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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.08.2003
Aktenzeichen: 12 U 10/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 157
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes Schlussurteil

Geschäftsnummer: 12 U 10/02

Verkündet am: 21. August 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß sowie die Richter am Kammergericht Spiegel und Dr. Wimmer auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 10. Dezember 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 12 O 232/01 - abgeändert und der Tenor zu 1.a) wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die weitere Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist erfolgreich, die weitere Berufung der Klägerin erfolglos. Die Klägerin kann vom Beklagten Zahlung eines Betrages in Höhe von 7.669,38 EUR (15.000,- DM) nicht verlangen, denn sie hat nicht bewiesen, dass sie dem Hausverwalter W des Beklagten - wie behauptet - am 16. September 1994 einen Geldbetrag in dieser Höhe als Kaution übergeben hat. Folglich kann sie auf diesen Betrag auch keine Zinsen verlangen.

A. Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung von einer zutreffenden Beweislastverteilung ausgegangen: Es obliegt demjenigen, der eine Mietkaution zurückfordert, bei entsprechendem Bestreiten den Beweis dafür zu führen, dass er sie dem Anspruchsgegner gezahlt hat (vgl. S. 8 des landgerichtlichen Urteils).

B. Diesen Beweis hat die Klägerin weder durch die Mietvertragsurkunde vom 1. September 1998 noch durch den Zeugen W erbracht.

I. Die auf § 1 Nr. 2) der "Anlage zum Gewerbemietvertrag vom 01. September 1998" gestützte Annahme einer Zahlung am 16. September 1994 durch das Landgericht wird durch mehrere Indiztatsachen, die gegen die Zahlung einer Barkaution sprechen, nachhaltig erschüttert.

1) Die genannte Vertragsklausel ist grundsätzlich geeignet, Beweis für die Zahlung zu erbringen.

a) Für eine Privaturkunde gilt die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit. Diese spricht dafür, dass die Urkunde den endgültigen, wohlüberlegten Willen der Parteien zu dem jeweiligen Vertragsschluss enthält. Voraussetzung ist, dass der Urkundentext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Beurkundete in dem Sinne eindeutig zu sein hätte, dass für eine Auslegung kein Raum mehr bleibt (BGHZ 25, 318, 319; 80, 246, 250); denn in diesem Falle wäre die Vermutung dem Beweis des Gegenteils nicht zugänglich, ginge mithin über eine Beweislastregelung hinaus. Die Vermutung ist vielmehr bereits dann begründet, wenn der Urkundstext nach Wortlaut und innerem Zusammenhang unter Berücksichtigung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) einen bestimmten Geschäftsinhalt zum Ausdruck bringt.

Zur Widerlegung der Vermutung kann - als Hilfsmittel - auf außerhalb der Urkunde liegende Mittel der Auslegung (Begleitumstände des Geschäfts, Äußerungen der Parteien außerhalb der Urkunde u.a.) zurückgegriffen werden. Die Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände - sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willen der Beteiligten, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus der Sicht des Erklärungsempfängers (§§ 133, 157 BGB) - beruft, trifft die Beweislast für deren Vorliegen (vgl. BGH, NJW 2002, 3164; BGHZ 109, 245; KG OLGZ 77, 487; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 416 ZPO Rn. 7).

b) Diese Vermutung streitet hier für die Zahlung der Kaution durch die Klägerin. Die Vertragsklausel lautet: "Der Mieter hat dem Vermieter bereits eine Kaution in Höhe von DM 15.000,- (in Worten: fünfzehntausend) nebst Zinsen mit dem Gewerbemietvertrag vom 16.09.1994 geleistet". Dies stellt eine quittungsähnliche Bestätigung für die Zahlung dar.

2) Die darauf gestützte Gewissheit einer Zahlung ist jedoch durch unstreitige oder nicht hinreichend bestrittene Indiztatsachen erschüttert worden.

a) Im Vorfeld des Vertragsabschlusses vom 16. September 1994, bei dem die Kaution gezahlt worden sein soll, bestand zwischen den Vertragsparteien Einigkeit über die Beibringung einer Bürgschaft durch die Klägerin.

