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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.01.2009
Aktenzeichen: 1 W 496/08
Rechtsgebiete: RVG, RVG-VV


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2 S. 1 Anl. 1
RVG § 13
RVG § 45
RVG § 49
RVG § 50
RVG § 55
RVG § 58 Abs. 2
RVG Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3
RVG-VV Nr. 2300
RVG-VV Nr. 3100
1. Die in Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr erfolgt auf die Regelvergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nach §§ 13, 50 RVG, nicht auf die PKH-Vergütung nach §§ 45, 49.

2. Eine auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV erhaltene Leistung hat der beigeordnete Rechtsanwalt sich nach Maßgabe des § 58 Abs. 2 RVG als Vorschusszahlung anzurechnen zu lassen, soweit der Anrechnungsbetrag nach Vorbem. 3 Abs. 4 den Differenzbetrag der PKH-Vergütung nach §§ 45, 49 RVG zur Regelvergütung übersteigt.

3. Ist der Gegenstandswert der Geschäftsgebühr höher als der Streitwert des gerichtlichen Verfahrens, so erfolgt die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 3 RVG-VV nicht verhältnismäßig, sondern nach dem (vollen) Wert des (gleichen) Gegenstandes.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 496/08

In dem Kostenstreit

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. August 2008 - 82 AR 98/08 - in der Sitzung vom 13. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, den Richter am Kammergericht Hinze und die Richterin am Kammergericht Dr. Rieger beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird geändert:

Die Erinnerung des Antragstellers vom 28. April 2008 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Berlin vom 17. April 2008 - 10 OH 1/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das zugelassene Beschwerde der Beteiligten (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 RVG) hat Erfolg. Die Erinnerung des Antragstellers vom 28. April 2008 gegen den in Abhilfe auf die Erinnerung der Beteiligten vom 03. August 2007 ergangenen Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts vom 17. April 2008 (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 1, 1. Halbsatz RVG) ist nicht begründet. Die Rechtspflegerin hat die dem Antragsteller zustehende Vergütung zutreffend neu festgesetzt, nachdem der Antragsteller mitgeteilt hatte, dass er durch Verrechnung mit einem Guthaben des Mandanten eine auf die Prozesskostenhilfe-Vergütung anzurechnende Leistung erhalten hat. Im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers ist seine Vergütung nicht um den - von ihm bereits erstatteten - Betrag von 35,61 EUR zu mindern, sondern um insgesamt 84,45 EUR, so dass noch 48,84 EUR offen sind.

1. Mit dem Schreiben an die Mandantschaft vom 02. Januar 2007 hat der Antragsteller deren Guthaben in dieser Höhe mit seiner Honorarforderung aus der Kostenberechnung vom 22. Dezember 2006 verrechnet, die sich aus seiner außergerichtlichen Tätigkeit nach einem Gegenstandswert von 8.500,00 EUR ergab und u.a. eine 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV umfasste.

2. Auf seinen Antrag vom 22. Dezember 2006 ist als Vergütung des Antragstellers nach §§ 45, 49 RVG eine 1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV nach einem Gegenstandswert von 6.000,00 EUR zuzüglich Pauschale und Umsatzsteuer, Nr. 7002, 7008 VV, festgesetzt und ausgezahlt worden.

3. Der Antragsteller und die Beteiligte gehen insoweit übereinstimmend davon aus, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nicht auf die Prozesskostenhilfe-Vergütung nach §§ 45, 49 RVG, sondern auf die Regelvergütung nach §§ 13, 50 RVG vorzunehmen ist und daher nur insoweit zum Zuge kommt, als der anzurechnende Betrag die Differenz zwischen Prozesskostenhilfe- und Regelvergütung übersteigt. Dem folgt der Senat:

