Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: 10 U 282/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, KUG, GG, BVerfGG


Vorschriften:

ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 264 Nr. 3
ZPO § 511
ZPO § 517
ZPO § 519
ZPO § 520
ZPO § 529
ZPO § 533
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
KUG § 22
KUG § 23
KUG § 23 Abs. 1
KUG § 23 Abs. 1 Nr. 1
KUG § 23 Abs. 2
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
BVerfGG § 31
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

10 U 282/05

Verkündet am: 06. November 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Neuhaus, den Richter am Kammergericht Frey und den Richter am Kammergericht Thiel für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. November 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 27 O 812/05 - geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, Bildnisse der Klägerin zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, wie in "nnn Wnn " Nr. n vom 29. Juni 2005 auf der Titelseite sowie auf den Seiten 8 und 9 sowie in "Vnn Snn " Nr. n vom 29. Juni 2005 auf den Seiten 8 und 9 in den Fällen geschehen, in welchen sie jeweils mit Jnnn n . Hnnn abgebildet ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.

Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 44.000,00 Euro und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die Darstellung des Tatbestandes in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte meint, das Landgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin sei auch nach Beendigung ihrer aktiven Laufbahn Deutschlands wohl bekanntester Schwimmstar. Sie habe über Jahre hinweg ihr Privatleben in die Öffentlichkeit getragen. Auch in letzter Zeit habe sie sich immer wieder breiten Leserschichten präsentiert. Dabei sei als einziges privates Thema ihr Liebesleben ausgespart gewesen, zu dem sie lediglich gesagt habe, sehr glücklich zu sein. Dies führe aber nicht dazu, dass das Informationsinteresse zurückzustehen habe. Das öffentliche Informationsinteresse stehe nicht zur beliebigen Disposition von Personen, auf die es sich richtet. Die Beklagte ist deshalb der Ansicht, der Klägerin stehe weder wegen der beanstandeten Bilder, die sie in der Öffentlichkeit zeigen würden, noch wegen Veröffentlichung von Bildnissen aus dem privaten Alltag ein Unterlassungsanspruch zu. Dem vom Landgericht gewählten Tenor lasse sich eine hinreichend klare Beschränkung auf bestimmten Situationen des privaten Alltags auch nicht entnehmen. Pauschale Verbote seien unzulässig.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 22. November 2005 abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

hilfsweise,

der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, Bildnisse der Klägerin zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, wie in "nnn Wnn " Nr. n vom 29. Juni 2005 auf der Titelseite sowie auf den Seiten 8 und 9 sowie in "Vnn Snn " Nr. n vom 29. Juni 2005 auf den Seiten 8 und 9 in den Fällen geschehen, in welchen sie jeweils mit Jnnn n . Hnnn abgebildet ist.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, ihr stehe jedenfalls ein Unterlassungsanspruch im Umfang des Hilfsantrages zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlangen Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 511 ZPO statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden. In der Sache ist sie insofern begründet, als das Landgericht auf einen über den Tenor hinausgehenden Unterlassungsanspruch erkannt hat.

