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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 14.03.2006
Aktenzeichen: 1 W 445/04
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 34
Einem Betreuer kann nach seiner Entlassung die Einsicht in die Akten nicht mit der Begründung verweigert werden, er sei am Verfahren nicht mehr beteiligt. Jedenfalls soweit der Betreuer am Verfahren beteiligt war, ist ohne weiteres von einem berechtigten Interesse an der Einsichtnahme in die diesen Verfahrensabschnitt betreffenden Akten auszugehen. Der entlassene Betreuer hat aber sein Interesse an einer Akteneinsicht dann konkret darzulegen, wenn er sich bereits im Besitz erbetener Informationen befindet und nicht ersichtlich ist, dass die erstrebte Akteneinsicht zu weiteren Erkenntnissen führt.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 445/04

14.03.2006

In dem Betreuungsverfahren betreffend

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 2. Dezember 2004 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 9. November 2004 - 83 T 231/04 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch und den Richter am Amtsgericht Müller am 14. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Die weitere Beschwerde ist zulässig, §§ 29 Abs. 1 S. 2, 27 Abs. 1 FGG. Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Beschwerde und ggf. die weitere Beschwerde eröffnet, weil es sich bei der Entscheidung über die Akteneinsicht nicht um einen Justizverwaltungsakt, sondern um eine gerichtliche Verfügung handelt (Senat, Beschluss vom 4. April 1978 - 1 W 1331/87 - Rpfleger 1978, 253; Beschluss vom 24. Januar 2006 - 1 W 133/05 - zur Veröffentlichung vorgesehen; OLG Zweibrücken OLG-Report 2003, 111; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 34; Rdn. 13). Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten folgt aus der Zurückweisung seiner Erstbeschwerde durch die angegriffene Entscheidung des Landgerichts (vgl. Meyer-Holz, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27, Rdn. 10).

II. Die weitere Beschwerde bleibt im Ergebnis erfolglos.

1. Allerdings hat das Landgericht die Erstbeschwerde zu Unrecht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verworfen. Die Übersendung der ursprünglich neben dem Akteneinsichtsgesuch erbetenen Ablichtungen von Aktenbestandteilen hat nichts daran geändert, dass dem Beschwerdeführer letztlich die erneute Einsicht in die Akten verwehrt worden ist. Diese Beeinträchtigung ist mithin nicht beseitigt worden. Vorliegend geht es vielmehr darum, ob der Beschwerdeführer durch die Übersendung der Ablichtungen überhaupt noch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 34 Abs. 1 FGG an einer zusätzlichen Akteneinsicht haben kann. Dies ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Rechtsmittels (Senat, Rpfleger 1978, 253).

2. Der Senat kann, da eine weitere tatsächliche Aufklärung des Sachverhalts nicht erforderlich ist, entsprechend § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden (Meyer-Holz, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27, Rdn. 56).

a) Der Antrag des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht war zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 FGG nicht erfüllt sind. Danach kann die Einsicht in die Gerichtsakten jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Berechtigtes Interesse ist jedes vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art, das sich nicht auf vorhandene Rechte zu gründen oder auf das Verfahren zu beziehen braucht (Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 34, Rdn. 5); es reicht im Allgemeinen aus, dass vernünftiges Verhalten durch die Aktenkenntnis beeinflusst werden kann (BayObLGZ 1997, 315, 318; BayObLG-Report 2005, 54). Bei einem Verfahrensbeteiligten ist grundsätzlich von einem berechtigten Interesse auszugehen (OLG Stuttgart, FamRZ 1985, 525). Dies folgt aus seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Deshalb bedarf es insoweit keiner Glaubhaftmachung des berechtigten Interesses (OLG Düsseldorf, BtPrax 1996, 188, 189; BayObLG, BtPrax 1998, 78; OLG München, OLG-Report 2006, 20; 2006, 63).

Die Akteneinsicht konnte dem Beschwerdeführer von dem Vormundschaftsgericht nicht mit der Begründung verwehrt werden, er sei mit seiner Entlassung nicht mehr Verfahrensbeteiligter. Jedenfalls soweit er bis dahin unmittelbar am Verfahren beteiligt war, ist grundsätzlich weiterhin ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in die diesen Verfahrensabschnitt betreffenden Akten anzunehmen. Im Übrigen enden mit der Entlassung auch nicht sämtliche Rechte und Pflichten des Betreuers, so dass er in beschränktem Umfang weiter am Verfahren beteiligt ist. So hat der Betreuer seine Tätigkeit abzuwickeln, indem er etwa das verwaltete Vermögen herauszugeben und Rechenschaft abzulegen hat, §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1890 BGB. Hiermit hat der Beschwerdeführer zunächst auch sein Akteneinsichtsgesuch begründet.

b) Im Ergebnis ist dem Beschwerdeführer die Akteneinsicht aber zu Recht verwehrt worden. Auch die Eigenschaft als Verfahrensbeteiligter schließt das Fehlen eines berechtigten Interesses im Sinne des § 34 Abs. 1 FGG im Einzelfall nicht aus (BayObLG, MDR 1982, 857). Die Akteneinsicht dient nicht einem Selbstzweck, sondern, wie oben dargelegt, bei einem Verfahrensbeteiligten vor allem der Durchsetzung von dessen Anspruch auf rechtliches Gehör. Diesem Anspruch wurde vorliegend entsprochen. Unter diesen Umständen kann auch von einem Verfahrensbeteiligten verlangt werden, sein Interesse an einer neuerlichen Akteneinsicht konkret darzulegen. Befindet sich der Antragsteller nämlich bereits im Besitz erbetener Informationen und ist nicht ersichtlich, dass die erstrebte Akteneinsicht zu weiteren Erkenntnissen führt, fehlt insoweit das berechtigte Interesse (BayObLG, NJW-RR 1998, 294; OLG München, BtPrax 2005, 234 = OLG-Report 2006, 62; Kahl, in: Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 34, Rdn. 13). So ist es hier. Der Beschwerdeführer hatte, nachdem er letztmals am 24. Oktober 2003 Einsicht in die Akten genommen hatte, in seinem Schreiben vom 15. Januar 2004 mitgeteilt, auf die weitere Akteneinsicht könne verzichtet werden, wenn ihm bestimmte Teile der Akte in Ablichtung übersandt würden. Eben dies hat das Landgericht getan. Warum dies nun nicht mehr ausreichend sein soll, hat der Beschwerdeführer nicht erklärt, sondern sich auf "grundsätzliche Erwägungen" berufen, ohne ein berechtigtes Interesse an der weiteren Akteneinsicht darzutun.

III. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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