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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 1 W 43/05
Rechtsgebiete: GKG, BGB


Vorschriften:

GKG § 22
GKG § 31 (1)
BGB § 426 Abs. 1
Wird ein selbständiges Beweisverfahren von einem kostenbefreiten Antragsteller und zugleich mit selbständigen Anträgen vom nichtbefreiten Antragsgegner betrieben, so vermindert sich die Antragstellerhaftung der nichtbefreiten Partei nach § 22 GKG (§ 49 GKG a. F.) um den Anteil, der den Befreiten im Innenverhältnis getroffen hätte. Das ist - bei gleichem Gegenstand der Beweiserhebung - nach § 426 Abs. 1 BGB ein hälftiger Anteil, da das Innenverhältnis nach § 31 (1) GKG (§ 58 (1) GKG a. F.) in der gemeinsamen Beteiligung als Veranlasser des Beweisverfahrens besteht.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 43/05

In Sachen

hier: Kostenstreit

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2 gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 21. Januar 2005 - 82 AR 179/04 am 7. März 2007 beschlossen:

Tenor:

In Änderung des angefochtenen Beschlusses wird der Kostenansatz des Landgerichts Berlin vom 4. November 2004 (Sollstellung der Justizkasse Berlin vom 25. November 2004 zu KSB-Nr.nnnnnnn ) aufgehoben, soweit er einen Betrag von 2.849,98 EUR übersteigt. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Gründe:

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 2 gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 21. Januar 2005 - 82 AR 179/04, die sich im vorliegenden Altfall gemäß der Übergangsvorschrift des § 72 GKG noch nach dem Gerichtskostengesetz in der bis zum 1. Juli 2004 geltenden Fassung richtet (im Folgenden: GKG), ist nach § 5 Abs. 2 GKG zulässig und teilweise begründet. Gerichtskosten dürfen von der Antragsgegnerin zu 2 nicht in Höhe von 3.474,73 EUR, sondern nur in Höhe von 2.849,98 EUR verlangt werden. Eine weitere Herabsetzung des Kostenansatzes scheidet jedoch aus. 1. Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass die Antragsgegnerin zu 2 in dem vom Land Berlin als Antragsteller eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren 13 OH 9/02 ihrerseits Kostenschuldnerin nach § 49 Satz 1 GKG geworden ist. Soweit ein Antragsgegner im selbständigen Beweisverfahren durch einen eigenen Antrag zum Angriff übergeht und damit selbst zum Antragsteller wird, haftet er als Veranlassungsschuldner gemäß § 49 Satz 1 GKG gegenüber der Staatskasse für die durch seinen Antrag veranlassten Kosten des Verfahrens (Hartmann, KostG, 33. Aufl., § 49 GKG Rn. 5 und 36. Aufl., KV Nr 1610 Rn. 4; OLG Koblenz WoM 97, 383 und Rpfleger 1988, 384). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zu 2 liegt hier eine solche Fallgestaltung vor. Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2003 hat die Antragsgegnerin zu 2 einen im Beweisverfahren nach § 485 ZPO zulässigen selbständigen Gegenantrag (Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 485 Rn. 3) eingebracht. Sie wollte ebenso wie das antragstellende Land die Ursachen und die Verantwortlichkeit für die unzureichende Entwässerung der Fahrbahnflächen im Bereich der Einfahrt- und Ausfahrtrampen des Straßentunnels nnnnnnnnnn klären lassen sowie den Umfang des eingetretenen Schadens und die erforderlichen Kosten seiner Behebung gutachtlich festgehalten wissen. Die hierzu formulierten Fragen der Antragsgegnerin zu 2 sind unter Punkt III in den Beweisbeschluss des Landgerichts vom 27. Februar 2006 aufgenommen worden und sollten eigens von dem Sachverständigen nnnnnn beantwortet werden. Den angeforderten Kostenvorschuss von 1.000 EUR hat die Antragsgegnerin seinerzeit gezahlt.

2. Zutreffend hat das Landgericht auch darauf hingewiesen, dass sich die Kostenschuld der Antragsgegnerin zu 2 nur auf die im selbständigen Beweisverfahren nach KV 1610 a. F. entstandene Verfahrensgebühr von 803 EUR und die gerichtlichen Auslagen für den Sachverständigen nnnnnn von 6.896,97 EUR erstreckt, nicht aber auf die Entschädigung für den Sachverständigen nnnn . Dessen Kosten sind nicht durch den Antrag der Antragsgegnerin zu 2 ausgelöst worden, er hatte lediglich Fragen des Antragstellers zu beantworten.