1. Soweit die Klägerin begehrt, der Beklagten zu untersagen, Bildnisse "aus dem privaten Alltag der Klägerin zu veröffentlichen ..., wie in 'nnn wnn ' Nr. n ... sowie in 'Vnn Snn ' Nr. n ... geschehen", ist die Klage unzulässig. Der Unterlassungsantrag muss so deutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen ist, sich der Beklagte umfassend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (vgl. BGH NJW 2005, 2550, 2551; NJW 2003, 3046, 3047; WRP 1992, 560, 561). Zwar sind bei der Formulierung eines Unterlassungsantrages im Interesse eines hinreichend wirksamen Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, weil eine Verletzungshandlung die Vermutung der Begehungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform begründet, sondern auch für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (vgl. BGH NJW 2000, 2195, 2196). Dabei kann es unter Umständen bei der Fassung des Verfügungs- bzw. Klageantrages und des entsprechenden Urteilsausspruchs hinzunehmen sein, dass das Vollstreckungsgericht bei der Beurteilung behaupteter Verstöße gegen das Unterlassungsgebot auch Wertungen vornehmen muss (vgl. BGH NJW 2005, 1050). Es muss aber stets auch in dieser verallgemeinerten Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommen (vgl. BGH WRP 2000, 1258, 1260). Davon kann bei dem in erster Instanz gestellten Antrag nicht ausgegangen werden. Der Antrag, die Veröffentlichung und/oder Verbreitung von Bildnissen aus dem privaten Alltag zu untersagen, geht deutlich über die konkrete Verletzungshandlung hinaus. Die verwendete Formulierung des privaten Alltags ist nicht geeignet, das zu unterlassene Handeln hinreichend konkret zu bezeichnen. Zwar ist der Begriff in der Rechtsprechung wiederholt verwandt worden, soweit ersichtlich aber lediglich zur Charakterisierung konkreter Fotografien und nicht zur Eingrenzung des Verbotsumfangs. Die Grenze zwischen privatem Alltag und öffentlichen Auftritten ist insbesondere bei im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehenden Personen nicht mit der für die Bestimmtheit der Klage erforderlichen Klarheit zu ziehen, so dass der Begriff des privaten Alltags nach Auffassung des Senats als hinreichendes Abgrenzungskriterium nicht geeignet ist (vgl. auch KG, 9. Zivilsenat, Urteile vom 28. Juli 2006 - 9 U 226/05 und 9 U 191/05).

2. Ein vom Landgericht zuerkannter umfassender Unterlassungsanspruch steht der Klägerin auch in der Sache nicht zu, so dass die hierauf gerichtete Klage - würde man deren Zulässigkeit entgegen den Ausführungen zu 1. bejahen - auch unbegründet wäre. Denn es kann nicht generell ausgeschlossen werden, dass Fotos der Klägerin aus ihrem Privatleben rechtmäßig sein könnten. Dazu bedarf es stets der Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Ein umfassendes Verbot der Veröffentlichung privater Bildnisse kommt vorliegend auch schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin der Öffentlichkeit in nicht unerheblichem Maße Einblick in ihr Privatleben gewährt hat und, wie die als Anlage B 1 vorgelegte Autobiographie aus dem Jahre 2004 und insbesondere das als Anlage BK 2 eingereichte Interview in der "Bnn an Snnn " vom 25. September 2005 zeigen, noch gewährt. Darin gibt die Klägerin nicht nur Auskunft über ihre beruflichen Pläne, sondern auch über ihre Figur, ihr Schönheitsideal bei Männern, den Umgang mit Freunden und ihren Kinderwunsch. Lediglich über ihr derzeitiges Liebesleben hat die Klägerin ausdrücklich nicht mehr sagen wollen, als dass sie gerade sehr glücklich sei und es ihr gut gehe.

Es ist ständige Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme entfällt, wenn sich jemand selbst damit einverstanden zeigt, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltend Angelegenheiten öffentlich gemacht werden, etwa indem er Exklusivverträge über die Berichterstattung aus seiner Privatsphäre abschließt (vgl. BVerfGE 101, 261 = NJW 2000, 1021). Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mir Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet. Zwar ist niemand an der Kommerzialisierung der eigenen Person gehindert. Er kann sich aber dann nicht gleichzeitig auf den öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz berufen. Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss daher situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden. Dies gilt auch für den Fall, dass der Entschluss, die Berichterstattung über bestimmte Vorgänge der eigenen Privatsphäre zu gestatten oder hinzunehmen, rückgängig gemacht wird (BVerfG a.a.O.).

