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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.11.2001
Aktenzeichen: 1 W 8818/00
Rechtsgebiete: GKG, BGB


Vorschriften:

GKG § 5
GKG § 10 Abs. 2
BGB § 812
BGB § 818 Abs. 1
Sind dem Kostenschuldner erhobene Gerichtsgebühren zurückzuerstatten, ist der zu erstattende Betrag nicht zu verzinsen.
KAMMERGERICHT Beschluss

1 W 8818/00

in dem Kostenstreit

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 23. August 2000 in der Sitzung vom 6. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

In einem Rechtsstreit, der auf Zahlung, Feststellung und Mängelbeseitigung gerichtet war, zahlte die Klägerin die gerichtliche Verfahrensgebühr nach einem Streitwert bis 2,7 Mio. DM ein. Der Rechtsstreit endete mit einem am 12. Oktober 1999 wirksam gewordenen gerichtlichen Vergleich. Am 10. Dezember 1999 setzte das Landgericht den Streitwert auf 2.528.812,05 DM fest. Am 20. Dezember 1999 stellte der Kostenbeamte den Kostenansatz auf und verfügte die Rückzahlung von 21.721,20 DM an die Klägerin, die bei dieser am 27. Januar 2000 eingingen. Die Klägerin hat die Verzinsung der nicht verbrauchten Gerichtskosten mit 6 % jährlich ab dem Zeitpunkt der Überzahlung begehrt, die der Kostenbeamte abgelehnt hat. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat die Kostenkammer des Landgerichts entsprechend § 5 Abs. 1 GKG für statthaft erachtet, jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss vom 23. August 2000 richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässig. Die Klägerin wendet sich gegen eine nach § 5 Abs. 1 GKG ergangene Entscheidung und macht einen 100,00 DM übersteigenden Anspruch geltend. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass über den Anspruch auf Verzinsung erstatteter Gerichtskosten im Kostenansatzverfahren zu befinden ist. Da über die Hauptforderung auf Gerichtskostenerstattung im Verfahren nach § 5 GKG zu entscheiden wäre, ist für die ausdrücklich als Zinsforderung geltend gemachte Nebenforderung ebenfalls dieses Verfahren gegeben, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Nebenforderung sich letztlich als Zinsanspruch im engeren Sinne oder aber als bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Nutzungsherausgabe darstellt (a. A. Schütt, Anm. zu LG Tübingen, MDR 2001, 357).

Mit Recht hat das Landgericht einen Zinsanspruch verneint. Der Anspruch auf Rückerstattung von Gerichtskosten ist selbst im Gesetz nicht geregelt, sondern wird in § 10 Abs. 2 GKG, der die Verjährung dieses Anspruchs betrifft, vorausgesetzt (vgl. die entsprechende Vorschrift des § 17 Abs. 2 KostO). Das Gesetz enthält bisher auch keine Norm über eine Verzinsung (der eine Verzinsung ausschließende § 10 Abs. 4 GKG in der Fassung des Gesetzes über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation ist zur Zeit noch nicht in Kraft getreten und wäre hier nach der Übergangsvorschrift des § 73 Abs. 1 GKG auch nicht anwendbar). Mangels gesetzlicher Grundlage sind Zinsen nicht zu entrichten.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen entsprechend § 818 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB in Gestalt einer Verzinsung. Der Anspruch auf Rückerstattung ist als Kehrseite des Kostenanspruchs wie dieser öffentlich-rechtlicher Natur, so dass die Anwendung der für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nach rechtsgrundlos erbrachten Leistungen entwickelten Grundsätze in Betracht kommt. Dem kann entgegen der Annahme des Landgerichts nicht mit der Erwägung begegnet werden, die Klägerin habe die gezahlten Gerichtskosten zunächst in voller Höhe geschuldet und mit dem Abschluss des Vergleichs habe sich die gerichtliche Verfahrensgebühr nachträglich auf ein Drittel ermäßigt (vgl. § 61 GKG und GKG KV Nr. 1201, 1202 c), es gehe aber nicht um die Rückerstattung von Kosten, die richtigerweise der Höhe nach gar nicht hatten erhoben werden dürfen (so auch AG Augsburg JurBüro 2001, 535). Denn dies ist zwar richtig, ändert aber nichts daran, dass der Eintritt des Ermäßigungstatbestandes den rechtlichen Grund für die weitergehende Kostenzahlung nachträglich hat entfallen lassen und dass nach den genannten Vorschriften des BGB auch bei nachträglichem Wegfall des rechtlichen Grundes die Pflicht zur Nutzungsherausgabe grundsätzlich auch für die Zeit von Wegfall des Rechtsgrundes besteht. Der Senat verneint jedoch im Gegensatz zu einer in Rechtsprechung und Schrifttum inzwischen verbreiteten Auffassung (BayObLG NJW 1999, 1194; OLG Köln JurBüro 2001, 312; OLG Hamm Rpfleger 2001, 99; OLG Zweibrücken Rpfleger 2000, 128; LG Tübingen MDR 2000, 1460; Korintenberg-Lappe, KostO, 14. Auflage, § 14 Rdn. 113 a; Rohs/Wedewer/Waldner, KostO, § 14 Rdn. 19; Hartmann, KostG, 30. Auflage, § 17 KostO Rdn. 5; a. A. Markl/Meyer, GKG, 4. Auflage, § 4 Rdn. 12) einen Anspruch auf Nutzungsherausgabe in Gestalt eines Zinsanspruchs.

