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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: 11 U 8/01
Rechtsgebiete: BGB, BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 631
BGB § 631 Abs. 1
BGB § 166 Abs. 1
BGB § 284 Abs. 1
BGB § 121 Abs. 1
BRAGO § 20 Abs. 1 S. 2
BRAGO § 20 Abs. 1 S. 1
BRAGO § 13 Abs. 1
BRAGO § 13 Abs. 2
BRAGO § 13
BRAGO § 12 Abs. 2
BRAGO § 12 Abs. 1
ZPO § 448
ZPO § 447
ZPO § 288
ZPO § 290
ZPO § 288 Abs. 1
ZPO § 304 Abs. 1
ZPO § 301 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 67 2. Halbsatz
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
ZPO § 522 a Abs. 2 2. Alternative
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes Grund- und Teilurteil

Geschäftsnummer: 11 U 8/01

verkündet am: 19. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2001 durch die Richterinnen am Kammergericht und sowie den Richter am Kammergericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 05. März 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 30 O 511/00 - teilweise geändert:

1. Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.322,69 DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 07. November 2000 zu zahlen.

Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 2. des Tenors vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten wird auf 24.713,80 DM festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch, soweit Entscheidungsreife eingetreten ist, begründet, nämlich hinsichtlich des Anspruchsgrundes und der Mindestgebühr gem. § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer.

Der Streithelfer des Beklagten hat den Kläger namens und in Vollmacht des Beklagten am 21. Januar 2000 beauftragt, den Beklagten hinsichtlich der Wirksamkeit des vor dem Notar am 09. September 1999 zu dessen Urkundenrollen-Nr. abgeschlossenen Grundstückskaufvertrages zu beraten. Im Beratungsgespräch hat der Streithelfer den Kläger gebeten, die Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages durch eine Recherche der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur eingehender zu untersuchen und den Beklagten über das Ergebnis der Überprüfung spätestens am darauffolgenden Montag schriftlich zu unterrichten. Für das Beratungsgespräch und das Beratungsschreiben vom 24. Januar 2000 steht dem Kläger gem. § 631 Abs. 1 BGB die Rategebühr des § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO zu. Der Gebührenanspruch ist nicht durch Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch des Beklagten erloschen. Im einzelnen:

1. Der Beklagte hat sowohl die Erteilung des Beratungsauftrages an den Kläger als auch die hierfür erforderliche Bevollmächtigung seines Streithelfers erstinstanzlich im Sinne des § 288 Abs. 1 ZPO zugestanden. Ein Geständnis im Sinne des § 288 ZPO ist die Erklärung einer Prozesspartei, dass die von der Gegenseite behaupteten Tatsachen wahr sind. Es ist an keinen bestimmten Wortlaut gebunden und kann auch in einem schlüssigen Verhalten liegen (BGH NJW 1983, 1496, 1497; BGHR ZPO § 288 "Geständniswille 1").

In der Klageerwiderung vom 28. September 2000 hat der Beklagte Folgendes ausgeführt "Richtig ist, dass Herr für den Beklagten den Kläger mit der Bitte um Beratung hinsichtlich der Rechtswirksamkeit eines Kaufvertrages aufsuchte." Hierdurch hat der Beklagte den Vortrag des Klägers, der Streithelfer habe ihn "namens und in Vollmacht des Beklagten" (Anspruchsbegründung vom 22. August 2000, Seite 2) mit der Überprüfung der Rechtswirksamkeit des Grundstückskaufvertrages vom 09. September 1999 beauftragt, zugestanden. Dass der Beklagte statt der Wendung "in Vollmacht des Beklagten" die Formulierung "für den Beklagten" gebraucht hat, spricht nicht gegen ein Geständnis der Bevollmächtigung des Streithelfers durch den Beklagten. Denn der Beklagte hat durch die Voranstellung der Worte "Richtig ist,...." und die Unterlassung irgendwelcher Einschränkungen bezüglich der Bevollmächtigung zum Ausdruck gebracht, dass der in Bezug genommene Vortrag des Klägers in vollem Umfang zugestanden werden sollte. Dies bestätigt auch die Wendung, mit welcher der nachfolgende Satz eingeleitet wurde ("Ebenso trifft es zu, dass...").

