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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.06.2004
Aktenzeichen: 1 W 46/02
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 39
KostO § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 46/02

In der Notariatskostensache

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde des Notars vom 11. Januar 2002 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. Oktober 2001 am 15. Juni 2004 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird auf Kosten des Notars nach einem Wert von 31.090,90 DM zurückgewiesen.

Gründe:

A. Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe einer notariellen Gebührenforderung für die Beurkundung eines Vertrages.

I. Der Notariatsverwalter - im folgenden: Notar - beurkundete am 27. Juli 2000 u.a. einen Vertrag zwischen Jnn Bnnn und dem Beteiligten zur Urkundenrolle Nummer 93/00. Der Vertrag ist überschrieben mit "Abtretung von Grundschulden nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfung sowie Sicherungsabrede". Teil A des Vertrages regelt die Abtretung eines Anspruchs auf Rückübertragung von Briefgrundschulden zu Beträgen in Höhe von 200.000,- DM, 300.000,- DM und 400.000,- DM durch Jnn Bnnn an den Beteiligten. Teil B des Vertrages enthält eine Sicherungsabrede: Jnn Bnnn verpflichtet sich und die von ihm vertretene nn Wnnn nnnn Bnnnn GmbH darin, einen "in seinen Eckdaten" näher bezeichneten "Vermarktungsvertrag" mit der nn Handelsgesellschaft mbH, Dnnn Dnnnn sowie dem Beteiligen zu schließen. Gegenstand dieses Vertrages ist die Vermarktung von Grundstücken und darauf zu errichtender Häuser auf dem Areal Wnnnn , Bnnnnn straße/Lnnn Grund. Wegen der inhaltlichen Einzelheiten wird auf den Vertragstext und wegen des Hintergrundes des Vertragsschlusses auf die Darstellung im Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. Oktober 2001 (dort S. 2 bis 3) Bezug genommen.

Mit korrigierter Kostenberechnung vom 26. Januar 2001 machte der Notar gegenüber dem Beteiligten unter Hinweis auf seine gesamtschuldnerische Haftung mit Jnn Bnnn für die Beurkundung des Vertrages einen hälftigen Anteil des Gesamtbetrages von 79.788,28 DM geltend. Dieser war berechnet aus der Beurkundungsgebühr gemäß §§ 32, 36 Abs. 2 KostO nach einem Geschäftswert in Höhe von 36.750.000,00 DM (Einnahmeerwartungen aus dem Verkauf der Grundstücke und der Häuser). Der Beteiligte rügte mit Anwaltsschreiben vom 27. Februar 2001 die Berechnung des Geschäftswertes. Im Schriftsatz vom 26. Juni 2001, auf den verwiesen wird, hat er ausgeführt, eine Kostenberechnung in Höhe von insgesamt 5.434,60 DM sei angemessen.

II. Das vom Notar angerufene Landgericht hat mit vorbezeichnetem Beschluss die Kosten nach einem Geschäftwert von 1.892.000,00 DM berechnet und auf 6.965,80 DM herabgesetzt. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Wertbestimmend für die Beurkundungsgebühr gemäß § 36 Abs. 2 KostO sei die Sicherungsabrede, deren Wert sich nach dem Wert des Vermarktungsvertrages bemesse, auf dessen Abschluss sie sich beziehe. Im Wesentlichen sei Gegenstand des im beurkundeten Vertrag umrissenen Vermarktungsvertrages ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand habe, oder ein Maklervertrag. Es komme daher nach § 25 Abs. 2 KostO für den Geschäftswert auf den Wert der Vermittlerbezüge an. Deren Summe betrage 1.892.000,00 DM und übersteige damit den Nennwert der zugleich beurkundeten Grundschuldabtretungen in Höhe von 900.000,00 DM, so dass dieser gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 KostO ausser Betracht bleibe.

III. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Notars.

Er rügt, das Landgericht habe die Interessenlage der Vertragspartner falsch bewertet und sei deswegen zu einem falschen Ergebnis gelangt. Der beurkundete Vertrag sei Voraussetzung für die Finanzierung des Grundstückskaufes zwischen der nn Wnnn nnn Bnnnn GmbH (Geschäftsführer Bnnn ) und den Voreigentümern des Areals in Wnnnn gewesen, auf dem die zu vermarktenden Häuser erst hätten errichtet werden sollen. Damit komme es nach § 39 KostO auf die mit diesem Geschäft insgesamt verbundenen Einnahmeerwartungen an.

