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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 29.07.2008
Aktenzeichen: 1 W 423/07
Rechtsgebiete: FGG, BGB, VermG, EntschG, GBBerG


Vorschriften:

FGG § 20
FGG § 57 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 1913
VermG § 11b
EntschG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7
GBBerG § 15
1. War der Erblasser an einer Erbengemeinschaft beteiligt, können seine Erben berechtigt sein, sich gegen die Ablehnung der Erweiterung des Wirkungskreises eines Pflegers für die unbekannten Erben eines an dieser Erbengemeinschaft beteiligten Miterben zu beschweren.

2. Soll sich die Erweiterung des Wirkungskreises des Pflegers allein auf einen Vermögenswert beziehen, für den bereits ein gesetzlicher Vertreter gemäß § 11b VermG bestellt ist, fehlt es an einem hierfür erforderlichen Fürsorgebedürfnis. Daran ändert nichts der Umstand, dass möglicherweise noch ein Ausschlussverfahren gemäß §§ 15 GBBerG, 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG bezogen auf diesen Vermögenswert durchgeführt werden kann.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 423/07

29.07.2008

In der Pflegschaftssache betreffend

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde des Beteiligten vom 22. August 2007 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7. August 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch und den Richter am Kammergericht Müller am 29. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Erstbeschwerde zurückgewiesen wird.

Gründe:

A.

Der Beschwerdeführer ist Miterbe und Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 9. Juli 1993 verstorbenen K P . Dieser wiederum war wie der Erblasser Miterbe nach dem am 21. Mai 1946 verstorbenen E E . Zu dessen Nachlass gehörten u.a. die Grundstücke G -L -Straße 1 und 1 sowie P 2 in B . Die Erben nach dem Erblasser sind unbekannt.

Der Beschwerdeführer wurde am 4. Juni 1996 für das Grundstück P 2 als gesetzlicher Vertreter u.a. des Erblassers gemäß § 11b VermG bestellt. Mit Beschluss vom 6. September 1999 bestellte ihn das Vormundschaftsgericht zum Pfleger für die unbekannten Erben des Erblassers mit dem Wirkungskreis "Wahrnehmung der Rechte bezüglich der Grundstücke G -L -S 1 und 1 ". Für diese Grundstücke hatte die Erbengemeinschaft nach E E Restitutionsansprüche angemeldet.

Am 30. Oktober 2003 hat der Beschwerdeführer die Erweiterung des Wirkungskreises um die Abwicklung der Grundstücksangelegenheit P 2 beantragt. Dieses Grundstück war zwischenzeitlich veräußert worden und der Beschwerdeführer beabsichtigte, mit den hieraus erzielten Einnahmen das mittlerweile vor dem Verwaltungsgericht anhängige Restitutionsverfahren für die Grundstücke G -L -S 1 und 1 zu finanzieren.

Das Vormundschaftsgericht hat die Erweiterung des Wirkungskreises mit Beschluss vom 26. März 2004 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat das Landgericht am 7. August 2007 als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner weiteren Beschwerde.

Das Restitutionsverfahren für die Grundstücke ist zu Lasten der Erbengemeinschaft rechtskräftig entschieden worden.

B.

I. Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie formgerecht durch den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten erhoben worden, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten folgt bereits aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde, ohne dass es auf deren Zulässigkeit ankommt (Meyer-Holz, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27, Rdn. 10).

II. Die weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung des Landgerichts, die Erstbeschwerde sei unzulässig gewesen. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Erstbeschwerde aber auch für unbegründet gehalten.

1. Die Erstbeschwerde war zulässig. Insbesondere war der Beschwerdeführer beschwerdebefugt.

Der Senat hat es bislang offen gelassen, ob ein amtierender Pfleger nach § 20 Abs. 1 FGG zur Beschwerde gegen die Ablehnung der Erweiterung seines Wirkungskreises für befugt zu erachten ist, wenn er geltend macht, ohne die Erweiterung werde ihm die weitere Amtsführung erschwert (Senat, Beschluss vom 12. August 1977 - 1 W 2618/77 -, Rpfleger 1978, 138). Auch im vorliegenden Fall muss diese Frage nicht entschieden werden. Der Beschwerdeführer ist aus anderen Gründen beschwerdebefugt.