Der Geständniswille des Beklagten wird rückblickend ferner durch den Umstand belegt, dass der Beklagte die Bevollmächtigung seines Streithelfers während der mehr als einjährigen Prozessdauer weder in erster Instanz noch in der Berufungserwiderung bestritten hatte (vgl. BGHR ZPO § 288 "Geständniswille 2"), obwohl die Bedeutung der Bevollmächtigung des Streithelfers für den Ausgang des Rechtsstreites schlechterdings nicht zu übersehen war.

Das Geständnis hätte der Beklagte nur unter den Voraussetzungen des § 290 ZPO widerrufen können. Der Beklagte hat weder dargetan, dass das Geständnis durch einen Irrtum veranlasst worden sei, noch hat er den Beweis geführt, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspreche. Der Beklagte ist mithin an das Geständnis gebunden.

Die Tatsache, dass der Beklagte nach seiner Satzung gerichtlich und außergerichtlich durch zwei Vorstandsmitglieder, darunter der Vorstandsvorsitzende oder dessen Stellvertreter, vertreten wird, widerlegt die Bevollmächtigung des Streithelfers zur Beauftragung des Klägers nicht. Denn der Vorstand des Beklagten konnte den Streithelfer ermächtigt haben, ohne Mitwirkung eines weiteren Vorstandsmitgliedes anwaltlichen Rat hinsichtlich der Wirksamkeit des Kaufvertrages vom 09. September 1999 einzuholen.

Abgesehen davon, dass ein Irrtum des Beklagten im Sinne des § 290 ZPO nicht dargetan ist, wäre ein Beweis der angeblich fehlenden Vollmacht des Streithelfers durch eine Parteivernehmung des Vorstandsmitgliedes ohnehin nicht in Betracht gekommen, weil die Voraussetzungen der §§ 447, 448 ZPO nicht vorlagen. Für eine Parteivernehmung von Amts wegen fehlt es am Erfordernis einer gewissen Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der vom Beklagten zuletzt aufgestellten Behauptung, der Streithelfer sei nicht (Schriftsatz des Beklagten vom 06. November 2001) oder nur für die Einholung einer Erstberatung (Schriftsätze vom 18. und 31. Oktober 2001) bevollmächtigt gewesen. Dieser Vortrag ist widersprüchlich und wenig glaubhaft:

Obwohl die Bevollmächtigung des Streithelfers ersichtlich streitentscheidende Bedeutung besaß, hat der Beklagte die Bevollmächtigung zugestanden und gegenteiliges erst dann behauptet, nachdem er aufgrund der gerichtlichen Verfügung vom 06. September 2001 und der Erörterung im Termin am 24. Oktober 2001 befürchten musste, mit seinen bisherigen Einwendungen gegen den Klageanspruch nicht durchzudringen. Es liegt im Übrigen nahe, dass der Streithelfer, worauf seine Teilnahme an der Beurkundung des Kaufvertrages vom 09. September 1999, sein Auftreten für den Beklagten in Prozessen des Vereins und die Konsultierung auch anderer Anwälte in Vereinsangelegenheiten schließen lassen, aufgrund seiner Kenntnisse als Volljurist befugt war, die Rechtsangelegenheiten des Vereins weitgehend selbstständig zu erledigen.

Der Streithelfer selbst kann mit seinem Vortrag, den Kläger nicht beauftragt zu haben und vom Beklagten nicht oder unzureichend bevollmächtigt gewesen zu sein, im hiesigen Rechtsstreit nicht gehört werden, weil dieser Vortrag im Widerspruch zum Geständnis des Beklagten steht, § 67 2. Halbsatz ZPO. Die Voraussetzungen für einen Geständniswiderruf (§ 290 ZPO) hat der Streithelfer nicht dargetan. Sein Einwand, er habe nicht den Kläger, sondern die Rechtsanwaltskanzlei beauftragt, greift schon deshalb nicht durch, weil er bei seiner Anhörung in erster Instanz am 12. Februar 2001 bestätigt hatte, Beratungsleistungen des Klägers in Anspruch genommen zu haben. Ferner hat er das Beratungsschreiben des Klägers vom 24. Januar 2000 in Empfang genommen und dort zitierte Rechtsprechungsnachweise beim Kläger erfordert. Der Beklagte hat den mit dem Kläger abgeschlossenen Beratungsvertrag im Übrigen auch nicht innerhalb der Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB wegen eines angeblichen Irrtums über die Person des von ihm beauftragten Rechtsanwalts angefochten.