Diese Grundsätze stehen nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des EGMR, insbesondere der Entscheidung vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647). Der EGMR stellt darin darauf ab, dass die in der Boulevardpresse veröffentlichten Fotos oftmals unter Bedingungen entstehen würden, die einer Dauerbelästigung gleichkommen und von der betroffenen Person als besonders heftiges Eindringen in ihr Privatleben, wenn nicht sogar als Verfolgung empfunden werden. So ergibt sich aus den Feststellungen des EGMR zum Sachverhalt der Entscheidung vom 24. Juni 2004 (a.a.O.), dass sich die Beschwerdeführerin Cnnnn vn Mnnn seit Anfang der 90er Jahre bemüht hat, die Veröffentlichung von Fotos aus dem Privatleben in der Boulevardpresse untersagen zu lassen. Von einer solchen Ausgangslage kann bei der Veröffentlichung von Fotos, die einen vom Betroffenen der Öffentlichkeit preisgegebenen Bereich des Privatlebens betreffen, nicht ausgegangen werden. Von einem konsistent zum Ausdruck gebrachten Entschluss der Klägerin, ihr Privatleben einschließlich ihrer Liebesbeziehungen im Gegensatz zur Vergangenheit nicht mehr öffentlich zu machen, ist lediglich in Bezug auf ihre derzeitige Beziehung auszugehen. Nur insoweit hat die Klägerin deutlich zum Ausdruck gebracht, sich nicht mehr äußern zu wollen und eine Berichterstattung nicht zu wünschen. Soweit das Landgericht eine Zäsur in dem Ende der Karriere als eine der besten und erfolgreichsten deutschen Schwimmerinnen gesehen hat, kann dem angesichts der oben angeführten jüngsten Veröffentlichungen der Klägerin nicht gefolgt werden. Für ein umfassendes Verbot, das nach den Ausführungen des Landgericht alle Bildnisse der Klägerin erfassen soll, die diese in vergleichbaren privaten Situationen zeigen wie dies bei den angegriffenen Abbildungen der Fall ist, ist deshalb kein Raum.

3. Die Klage ist aber in dem mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Umfang zulässig und begründet.

Zwar liegt auch bei Beschränkung des Klageantrages in der Hauptsache eine Klageänderung vor. Diese ist aber nicht an die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Sachdienlichkeit oder Einwilligung gebunden (vgl. Zöller, ZPO, 25. Aufl., Rdnr. 3 zu § 533). Nach der Rechtsprechung des BGH kommt § 533 ZPO in den Fällen des § 264 Nr. 2 und 3 ZPO nicht zur Anwendung (vgl. BGH NJW 2004, 2152). Die Voraussetzungen des § 529 ZPO liegen vor, weil der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf dieselben Tatsachen wie der Hauptantrag gestützt wird. Der Antrag ist auch hinreichend bestimmt. Denn dieser beschränkt sich auf eine Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der konkreten und solcher Fotografien, die im Kern gleichartig sind. Der Zusatz "wie in" ist geeignet, an das Charakteristische des konkreten Verletzungstatbestandes anzuknüpfen.

Die Klage ist insoweit auch begründet. Der Klägerin steht der mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 22 f. KUG, Art 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Die Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotografien war rechtswidrig. Eine Einwilligung der Klägerin in die Veröffentlichung der heimlich angefertigten Fotos liegt nicht vor. Die Veröffentlichung ist auch nicht nach § 23 Abs. 1 KUG gerechtfertigt.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG allerdings auch Bildnisse von Personen zuzuordnen, die das öffentliche Interesse nicht nur punktuell durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis auf sich gezogen haben, sondern unabhängig von einzelnen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit finden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verlangt keine Beschränkung der einwilligungsfreien Veröffentlichung von Bildern, die Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung bei der Ausübung der Funktion zeigen, die sie in der Gesellschaft wahrnehmen. Vielmehr kann sich das öffentliche Interesse wegen der herausgehobenen Funktion und der damit verbundenen Wirkung auch auf Informationen darüber erstrecken, wie sich diese Personen generell, also außerhalb ihrer jeweiligen Funktion, in der Öffentlichkeit bewegen. Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse zu erfahren, ob solche Personen, die oft als Idol oder Vorbild gelten, funktionales und persönliches Verhalten überzeugend in Übereinstimmung bringen. Eine Begrenzung der Bildnisveröffentlichungen auf die Funktion einer Person von zeitgeschichtlicher Bedeutung würde demgegenüber das öffentliche Interesse, welche solche Personen berechtigterweise wecken, unzureichend berücksichtigen und zudem eine selektive Darstellung begünstigen, die dem Publikum Beurteilungsmöglichkeiten vorenthielte, die es für Personen des gesellschaftlichen Lebens wegen ihrer Leitbildfunktion und ihres Einflusses benötigt (vgl. BVerfG NJW 2000, 1021).