Der Beteiligte verteidigt die angefochtene Entscheidung und bestreitet insbesondere die Richtigkeit der Berechnungen des Notars zu den zu erwartenden Einnahmen.

B. Die weitere Beschwerde ist erfolglos.

I. Zwar ist sie zulässig. Inbesondere ist sie - wie nach § 156 Abs. 2 Satz 2 KostO erforderlich - vom Landgericht zugelassen worden, und die Notfrist von einem Monat nach § 156 Abs. 2 KostO ist gewahrt.

II. Sie ist jedoch unbegründet. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Kostenberechnung des Notars vom 26. Januar 2001 nach einem Geschäftswert von 1.892,000,00 DM auf 6.965,80 DM herabgesetzt hat. Die zur Beschwerdebegründung vorgetragenen Argumente führen zur Annahme eines höheren Geschäftswertes.

1) Der Geschäftswert für notarielle Beurkundungen bestimmt sich gemäß §§ 141, 39 Abs. 1 Satz 1 KostO nach dem Wert des Rechtsverhältnisses, auf das sich die beurkundete Erklärung bezieht. Maßgeblich ist der objektive Wert, der sich aus den beurkundeten Erklärungen ergibt. Auf einen Zusammenhang des beurkundeten Geschäfts mit anderen Geschäften sowie das Interesse der Beteiligten an der Beurkundung kommt es nicht an (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2002, 321). Sofern sich inbesondere aus den §§ 18 ff. KostO kein Anhaltspunkt für den Geschäftswert ergibt, eröffnet § 30 KostO unter Berücksichtigung der dort festgelegten Voraussetzungen die Möglichkeit, ihn nach freiem Ermessen zu bestimmen.

Werden in einer Verhandlung mehrere Erklärungen beurkundet, sind die Gebühren - je nachdem, ob die Erklärungen denselben oder verschiedene Gegenstände betreffen - nach Maßgabe des § 44 KostO zu berechnen.

2) In Anwendung dieser Grundsätze ist der Beschluss des Landgerichts, der den Geschäftswert nach dem Gesamtwert der zu erwartenden Provisionen bemisst, nicht zu beanstanden.

a) In zutreffender Weise hat das Landgericht die aus der Vermittlung der Grundstücks- und Hausverkäufe zu erwartenden Provisionszahlungen als Geschäftswert der Kostenberechnung zugrundegelegt, und deren Höhe auf 1.892.000,- DM errechnet.

Der zwischen Jnn Bnnn und dem Beteiligten geschlossene Vertrag vom 27. Juli 2000 ist auf die Sicherung des Abschlusses eines Vermarktungsvertrages zwischen diesen beiden und Dnnn Dnnnn als Vermarktern sowie der nn Wnnn nnn Bnnnn GmbH als Grundstücksgesellschaft und der nn Handelsgesellschaft mbH als Hausbaugesellschaft gerichtet. Dies ergibt sich aus dem mit "Sicherungsabrede" überschriebenen Teils B des Vertrages. Gegenstand des angestrebten Vermarktungsvertrages wiederum ist der Vertrieb von Grundstücken mit zu errichtenden Häusern eines noch zu erwerbenden Areals in Wnnnn , der für die Vermarkter Provisionseinnahmen abwerfen sollte. Der Vertragsentwurf enthält Festlegungen zur Berechnung der Provisionen für die Vermittlung von Grundstücksteilflächen und den Verkauf von Häusern sowie zur Verteilung der Provisionen zwischen den Vermarktern über ein Treuhandkonto des Notars. Die anderen vorgesehenen Abreden im Vermarktungsvertrag, etwa zur Erschließung oder zur Bereitstellung von Darlehen durch Dnnn Dnnnn und Hnn Snnnn (Klauseln Nr. 3 und 5 des Vermarktungsvertrages) ordnen sich diesem Vertragszweck unter. Dies rechtfertigt es, mit der vom Landgericht auf Seite 6 und 7 gegebenen Begründung die Notargebühren auf Basis des zu erwartenden Provisionsertrages zu berechnen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Landgerichts verwiesen.