Die Verpflichtung der öffentlichen Hand zur Nutzungsherausgabe durch Zahlung von Bereicherungszinsen beim öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ist durchaus nicht unumstritten (bejahend etwa Schön NJW 1993, 2389; Wolff/Bachof/Stober, VerwR, 6. Auflage, § 55 Rdn. 23 a, b; verneinend etwa Erichsen, Allgem. VerwR, 11. Auflage, § 29 Rdn. 30; Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO (FGO), § 233 Rdn. 4) und entspricht insbesondere nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Abgaben- und Verwaltungsrecht (vgl. etwa BFH BStBI. II 1975, 370 u. - allgemein zur Verzinsung rückständiger Staatsleistungen - BStBI. II 1997, 476; BVerwG NJW 1973, 1854). Das Bundesverwaltungsgericht, das a. a. O. seine Auffassung damit begründet hat, dass der Staat seine öffentlich-rechtlichen Einnahmen in aller Regel nicht gewinnbringend anlege, sondern sie im Interesse der Allgemeinheit verwende, hat in seiner Entscheidung NJW 1999, 1201 von der Möglichkeit, seine Rechtsprechung zu dieser Frage zu überprüfen, keinen Gebrauch gemacht.

Aber auch wenn die Pflicht zur Zahlung von Bereicherungszinsen durch die öffentliche Hand beim öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch anerkannt wäre, wäre dieser Grundsatz nicht ohne weiteres auch im Gerichtskostenrecht anwendbar. Das Gerichtskostenrecht für den hier interessierenden Bereich der Zivilgerichtsbarkeit ist mit dem GKG und der KostO umfassend spezialgesetzlich geregelt. Das schließt auch den Anspruch auf Rückerstattung zuviel entrichteter Gerichtskosten ein, der zwar, was die Anspruchsgrundlage angeht, als selbstverständlich vorausgesetzt wird, aber doch in bezug auf seine Verjährung in beiden Gesetzen ausdrücklich behandelt wird. Eine gesetzlich nicht vorgesehene Zinspflicht durch Anwendung allgemeiner Grundsätze betreffend öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche zu begründen, wäre nur gerechtfertigt, wenn das Fehlen der Verzinsungsregelung sich als eine Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes darstellte. Dafür spricht nichts. Der Kostenrückerstattungsanspruch wird mit Recht als Kehrseite des Kostenanspruchs angesehen (vgl. BayObLG a. a. O.). Für den Kostenschuldner besteht, wie allgemein anerkannt ist, bei verspäteter Zahlung keine Verzinsungspflicht, nicht einmal im Betreibungsverfahren. Das legt es nahe, das Fehlen einer gesetzlichen Verzinsungspflicht der Staatskasse im Falle der Kostenrückerstattung ebenfalls als gesetzgeberisch gewollt anzusehen, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass etwaige Verzinsungspflichten des Kostenschuldners einerseits und der Staatskasse andererseits unterschiedliche Grundlagen hätten. Gegen eine Gesetzeslücke spricht ferner, dass das Kostenansatzverfahren vom Gesetzgeber als ein möglichst einfach abzuwickelndes Nebenverfahren angelegt ist, das sich nicht dafür eignet, den bei jeder Änderung der in Betracht kommenden Schätzungsgrundlagen möglichen Streit um die Höhe der von der Staatskasse gezogenen Nutzungen in Gestalt erzielter Zinserträge bzw. ersparter Zinszahlungen zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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