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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.06.2004
Aktenzeichen: 1 W 75/04
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 8
GKG § 58 Abs. 2 Satz 2
Gegenüber einer Inanspruchnahme als Zweitschuldner gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 GKG kann der als Antragsteller haftende Kostenschuldner (§ 49 GKG) in der Regel nicht gemäß § 8 GKG einwenden, der Kostenansatz gegen den Erstschuldner (§ 54 Nr. 1 GKG) sei ohne Grund verzögert worden, so dass die Haftung nicht mehr realisiert werden könne.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 75/04

In Sachen

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 5. Januar 2004 in der Sitzung am 15. Juni 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die gegen den Beschluss des Landgerichts vom 5. Januar 2004 gerichtete Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert nach § 5 Absatz 2 Satz 1 GKG wird erreicht. Die Beschwerde ist nach § 5 Absatz 3 Satz 3 GKG nicht fristgebunden.

II. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat die gegen die Kostenrechnung vom 23. Oktober 2003 gerichtete Erinnerung zu Recht zurückgewiesen. Denn die Antragstellerin hat für die entstandene Verfahrensgebühr als Antragsteller nach § 49 Satz 1 GKG einzustehen.

1. Die Inanspruchnahme der Antragstellerin entfällt nicht nach § 8 Absatz 1 Satz 1 GKG wegen einer unrichtigen Sachbehandlung. Insoweit hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, dass eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift deshalb ausscheidet, weil der Antragstellerin durch die ihrer Ansicht nach verspätete Inanspruchnahme keine zusätzlichen Kosten entstanden sind. Die Antragsstellerin kann sich auch nicht auf einen in dem § 8 Absatz 1 Satz 1 GKG enthaltenen Rechtsgedanken stützen, dass die Kosten auch dann nicht erhoben werden dürfen, wenn dem eine unrichtige Sachbehandlung vorausgegangen ist, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Fortbestehen der Kostenschuld steht. Denn die Anwendung eines solchen Rechtsgedankens würde wie bei einer unmittelbaren Anwendung des § 8 Absatz 1 Satz 1 GKG voraussetzen, dass ein offensichtlich schwerer Fehler vorgelegen hat, der nur dann anzunehmen ist, wenn ein Verstoß gegen eine eindeutige gesetzliche Norm vorliegt und der Verstoß offen zu Tage tritt (vgl. dazu Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., § 8 GKG Rn. 8; s. a. den zu §§ 141, 16 KostO ergangenen Beschluss des Senats vom 16. November 1999 - 1 W 6813 - 6817/98 -, unveröff., zur unterbliebenen Vorschussanforderung des Notars).

a) Dies ist aber weder dann der Fall, wenn man die unrichtige Sachbehandlung in der unterlassenen Inanspruchnahme der Antragsgegnerin unmittelbar nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung, noch dann, wenn man sie in der verzögerten Entscheidung über die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss durch das Kammergericht sieht.

Der Kostenbeamte hat zwar die Kosten nach § 13 der Kostenverfügung alsbald nach ihrer Fälligkeit, die hier mit der Endentscheidung eingetreten ist, vgl. § 63 Absatz 1 GKG, anzusetzen. Diese Verwaltungsvorschrift, die keine Rechtsnormqualität hat, dient aber nur dem Interesse des Staates, stets die Ausgaben durch entsprechende Einnahmen zu decken. Ein Verstoß stellt keine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 8 GKG dar.

Hinsichtlich der Verfahrensdauer der Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren liegt ebenfalls kein Rechtsverstoß vor. Eine überlange Verfahrensdauer, die für jeden einsichtig machen müsste, dass hier eine Rechtsverweigerung vorliegt, ist bei der Dauer des Verfahrens von ca. 3 Jahren nicht anzunehmen. Entscheidend aber ist, dass es insoweit an einem inneren Zusammenhang mit dem Fortbestehen der Kostenschuld der Antragstellerin fehlt. Denn das Gebot, in angemessener Zeit über eine Beschwerde zu entscheiden, dient nicht dazu, die Beteiligten in anderem Zusammenhang vor einer Inanspruchnahme als Zweitkostenschuldner für Gerichtsgebühren zu bewahren.