3. Für die von ihr verursachten Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 7.699,97 EUR haftet die Antragsgegnerin zu 2 neben dem antragstellenden Land gemäß § 58 Abs.1 GKG als Gesamtschuldnerin. Das gilt nicht nur für die Verfahrensgebühr, sondern entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zu 2 auch für die Kosten des Sachverständigen nnnnn . Für die Zurechnung verursachter Kosten der Beweissicherung kommt es nicht darauf an, ob sie aufgrund der Beweisfragen der Gegenseite ebenfalls entstanden wären. Haben beide Parteien für einen Sachverhalt denselben Beweis angetreten, haften sie gegenüber der Staatskasse für die gesamten hierdurch verursachten Kosten als Gesamtschuldner (OLG Koblenz, Rpfleger 1988, 384; OLG Zweibrücken, Rpfleger 1989, 81). Insofern ist es unerheblich, dass die Antragsgegnerin zu 2 die Fragen der Antragstellerin nur zum Teil ergänzt und im Übrigen allenfalls konkretisiert haben will. Entscheidend ist allein, dass das Gutachten des Sachverständigen nnnnnn auf den Beweisfragen beider Parteien zum selben Beweisthema beruht, der Gegenstand der Beweisaufnahme mithin derselbe ist.

An der Gesamthaftung der beiden Antragsteller ändert auch der Umstand nichts, dass das antragstellende Land Gebührenfreiheit nach § 2 Abs. 1 GKG genießt. Das Haftungsprivileg eines Kostenschuldners hat weder Einfluss auf die Entstehung der Gerichtskosten insgesamt (Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 2 Rn. 22; m.w.N.) noch auf das Entstehen eines Gesamtschuldverhältnisses (Mümmler, JurBüro 1983, 22, 23; LG Münster, JurBüro 1985, 1064 m. zust. Anm. Mümmler; OLG Oldenburg, JurBüro 1993, 482; Senat, MDR 1973, 418; OLG Düsseldorf, Rpfleger 1983, 38; a. A. SchlHoOLG AnwBl 1994, 570). Das zeigt § 13 KostO. Diese Vorschrift, welche die Auswirkungen von Gebührenfreiheit für einzelne Gesamtschuldner regelt und Gesamthaftung ausdrücklich voraussetzt, wäre ansonsten gegenstandslos und nicht erforderlich. 4. Trotz der gesamtschuldnerischen Haftung der Antragsgegnerin zu 2 für 7.699,97 EUR ist der angefochtene Kostenansatz von 3.474,73 EUR jedoch nicht gerechtfertigt. Vielmehr durfte die Antragsgegnerin zu 2 nur zur Hälfte der entstandenen Gerichtskosten in Anspruch genommen werden. Das hat zur Folge, dass die Antragstellerin zu 2 nach Abzug des geleisteten Kostenvorschusses von 1.000 EUR der Staatskasse nur noch einen Restbetrag von 2.849,98 EUR schuldet, nämlich (7.699,97 EUR : 2) - 1.000 EUR.

a) Im Gerichtskostengesetz ist die Frage, welche Auswirkungen Gebührenfreiheit auf die Haftung des Prozessgegners für angefallene Gerichtskosten hat, nur für den Fall geregelt, dass bereits eine Kostenentscheidung getroffen oder eine Übernahme erfolgt ist. Nach § 2 Abs. 4 GKG sind Kosten nicht zu erheben und bereits erhobene Kosten zurückzuzahlen, soweit einer kostenbefreiten Partei Kosten des Verfahrens auferlegt werden oder eine solche Partei Kosten des Verfahrens übernimmt. Diese Bestimmung greift hier nicht ein, weil es an einer Kostenentscheidung oder Kostenübernahme fehlt. Eine Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ist erst mit der Kostenentscheidung im Hauptprozess zu erwarten, den das antragstellende Land inzwischen zum Aktenzeichen des Landgerichts Berlin 13 O 271/06 eingeleitet hat.

b) Geboten ist indes ein Rückgriff auf § 13 KostO, der für den Bereich der Kostenordnung die Auswirkungen der Gebührenfreiheit von einzelnen Gesamtschuldnern generell regelt. Wenn einzelnen von mehreren Gesamtschuldnern Gebührenfreiheit zusteht, so vermindert sich nach dieser Vorschrift der Gesamtbetrag der Gebühren um den Betrag, der von den befreiten Beteiligten an die Nichtbefreiten auf Grund gesetzlicher Vorschrift zu erstatten wäre. In dieser Vorschrift kommt ebenso wie in § 2 Abs. 4 GKG der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass das Kosten- und Gebührenprivileg einer Partei erhalten bleiben muss, sie also etwaigen Ausgleichsansprüchen anderer Verfahrensbeteiligter nicht ausgesetzt sein darf (Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 2 Rn. 23; Mümmler, JurBüro 1983, 24). Deshalb bestimmt § 13 KostO, dass die Gebührenfreiheit eines Verfahrensbeteiligten den anderen von vornherein in der Höhe zugute kommt, in der ihnen ein gesetzlicher Ausgleichsanspruch gegen den Befreiten zustehen würde.