Nachdem die Klägerin zunächst vorgetragen hatte, sie habe beim Hausverwalter W nicht wegen der Möglichkeit einer Bürgschaft angefragt, hat sie sich dahin korrigiert, eine solche Anfrage habe es doch gegeben. Am 28. August 1994 oder am 2. September 1994 (das Datum geht aus dem Text nicht eindeutig hervor - beide Daten sind enthalten) hat das Bankhaus R & Co aus München dem Hausverwalter W schriftlich seine Bereitschaft bestätigt, eine Bürgschaft zu übernehmen. Mit Schreiben vom 29. Aug. 1994 hat die Klägerin dem Hausverwalter mitgeteilt, eine Bankbürgschaft von 10.000,- DM sei aus ihrer Sicht angemessen. Am 2. September 1994, also zwei Wochen vor dem Vertragsschluss vom 16. September 1994, hat der Hausverwalter mitgeteilt, eine Bürgschaft über 10.000,00 oder 20.000,00 DM habe er gerade telefonisch durch das Bankhaus R & Co erhalten; es fehle noch eine Selbstauskunft über den Kunden. Dies deutet darauf hin, dass jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt Einigkeit zwischen den Parteien darüber bestand, dass als Mietsicherheit eine Bankbürgschaft beigebracht werden sollte; die Vorbereitungen der Parteien liefen auf die Beschaffung einer Bürgschaft hinaus.

Dies schließt zwar nicht aus, dass die Parteien sich später kurzfristig anderweitig geeinigt haben. Es begründet aber deutliche Zweifel an einem solchen Sinneswandel, zumal die Zahlung einer Barkaution für die Klägerin aufwendiger war als die Vorlage einer Bankbürgschaft. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie selbst vorgetragen, es sei ihr nicht recht gewesen, mit großen Mengen Bargeldes unterwegs zu sein.

b) Nach ihrer schriftsätzlichen Darstellung, die sie im Termin vor dem Senat am 21. August 2003 mündlich bekräftigt hat, will die Klägerin die Barkaution nicht nur vorfällig, sondern sogar vor Vertragsabschluss geleistet haben. Dies erscheint überaus ungewöhnlich und spricht gegen die Richtigkeit ihrer Angaben.

Nach der genannten Klausel war die Mietsicherheit erst am 1. Okt. 1994 fällig. Dies entspricht dem Beginn der Mietverhältnisses. Die Zahlung soll schon bei Vertragsunterzeichnung, also am 16. Sept. 1994, geleistet worden sein, vor Beginn der Vertragslaufzeit und vor Überlassung der Räume.

c) Nach ihrem auch insoweit korrigierten Vortrag hat die Klägerin selbst den Vertragstext vom 16. September 1994 in der handschriftlich geänderten Fassung unterschrieben. Danach war vertraglich eine Bankbürgschaft und gerade keine Barkaution geschuldet. Auch diese Urkunde hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich, spricht gegen eine tatsächliche spätere Zahlung einer - nicht geschuldeten - Barkaution und beeinträchtigt nachhaltig den Beweiswert der Vertragsklausel in § 1 Nr. 2) der Anlage zum Gewerbemietvertrag vom 01. September 1998.

In § 18 des maschinenschriftlich verfassten Vertragstextes ist an zwei Stellen das Wort "Mietkaution" handschriftlich durchgestrichen und das Wort "Bankbürgschaft" eingefügt worden.