Ergänzend ist lediglich zu bemerken: Gegenstand des weiteren Beschwerdeverfahrens vor dem Senat ist die Entscheidung des Landgerichts, die Kostenberechnung vom 26. Januar 2001 herabzusetzen. Im Verfahren der Notarkostenbeschwerde ist das Gericht an die gestellten Anträge gebunden; es gilt das Verbot einer Änderung zum Nachteil des Beschwerdeführers (reformatio in peius; vgl. Rohs/Wedewer, KostO, 3. Aufl. 2003, § 156 KostO, Rn. 38; Korintenberg/Bengel/Tiedtke, KostO, 15. Aufl. 2002, § 156 Rn. 58, 75; Senat, DNotZ 1988, 200). Mangels einer Anschlussbeschwerde des Beteiligten ist der Senat daher gehindert, der Frage nachzugehen, ob die Notarkostenberechnung über den vom Landgericht festgesetzten Betrag hinaus noch weiter herabzusetzen wäre, weil der Wert der Sicherungsabrede der Vertragsparteien nur nach den auf diese entfallenden Provisionserwartungen aus dem abzuschließenden Hauptgeschäft zu bemessen sein dürfte, an dem jedoch auch Dnnn Dnnnn als weiterer Vermarkter mit einem Vorabentnahmerecht beteiligt sein sollte.

b) Auf den höheren Veräußerungswert der Grundstücke nebst zu errichtenden Häusern kommt es entgegen der Auffassung des Notars bei der Wertbemessung jedenfalls nicht an.

Es kann dahinstehen, ob der nach dem beurkundeten Vertrag vom 27. Juli 2000 abzuschließende "Vermarktungsvertrag" wirtschaftliche Voraussetzung für den Kauf des Areals in Wnnnn durch die nn Wnnn nnn Bnnnn GmbH war und ob das Interesse des Vertragspartners Jnn Bnnn darauf gerichtet war, den Weiterverkauf der Grundstücke durch ihren Ankauf überhaupt erst zu ermöglichen. Selbst wenn dies - wie der Notar behauptet - der Fall gewesen sein sollte, so ist ein solcher Zusammenhang jedenfalls nicht Gegenstand der beurkundeten Willenserklärungen und folglich nicht wertbestimmender Regelungsgegenstand geworden. Der im beurkundeten Vertrag wiedergegebene "Vermarktungsvertrag" enthält unter 1. lediglich den einleitenden Satz:

"Die Grundstücksgesellschaft wird Eigentümerin des im Grundbuch von Bnnn , Grundbuch von Wnnnn , Blatt 3048, Flur 6, Flurstück nn /4 mit einer Größe von 66,690 qm, eingetragenen unbebauten Grundstücks, gelegen in Wnnnn , Bnnnnnn straße/Lnnn Grund".

Damit ist die Geschäftsgrundlage bezeichnet, nicht der Gegenstand der vertraglichen Regelung. Damit fehlt der erforderliche vertragliche Anknüpfungspunkt für den vom Notar verlangten Ansatz des Wertes nach dem "Gesamtgeschäft".

Auch unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten des Beteiligten als Vertragspartners rechtfertigt der beurkundete angestrebte "Vermarktungsvertrag" nicht, bei der Berechnung der notariellen Gebühren den Veräußerungswert der Grundstücke und Häuser zugrunde zulegen. Der Notar verkennt in seiner Beschwerdebegründung vom 11. Januar 2002 die vertraglich vorgesehene rechtliche "Rollenverteilung" der künftigen Vertragspartner und die Festlegungen zur Grundstücksbebauung nach dem von ihm beurkundeten Vertrag. Nicht der Beteiligte Hnn Snnnn sollte Häuser errichten und gegen Provision verkaufen, sondern die als "Hausbaugesellschaft" bezeichnete nn Handelsgesellschaft mbH, vertreten durch den Geschäftsführer Mnnn Snnnn , sollte dies tun. Hnn Snnnn wird im Vertragstext lediglich als Berechtigter der Grundschuldrückforderungsabtretung, provisionsberechtigter Vermarkter sowie als Darlehensgeber gegenüber der Grundstücksgesellschaft genannt.