Der BGH hat mit diesen Erwägungen den Fall geregelt, dass eine kostenbefreite und eine nicht befreite Partei als Streitgenossen für die Gerichtskosten haften. Er hat ausgesprochen, dass der Streitgenosse einer gebührenbefreiten Partei als Antragsteller der Instanz nur die Hälfte der Gebühren schuldet (BGHZ 12, 270 = Rechtspfleger 1954, 188; BGHZ 17,9 = Rechtspfleger 1955, 274). Dieser Grundsatz muss aber auch dann gelten, wenn ein Verfahren - wie hier das selbständige Beweisverfahren - von einer kostenbefreiten und einer nichtbefreiten Partei als Antragstellern betrieben wird (vgl. für das Verfahren der Zwangsversteigerung, LG Münster, JurBüro 1985, 1063 mit zust. Anm. Mümmler). Hier besteht - wie oben unter Punkt 3 bereits aufgezeigt - zwischen den Parteien ein Gesamtschuldverhältnis nach § 58 GKG wegen der Verfahrenskosten und damit aufgrund von § 426 BGB in Verbindung mit § 58 GKG ein interner Ausgleichsanspruch unter den Gesamtschuldnern (OLG Oldenburg, JurBüro 1993, 482). Deshalb ist in analoger Anwendung des § 13 KostO von vornherein von dem nichtbefreiten Kostenschuldner der Anteil der Kosten nicht zu erheben, der auf den befreiten Kostenschuldner entfällt und sich danach bestimmt, in welcher Höhe dem nicht befreiten Antragsgegner gegen den befreiten Antragsteller ein Ausgleichsanspruch für den Fall zustehen würde, dass dieser Kosten zu zahlen hätte. Das ist im vorliegendem Fall - bei gleichem Gegenstand der Beweiserhebung - nach der Ausgleichsgrundregel des § 426 Abs. 1 BGB ein hälftiger Anteil. d) Dieses Ergebnis fügt sich in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Behandlung von Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, wenn die nach der Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens ausgleichspflichtige Partei gemäß § 2 GKG von der Zahlung von Gerichtskosten befreit ist. In diesen Fällen kann die ganz oder teilweise obsiegende Gegenpartei im Kostenfestsetzungsverfahren wegen § 2 GKG nicht die Erstattung des nach der Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens auf sie entfallenden Gerichtskostenanteils des selbständigen Beweisverfahrens verlangen. Sie hat jedoch bis zu dieser Höhe einen Anspruch auf Rückzahlung vereinnahmter Gerichtskosten durch die Landeskasse. Denn der Umstand, dass die nach der Kostenentscheidung des Hauptsacheverfahrens ausgleichspflichtige Partei gemäß § 2 GKG von der Zahlung von Gerichtskosten befreit ist, darf der Gegenpartei nicht zum Nachteil und der Landeskasse nicht zum Vorteil gereichen (BGH, NJW 2003, 1322, 1324).

e) Entgegen der Auffassung des Landgerichts lässt sich eine andere Entscheidung nicht mit den Verwaltungsvorschriften der Kostenverfügung (KostVfg) rechtfertigen, welche in § 8 KostVfg die Inanspruchnahme gesamtschuldnerisch haftender Kostenschuldner durch den Kostenbeamten näher regelt. Es handelt sich zum einen nur um Durchführungsvorschriften zu den im Rang vorgehenden Kostengesetzen. Eine (analoge) Anwendung von § 8 Abs. 3 Satz 3 GKG auf die Fälle, in denen eine kostenbefreite Partei als Gesamtschuldner neben einer nicht begünstigten Partei haftet, kommt aber - anders als das Landgericht meint - auch sonst nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind die gesamten Gerichtskosten nur von einem Gesamtschuldner anzufordern, wenn anzunehmen ist, dass der andere zur Zahlung überhaupt nicht oder nur in Teilbeträgen in der Lage wäre. Der Umstand, dass ein Gesamtschuldner Kostenfreiheit nach § 2 GKG genießt, kann jedoch nicht als "rechtlich veranlasstes Unvermögen" zur Zahlung der Kosten interpretiert und dem in § 8 Abs. 3 Satz 3 KostVfg geregelten wirtschaftlichen Unvermögen eines Kostenschuldners gleichgesetzt werden. Eine solche Betrachtungsweise widerspricht dem Grund der Kostenfreiheit für die öffentliche Hand. Diese hat ihre Ursache in der Pflicht, den Aufwand für die Errichtung und Unterhaltung der Gerichtsorganisation als Träger der Justizhoheit zu bezahlen (Hartmann, a. a. O., § 2 GKG Rn. 4; BGH, Rpfleger 1982,81; KG, JurBüro 1996, 42). Im Hinblick auf diese Kostenbelastung wird ein nach § 2 GKG begünstigten Rechtsträger jeweils so gestellt, als habe er seinen auf ihn entfallenden Anteil der Gerichtskosten bereits bezahlt. Damit ist aber auch ein Rückgriff auf den mithaftenden Gesamtschuldner wegen dieses Anteils ausgeschlossen.

II. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG).

Ende der Entscheidung

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