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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 14.08.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 107/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 300
Einen rechtzeitig eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag in eine sofortige Beschwerde gegen die unterlassene Auslagenentscheidung umzudeuten, kommt nicht in Betracht. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des 3. und 5. Strafsenats des Kammergerichts (vgl. Beschlüsse vom 27. Dezember 2006 - 3 Ws 631/06 - und vom 26. Februar 2004 - 5 Ws 696/03 - ), wonach der Kostenfestsetzungsantrag lediglich in eine sofortige Beschwerde gegen die fehlerhafte Kostengrundentscheidung umgedeutet werden kann, wenn der Antragsteller in irgendeiner Weise zugleich die Kostengrundentscheidung beanstandet hat. Als Rechtsmittel kann eine Erklärung lediglich dann ausgelegt werden, wenn aus ihr ein Anfechtungswille hervorgeht. § 300 StPO bietet keine Handhabe dafür, einen Rechtsanwalt, der übersehen oder verkannt hat, dass die Einlegung eines Rechtsmittels geboten war, aus Billigkeitsgründen von den Folgen dieses Versäumnisses freizustellen.
KAMMERGERICHT Beschluss 1 Ws 107/07 1 AR 1086/07

In der Strafsache gegen

wegen Körperverletzung u. a.

hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 14. August 2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Rechtsanwältin Sch. gegen den Kostenbeschluss des Landgerichts Berlin vom 17. Februar 2006 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht Berlin hat den damaligen Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung und der Sachbeschädigung wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit freigesprochen, seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und gleichzeitig die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt. Seine gegen das Urteil eingelegte Revision hat der Angeklagte mit Schriftsatz vom 7. Februar 2006 zurückgenommen. Durch den angefochtenen Beschluss vom 17. Februar 2006, der der Beschwerdeführerin am 17. April 2007 zugestellt worden ist, hat das Landgericht dem Angeklagten die Kosten des Revisionsverfahrens auferlegt. Eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren ist unterblieben.

Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 14. März 2006 hat die Vertreterin der Adhäsionsklägerin aus abgetretenem Recht die dieser im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen in Höhe von 896,10 Euro geltend gemacht. Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat mit Schreiben vom 29. Juni 2007 die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass eine Festsetzung der Vergütung für das Revisionsverfahren gegen den Verurteilten nicht erfolgen kann, weil in dem Kostenbeschluss des Landgerichts keine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin getroffen worden ist. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2007 hat die Beschwerdeführerin beantragt, den Kostenbeschluss vom 17. Februar 2006 dahingehend zu ergänzen, dass der Angeklagte die notwendigen Auslagen der Adhäsionsklägerin zu tragen habe. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2007 hat sie klargestellt, dass ihr Antrag vom 6. Juli 2007 in Verbindung mit dem Kostenfestsetzungsantrag als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17. Februar 2006 anzusehen sei. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Da der Beschluss vom 17. Februar 2006 der Beschwerdeführerin am 17. April 2007 zugestellt worden ist, lief die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde am 24. April 2007 ab (§ 311 Abs. 2 StPO). Die sofortige Beschwerde vom 6. Juli 2007 ist damit verspätet eingelegt worden und daher unzulässig.

2. Den rechtzeitig eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag in eine sofortige Beschwerde gegen die unterlassene Auslagenentscheidung umzudeuten (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 30. September 2005 - 4 Ws 91/05 - betreffend die notwendige Auslagen eines Freigesprochenen; OLG Stuttgart StV 1993, 651), kommt nicht in Betracht. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des 3. und 5. Strafsenats des Kammergerichts (vgl. Beschlüsse vom 27. Dezember 2006 - 3 Ws 631/06 - und vom 26. Februar 2004 - 5 Ws 696/03 - NStZ-RR 2004, 190), wonach der Kostenfestsetzungsantrag lediglich in eine sofortige Beschwerde gegen die fehlerhafte Kostengrundentscheidung umgedeutet werden kann, wenn der Antragsteller in irgendeiner Weise zugleich die Kostengrundentscheidung beanstandet hat. Als Rechtsmittel kann eine Erklärung lediglich dann ausgelegt werden, wenn aus ihr ein Anfechtungswille hervorgeht, also deutlich wird, dass sich der Erklärende mit einer ihn beschwerenden gerichtlichen Entscheidung nicht abfinden will.

Eine Beanstandung zugleich auch der Kostengrundentscheidung, hier des Beschlusses vom 17. Februar 2006, die anzunehmen erlaubte, dass zugleich mit der Anbringung des Festsetzungsbegehrens diese Grundlage angefochten sein soll, ist jedoch in der vorliegenden Eingabe nicht einmal andeutungsweise zu finden. Es handelt sich um einen anwaltlichen Kostenfestsetzungsantrag, der auf die Kostengrundentscheidung nicht eingeht, vielmehr deren Vorliegen und Eignung, das Festsetzungsbegehren gegen den Verurteilten zu rechtfertigen, stillschweigend voraussetzt. Denn der Inhalt geht nicht über das hinaus, was bei Vorliegen einer tragfähigen Kostengrundentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren unterbreitet wird. Einem Rechtsanwalt, der in Strafsachen tätig wird, ist jedoch regelmäßig bekannt, dass das Festsetzungsverfahren gemäß § 464 b StPO allein die Aufgabe hat, die Höhe der notwendigen Auslagen zu bestimmen, bezüglich derer eine rechtskräftige gerichtliche Grundentscheidung vorliegt, und dass dieses Verfahren nicht dem Zweck dient, unvollständige Grundentscheidungen des erkennenden Gerichts zu korrigieren (vgl. Hilger in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl., § 464 Rdn. 29). § 300 StPO bietet keine Handhabe dafür, einen Rechtsanwalt, der übersehen oder verkannt hat, dass die Einlegung eines Rechtsmittels geboten war, aus Billigkeitsgründen von den Folgen dieses Versäumnisses freizustellen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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