Zwischen den Parteien ist mithin ein Anwaltsvertrag zustande gekommen. Es handelt sich hierbei um einen Werkvertrag, § 631 BGB, weil Gegenstand des Vertrages die anwaltliche Beratung zu einer Einzelfrage, nämlich der Wirksamkeit des Kaufvertrages vom 09. September 1999, war (vgl. Palandt-Putzo, BGB, 60. Aufl., Vor § 611 Rdnr. 21).

2. Aufgrund der glaubhaften Bekundungen des Zeugen steht zur vollen Überzeugung des Senates fest, dass der Streithelfer den Kläger im Beratungsgespräch am 24. Januar 2001 gebeten hat, die Frage der Wirksamkeit des Kaufvertrages schriftlich auszuarbeiten. Der Zeuge hat bekundet, habe den Kläger gebeten, den von ihm erteilten Rat schriftlich auszuarbeiten. Die Aussage des Zeugen steht im Einklang mit den Gesamtumständen:

Dem Beklagten kann aufgrund der widersprüchlichen Auskünfte von ihm zu Rate gezogener Rechtsanwälte und angesichts der Bedeutung der Angelegenheit ein dringendes Interesse unterstellt werden, die Frage der Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages vor den für den 25. Januar 2000 verabredeten Verhandlungen mit dem Verkäufer einer gründlichen, über eine erste Beratung hinausgehenden Prüfung zu unterziehen. Der Streithelfer hat im Beratungsgespräch am 21. Januar 2000 eine vom Kläger vorgelegte Standardprozessvollmacht unterzeichnet Auch wenn es nicht um eine Prozessführung ging und die Vollmacht noch nicht mit dem Kanzleistempel des Klägers versehen gewesen sein sollte - was dahinstehen kann -, spricht dieser Umstand dafür, dass der Kläger eine über die mündliche Beratung hinausgehende Tätigkeit entfalten sollte. Dass der Streithelfer den Kläger ersichtlich für den Beklagten und nicht auf eigene Rechnung um Rat ersucht hat, ergab sich schon aus dem Beratungsgegenstand selbst und der Tatsache, dass der Streithelfer durch das Rubrum des Grundstückskaufvertrages als Vorstandsmitglied des Beklagten ausgewiesen war. Es ist unwahrscheinlich, dass der Streithelfer, der Jurist ist und nach seinem eigenen Bekunden darauf bedacht war, die entstehenden Anwaltskosten möglichst gering zu halten, dem Kläger aus purer Höflichkeit in dieser dem Werte nach bedeutenden Angelegenheit eine Vollmacht erteilt hätte.

Schließlich hat der Streithelfer dem Kläger die für die Übermittlung des Beratungsschreibens vom 24. Januar 2000 benötigte Fax-Nummer mitgeteilt und das Beratungsschreiben entgegengenommen. Anschließend hat er den Kläger um Übersendung zweier in dem Schreiben zitierter Fundstellen gebeten. Dies alles lässt darauf schließen, dass das Beratungsschreiben nicht ungebeten übersandt wurde. Ebenso erscheint es wenig wahrscheinlich, dass der Kläger ohne entsprechende Veranlassung, zudem über ein Wochenende (22./23. Januar 2000), eine mit einigem Zeitaufwand verbundene Stellungnahme ausgearbeitet und diese dem Beklagten rechtzeitig vor dem anstehenden Verhandlungstermin übermittelt hätte. Nicht zuletzt begründet das Prozessverhalten des Beklagten, worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat (Seite 8 erster Absatz des Urteils), erhebliche Zweifel an der späteren Darstellung des Beklagten, er habe keine Veranlassung für die Anfertigung des Beratungsschreibens vom 24. Januar 2000 gegeben.