An diesen Grundsätzen ist trotz der Zweifel des EGMR in der Entscheidung vom 24. Juni 2004 (a.a.O.), der ein sich auch auf Aspekte des Privatlebens erstreckendes Informationsinteresse insbesondere bei Politikern anerkannt hat, ebenso festzuhalten wie an der im Rahmen der Feststellung des berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit von der Rechtssprechung entwickelten Begrifflichkeit der absoluten und relativen Person der Zeitgeschichte. Dass alle Personen, die eine Rolle im öffentlichen Leben spielen, sei es in der Politik, der Wirtschaft, der Kunst, im Sozialbereich, im Sport oder in anderen Bereichen, im öffentlichen Interesse stehen, stellt schon die vom EGMR als einschlägig angesehene Entschließung 1165 (1998) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über das Recht auf Achtung des Privatlebens klar. Die Belange der Öffentlichkeit sind gerade bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Zeitgeschichte des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu beachten. Das weitere dem Grundrechtseinfluss offen stehende Tatbestandsmerkmal des "berechtigten Interesses" in § 23 Abs. 2 KUG bezieht sich von vornherein nur auf Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung und kann folglich die Belange der Pressefreiheit nicht mehr ausreichend aufnehmen, wenn diese zuvor bei der Abgrenzung des Personenkreises bzw. der Einstufung eines Bildnisses als solches der Zeitgeschichte außer acht gelassen worden sind (vgl. BGH NJW 2005, 594).

Weiter ist daran festzuhalten, dass auch rein unterhaltende Presseveröffentlichungen von der Freiheit der Meinungsäußerung bzw. von der Pressefreiheit umfasst sind. Etwas anders ergibt sich insbesondere auch nicht aus der Entscheidung des EGMR vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647). Wie der EGMR betont, stellt die Freiheit der Meinungsäußerung eine der Grundfesten einer demokratischen Gesellschaft dar. Vorbehaltlich Art. 10 Abs. 2 EMRK gelte dies nicht nur für die "Informationen" oder "Ideen", die Zustimmung finden oder als harmlos oder unerheblich betrachtet werden, sondern auch für solche, die verletzend, schockierend oder beunruhigend wirken. Dies gebiete nämlich der Pluralismus, die Toleranz und die Aufgeschlossenheit, ohne die es eine demokratische Gesellschaft nicht geben könne. Soweit der EGMR weiter ausführt, dass die Freiheit der Meinungsäußerung auch für die Veröffentlichung von Fotos gelte, es sich aber im zu entscheidenden Fall um einen Bereich handele, in dem der Schutz des guten Rufs und der Rechte anderer eine besondere Bedeutung einnimmt, und es im zu entscheidenden Fall nicht um die Verbreitung von "Ideen" sondern von Bildern handele, die sehr persönliche oder sogar intime "Informationen" über einen Menschen enthalten würden, nimmt er damit solchen Veröffentlichungen nicht von vornherein den Schutz des Art. 10 EMRK. Diese Ausführungen folgen vielmehr der Aussage, wonach der Schutz des Privatlebens mit der garantierten freien Meinungsäußerung zu einem Ausgleich zu bringen ist und umreißen damit lediglich einen nach Auffassung des EGMR zu berücksichtigen Umstand. Das Bundesverfassungsgericht hat auch in der jüngsten Entscheidung vom 21. August 2006 (WRP 2006, 1370) nochmals bekräftigt, dass der Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG nicht schon deshalb entfällt, weil eine Medienberichterstattung allein unterhaltenden Charakter hat.

