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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.08.2006
Aktenzeichen: 11 U 18/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 271 Abs. 1 2. Fall
BGB § 665
BGB § 665 Satz 1
BGB § 667
BGB § 675 Abs. 1
1) In einem laufenden Geschäftsbesorgungsvertrag hat der Auftragnehmer ihm übergebene oder erlangte Verwaltungsunterlagen auf Weisung des Auftraggebers gem. §§ 675, 665 BGB jederzeit herauszugeben. Der Geschäftsbesorger schuldet die Herausgabe unabhängig davon, ob er sie für zweckmäßig oder interessensgerecht hält.

2) Die Fälligkeit eines Anspruchs aus §§ 675, 667 BGB richtet sich nach den getroffenen Vereinbarungen. Fehlt es daran, richtet sich die Fälligkeit nach den Umständen, § 271 Abs.1 2. Fall BGB. In der Regel kann der Auftraggeber danach grundsätzlich jederzeit Herausgabe verlangen.


Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 11 U 18/06

verkündet am: 11.08.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30 - 33, 10781 Berlin, durch die Präsidentin des Kammergerichts Nöhre als Vorsitzende, die Richterin am Kammergericht Dr. Emmrich und den Richter am Amtsgericht Dr. Elzer auf die mündliche Verhandlung vom 11. August 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. Juni 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 35 O 147/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

(auf Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet)

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat die Beklagte unter Berücksichtigung der weiteren Gesellschafterbeschlüsse vom 28. Juni 2006 im Ergebnis zu Recht verpflichtet, im Wege der einstweiligen Verfügung an den zuständigen Gerichtsvollzieher sämtliche Verwaltungsunterlagen und Datenträger der Klägerin herauszugeben.

I. Der Verfügungsanspruch auf Herausgabe findet seine Grundlage in §§ 675 Abs. 1, 667, 665 BGB i. V. m. dem die Parteien verbindenden Geschäftsbesorgungsvertrag. Die Beklagte ist danach verpflichtet, der Klägerin alles, was sie zur Ausführung der Geschäftsbesorgung erhalten und erlangt hat, herauszugeben. Zur Begründung verweist der Senat im Wesentlichen auf die sorgfältige und klar begründete erstinstanzliche Entscheidung. Der abstrakte Herausgabeanspruch der Klägerin aus §§ 675 Abs. 1, 667 BGB i .V. m. dem die Parteien verbindenden Geschäftsbesorgungsvertrag ist unstreitig. Im Ergebnis offen bleiben kann, ob die Bestellung der Beklagten beendet ist.

1. Nimmt man nämlich den rechtlichen Standpunkt der Beklagten ein und vertritt also mit ihr die Ansicht, dass ihr Geschäftsbesorgungsvertrag nicht wirksam aufgehoben wurde, folgt der Herausgabeanspruch der Klägerin vornehmlich aus ihrem Weisungsrecht aus §§ 675, 665 BGB.

a) Die Klägerin hat die Beklagte bei dieser Sichtweise in einem laufenden Vertragsverhältnis unmissverständlich und mehrfach angewiesen, ihr ihre Verwaltungsunterlagen auszuhändigen. Die Beklagte ist - wie jeder andere Auftragnehmer auch - gem. § 665 BGB an Weisungen ihres Auftraggebers gebunden. Der Auftragnehmer muss - sofern es wie hier gewünscht wird und die Gründe des § 665 Satz 1 BGB nicht vorliegen - jegliche Weisungen erfüllen und z. B. Unterlagen des Auftraggebers herausgeben. Die Bindung des Beauftragten an eine wirksame Weisung besteht dabei unabhängig davon, ob der Beauftragte sie für zweckmäßig oder interessensgerecht hält (BGH v. 29. 5. 1978 - II ZR 89/76, BGHZ 75, 120 = NJW 1978, 1852 [Herstatt-Urteil]).

Ob die Beklagte die Bestellung der Snnn IPM GmbH für unwirksam oder ihre Leistungen für angreifbar hält, spielt daher keine Rolle. Nachteile drohen der Beklagten bei Erfüllung der Weisung nicht. Soweit der Auftragnehmer nach einer Weisung nicht mehr in der Lage ist, seinen Auftrag - ggf. vorübergehend - zu erfüllen, liegt das in der Sphäre des Auftraggebers.

