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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 24.11.2009
Aktenzeichen: 1 W 412/09
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1896
FGG § 12
FGG § 68b
Ordnet das Vormundschaftsgericht die Einholung Betreuungsgutachtens an, kann diese Zwischenverfügung nach Vorlage des Gutachtens nicht mit dem Ziel angefochten werden, die Rechtswidrigkeit der Gutachtenanordnung festzustellen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 412/09

24.11.2009

In der Betreuungssache

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Betroffenen vom 2. Oktober 2009 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 22. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht B. Becker sowie die Richter am Kammergericht Hinze und Müller am 24. November 2009 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die weitere Beschwerde ist statthaft. Insoweit kam es nicht auf die Statthaftigkeit der Erstbeschwerde an, weil dies im Rahmen der weiteren Beschwerde selbständig zu beurteilen ist (Senat, Beschluss vom 11. September 2001 - 1 W 315/01 - FGPrax 2002, 63). Gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts ist die weitere Beschwerde gegeben, § 27 Abs. 1 FGG, soweit diese nicht ausnahmsweise ausgeschlossen oder an eine Zulassung gebunden ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. Es finden die bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensvorschriften Anwendung, weil die zugrunde liegende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts vor dem 1. September 2009 ergangen ist, Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG (OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Oktober 2009 - 18 UF 233/09 - Juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. September 2009 - 3 Wx 187/09 -, Juris; BT-Drs. 16/6308, S. 359; Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 16. Aufl., Art. 111 FGGRG, Rdn. 4; a.A. Prütting, in: Prütting/Helms, FamFG, Art. 111 FGG-RG, Rdn. 5).

Das Rechtsmittel ist auch zulässig, insbesondere ist es formgerecht durch den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen erhoben worden, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG.

II. In der Sache hat die weitere Beschwerde keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, worauf die Nachprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde beschränkt ist, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

1. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem Verfahrensfehler. Das Landgericht hat das Recht der Betroffenen auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, nicht verletzt, auch wenn es ihr vor seiner Entscheidung keine Gelegenheit zu einer weiteren Stellungnahme gegeben hat. Es ist nicht ersichtlich, dass die Betroffene über ihre bereits gegenüber dem Vormundschaftsgericht vorgebrachten Einwendungen im Rahmen einer solchen Stellungnahme neue Argumente vorgebracht hätte, die dem Landgericht Veranlassung gegeben hätten, in der Sache anders zu entscheiden. Auch mit der weiteren Beschwerde werden solche neue Argumente nicht vorgebracht.

Nichts anderes folgt daraus, dass die Betroffene damit keine Möglichkeit hatte, zur Nichtabhilfeentscheidung des Vormundschaftsgerichts vom 24. August 2009 Stellung zu nehmen. Das Vormundschaftsgericht hatte die Betroffene bereits mit Verfügung vom 20. Juli 2009 darauf hingewiesen, dass es die Beschwerde im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für unzulässig halte. Der Betroffenen gab das Vormundschaftsgericht Gelegenheit zur Stellungnahme, die darauf mit Schriftsatz vom 17. August 2009 erwiderte. Die Ausführungen in der anschließenden Nichtabhilfeentscheidung entsprachen demgegenüber dem gerichtlichen Hinweis vom 20. Juli 2009 und waren für die Betroffene weder neu noch gar überraschend.

2. Das Landgericht hat die Erstbeschwerde auch in der Sache zu Recht als unzulässig verworfen.

Die Fortsetzung eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens zum Zwecke der Feststellung der Rechtswidrigkeit ist im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht vorgesehen (Kahl, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 19, Rdn. 86; Briesemeister, in: Jansen, FGG, 3. Aufl., § 19, Rdn. 33). Deshalb führt die Erledigung einer angefochtenen Maßnahme regelmäßig zur Unzulässigkeit eines dagegen gerichteten Rechtsmittels (OLG Köln, FGPrax 2009, 69, 70). Vorliegend hat sich die Anordnung des Vormundschaftsgerichts vom 16. Januar 2009, ein Gutachten gemäß § 68b FGG einzuholen, mit der Untersuchung der Betroffenen am 30. Januar 2009 und der Fertigung des Gutachtens vom 15. Februar 2009 erledigt, weil der Sachverständige damit den gerichtlichen Auftrag erfüllt hat.

Ein von der Rechtsprechung anerkannter Ausnahmefall liegt nicht vor. So kann die Annahme eines Rechtsschutzinteresses trotz Erledigung der Hauptsache in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe geboten sein (BVerfG, NJW 1998, 2432; 2002, 2456; ZIP 2008, 2027; BtPrax 2009, 27, 28). Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Betroffene ohne das erledigende Ereignis überhaupt eine Sachentscheidung über ihr Rechtsmittel hätte erreichen können. Denn das Feststellungsbegehren nach Erledigung der Hauptsache kann nicht über den Rechtsschutz hinausgehen, den die Betroffene ohne das erledigende Ereignis in Anspruch hätte nehmen können.

Gegen den Gutachtenauftrag des Vormundschaftsgerichts vom 16. Januar 2009 war ein Rechtsmittel jedoch nicht statthaft, wie das Landgericht zu Recht entschieden hat. Der Senat hat seine in der Vergangenheit vertretene Auffassung, eine solche Zwischenentscheidung sei mit der Beschwerde anfechtbar (Senat, a.a.O. und Beschluss vom 12. September 2000 - 1 W 6183/00 -, FGPrax 2000, 237, 238), inzwischen aufgegeben und sich der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs angeschlossen (BGH, FamRZ 2008, 774). Hiervon wiederum abzuweichen, gibt der vorliegende Fall keinen Anlass.

Mit zutreffenden Erwägungen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, hat das Landgericht ausgeführt, ein Hinweis seitens des Vormundschaftsgerichts an die Betroffene, der Gutachtenauftrag habe keine Pflicht zur Duldung einer entsprechenden Untersuchung begründet, sei entbehrlich gewesen.

Schließlich bedurfte es auch keiner weiteren Feststellungen zu den von der Betroffenen vorgebrachten Umständen bei ihrer Untersuchung durch den Sachverständigen. Selbst wenn der Sachverständige seine Befugnisse überschritten haben sollte, was ggf. im weiteren Verfahren noch aufzuklären sein wird, änderte sich nichts an dem Charakter des zuvor erteilten und mit der Beschwerde angegriffenen Gutachtenauftrags als einfache Zwischenverfügung, die eben keiner gesonderten Anfechtung unterliegt.

III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

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