Der Umstand, dass sich der Zeuge an einige Details des im Zeitpunkt seiner Vernehmung fast zwei Jahre zurückliegenden Beratungsgespräches vom 21. Januar 2000 nicht erinnern konnte - zum Beispiel an das Erscheinungsbild der Vollmacht oder den genauen Zeitpunkt der Hinzuziehung des Klägers zum Beratungsgespräch - steht der Glaubhaftigkeit seiner Angaben nicht entgegen. Widersprüche oder Ungereimtheiten wiesen die Bekundungen des Zeugen in keinem Punkt auf. Für Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine sachlichen Anhaltspunkte. Aufgrund des Umstandes, dass der Zeuge seinerzeit freier Mitarbeiter des Rechtsanwalts war, mit welchem der Kläger eine Bürogemeinschaft unterhält, kann dem Zeugen kein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits unterstellt werden. Gleichermaßen ergaben sich aus dem Aussageverhalten des Zeugen, der sich ruhig und sachlich zum Beweisthema geäußert hat, keinerlei Bedenken gegen seine Glaubwürdigkeit. Eine Tendenz, den Kläger durch seine Bekundungen begünstigen zu wollen, war an keinem Punkt der Vernehmung spürbar.

Die als Gegenbeweis angebotene Parteivernehmung des Vorstandsmitgliedes des Beklagten war nicht anzuordnen, weil, wie sich bereits aus dem Vorstehenden ergibt, die Voraussetzungen des § 448 ZPO nicht vorlagen. Der Kläger hat sich mit einer Parteivernehmung auch nicht einverstanden erklärt, § 447 ZPO.

3. Steht fest, dass der Beklagte den Kläger mit der schriftlichen Ausarbeitung der Beratungsfrage beauftragt und der Kläger diese Leistung erbracht hat, kann der Kläger vom Beklagten zu Recht die Beratungsgebühr des § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO beanspruchen. Der Rahmen einer "ersten Beratung" ist nach der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur überschritten, wenn eine bereits angelaufene Beratung unterbrochen und erst in einem weiteren Gespräch oder im Wege einer schriftlichen Auskunftserteilung fortgesetzt wird. Dies gilt auch in den Fällen, in welchen die Unterbrechung darauf beruht, dass sich der Rechtsanwalt vor der Erteilung eines abschließenden Rates, zunächst sachkundig machen muss. Lediglich dann, wenn die Unterbrechung von äußeren Umständen in der Sphäre des Anwalts herrührt (z.B. Mittagspause, anderweitige Termine), handelt es sich bei der weiteren Beratung noch um eine Erstberatung (OLG München, AnwBl. 1999, 228; OLG Jena, AGS 2000, 62; Madert, AnwBl. 1996, 246, 249; Lappe, ZAP 1994, 915, 916; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 20 Rdnr. 7 a). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Soweit vereinzelt die Meinung vertreten wird, die Erstberatungsgebühr des § 20 Abs. 1 S. 2 BRAGO gelte die gesamte Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts bis zur Erteilung eines verbindlichen Rechtsrates zu der von dem Rechtsuchenden aufgeworfenen Frage ab (so Fraunholz in Riedel/Süßbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 20 Rdnr. 15), steht dies im Gegensatz zum Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ("... einer ersten Beratung...") und zur Intention des Gesetzgebers, der die Ratsgebühr des § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO nur für den Fall der Erteilung eines ersten mündlichen oder schriftlichen Rates, nicht aber für den Fall der Fortsetzung einer begonnenen Beratung zu demselben Beratungsthema der Höhe nach kappen wollte (vgl. BT-Drucksache 12/6962, Seite 102 und Gesetzentwurf des Gebührenausschusses des Deutschen Anwaltsvereins, AnwBl. 1992, 214, 216). Eine im Rahmen der Erstberatung erteilte vorläufige Auskunft muss auch nicht deshalb, weil sie nicht endgültig ist, nutzlos sein. Dem Rechtsuchenden kann nach Lage des Falles durchaus daran gelegen sein, von einem Rechtsanwalt zunächst eine vorläufige Einschätzung der Rechtslage zu erhalten, ohne durch dessen Inanspruchnahme sogleich die mitunter recht hohe Ratsgebühr des § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO auszulösen. Ebenso rechtfertigt § 13 Abs. 1 und 2 BRAGO nicht die Annahme, die Erstberatungsgebühr gelte die anwaltliche Beratungstätigkeit bis zur Erteilung eines verbindlichen Rates ab. Denn die Erstberatungsgebühr ist kein eigenständiger Gebührentatbestand im Sinne des § 13 BRAGO, sondern lediglich ein die Höhe der Ratsgebühr beschränkender Ausnahmetatbestand (Kappung; vgl. Madert, a.a.O.). Als solcher ist die Vorschrift im Übrigen eher eng auszulegen (Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 20 Rdnr. 10).

