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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.03.2007
Aktenzeichen: 1 W 285/06
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 141a
FGG § 12
Als ein die Löschung nach § 141a FGG hindernder Vermögenswert ist bereits anzunehmen, wenn die Gesellschaft eine konkrete Forderung behauptet und diese ernsthaft verfolgt. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn ohne weiteres ersichtlich ist, dass die Forderung nicht besteht oder werthaltig ist.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 285/06

In der Handelsregistersache

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 27. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch und den Richter am Kammergericht Dr. Müther in der Sitzung am 6. März 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschlüsse des Landgerichts Berlin vom 27. Juni 2006 und des Amtsgerichts Charlottenburg vom 1. März 2006 werden aufgehoben. Das Löschungsverfahren wird eingestellt.

Gründe:

A.

Die am 23. Mai 1997 gegründete Gesellschaft ist seit dem 19. November 1997 unter der Registernummer nnn im Handelsregister B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Mit einem Beschluss vom 30. Dezember 1999 ist ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen worden. Dieser Beschluss und die daraus folgende Auflösung sind am 18. April 2000 in das Register eingetragen worden. Mit Schreiben vom 15. Februar 2001 ist dem Liquidator der Gesellschaft die Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit angekündigt worden. Mit Schreiben vom 21. März 2001 hat die Gesellschaft hiergegen mit der Behauptung Widerspruch eingelegt, ihr stünden aus einer Geschäftsverbindung noch erhebliche Forderungen gegen ihren Alleingesellschafter zu. Mit Schreiben vom 2. April 2003 teilte das Finanzamt mit, dass das bisher noch laufende Besteuerungsverfahren nunmehr abgeschlossen sei und aus steuerlicher Sicht keine Bedenken mehr gegen eine Löschung bestünden. Auf Nachfrage teilte die Gesellschaft mit, dass sie gegenüber Sozialversicherungsträgern Klageverfahren führen würde, deren Abschluss nicht absehbar sei. Mit Schreiben vom 11. Januar 2005 kündigte das Registergericht erneut die Löschungsabsicht an. Auch hiergegen legte die Gesellschaft mit Schreiben vom 8. Februar 2005 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 1. März 2006 hat das Amtsgericht dann den Widerspruch vom 8. Februar 2005 zurückgewiesen. Gegen diesen ihrem Liquidator am 7. März 2006 zugestellten Beschluss hat die Gesellschaft mit Schreiben vom 10. März 2006, der am 13. März 2006 beim Gericht eingegangen ist, Beschwerde eingelegt. Diese Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. Juni 2006, zugestellt am 4. Juli 2006, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde vom 18. Juli 2006, die am gleichen Tag beim Gericht eingegangen ist.

B.

I. Die sofortige weitere Beschwerde vom 18. Juli 2006 ist nach den §§ 141a Abs. 2 Satz 3, 141Abs. 3 Satz 2 FGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist innerhalb der Frist von zwei Wochen nach §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 2 FGG eingegangen. Die Beschwerdebefugnis der Gesellschaft ergibt sich aus der Zurückweisung ihrer gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 1. März 2006 gerichteten Beschwerde.

II. Die sofortige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Vorinstanzen sind zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a Abs. 1 Satz 1 FGG gegeben sind.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die Löschung einer Kapitalgesellschaft nach § 141a FGG habe nur dann zu unterbleiben, wenn vor der Eintragung der Löschung glaubhaft gemacht werde, dass die Gesellschaft nicht vermögenslos sei. Eine Vermögenslosigkeit sei allerdings besonders sorgfältig auf der Grundlage konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Bestünden objektive Anhaltspunkte für eine Vermögenslosigkeit, sei es jedoch Sache der Gesellschaft, diesen Anschein durch gegenläufige Angaben zu erschüttern. Danach sei hier von einer Vermögenslosigkeit auszugehen. Sowohl die Angaben des Finanzamtes für Körperschaften als auch die Auflösung der Gesellschaft wegen der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels einer die Kosten des Insolvenzverfahrens deckenden Masse legten die Vermutung einer Vermögenslosigkeit nahe. Diese Vermutung würde auch nicht durch die Behauptung des Bestehens von Forderungen gegen den Alleingesellschafter entkräftet. Denn insoweit sei weder eine Realisierbarkeit der Forderungen noch eine ernsthafte Verfolgung der Ansprüche durch die Gesellschaft, die nur durch gerichtliche Geltendmachung erfolgen könne, ersichtlich. Hinsichtlich des näher dargelegten Zahlungsanspruchs gegenüber der nnnnnnnnnnnn fehle es zum jetzigen Zeitpunkt an näherem Vortrag, dass es sich noch um verteilungsfähiges Vermögen handele.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis nicht stand. Das Landgericht hat zu Unrecht eine Vermögenslosigkeit angenommen.