Ob eine konkrete Bildnisveröffentlichung zulässig ist, ist mithin letztlich als Ergebnis einer Abwägung zwischen dem nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen mit dem gemäß Art. 5 Abs. 1 GG ebenfalls Verfassungsrang genießenden Recht des Presseorgans auf freie Meinungsäußerung zu entscheiden. Hierzu bieten die Vorschriften der §§ 22 und 23 KUG den Rahmen. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Dezember 1999 (BVerfGE 101, 361 = NJW 2000, 1021) betont, trägt die Regelung des KUG sowohl dem Schutzbedürfnis des Abgebildeten als auch den Informationsinteressen der Öffentlichkeit und den Interessen der Medien Rechnung, indem auf der ersten und dritten Stufe (§ 22 Satz 1 und § 23 Abs. 2 KUG) das Schutzbedürfnis der abgebildeten Person und auf der zweiten Stufe (§ 23 Abs. 1 KUG) die Belange der Pressefreiheit und der hinter dieser stehenden Meinungsbildungsfreiheit zur Geltung kommen. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch zu berücksichtigen, ob die Veröffentlichung einen besonderen Bezug zum demokratischen Prozess hat oder "lediglich" unterhaltender Art ist. Angesichts der Rolle der Medien in einer demokratischen Gesellschaft wird dabei bedeutsam, ob Fragen ausgebreitet werden, welche die Öffentlichkeit mit Rücksicht auf die für die Demokratie wichtige öffentliche Meinungsbildung wesentlich angehen, oder lediglich private Angelegenheiten ausgebreitet werden, um ausschließlich die Neugier zu befriedigen (BVerfG WRP 2006, 1365).

Der Schutz der Privatsphäre, der wie das Recht am eigenen Bild im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelt, ist thematisch und räumlich bestimmt. Er umfasst zum einen Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als privat eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachhaltige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern, bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten, im Bereich der Sexualität, bei sozial abweichendem Verhalten oder bei Krankheiten der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung anderer, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation mit Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. BVerfGE 101, 361 = NJW 2000, 1021). Zum anderen erstreckt sich, wie das Bundesverfassungsgericht weiter ausführt, der Schutz der Privatsphäre auf einen räumlichen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann. Im Kern geht es dabei um einen Raum, in der er die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und der damit von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, auch ohne dass er sich dort notwendigerweise anders verhielte als in der Öffentlichkeit. Bestünden solche Rückzugsbereiche nicht, könnte der Einzelne psychisch überfordert sein, weil er unausgesetzt darauf achten müsste, wie er auf andere wirkt und ob er sich richtig verhält. Ihm fehlten Phasen des Alleinseins und Ausgleichs, die für die Persönlichkeitsentfaltung notwendig sind und ohne die sie nachhaltig beeinträchtigt wäre. Ein derartiges Schutzbedürfnis besteht auch bei Personen, die aufgrund ihres Ranges oder Ansehens, ihres Amtes oder Einflusses, ihrer Fähigkeiten oder Taten besondere öffentliche Beachtung finden. Wer, ob gewollt oder ungewollt, zur Person des öffentlichen Lebens geworden ist, verliert damit nicht sein Anrecht auf eine Privatsphäre, die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt. Der Rückzugsbereich darf dabei nicht auf den häuslichen Bereich, der anerkanntermaßen eine solche geschützte Sphäre darstellt, begrenzt werden. Dies gilt schon deshalb, weil die Funktionen, denen er dient, nur erfüllt werden, wenn er nicht an den Hausmauern oder Grundstücksgrenzen endet. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wäre erheblich behindert, wenn der Einzelne nur im eigenen Haus der öffentlichen Neugier entgehen könnte. Die notwendige Erholung von einer durch Funktionszwänge und Medienpräsenz geprägten Öffentlichkeit ist vielfach nur in der Abgeschiedenheit einer natürlichen Umgebung, etwa an einem Ferienort, zu gewinnen. Wo die Grenzen der geschützten Privatsphäre außerhalb des Hauses verlaufen, lässt sich nicht generell und abstrakt festlegen (BVerfG a.a.O.). Ausschlaggebend soll danach sein, ob der Einzelne eine Situation vorfindet oder schafft, in der er begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein. Insofern hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 21. August 2006 (WRP 2006, 1365) bekräftigt, dass nur unter Berücksichtigung der konkreten Situation und damit unter Einbezug des eigenen Verhaltens des Betroffenen beurteilt werden kann, in welchem Umfang der Einzelne berechtigter Weise davon ausgehen darf, in seinem Verhalten nicht Gegenstand einer Medienberichterstattung zu werden. Wie das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) weiter betont, stellt auch die Rechtsprechung des EGMR auf diesen situationsbezogenen Umfang der berechtigten Privatheitserwartungen des Betroffenen ab. Diese misst dem von Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährten Schutz der Privatsphäre etwa dort besonders Gewicht bei, wo heimlich und ohne Kenntnis des Betroffenen gewonnene Abbildungen veröffentlicht werden (vgl. EGMR a.a.O.) oder der Betroffene zwar noch mit einer Kenntnisnahme eines Beobachters, aber aufgrund der weiteren Umstände nicht mit einer Verbreitung von Aufzeichnungen durch Massenmedien rechnen muss (vgl. EGMR vom 28. Januar 2003, Peck gegen Großbritannien, Beschwerde Nr. 44647/98, Rn. 62 f.).

