2595). Das trifft zwar zu, führt in der vorliegenden Fallgestaltung aber nicht zum Ansatz einer weiteren Verfahrensgebühr:

(1) Die vorstehend zitierten Entscheidungen betreffen den Fall, dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ausdrücklich auf den Abschluss eines Vergleichs über nicht rechtshängige Ansprüche beschränkt war. Die Gebühr des Rechtsanwalts für das Betreiben des Geschäfts kann in diesem Fall nur aus seiner Mitwirkung im PKH-Verfahren (RVG VV 3335; BRAGO § 51) hergeleitet werden, wobei allerdings nach Stellung des PKH-Antrags für eine Ermäßigung nach VV 3337 kein Raum sein dürfte (vgl. Müller-Rabe a.a.O. Rdnr. 45). Hier wurde Prozesskostenhilfe aber auch für die beabsichtigte Klage bewilligt, wodurch zugleich die Verfahrensgebühr nach VV 3101 entstanden ist (siehe oben). Diese Gebühr entsteht nach § 15 Abs. 2 RVG nicht zusätzlich zu der im PKH-Verfahren entstandenen Verfahrensgebühr VV 3335, da es sich im ersten Rechtszug um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 16 Nr. 2 RVG handelt und eine Zusammenrechnung der Werte nicht stattfindet, Anm. (2) zu VV 3335.

(2) Die im PKH-Beschwerdeverfahren entstandenen Gebühren sind von der PKH-Bewilligung nicht umfasst. Das gilt nach Auffassung des Landgerichts jedenfalls für die Terminsgebühr nach VV 3513, nicht anders aber auch für die Verfahrensgebühr nach VV 3500. Soweit für den Fall der Beiordnung für einen Vergleichsschluss im Beschwerdeverfahren (siehe etwa Gerold/Schmidt/von Eicken, BRAGO 15. Aufl., Rdnr. 8 vor § 121 und § 122 Rdnr. 71) vertreten wird, dass diese Bewilligung ebenfalls die zwangsläufig für das Betreiben des Geschäfts entstehende Verfahrensgebühr des Anwalts umfasse, gelten die vorstehenden Erwägungen zu (1). Wird - wie hier - Prozesskostenhilfe ausdrücklich auch für die beabsichtigte Klage, also gerade für das zu betreibende Geschäft bewilligt und erstreckt sie sich damit bereits auf die Verfahrensgebühr nach VV 3101, so liegt der Fall nicht anders als bei der Bewilligung für den Abschluss eines Vergleichs über bereits rechtshängige Ansprüche: Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bezieht dann auch auf die für diese entstandene Verfahrensgebühr (Senat, MDR 1988, 787 und MDR 1991, 263; siehe dazu von Eicken a.a.O. § 122 Rdnr. 71), nicht aber daneben auch auf die Verfahrensgebühr für das Beschwerdeverfahren. Denn diese Gebühr musste keineswegs notwendig - zusätzlich neben der Gebühr VV 3101 - durch den Abschluss des Vergleichs entstehen. Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage war hier das Beschwerdeziel erreicht, wozu es einer förmlichen Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht bedurfte. Beim Abschluss des Vergleichs ist Rechtsanwalt Snnn dann nicht mehr zur Beendigung des Beschwerdeverfahrens tätig geworden, sondern im Hinblick auf das sonst einzuleitende Streitverfahren, für das Prozesskostenhilfe bewilligt war.

4. Hingegen ist eine Terminsgebühr nach VV 3104 entstanden und auch von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe umfasst.

