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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.03.2004
Aktenzeichen: 1 W 495/03
Rechtsgebiete: ZPO, ZSEG


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 2
ZSEG § 9 Abs. 5
Reisekosten der auswärtigen Partei zur Terminswahrnehmung nach Wohnsitzwechsel bei Ladung zum persönlichen Erscheinen unter der früheren Anschrift am Gerichtsort.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 495/03

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts - Einzelrichter - hat auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts vom 29.7.2003 am 22.3.2004

beschlossen:

Tenor:

In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden als nach dem inzwischen rechtskräftigen Versäumnisurteil des Kammergerichts vom 31.5.2002 - 9 U 7790/00 - vom Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 486,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.7.2002 festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger nach einem Wert von 486,67 EUR zu tragen.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der Kläger hat die - in der geltend gemachten Höhe belegten - Reisekosten des Beklagten zu 1. zum Berufungstermin beim Kammergericht am 31.5.2002 gemäß § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu erstatten.

Der Rechtspfleger hat die Absetzung dieser Kosten damit begründet, der Beklagte zu 1. habe die Reise ohne vorherige Ankündigung von einem anderen Ort, als dem in der Ladungsanschrift angegebenen, angetreten. Diese Begründung geht fehl. Das Kammergericht hatte in der Terminsverfügung vom 28.12.2000 das persönliche Erscheinen des Klägers sowie eines der Beklagten zwecks Sachaufklärung (§ 141 ZPO) angeordnet. Damit war das Erscheinen des Beklagten zu 1. notwendig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO ohne Rücksicht darauf, dass dem Gericht der bereits im August 2000 erfolgte Umzug der Beklagten nach Aachen nicht bekannt war und die Ladung daher noch an die im angefochtenen Urteil des Landgerichts Berlin vom 12.7.2000 angegebene Berliner Anschrift erfolgte.

Aus der Vorschrift des § 9 Abs. 5 ZSEG folgt nichts anderes. Danach werden dem Zeugen grundsätzlich nur die Fahrtkosten der Reise zum Terminsort von dem in der Ladung bezeichneten oder der ladenden Stelle unverzüglich angezeigten Ort ersetzt, die Mehrkosten der An- und Rückreise von bzw. zu einem anderen Ort hingegen nur nach billigem Ermessen, wenn der Zeuge zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war. Hier haben die Beklagten dem Gericht ihre neue ladungsfähige Anschrift in Aachen erst mit Schriftsatz vom 3.7.2002 mitgeteilt, als die Ladung zum erneuten Termin am 26.11.2002 ihnen unter der Berliner Anschrift nicht mitgeteilt werden konnte.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO sind für die Erstattung der notwendigen Reisekosten der Partei die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden; das gilt auch für die Fahrtkosten im Sinne des § 9 ZSEG (BVerwG Rpfleger 1984, 158). Es kann dahingestellt bleiben, ob damit auch die einschränkende Bestimmung des § 9 Abs. 5 ZSEG auf die Parteireisekosten entsprechend anwendbar ist, was zweifelhaft erscheint. Denn die Obliegenheit des Zeugen, dem Gericht unverzüglich nach Erhalt der Ladung mitzuteilen, dass er die Reise zum Terminsort von einem anderen als dem in der Ladung bezeichnete Ort anzutreten habe, soll dem Gericht die Möglichkeit geben zu prüfen, ob es den Zeugen zunächst abbestellen soll (vgl. Hartmann, KostenG, 33. Aufl., § 9 ZSEG Rdnr. 19). Damit soll die Entstehung überflüssiger Auslagen des Gerichts vermieden werden; soweit eine Partei vorschusspflichtig ist (§§ 379 ZPO, 68 GKG), soll die Möglichkeit gegeben werden, einen die Mehrkosten deckenden Vorschuss nachzufordern. Die Reisekosten der Partei sind hingegen in der Regel von dieser zu verauslagen und von der Gegenseite nach Maßgabe des § 91 ZPO zu erstatten. Ist die Notwendigkeit der Reise der Partei zwecks Wahrnehmung eines Termins nach allgemeinen Grundsätzen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zu bejahen, so richtet sich die Höhe der Erstattungsfähigkeit nach §§9, 10 ZSEG. Eine Obliegenheit der Partei, die Kosten gering zu halten, besteht nicht gegenüber dem Gericht, sondern dem erstattungspflichtigen Gegner.

Aber auch wenn im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 5 ZSEG eine Obliegenheit der Partei bejaht wird, bei Erhalt einer Ladung zum persönlichen Erscheinen vor Gericht mitzuteilen, dass die Anreise von einem anderen als dem Ladungsort erfolgen müsse, bleiben die Reisekosten im vorliegenden Fall erstattungsfähig. Sinn dieser Obliegenheit kann auch hier nur sein, dem Gericht Gelegenheit zur Prüfung zu geben, ob die - oft routinemäßige - Anordnung des persönlichen Erscheinens wegen der damit verbundenen erhöhten Kosten aufgehoben werden soll. An der Erstattungsfähigkeit der Reisekosten würde dies nichts ändern, wenn die Wahrnehmung des Termins für die Partei unabhängig von der Anordnung des persönlichen Erscheinens notwendig war, oder wenn das Gericht es in Kenntnis des auswärtigen Anreiseorts der Partei bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens belassen hätte; dann wären jedenfalls "besondere Umstände" im Sinne einer entsprechenden Anwendung des § 9 Abs. 5 Satz 2 ZSEG zu bejahen.

Beide Ausnahmefälle sind hier gegeben:

Zum einen war die Notwendigkeit der Reise des Beklagten zu 1. zum Termin am 31.5.2002 nach ständiger Rechtsprechung des Senats (JurBüro 1968, 130 und 1986, 277; zuletzt unveröffentlichter Beschluss vom 28.10.2002 - 1 W 303/02 -) bereits deswegen zu bejahen, weil das Gericht das persönliche Erscheinen der Gegenseite angeordnet hatte. Zum anderen hat das Kammergericht, als in der folgenden Terminsverfügung zum Einspruchstermin am 26.11.2002 erneut das persönliche Erscheinen beider Parteien angeordnet war, an dieser Anordnung hinsichtlich der Beklagten festgehalten und die Ladung der Beklagten veranlasst, nachdem ihm mit Schriftsatz vom 3.7.2002 mitgeteilt worden war, dass sich ihre ladungsfähige Anschrift nunmehr in Aachen befand.

Zur Höhe der Reisekosten bestehen keine Bedenken. Die Beklagten machen die dem Beklagten zu 1. entstandenen Kosten für den Hin- und Rückflug Köln-Berlin am 31.5.2002 sowie die Taxikosten vom Flughafen Tegel über die Rechtsanwaltskanzlei zum Kammergericht und zurück geltend. Eine Anfahrt von Aachen mit dem Zug oder Pkw gemäß § 9 Abs. 2, Abs. 3 ZSEG hätte eine Übernachtung erforderlich gemacht, für deren Kosten einschließlich des erhöhten Zeitaufwands nach § 10 Abs. 2 ZSEG Entschädigung zu leisten wäre. Es kann offen bleiben, ob die Flugreise unter diesen Umständen überhaupt mit erheblichen Mehrkosten verbunden war. Jedenfalls waren die erhöhten Kosten hier wegen des erzielten erheblichen Zeitgewinns notwendig (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 ZSEG) und sind daher zu erstatten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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