Die Beklagte macht im Übrigen keine rechtlich schützenswerten Gründe i. S. v. § 665 Satz 1 BGB geltend, die es ihr ausnahmsweise gestatten würden, sich dem Willen der Geschäftsherrin entgegenzustellen. Es ist nicht ansatzweise zu erkennen, welches Interesse die Beklagte daran haben könnte, im laufenden Vertrag die Verwaltungsunterlagen gegen eine Weisung der Klägerin zurückzuhalten.

b) aa) Die Klägerin hat die Beklagte auch wirksam zur Herausgabe angewiesen. In diesem Zusammenhang muss nicht aufgeklärt werden, ob der vom Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. von Wnnnnn am 28. Juni 2006 festgestellte Beschluss zu Nr. 3 (Aufforderung zur Herausgabe der Fondsunterlagen) jedenfalls unter einem formellen Beschlussmangel leidet, weil die Snnn IPM GmbH ggf. zu Unrecht am Beschlussverfahren beteiligt war - und es also an einer Aufforderung zur Herausgabe letztlich fehlt (ein materieller Beschlussmangel wird weder geltend gemacht noch ist er zu erkennen). Denn die Klägerin hat ihren Herausgabewunsch jedenfalls in diesem Verfahren mehrfach wiederholt.

bb) Im Übrigen leidet der "Herausgabebeschluss" nach Ansicht des Senats aber auch unter keinem formellen Beschlussmangel.

(1) Für sein formelles Zustandekommen notwendig, aber auch ausreichend war zunächst, dass - wie hier - die schriftliche Beschlussfassung von 10 % der Gesellschafterstimmen verlangt und das Beschlussverfahren von diesen Gesellschaftern ausgelöst worden war. Der für die Feststellung der schriftlichen Beschlussfassung beauftragte Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. von Wnnnnn hat in seinem Protokoll vom 28. Juni 2006 bestätigt, dass ihm die Aufforderungen von "20 Gesellschaftern vor[lagen], die zusammen mehr als 10 % (nämlich 23,85 %) der Gesellschafterstimmen inne haben".

(2) Es ist weiter zwischen den Parteien unstreitig, dass dem Beschlussantrag mehrheitlich zugestimmt worden ist.

(3) Auch die weitere, negative Voraussetzung des Gesellschaftervertrages war erfüllt. Danach dürfen sich nicht 25 % der Gesellschafterstimmen gegen einen schriftlichen Beschluss ausgesprochen haben. Nach dem Protokoll über die Beschlussfassung sprachen sich nur 3,46 % der Gesellschafterstimmen gegen einen schriftlichen Beschluss aus.

(4) Es war schließlich - worauf der Senat bereits im Beschluss vom 14. Juli 2006 hingewiesen hatte - nicht zu beanstanden, dass auch die Snnn IPM GmbH am Zustandekommen des schriftlichen Beschlusses beteiligt war. Der Gesellschaftsvertrag schloss es nicht aus, dass ein Dritter die Beschlussfassung jedenfalls begleitete. Wie unter (1) ausgeführt und von der Klägerin glaubhaft gemacht, ging die Initiierung (Auslösung) des Beschlussverfahrens von Gesellschaftern selbst, nicht aber von der Snnn IPM GmbH aus. Es ist deshalb - ohne dass es darauf ankäme - anzunehmen, dass die Snnn IPM GmbH im Beschlussverfahren noch als Vertreterin eines Gesellschafters tätig war und sich die das Beschlussverfahren verlangenden Gesellschafter der Snnn IPM GmbH als Gehilfin "bedienten". Kein Gesellschafter - und auch nicht die Beklagte - ist im Übrigen der Beteiligung der Snnn IPM GmbH im Rahmen der vorgesehenen Fristen entgegengetreten. Die Beklagte selbst hat sich ausweislich der Anlage K 14 allein gegen eine Beschlussfassung durch schriftlichen Beschluss gewandt. Ein etwaiger Mangel wäre deshalb jedenfalls geheilt.