a) Der Terminsgebühr nach VV Nr. 3104 steht nicht entgegen, dass dem Rechtsanwalt vor seiner Beiordnung bereits eine Terminsgebühr im PKH-Beschwerdeverfahren nach VV 3513 erwachsen ist, die von der PKH-Bewilligung nicht umfasst ist (siehe oben). Die im Termin getroffene Entscheidung des Beschwerdegerichts, Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage und den beabsichtigten Vergleich zu bewilligen und Rechtsanwalt Snnn beizuordnen, stellte eine Zäsur für die gebührenrechtliche Bewertung dar. Der Termin wurde "nunmehr" fortgesetzt durch die Protokollierung des Vergleichs. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Rechtsstreit - als streitiges Verfahren - noch nicht anhängig war und die Protokollierung des Vergleichs daher gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO erfolgte (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. ZPO). Entscheidend ist, dass in dem Termin im Anschluss an die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage eine auf die Vermeidung des streitigen Verfahrens gerichtete Besprechung stattgefunden hat, womit die Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG erfüllt sind (vgl. BGH MDR 2007, 863 = Rpfleger 2007, 430).

b) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe umfasste ohne Weiteres auch die mit dem Abschluss des Vergleichs notwendig verbundene Besprechung. Das folgt bereits daraus, dass die Bewilligung und Beiordnung hier nicht auf den Abschluss des Vergleichs beschränkt wurde, sondern auch für die beabsichtigte Klage, also das durch den Vergleich zu vermeidende Streitverfahren erfolgte. Es kommt daher nicht darauf an, ob an den Grundsätzen der zitierten Rechtsprechung (vgl. MDR 1991, 263, KG-Report 1996, 274), wonach die auf den Vergleichsabschluss beschränkte Beiordnung die Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO nicht umfasst, weil eine Erörterung mit dem Abschluss des Vergleichs nicht zwangsläufig verbunden ist, für die umfassend geregelte Terminsgebühr nach RVG VV 3104, Vorbemerkung 3 Abs. 3 festzuhalten ist.

c) Der Entstehung der Terminsgebühr steht auch nicht die Anm. (3) zu VV Nr. 3104 entgegen. Es ist nicht lediglich beantragt worden, eine Einigung der Parteien über nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen. Der Protokollierung ging vielmehr eine Erörterung der Sach- und Rechtslage voraus, die dazu führte, dass die Parteien sich verglichen haben.

Allerdings fand diese Erörterung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens 11 W 11/05 KG statt. Für die dabei entstandene Terminsgebühr nach VV 3513 ist - wie ausgeführt wurde - keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Das schließt es aber nicht aus, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf die in diesem Termin erfolgte Besprechung der Parteien zu beziehen. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob nach dem Gerichtsbeschluss, in dem die Bewilligung erfolgte, noch eine Erörterung des zu protokollierenden Vergleichs erfolgte, was sich mangels eines entsprechenden Protokollvermerks nicht feststellen lässt, durch die Darstellung von Rechtsanwalt Knnn im Schreiben vom 15. August 2006 aber immerhin glaubhaft gemacht ist. Denn die PKH-Bewilligung sollte rückwirkend - sogar ab 6. Oktober 2005 - gelten und sich auf die "beabsichtigte Klage" erstrecken. Sie erfasste mithin die gesamte auf die Vermeidung des Rechtsstreits gerichtete Besprechung der Rechtsanwälte unabhängig davon, ob der Wortlaut des Vergleichs vor Verkündung des Gerichtsbeschlusses bereits vollständig ausgehandelt war oder Einzelheiten noch erörtert werden mussten. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren - nachdem das Beschwerdegericht die Erfolgsaussicht in der Sache bejaht hatte - eröffnete der Antragstellerin den nötigen Entscheidungsspielraum, ob sie den beabsichtigten Vergleich schließen oder die Klage einreichen würde. Die daraufhin zu Protokoll des Gerichts erklärte Einigung der Parteien erfüllte die Voraussetzungen der Terminsgebühr nach VV 3104, Vorbemerkung 3 Abs. 3.

6. Nach alledem errechnen sich die Vergütungsansprüche des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen die Landeskasse wie folgt:

 0,8 Verfahrensgebühr VV 3100, 3101 Nr. 1 312,80 Euro
1,2 Terminsgebühr VV 3104 469,20 Euro
1,0 Einigungsgebühr VV 1003 391,00 Euro
Postentgeltpauschale VV 7002 20,00 Euro
 1.193,00 Euro
16 % Umsatzsteuer 190,88 Euro
 1.383,88 Euro.

7. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

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