Der Beschwerdeführer hat gegenüber dem Landgericht klargestellt, dass er die Beschwerde auch in seiner Eigenschaft als Miterbeserbe und als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des neben dem Erblasser zum Miterben berufenen K P erhoben hat. Insoweit kann ihm das Recht zur Beschwerde jedoch nicht versagt werden. Gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG steht die Beschwerde gegen eine Verfügung, durch welche die Anordnung einer Pflegschaft abgelehnt oder eine Pflegschaft aufgehoben wird, jedem zu, der ein rechtliches Interesse an der Änderung der Verfügung hat. Der Senat hat in einer früheren Entscheidung das Beschwerderecht eines Miterben gegen eine Verfügung bejaht, durch welche die Anordnung einer Abwesenheitspflegschaft über einen anderen Miterben abgelehnt worden war (Senat, Beschluss vom 2. Juli 1962 - 1 W 1016/62 -, NJW 1962, 1921). Nichts anderes kann für die Erweiterung des Aufgabenkreises des für einen Miterben bestellten Pflegers gelten. Auch die Ablehnung der Erweiterung des Wirkungskreises des Pflegers fällt unter § 57 Abs. 1 Nr. 3 FGG (Briesemeister, in: Jansen, FGG, 3. Aufl., § 57, Rdn. 10). Jedenfalls in seiner Eigenschaft als Miterbeserbe ist der Beschwerdeführer danach beschwerdebefugt. Denn mit dem Tod des Miterben K P ist dessen Anteil am Sondervermögen der Erbengemeinschaft nach E E auf seine Erben übergegangen, §§ 1922, 1942 BGB (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 67. Aufl., Einf v § 2032, Rdn. 3).

Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers sei nicht gegeben, weil er an der Wahrnehmung seiner eigenen Rechte an dem Veräußerungserlös des Grundstücks P 2 nicht gehindert sei, die er im Verfahren nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 2 EntschG geltend machen könne, kann dem nicht gefolgt werden. Insbesondere ist es unzutreffend, dass es sich hier um originär in der Person eines Miterben oder Miterbeserben entstandene Rechte handelt. Das Landgericht hat übersehen, dass das Grundstück P 2 von vornherein zum Nachlass von E E zählte, seine Erben also auch insoweit gesamthänderisch gebunden waren, § 2032 Abs. 1 BGB. Daran hat die staatliche Verwaltung über das Grundstück nichts geändert, insbesondere ist es dadurch nicht mit dinglicher Wirkung aus dem Nachlass ausgeschieden. Nach Veräußerung des Grundstücks trat an dessen Stelle der hierdurch erlangte Kaufpreis, § 2041 BGB. Sollte ein Verfahren nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EntschG in Verbindung mit § 15 GBBerG - bezogen auf den Anteil der unbekannten Erben - durchgeführt werden und zu einem bestandskräftigen Ausschlussbescheid, § 15 Abs. 3 GBBerG, führen, hätte dies wohl zur Folge, dass der Entschädigungsfonds anteilig an der Erbengemeinschaft beteiligt wäre (vgl. Broschat, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Loseblatt, Stand: September 2007, § 10 EntschG, Rdn. 42b; BVerwG, NVwZ 2008, 430, 432), änderte an deren gesamthänderischen Verbundenheit aber nichts. Solange die unbekannten Miterbeserben noch nicht ausgeschlossen sind, kann dem Beschwerdeführer jedenfalls ein rechtliches Interesse an deren gesetzlicher Vertretung nicht abgesprochen werden. Ein allein wirtschaftliches Interesse ist entgegen der Ansicht des Landgerichts darin nicht zu sehen auch wenn die Erweiterung des Wirkungskreises ursprünglich der Finanzierung des verwaltungsgerichtlichen Restitutionsverfahrens dienen sollte.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Erstbeschwerde aber auch als unbegründet angesehen. Dabei kam es nicht darauf an, ob das Vormundschaftsgericht ursprünglich zu Recht eine Pflegschaft nach § 1913 BGB angeordnet hat anstatt den darauf gerichteten Antrag des Beschwerdeführers vom 29. Dezember 1998 an das Nachlassgericht zur Bestellung eines Nachlasspflegers zu verweisen. Im letzteren Fall hätte das Vormundschaftsgericht die bestehende Pflegschaft nicht erweitern können, weil ihm bereits die Zuständigkeit für die Erstbestellung fehlte.