(5) Dem Anspruch auf Herausgabe stünde nicht entgegen, wenn neben der Beklagten ggf. auch die Snnn IPM GmbH als Geschäftsbesorgerin anzusehen wäre. Es sind keine gesellschaftsrechtlichen Grundsätze erkennbar, die es der Klägerin unmöglich machen könnten, neben der Beklagten eine weitere Geschäftsbesorgerin zu bestellen. Eine Publikums-GbR kann ohne weiteres mehrere Geschäftsbesorger beauftragen. Es wäre in einem solchen Falle nicht zu beanstanden, dass die Klägerin beiden Geschäftsbesorgern ihre Verwaltungsunterlagen zur Verfügung stellen will. Ein vorrangiges Interesse der Beklagten an den Unterlagen gegenüber einem weiteren Geschäftsbesorger mit selben Aufgaben ist insoweit weder dargetan noch ersichtlich.

2) Vertritt man hingegen die Ansicht, dass die Klägerin den Geschäftsbesorgungsvertrag durch Beschluss vom 28. Juni 2006 beendet hat, ergibt sich nichts anderes. Der Herausgabeanspruch beruht dann auf §§ 675, 667 BGB.

a) Die Fälligkeit eines Anspruchs aus § 667 BGB richtet sich nach den getroffenen Vereinbarungen. Fehlt es wie hier daran, richtet sich die Fälligkeit gem. § 271 Abs. 1 2. Fall BGB nach den Umständen (BGH v. 23.6.2005 - IX ZR 139/04, MDR 2006, 231 = BGHReport 2005, 1621). Die Beklagte selbst trägt vor, dass der Geschäftsbesorger in diesem Falle das, was er zur Ausführung seines Auftrags erhalten hat, in der Regel sofort herausgeben muss (BGH v. 23.6.2005 - IX ZR 139/04, MDR 2006, 231 = BGHReport 2005, 1621; v. 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, NJW 2005, 2928, 2929). So liegen die Dinge hier: Vertritt man die Ansicht, dass die Klägerin den Geschäftsbesorgungsvertrag durch Beschluss vom 28. Juni 2006 beendet hat, war der Zweck des Auftrags - die partielle Geschäftsführung der GbR - erreicht. Umstände, die eine Abweichung von der Regel gebieten, sind nicht vorgetragen oder zu erkennen. Gegen eine Herausgabe spricht insbesondere nicht, dass ggf. die Bestellung der Snnn IPM GmbH unwirksam ist. An der Wirksamkeit des Herausgabeverlangens - vgl . 1. b. bb) (4) - änderte dies nichts.

b) Ob es der Beklagten möglich wäre, ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, muss offen bleiben. Die Beklagte hat ein solches Recht weder ausdrücklich noch schlüssig geltend gemacht.

II. Schließlich fehlt es - anders als die Beklagte meint - auch nicht an einem Bedürfnis für eine vorläufige Regelung i. S. v. § 940 ZPO (Verfügungsgrund).

1) Das Bedürfnis, die Frage der Herausgabe der Verwaltungsunterlagen zur Abwendung wesentlicher Nachteile der Klägerin vorläufig nach §§ 935, 940 ZPO zu regeln, ist unter Würdigung der schutzwürdigen Interessen beider Seiten und nach einer Abwägung der gegenseitigen Standpunkte bereits darin zu sehen, dass die Klägerin nach der gebotenen objektiven Betrachtungsweise (Vollkommer, in: Zöller, 25. Aufl. 2005, § 940 Rn. 4) ein berechtigtes Interesse hat, ihre eigenen Verwaltungsunterlagen so schnell wie möglich (zurück) zu erhalten. Ohne wenigstens Kopien der Verwaltungsunterlagen erhalten zu haben, ist der Klägerin eine Verwaltung in den der Geschäftsbesorgerin übertragenen Aufgabenbereichen nicht sachgerecht möglich. Auf eine ggf. zu schließende Sanierungsvereinbarung kommt es für die Beurteilung der Frage, wie rasch Verwaltungsunterlagen herauszugeben sind, insoweit nicht maßgeblich an. Eine Gesellschaft ist ohne ihre Verwaltungsunterlagen überhaupt nicht in der Lage, gegenüber irgendeinem Dritten sachgerecht aufzutreten.

2) Ein vorrangiges, gewichtiges Interesse der Beklagten, die verlangten Unterlagen nicht wenigstens an einen Sequester herauszugeben oder gar zurückzubehalten, ist weder dargetan noch erkennbar.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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