Die - teilweise - Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr soll verhindern, dass der Rechtsanwalt für deckungsgleichen Aufwand außerhalb des gerichtlichen Verfahrens, der wegen der Gleichheit des Gegenstandes auch dem allgemeinen Aufwand der Prozessvertretung (Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV) zugute kommt, doppelt honoriert wird. Die Anrechnung greift daher nur im Rahmen einer Abrechnung, die der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten oder einem anderen Kostenträger für beide Angelegenheiten vornimmt (Senat, Beschluss vom 04.11.2008 - 1 W 395/08 - sowie ER-Beschluss vom 31.03.2008 - 1 W 111/08 -, OLG Report Berlin 08, 560). Das gleiche gilt für die Anrechnung der Beratungshilfe-Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 Abs. 2 VV. Diese ist daher ohne weiteres - zur Hälfte - auf die von der Justizkasse zu zahlende Prozesskostenhilfe-Vergütung anzurechnen, während die Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV auf die Regelvergütung für die Vertretung im gerichtlichen Verfahren nicht zum Zuge kommt, solange der beigeordnete Rechtsanwalt diese gegen den Mandanten nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht geltend machen kann.

Das schließt es jedoch nicht aus, dass der Rechtsanwalt sich die auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV erhaltene Leistung nach Maßgabe des § 58 Abs. 2 RVG als Vorschusszahlung anrechnen lassen muss. Diese Anrechnung betrifft zunächst die Regelvergütung, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht, und führt nur letztrangig mit dem verbleibenden Betrag zur Minderung der Prozesskostenhilfe-Vergütung.

Die Anwendung des § 58 Abs. 2 (vgl. N. Schneider, AGS 08, 608, Anm. zu OLG Braunschweig a.a.O. S. 606 ff.) rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass eine auf die Geschäftsgebühr geleistete Zahlung des Mandanten oder eines Dritten infolge der Anrechnungsvorschrift Vorbemerkung 3 Abs. 4 zugleich als Vorschuss auf die Gebühr nach Teil 3, VV 3100 zu werten ist und als solcher daher der Anrechnung nach § 58 Abs. 2 RVG unterliegt. Die Bedenken des Landgerichts gegen eine Berücksichtigung dieser Anrechnung im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG teilt der Senat nicht. Es handelt sich um Ausnahmefälle, die nicht zur routinemäßigen Überprüfung der außergerichtlichen Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts im Hinblick auf dort entstandene und etwa anrechnungspflichtige Gebührenansprüche führen dürften. Denn nach § 58 Abs. 2 RVG sind nur erhaltene Vorschüsse und Zahlungen anzurechnen, wovon bei einer bedürftigen Partei im Falle der außergerichtlichen Mandatierung nicht auszugehen ist.

4. Die anzurechnende Gebühr Nr. 2300 VV ist nach einem Gegenstandswert von 8.500,00 EUR entstanden, die Anrechnung erfolgt aber zu einem Verfahrenswert von 6.000,00 EUR. Nach der Auffassung der Beteiligten ist der Anrechnung dieser Wert zugrunde zu legen, während der Rechtsanwalt nur eine anteilige Anrechnung der Geschäftsgebühr im Verhältnis der Streitwerte für zulässig hält, um die Degression der Gebühren bei höherem Streitwert zur Geltung zu bringen. Der Senat hält die erstgenannte Berechnung für richtig. Nach dem bis 30.12.2006 geltenden Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 3 VV - der mit der Fassung der Anrechnungsvorschrift im GKG KV 1210 übereinstimmte - kommt es auf den Wert an, der in das nachfolgende Verfahren "übergegangen ist". Nach der ab 31. Dezember 2006 geltenden Fassung der Vorschrift durch das 2. JuMoG ist der Wert des Gegenstandes gemeint, "der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist". Damit wird deutlich, dass die Anrechnung nicht anteilig im Verhältnis der Gegenstandswerte erfolgt, sondern nach dem vollen Wert des gleichen Gegenstandes.

5. Die Verfahren sind gerichtsgebührenfrei, eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 56 Abs. 2 RVG.

Ende der Entscheidung

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