Durch das Beratungsschreiben vom 24. Januar 2000 wurde mithin der Rahmen der Erstberatungsgebühr überschritten, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankäme, ob der Kläger im Beratungsgespräch am 21. Januar 2000 einen definitiven oder nur einen vorläufigen Rechtsrat erteilt hatte.

Dem Kläger kann die Beratungsgebühr auch nicht deshalb versagt werden, weil objektiv vielleicht die Möglichkeit bestanden hätte, dem Beklagten in einem ersten Beratungsgespräch einen abschließenden Rat zu erteilen. Im Hinblick auf die unterschiedliche Spezialisierung der Rechtsanwälte, die möglicherweise haftungsträchtige Bedeutung einer Angelegenheit und die vom Rechtsuchenden jeweils gewünschte Beratungstiefe ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verpflichtet, einen abschließenden Rechtsrat ad hoc in einem ersten Beratungsgespräch zu erteilen.

Derzeit kann der Senat lediglich darüber befinden, dass der Beklagte die Mindestgebühr gem. § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO beanspruchen kann (dazu Punkt 5). Im übrigen ist, bevor der Senat über die Höhe der dem Kläger zustehenden Ratsgebühr abschließend befinden kann, gem. § 12 Abs. 2 BRAGO ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Denn der Streithelfer des Beklagten hat die Angemessenheit der vom Kläger nach den Kriterien des § 12 Abs. 1 BRAGO bestimmten Ratsgebühr auch insoweit bestritten, als der Kläger die Mittelgebühr geltend macht. Dieses Bestreiten steht nicht im Widerspruch zum Vortrag des Beklagten, der die Mittelgebühr nicht für unangemessen hält (Schriftsätze vom 27. Dezember 2000 und vom 05. Januar 2001), sondern geht lediglich über das Bestreiten der Gebührenhöhe seitens des Beklagten hinaus. Das Vorbringen des Streithelfers zur Frage der Gebührenbemessung ist auch erheblich, weil er in seinem Schriftsatz vom 27. November 2001 sachliche Gesichtspunkte aufgeführt hat, die gegen die Angemessenheit der Mittelgebühr sprechen könnten.

4. Der Gebührenanspruch des Klägers ist nicht durch Aufrechnung mit einem auf den Rechtsgrund der positiven Vertragsverletzung gestützten Schadenersatzanspruch des Beklagten erloschen (§§ 631, 276, 389 BGB). Der Kläger war nicht verpflichtet, den Beklagten unaufgefordert über den Anfall der Ratsgebühr des § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO und dessen ungefähre Höhe aufzuklären:

Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist der Rechtsanwalt im Allgemeinen nicht verpflichtet, seinen Mandanten von sich aus auf die Höhe der Kosten seiner Inanspruchnahme hinzuweisen. Eine Pflicht zu einem unaufgeforderten Hinweis auf die Höhe der anfallenden Gebühren trifft den Rechtsanwalt nach Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB) ausnahmsweise nur dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalles ein Aufklärungsbedürfnis des Mandanten besteht und der Rechtsanwalt dieses erkennen konnte und musste (BGH NJW 1969, 932, 933; 1998, 3486, 3487; OLG Düsseldorf, AnwBl. 1984, 443, 444; OLG Jena, a.a.O.). Als besonderer Umstand, der eine Hinweispflicht des Anwaltes begründen kann, wird insbesondere ein drohendes Missverhältnis zwischen dem wirtschaftlichen Nutzen der Anwaltstätigkeit und den durch sie anfallenden Gebühren genannt. MUSS der Rechtsanwalt angesichts der Vermögensverhältnisse und der Bedeutung der Sache damit rechnen, dass der Mandant bei Kenntnis der Höhe der anfallenden Gebühren von der Beauftragung absehen würde, hat er auf die ungefähre Höhe der Gebühren hinzuweisen. Ist der Mandant hingegen rechtskundig und verfügt er über Erfahrungen im Verkehr mit Rechtsanwälten und in Gebührenangelegenheiten, besteht eine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts im Regelfall nicht.