b) Eine unrichtige Sachbehandlung ergibt sich auch nicht aus einem Verstoß gegen § 58 Absatz 2 Satz 1 GKG, nach dem bei mehreren Kostenschuldnern vorrangig der aufgrund einer gerichtlichen Kostenentscheidung Haftende in Anspruch genommen werden soll. Die Antragstellerin meint zwar, die Antragsgegnerin hätte wegen ihrer Kostenschuld für die Verfahrensgebühr nach § 54 Nr. 1 GKG schon deshalb alsbald in Anspruch genommen werden müssen, damit ihre Haftung nach §§ 49, 58 Abs. 1 GKG nicht zum Tragen kommen kann. Dem in § 58 Absatz 2 Satz 1 GKG, § 8 Absatz 1 KostVfg. nomierte Grundsatz der vorrangigen Inanspruchnahme des Schuldners nach § 54 Nr. 1 GKG sind Verhaltenspflichten des Kostenbeamten zum Schutz des Mithaftenden aber nicht mit der Deutlichkeit zu entnehmen, dass hier ein für die Annahme einer unrichtigen Sachbehandlung nach § 8 Absatz 1 Satz 1 GKG notwendiger offensichtlicher Verstoß vorliegen könnte. Dem Schutzgedanken der genannten Vorschriften ist nur eine - eingeschränkte - Verpflichtung des Kostenbeamten zu entnehmen, vor Geltendmachung der Zweitschuldnerhaftung zu prüfen, ob Tatsachen bekannt sind, die seiner Inanspruchnahme weiterhin entgegenstehen (im einzelnen Senat, Beschl. v. 10.6.2003, - 1 W 55/03 -, KGRep. 2003, 327 = MDR 2003, 1319). Ein Beschleunigungsgebot folgt daraus nicht. Für die Inanspruchnahme bleibt entscheidend, dass mehrere Kostenschuldner nach § 58 Absatz 1 GKG, § 421 BGB als Gesamtschuldner haften. Nur die Rangfolge der Inanspruchnahme ist in § 58 Absatz 2 GKG, § 8 Absatz 1 KostVfg. geregelt, im Übrigen bestimmt die Behörde ihr Vorgehen der Geltendmachung und Beitreibung nach pflichtgemäßem Ermessen. Insoweit gelten für den Justizfiskus als Gläubiger die allgemeinen Grundsätze. Nachlässigkeiten bei der Inanspruchnahme eines der Gesamtschuldner sind dem Gläubiger nur dann vorzuwerfen, wenn sie sich als treuwidrige Bevorzugung darstellen (vgl. BGH NJW 1983, 1423, 1424; NJW 1991, 1289, OLG Hamm NJW-RR 1993 1071). Davon kann hier nicht die Rede sein. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Antragsgegnerin waren nicht bekannt. Der gesamten Akte ist kein Hinweis zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin bei längerem Zuwarten insolvent werden könnte.

2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Antragstellerin kein aufrechenbarer Anspruch aus Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB zusteht, weil es bereits an der Verletzung einer ihr gegenüber obliegenden Amtspflicht fehlt.

3. Auch der von der Antragstellerin geltend gemachte Einwand der Verwirkung greift nicht durch. Dieser Einwand setzt zunächst voraus, dass die Antragstellerin aufgrund des Verhaltens der Justizkasse zulässiger Weise darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (vgl. BGHZ 43, 289, 292; 84, 280, 281; 105, 290, 298). Daran fehlt es schon, weil keine vertrauensbegründenden Handlungen der Justizkasse ersichtlich sind und ein reiner Zeitablauf nicht ausreicht (vgl. BGHZ 105, 290, 298; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. § 242 Rn. 90). Insoweit ist der Kostenschuldner allein durch die vierjährige Verjährungsfrist nach § 10 Absatz 1 GKG geschützt; diese begann erst mit dem 31. Dezember 1999 zu laufen, so dass die Frist mit dem Zugang der Kostenrechnung vom 23. Oktober 2003 im November 2003 gewahrt war. Als weitere Voraussetzung der Verwirkung kommt hinzu, dass die Antragsgegnerin sich auf eine Nichtinanspruchnahme hätte einstellen müssen, die es als eine mit Treu und Glauben unvereinbare unzumutbare Härte erscheinen ließe, nunmehr in Anspruch genommen zu werden (vgl. BGHZ 25, 47, 52; 67, 56, 68; NJW 2003, 824). Dies setzt voraus, dass die Antragstellerin entsprechende Vermögensdispositionen getroffen hat, die sie nicht getroffen hätte, wenn sie weiter von der Möglichkeit einer Inanspruchnahme ausgegangen wäre (vgl. BGHZ 67, 56, 68; NJW 1984, 1684). Das hat die Antragstellerin nicht dargetan.

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Das Verfahren der Beschwerde gegen den Kostenansatz ist gebührenfrei, eine Kostenerstattung findet nicht statt, vgl. § 5 Absatz 6 GKG.



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