Das Argument des Notars in der Beschwerdebegründung, durch den "Vermarktungsvertrag" hätte Hnn Snnnn und der Hausbaugesellschaft ein Exklusivrecht an der Bebauung mit Häusern eingeräumt und gesichert werden sollen, ist ebenfalls unzutreffend. Der Vertrag begründete kein Bebauungsrecht und erst recht kein Exklusivrecht, wie sich aus Nr. 2, Absätzen 3 und 4 ergibt. Danach sollte eine gemeinsame Vermarktung der Grundstücksflächen und der Häuser stattfinden, möglich war aber auch der Erwerb zur Bebauung durch andere Hersteller. Damit ist es nicht gerechtfertigt, bei der Wertbemessung des Vertrages vom 27. Juli 2000 den fiktiven Veräußerungswert der Grundstücke und Häuser zugrundezulegen.

c) Der erstinstanzliche Hinweis des Notars auf gesellschaftsrechtliche Aspekte des Vertrages führt nicht zu einem für ihn günstigeren Ergebnis.

(1) Der Geschäftswert bei Beurkundung eines Gesellschaftsvertrages, also bei einem Vertrag, der nicht auf Austausch, sondern auf Vereinigung von Leistungen der Beteiligten zur Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes gerichtet ist, bestimmt sich nach dem Wert aller Leistungen der Gesellschafter (Aktiven) ohne Schuldenabzug (vgl. Korintenberg/Bengel/Tiedtke, a.a.O., § 39 KostO, Rn. 56 m.w.N.; vgl. auch Senat, Beschluss vom 27. Nov. 1990 - 1 W 2815/89 - betreffend eine Publikums-Bauherrengemeinschaft). § 39 Abs. 4 1. Hs. KostO a.F. begrenzt den Geschäftswert auf höchstens 10 Millionen Deutsche Mark.

(2) Hiernach ist bereits fraglich, ob der intendierte Vermarktungsvertrag als Gesellschaftsvertrag anzusehen ist. Auch wenn ihm zu entnehmen ist, dass die dort zu 1. - 5. genannten Beteiligten sich zum Zwecke der Vermarktung der Grundstücke und Häuser zusammenschließen wollten, so bleibt ungewiss, welche Rechte und Pflichten sie in Bezug auf diesen Zweck konkret treffen sollten. Erkennbar ist nur, dass der nn Wnnn nnn Bauträger GmbH als Grundstücksgesellschaft und der nn Handelsgesellschaft mbH als Hausbaugesellschaft von den Vermarktern zu 3. - 5. provisionspflichtige Vertragsschlüsse mit den Bauherren vermittelt werden sollten.

Jedenfalls ist nicht ersichtlich, welchen wirtschaftlichen Aufwand die dortigen Beteiligten zur Erreichung eines gemeinschaftlichen Zweckes als Einlage oder Beitrag einer Gesellschaft erbringen sollten. Damit fehlt jeder Anknüpfungspunkt für eine selbständige, von der Provisionshöhe abweichende gesellschaftsrechtliche Bestimmung des Geschäftswertes.

d) Keine Berechnungsgrundlage bietet die Festlegung in Klausel 5. des angestrebten Vermarkungsvertrages, nach der die Vertragspartner Dnnn Dnnnn und der Beteiligte im Wege der Darlehensgewährung Verbindlichkeiten der Grundstücksgesellschaft per 31. Oktober 2000 bedienen sollten. Diese Verbindlichkeiten sollten in einer dem endgültigen Vermarktungsvertrag beizufügenden Liste aufgeführt werden. Diese Liste war jedoch nicht Gegenstand der hier streitgegenständlichen Beurkundung. Sie ist auch nicht anderweitig vorgelegt worden und gibt somit auch keinen Anhaltspunkt zur Wertbestimmung.

e) Rechtsfehlerfrei und von keinem Beteiligten angegriffen hat das Landgericht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 KostO den Wert der beurkundeten Abtretung eines Anspruchs auf Rückübertragung von Grundschulden durch Bnnn an den Beteiligten (Nennwert: 900.000,- DM) außer Betracht gelassen. Die Grundschulden betreffen denselben Gegenstand wie die intendierte Vermarktungsvereinbarung, weil sie deren Abschluss sichern sollten, bleiben aber im Wert hinter dem der zu erwartenden Provisionen zurück.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.



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