a) Für eine Vermögenslosigkeit im Sinne des § 141a Abs. 1 FGG kommt es nicht darauf an, ob die Gesellschaft überschuldet ist, sondern darauf, ob sie überhaupt noch über verteilungsfähiges Aktivvermögen verfügt (vgl. Senat, NJW-RR 1986, 1240, 1241 = OLGZ 1986, 296; OLG Hamm NJW-RR 1993, 584, 549 = GmbHR 1993, 295; Jansen/Steder, FGG, 3. Aufl., § 141a Rn. 15 mwN). Als Aktivvermögen sind dabei alle Werte anzusehen, die ein ordentlicher Kaufmann noch als Aktiva in die Bilanz einstellt (vgl. OLG Köln Rpfleger 1994, 360, 361; BayObLG Rpfleger 1995, 419; Jansen/Steder, aaO, § 141a Rn. 15). Als Aktivvermögen ist danach auch eine Forderung anzusehen, wenn sie rechtlichen Bestand hat und werthaltig ist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das Registergericht im Verfahren nach § 141a Abs. 1 FGG zu prüfen. Dabei ist eine Forderung jedenfalls dann als berücksichtigungsfähig und damit als Vermögenswert anzusehen, wenn die Gesellschaft beabsichtigt, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen und dieser nicht offensichtlich unbegründet ist (vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 103 = Rpfleger 1994, 510; zu § 2 Abs. 3 LöschG: OLG Celle GmbHR 1997, 752). Dies folgt daraus, dass es nicht Aufgabe des Registergerichts sondern des Prozessgerichts ist, schwierige tatsächliche oder rechtliche Fragen in Bezug auf die geltend gemachten Forderungen zu klären (vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 103, OLG Celle GmbHR 1997, 752). Eine ins Einzelne gehende Aufklärung der Werthaltigkeit einer bestrittenen Forderung durch das Registergericht muss schon an der fehlenden Beteiligung des Anspruchsgegners scheitern und erweist sich wegen der notwendigen gerichtlichen Geltendmachung der Forderung vor dem Prozessgericht auch nicht als zweckmäßig. Eine Löschung der Gesellschaft ohne Entscheidung durch das Prozessgericht würde demgegenüber die Gesellschaft an der Geltendmachung einer den Umständen nach gerechtfertigten Forderung hindern oder aber die Bestellung eines Nachtragsliquidators notwendig machen, wobei sich im Rahmen des Bestellungsverfahrens wiederum die Frage nach den Erfolgsaussichten des angestrebten Verfahrens stellen könnte.

b) Reicht es danach aus, dass die Gesellschaft eine nicht offensichtlich unbegründete Forderung ernsthaft verfolgt, kann im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht von einer Vermögenslosigkeit ausgegangen werden.

Das Landgericht hat zwar zu Recht ausgeführt, dass die nach dem Vortrag der Gesellschaft gegen den Alleingesellschafter bestehenden Forderungen nicht als Aktivvermögen angesehen werden können. Insoweit bestehen wegen der fehlenden Leistungsfähigkeit des Gesellschafters bereits Zweifel an einer Durchsetzbarkeit eines etwaigen Titels. Dass ein solcher Titel erstritten werden könnte, erscheint überdies wegen der Möglichkeit der Erhebung einer Verjährungseinrede ausgeschlossen. Die Gesellschaft verfolgt die entsprechende Ansprüche auch nicht ausreichend ernsthaft, um den Ansprüchen aufgrund dieses Umstands einen Aktivwert zuzusprechen, der der vermuteten Vermögenslosigkeit entgegenstehen könnte. Die Gesellschaft hat keine konkreten Maßnahmen, wie die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eine Klageerhebung, vorgetragen.

Die Gesellschaft kann aber deshalb nicht als vermögenslos angesehen werden, weil sie gegenüber der nn Berlin einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 22.909,38 EUR wegen überbezahlter Sozialversicherungsbeiträge für von ihr beschäftigte Arbeitnehmer geltend macht, den sie zunächst im Widerspruchsverfahren und nunmehr im Klageverfahren vor dem Sozialgericht verfolgt. Dieser Vortrag und die mit dem Schriftsatz vom 14. September 2006 zur Begründung der weiteren Beschwerde eingereichten entsprechenden Unterlagen sind nicht deshalb unbeachtlich, weil der Senat grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen gebunden ist und allein eine rechtliche Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung vorzunehmen hat, vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG in Verbindung mit § 559 ZPO. Denn bereits mit einem Schreiben vom 4. Juni 2003 war gegenüber dem Amtsgericht geltend gemacht worden, dass die GmbH gegenüber Sozialversicherungsträgern Klageverfahren führen würde, die zu Erstattungen führen können. Allein dies wäre bereits Anlass für weitere Ermittlungen (§ 12 FGG) in diese Richtung gewesen. Entscheidend ist aber, dass das konkrete Bestehen des gegen die nn gerichteten Anspruchs schon - wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Beschluss des Landgerichts selbst ergibt - im Beschwerdeverfahren geltend gemacht worden ist. Denn mit dem Schriftsatz vom 17. Mai 2006 ist gegenüber dem Landgericht nicht nur dargelegt worden, dass die fehlende Leistungsfähigkeit des Alleingesellschafters wegen bestehender Anfechtungsmöglichkeiten nach dem AnfG unerheblich sei, sondern ist zugleich das an die nn gerichtete Schreiben des Rechtsanwalts nnn vom 2. März 2005 eingereicht worden. Dieser Umstand ist ausreichender Anlass zur Annahme des Vorhandenseins von Vermögen, weil sich aus dem Schreiben vom 2. März 2005 ergibt, dass die Gesellschaft einen Rechtsanwalt zur Verfolgung der gegenüber der nn Berlin bestehenden Ansprüche beauftragt hat und diesem sogar Prozessauftrag für den Fall erteilt hat, dass eine freiwillige Zahlung durch die nn nicht erfolgt.

III. Nach alldem sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Da der Sachverhalt ausreichend geklärt ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO entsprechend. Danach ist das Löschungsverfahren einzustellen, weil die Gesellschaft derzeit nicht als vermögenslos i. S. d. § 141a Abs. 1 Satz 1 FGG angesehen werden kann.

IV. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen.

Ende der Entscheidung

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