Diese Grundsätze gelten auch für den - hier vorliegenden - Fall, dass die Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts über den Abgeltungsbereich der Erstberatungsgebühr hinausgeht und die - oftmals viel höhere - Ratsgebühr des § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO auslöst (so im Grundsatz auch die im angefochtenen Urteil zitierte Entscheidung des Landgerichts Braunschweig, AGS 1999, 100). Eine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts besteht in diesen Fällen insbesondere dann, wenn der Mandant rechtsunkundig ist und Zweifel daran bestehen, ob eine weitere anwaltliche Beratungsleistung, wie z.B. die Beantwortung einer telefonischen Nachfrage nach einem vorangegangenem Beratungsgespräch, noch von der Erstberatungsgebühr gedeckt ist.

Im vorliegenden Fall wurde der Beklagte gegenüber dem Kläger von seinem Vorstandsmitglied vertreten, der selbst Volljurist ist, als solcher die Rechtsangelegenheiten des Beklagten besorgt und über Erfahrungen im Verkehr mit Rechtsanwälten verfügt. Wie seine gebührenrechtlich motivierte Ablehnung der vom Kläger angebotenen außergerichtlichen Vertretung gegenüber dem Grundstücksverkäufer belegt, sind ihm die für eine anwaltliche Beratung und Vertretung maßgeblichen Gebührentatbestände jedenfalls in Grundzügen bekannt, auch wenn er - dies ist gerichtsbekannt - nicht selbst als Rechtsanwalt zugelassen ist. Er ist gegenüber dem Kläger geschäftsgewandt und selbstbewusst aufgetreten, in dem er während des Beratungsgespräches die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Klägers in Zweifel zog und in dessen Gegenwart telefonisch einen anderen Rechtsanwalt zu Rate zog. Die in der Person seines Vorstandsmitgliedes begründeten Umstände muss sich der Beklagte gem. § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen.

Dem rechtskundigen Vorstandsmitglied des Beklagten hätten sich, nachdem bereits ein rund einstündiges Beratungsgespräch stattgefunden hatte, schon aufgrund der Wortbedeutung des Begriffes der Erstberatung Zweifel daran aufdrängen müssen, ob die zusätzlich geforderte schriftliche Ausarbeitung der Rechtslage noch von der Erstberatungsgebühr gedeckt sein würde. Angesichts der erheblichen Bedeutung der Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages für den Beklagten bestand für den Kläger kein Anlass zu der Annahme, zwischen der anfallenden Ratsgebühr des § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO und dem Beratungsgegenstand bestehe ein Missverhältnis. Ein Aufklärungsbedürfnis des durch einen Volljuristen beratenen und vertretenen Beklagten war für ihn nach dem Vorgesagten nicht ohne weiteres erkennbar. Jedenfalls durfte er in dieser Situation davon ausgehen, dass der Streithelfer des Beklagten die Gebührenfrage gegebenenfalls von sich aus ansprechen würde.

Soweit das Landgericht ausgeführt hat, der Beklagte hätte eine Aufklärung über die Entstehung der Ratsgebühr insbesondere auch deshalb erwarten können, weil der Streithelfer im Beratungsgespräch zum Ausdruck gebracht habe, weitere Gebühren nicht veranlassen zu wollen (Seite 8 des Urteils), hat es zu Unrecht unterstellt, der Streithelfer habe dem Kläger die Gründe für die Ablehnung der von diesem angebotenen außergerichtlichen Vertretung des Beklagten mitgeteilt. Dies war jedoch unstreitig nicht der Fall.

Eine Pflicht des Klägers, den Beklagten über den Anfall der Ratsgebühr aufzuklären, hätte in der Gesamtschau der Umstände nur dann bestanden, wenn der Kläger dem Beklagten im Beratungsgespräch nur eine vorläufige Auskunft erteilt und geäußert hätte, er müsse die Frage der Wirksamkeit des Kaufvertrages erst noch einmal prüfen. Denn die Vorstellung, die Erstberatungsgebühr entgelte die gesamte anwaltliche Tätigkeit bis zur abschließenden Beantwortung der ursprünglich gestellten Beratungsfrage, ist durchaus verbreitet (Fraunholz in Riedel/Süßbauer, a.a.O.; ebenso die von Madert, a.a.O., bekämpfte Auffassung der Rechtschutzversicherungen; so auch das amtsgerichtliche Urteil, das Gegenstand der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes vom 02. April 1998, NJW RR 1998,1774, war). Aufgrund der Bekundungen des Zeugen steht indes zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger im Beratungsgespräch auch nach dem Bekanntwerden der gegenteiligen Auffassung des vom Streithelfer telefonisch befragten Rechtsanwalts an seinem Rechtsstandpunkt zur Wirksamkeit des Kaufvertrages festgehalten hat. Der Zeuge war sich darin sicher, daß der Kläger nach dem Telefonat des Streithelfers mit der Anwalts-Hotline an seinem ursprünglichen Rechtsstandpunkt, der Kaufvertrag sei wirksam, festgehalten hatte. Hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen und seiner Glaubwürdigkeit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Der Kläger war im Übrigen schon vor der telefonischen Befragung des Rechtsanwalts der Anwalts-Hotline vom Streithelfer mit der Tatsache konfrontiert worden, dass andere Rechtsanwälte den Vertrag für unwirksam gehalten hatten, so dass die Meinung eines weiteren, nur fernmündlich und oberflächlich mit dem Beratungsthema befassten Rechtsanwalts beim Kläger nicht ohne weiteres Verunsicherung auslösen musste.