Auch nach Auffassung des Senats stellt das Kriterium der berechtigten Privatheitserwartung einen geeigneten Maßstab im Rahmen der Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Pressefreiheit dar. Soweit das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 15. Dezember 1999 (BVerfGE 101, 361 = NJW 2000, 1021) ausgeführt hat, dass eine solche berechtigte Privatheitserwartung eine örtliche Abgeschiedenheit voraussetzt, weswegen die schützenswerte Privatsphäre, die auch absoluten Personen der Zeitgeschichte zusteht, auf solche Orte beschränkt ist, erscheint dies allerdings als zu eng. Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist vom EGMR auch beanstandet und die hierauf beruhende Rechtsprechung in der Entscheidung vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647) als ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK angesehen worden. Der EGMR führt darin aus, die Öffentlichkeit habe kein legitimes Interesse daran zu erfahren, wo sich die Beschwerdeführerin Cnnnn vn Mnnn aufhält und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält, selbst wenn sie sich an Orte begibt, die nicht immer als abgeschieden bezeichnet werden können, auch wenn sie eine bekannte Persönlichkeit ist. Auch wenn dem nach Auffassung des Senats nicht uneingeschränkt gefolgt werden kann, ist doch der Rahmen der berechtigten Privatheitserwartung über die Orte der Abgeschiedenheit hinaus auszudehnen. Die Leitgedanken des Urteils des EGMR sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 307 = NJW 2004, 3407). Wie das Bundesverfassungsgericht ausführt, trifft deutsche Gerichte die Pflicht, der konventionsgemäßen Auslegung des nationalen Rechts - auch der Grundrechte und der rechtstaatlichen Garantien - den Vorrang zu geben, solange im Rahmen geltender methodischer Standards Auslegungs- und Abwägungsspielräume eröffnet sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Beachtung der Entscheidung des Gerichtshofs etwa wegen einer geänderten Tatsachenbasis gegen eindeutig entgegenstehendes Gesetzesrecht oder deutsche Verfassungsbestimmungen, namentlich auch Grundrechte Dritter verstößt. "Berücksichtigen" bedeutet nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) die Konventionsbestimmung in der Auslegung des Gerichtshofs zur Kenntnis zu nehmen und auf den Fall anzuwenden, soweit die Anwendung nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen Verfassungsrecht verstößt. Hiervon kann nach Auffassung des Senats bei der Abkehr von einem von der Rechtssprechung entwickelten und vom Bundesverfassungsgericht gebilligten, im Rahmen der Abwägung zweier Grundrechte heranzuziehenden Kriterium nicht ausgegangen werden, auch wenn dies im Ergebnis dazu führt, dass das eine Grundrecht gegenüber dem anderen im konkreten Einzelfalls zurückstehen muss. Auch § 31 BVerfGG steht der Abkehr vom Kriterium der Abgeschiedenheit nicht entgegen. Denn die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Berücksichtigung der Rechtssprechung des EGMR, wonach die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen eine Konventionsbestimmung verstößt, ist nach Ansicht des erkennenden Senats nur dann möglich, wenn dieser Rechtsprechung nicht mehr gefolgt wird.