Die Klägerin hat zu dieser Änderung zunächst vorgetragen, sie wisse nicht, von wem die Änderung stamme; sie habe die handschriftliche Änderung nicht eingesetzt und nicht gegengezeichnet; der Text sei nicht in ihrer Gegenwart geändert worden. Später hat sie behauptet, sie habe den Vertragstext nach einer anstrengenden Verhandlung mit dem Vormieter K ohne genaue Durchsicht unterzeichnet; von der Reise nach Berlin und den Verhandlungen erschöpft, habe sie die in ihrer Abwesenheit vorgenommenen Änderungen in dem Mietvertrag nicht bemerkt. In der mündlichen Verhandlung hat sie formuliert, sie habe die "Randbemerkung übersehen". Damit ist unstreitig, dass sie den Vertragstext mit handschriftlichen Änderungen unterschrieben hat, die Parteien also die Vorlage einer Bankbürgschaft vereinbart haben. Daran ändert nichts, dass unstreitig eine Bankbürgschaft später nicht übergeben worden ist. Auf die Frage, wann und wer - vor Unterschrift - den Vordruck geändert hat, kommt es nicht an.

d) Der Vortrag der Klägerin, sie habe nach den Verhandlungen mit dem Vormieter K und Abstandszahlungen an diesen noch 15.000,- DM in bar zur Verfügung gehabt, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung. Selbst wenn sie diese bestrittene Behauptung bewiesen hätte, ließe das nicht mit hinreichender Gewißheit den Schluss zu, dass sie den Betrag als Barkaution an den Hausverwalter W übergeben hat. Dagegen spricht etwa ihr bereits beschriebenes Bemühen im Vorfeld des Vertragsabschlusses, eine Bankbürgschaft stellen zu dürfen.

e) Auch auf die Bekundungen des Zeugen W und der Zeugin H die zitierte Klausel aus dem Vertrag vom 1. September 1998 sei nur durch mehrfache Fehler ihrerseits zustandegekommen (keine Überprüfung des ursprünglichen Vertragstextes sowie der gesondert in einem Karton aufbewahrten Sparbücher mit Barkautionsbeträgen), kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an, denn die Klausel erbringt aus den vorstehend beschriebenen Gründen ohnehin keinen Beweis für die Zahlungsbehauptung der Klägerin. Sofern allerdings die Klägerin nachdrücklich während der Beweisaufnahme gerügt hat, eine derartige Abfolge von Fehlern bei einem so hohen Geldbetrag sei nicht plausibel zu erklären, wird darauf hingewiesen, dass sie selbst für sich in Anspruch nimmt, die handschriftlich geänderte Vertragsklausel aus Erschöpfung übersehen und eine seinerzeit über den Betrag erhaltene Quittung verloren zu haben; insofern muss sie sich mit gleichem Maßstab messen lassen.

II. Die Klägerin hat ihre Zahlung auch nicht durch den Zeugen R W bewiesen.

1) Der Zeuge hat bekundet: Der Beklagte als Vermieter habe sich zunächst auf Rückfrage vor den Vertragsverhandlungen geweigert, eine Mietbürgschaft zu akzeptieren und auf einer Barkaution bestanden. Schließlich habe der Beklagte ihm aber intern erklärt, falls der Vertrag sonst scheitern würde, gebe er sich mit einer Bürgschaft zufrieden. Die Klägerin habe von den mitgebrachten 30.000,- DM Bargeld dem Vormieter K 25.000,- DM ausgezahlt mit der Folge, dass die verbliebenen 5.000,- DM zur Zahlung der Kaution in Höhe von 15.000,- DM nicht mehr ausgereicht hätten. Daraufhin habe er auftragsgemäß einer Mietsicherheit durch Bankbürgschaft zugestimmt; entsprechend sei der Vertrag unterschrieben worden.

2) Damit hat er die behauptete Barzahlung nicht bestätigt. Daran ändern Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Angaben nichts. Auch wenn man - mit der Klägerin - seine Angaben als widersprüchlich ansehen wollte mit dem Argument, er habe sich nach eigenem Bekunden 1998 nicht mehr an die Art der Kautionsleistung erinnern können und deswegen die Zeugin H gefragt, während er sich jetzt sicher sei, keine Barkaution erhalten zu haben, ist der Zahlungsbeweis nicht geführt. Dies trifft die insoweit beweisbelastete Klägerin.

C. Da die Klägerin (Rück-)Zahlung des Kautionsbetrages nicht verlangen kann, stehen ihr darauf auch nicht die mit ihrer weiteren Berufung verlangten Zinsen zu.

D. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

E. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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