Ein Schadenersatzanspruch aufgrund eines Aufklärungsverschuldens steht dem Beklagten mithin nicht zu. Ein solcher Anspruch kann auch nicht darauf gestützt werden, der Kläger hätte dem Beklagten von einer nochmaligen, gründlichen Prüfung der Wirksamkeit des Kaufvertrages abraten müssen, weil eine solche Prüfung völlig unnütz gewesen sei. Eine derartige Abratepflicht bestand nicht Schon angesichts der Bedeutung der Angelegenheit für den Beklagten und der Tatsache, dass andere Rechtsanwälte eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hatten, war eine gründliche Prüfung der Frage, ob der Vertrag wirksam sei und welche Möglichkeiten der Vertragsauflösung gegebenenfalls bestehen könnten, keineswegs unsinnig, im Übrigen liegt es im Ermessen des Mandanten, nichts unversucht zu lassen und den Rechtsanwalt auch bei einer einfachen Rechtslage zu veranlassen, allen nur denkbaren Argumenten und Einwendungen nachzugehen.

5. Gemäß §§ 304 Abs. 1, 301 Abs. 1 ZPO hält der Senat den Erlaß eines Grund- und Teilurteils für geboten, weil der Streit über den Klagegrund entscheidungsreif ist und schon vor der Einholung des Gebührengutachtens der Rechtsanwaltskammer feststeht, dass der Kläger die Mindestgebühr gem. § 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO in folgender Höhe beanspruchen kann (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.):

1/10 - Gebühr gem. §§ 11 Abs. 1,12 Abs. 1, 20 Abs. 1 S. 1 BRAGO, Wert: 3 Mio. DM, gemäß Einigungsvertrag um 10 % ermäßigt 1.100,25 DM Pauschale gemäß § 26 BRAGO 40,00 DM 1.140,25 DM zzgl. 16 % Mehrwertsteuer, § 25 Abs. 2 BRAGO 182.44 DM 1.322,69 DM

Die Mindestgebühr kann dem Kläger zugesprochen werden, weil mit ausreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass ihm schon im Hinblick auf seinen Aufwand für die Anfertigung des Beratungsschreibens vom 24. Januar 2000 eine die Mindestgebühr übersteigende Ratsgebühr zuzubilligen ist. Der Kläger hat der streitgegenständlichen Gebührenrechnung vom 01. November 2000 im Übrigen zu Recht den zwischen den Parteien des Grundstückskaufvertrages vom 09. September 1999 vereinbarten Kaufpreis in Höhe von 3 Millionen DM zugrunde gelegt, weil die Wirksamkeit des Vertrages und auch die Möglichkeiten einer Vertragsauflösung Gegenstand der Beratung waren.

Die Zinsforderung, welche dem Kläger dem Grunde nach auf die gesamte ihm zustehende Ratsgebühr zuzusprechen ist, rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 288, 286 Abs. 1, § 284 Abs. 1 BGB. Die Zinshöhe ist unstreitig, Zinsbeginn ist der Zugang der Gebührenrechnung vom 01. November 2000 beim Beklagten.

Die gem. § 522 a Abs. 2 2. Alternative ZPO zulässige Anschlussberufung ist zurückzuweisen, weil dem Beklagten gegenüber dem Kläger kein Schadenersatzanspruch zusteht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich Ziffer 2. des Tenor folgt aus §§ 708 Nr. 10,713 ZPO. Die Festsetzung der Beschwer findet ihre Grundlage in § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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