Unter Anwendung der dargelegten Grundsätze haben das Interesse der Beklagten an der Veröffentlichung und Verbreitung der streitgegenständlichen Fotografien hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin und deren berechtigtes Interesse an der Achtung ihrer Privatsphäre zurückzustehen. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin als absolute Person der Zeitgeschichte anzusehen ist. Die während eines Ferienaufenthalts auf Sardinen heimlich angefertigten Fotos zeigen die Klägerin und Ihren Partner unter anderem am Hotelstrand, im Wasser, beim Betreten einer Miet-Yacht und beim Bummel durch den Ferienort. In sämtlichen Situationen durfte die Klägerin berechtigterweise davon ausgehen, dass sie nicht den Blicken eines breiten Publikums ausgesetzt wird. Zu einem Hotelstrand haben in der Regel nur Gäste des Hotels und ggf. deren Gäste Zutritt, so dass die Klägerin und ihr Partner zwar damit rechnen mussten, von einem begrenzten Kreis von Personen wahrgenommen zu werden. Die Klägerin konnte aber darauf vertrauen, dass sie nicht einem breiten Publikum präsentiert wird. Auch soweit sich die Klägerin und ihr Partner in dem Urlaubsort bewegt haben, mussten sie nicht mit der Verbreitung von Aufzeichnungen durch Massenmedien rechnen. Denn die Klägerin und ihr Partner haben sich nicht etwa an prominenter Stelle eines vom Jetset vielbesuchten Orts aufgehalten, wo jeder mit der Anwesenheit von Fotografen rechnen muss. Die Aufnahmen zeigen vielmehr, dass sie unter Zuhilfenahme von Telobjektiven aus großer Entfernung angefertigt worden sind. Auch die Bildunterschriften zeigen, dass es der Beklagten darum ging, einen der breiten Öffentlichkeit nicht preisgegebenen Einblick zu verschaffen. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin sich in der Vergangenheit in Bezug auf frühere Partner geäußert und die Verbreitung von Fotografien hingenommen oder sogar gefördert hat, lässt sich eine Rechtfertigung der vorliegenden Veröffentlichung nicht herleiten. Wie bereits ausgeführt, hat die Klägerin zwar in der Vergangenheit zu ihren Partnerschaften in mehr oder weniger breitem Umfang Auskunft erteilt und die Öffentlichkeit auch nach dem Ende ihrer Karriere als Schwimmerin an ihren privaten Angelegenheiten in gewissem Umfang teilhaben lassen. Über ihre aktuelle Beziehung hat sich die Klägerin dagegen nicht geäußert, sondern vielmehr klar erklärt, dass sie eine Berichterstattung hierüber nicht wünsche. Die Fotos sind letztlich auch nicht geeignet, einen Beitrag von allgemeinem Interesse leisten, etwa weil sie sich mit dem von der Klägerin in der Öffentlichkeit abgegebenen Bild kritisch auseinandersetzen. Sie tragen in keiner Weise zu einer wichtigen öffentlichen Auseinandersetzung in einer demokratischen Gesellschaft bei. Für die Veröffentlichung streiten damit nur die kommerziellen Interessen der Beklagten und die Befriedigung von rein voyeuristischen Unterhaltungsinteressen einer mehr oder weniger breiten, gewissen Leserschaft. Diese Interessen vermögen das Recht der Klägerin auf Achtung ihrer Privatsphäre nicht zu überwiegen.

Die wegen des bereits erfolgten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin bestehende Vermutung der Wiederholungsgefahr wird durch die abgegebenen, als Anlagen K 3 und K 4 vorgelegten Unterlassungserklärungen nicht widerlegt. Die Unterlassungserklärungen enthalten kein Vertragsstrafversprechen, so dass es bereits an der Ernstlichkeit fehlt. Zudem beschränken sie sich auf die Verbreitung der bereits veröffentlichten konkreten Bildnisse, ohne auch im Kern wesensgleiche Fotografien mit einzubeziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1und 2 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrages und die nach Auffassung des Senats bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR gebotene Abkehr vom Kriterium der Abgeschiedenheit grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes erfordert.

Ende der Entscheidung

Zurück