Die Erweiterung des Wirkungskreises auf das Grundstück P 2 kam deshalb nicht Betracht, weil ein hierfür erforderliches Fürsorgebedürfnis nicht vorhanden ist, vgl. § 1913 S. 1 BGB. Die unbekannten Beteiligten bedürfen nicht der Fürsorge, soweit ihre Belange schon durch andere Personen wahrgenommen werden (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1913, Rdn. 3). So ist es hier. Die Belange der unbekannten Erben nach dem Erblasser werden in Bezug auf das Grundstück P 2 durch den hierfür bestellten gesetzlichen Vertreter nach § 11b VermG wahrgenommen. Da der Beschwerdeführer zum gesetzlichen Vertreter bestellt ist, besitzt er bereits die durch die Erweiterung seines Wirkungskreises als Pfleger angestrebte gesetzliche Vertretungsmacht. Als solcher ist er berechtigt, die unbekannten Erben des Erblassers in allen Angelegenheiten, die den Vermögenswert, hier also den Anteil der unbekannten Erben des Erblassers an der Erbengemeinschaft nach E E bezogen auf das Grundstück P 2 , betreffen, wie ein Auftragnehmer zu vertreten, § 11b Abs. 1 S. 5 VermG (Budde, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 11b VermG, Rdn. 9). Nach Veräußerung des Vermögenswerts setzen sich die Pflichten des gesetzlichen Vertreters zur Verwaltung des Vermögenswerts an dem Erlös fort, den er bei Beendigung seiner Tätigkeit an den Eigentümer herauszugeben hat, § 667 BGB (Gisselmann, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 11b VermG, Rdn. 48). Danach waren und sind Verfügungen der Erbengemeinschaft nach E E über - nunmehr - den Kaufpreis aus dem Verkauf des Grundstücks P 2 grundsätzlich nicht ausgeschlossen und der Beschwerdeführer als gesetzlicher Vertreter der unbekannten Miterbeserben ist im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung, vgl. § 2033 BGB, zur Mitwirkung berechtigt, soweit dies zur Erhaltung und Bewirtschaftung des Vermögenswerts erforderlich ist (vgl. Budde, a.a.O., Rdn. 10). Hieran ändert im Grundsatz auch die Möglichkeit der Durchführung eines Aufgebotsverfahrens nach § 15 GBBerG nichts. Erst wenn nach Abschluss eines solchen Verfahrens ein darauf erlassener Ausschlussbescheid bestandskräftig wird, sind die den nicht auffindbaren Miterben zustehenden Vermögenswerte an den Entschädigungsfonds abzuführen, §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 2 EntschG, 15 Abs. 3 S. 6 GBBerG.

Soweit das Landgericht ausgeführt hat, vor diesem Hintergrund könne ein Pfleger durch das Vormundschaftsgericht nicht bestellt werden, weil das Verfahren nach dem Entschädigungsgesetz nicht unterlaufen werden dürfe, ist dies im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Es bedeutet nichts anderes, als dass der Wirkungskreis des Pflegers nach § 1913 BGB so, wie er vorliegend von dem Beschwerdeführer angestrebt worden ist, in Bezug auf den Vermögenswert nicht weiter gehen kann als die Befugnisse eines gesetzlichen Vertreters nach § 11b VermG. Ist danach der gesetzliche Vertreter zur Abführung des Anteils der unbekannten Miterben an den Entschädigungsfonds gemäß §§ 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 2 EntschG,15 Abs. 3 S. 6 GBBerG verpflichtet, kann ein Pfleger nach § 1913 BGB in diesem Fall nicht berechtigt sein, mit dem Vermögenswert anders zu verfahren, da die von ihm vertretenen unbekannten Erben nach Bestandskraft eines Ausschlussbescheids ihre Rechte insoweit verloren haben. Etwas anderes folgt auch nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des BVerwG gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG vom 21. Juni 2007 (3 C 24/06, NVwZ 2008, 430). Sollte das BVerfG der dort vertretenen Auffassung folgen, § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 2 EntschG sei nicht mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG vereinbar, käme ein Ausschlussverfahren nach § 15 GBBerG hier nicht mehr in Betracht und der Beschwerdeführer könnte weiterhin in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter gemäß § 11b VermG über den Vermögenswert verfügen. Sollte § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 S. 2 EntschG den Anforderungen von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG genügen, hätte er den Vermögenswert an den Entschädigungsfonds abzuführen wozu auch ein Pfleger nach § 1913 BGB verpflichtet wäre, vgl. §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1890 BGB.

III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 131 Abs. 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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