Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.04.2008
Aktenzeichen: 12 U 101/07
Rechtsgebiete: ZPO, VVG, StVG, BGB, PflVG, StVO


Vorschriften:

ZPO § 265
VVG § 67
StVG § 7
StVG § 17
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 17 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 1
PflVG § 3
StVO § 7 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 101/07

verkündet am: 21. April 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2008 durch die Richterin am Kammergericht Zillmann als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. März 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 24 O 28/05 - teilweise abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die ... AG, ... , ... zur Schadens-Nr. ... einen Betrag in Höhe von 2.142,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 18. Februar 2005 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 721,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 18. Februar 2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits haben Kläger und Beklagte jeweils zu 1/2 zu tragen. Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten, mit welcher diese die erstinstanzliche Verurteilung insoweit angreifen, als sie nach einer Haftungsquote von mehr als 50 % und damit zur Zahlung von mehr als 2.142,12 EUR bzw. 721,65 EUR verurteilt worden sind, hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger auch insoweit aktiv legitimiert ist, als er auf Grund der zwischenzeitlichen Zahlung durch seine Vollkaskoversicherung Zahlung eines Teilbetrages an die ... AG verlangt.

Soweit die Berufung die Aktivlegitimation des Klägers erneut in Frage gestellt hat, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Feststellung in dem angegriffenen Urteil, der Kläger habe eine Zahlung seiner Versicherung bereits am 23. Februar 2005 erhalten, um eine offenbare Unrichtigkeit handelt, da dies von keiner Partei vorgetragen wurde. Die Parteien hatten vielmehr übereinstimmend vorgetragen, der Kläger habe die Zahlung seiner Vollkaskoversicherung am 23. September 2005 erhalten. Der Rechtsübergang erfolgte damit nach Rechtshängigkeit der am 18. bzw. 22. Februar 2005 zugestellten Klage, wobei die Anwendbarkeit des § 265 ZPO auf den Fall des Forderungsüberganges nach § 67 VVG auch von der Berufung nicht in Abrede gestellt worden ist.

Soweit die Beklagten sodann im Schriftsatz vom 12. Februar 2007 gemutmaßt hatten, eine Zahlung sei bereits im Sommer 2005 oder gar noch früher erfolgt, ist dieses Vorbringen durch den Kläger bestritten und durch die Beklagten nicht näher konkretisiert worden.

2.

a. Zutreffend hat das Landgericht auch ausgeführt, dass dem Kläger ein Anspruch aus den §§ 7, 17 StVG, § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 3 PflVG gegen die Beklagten zusteht. Dabei hat es ebenfalls zutreffende Ausführungen zur Frage des grundsätzlich gegen den auf ein anderes Fahrzeug von hinten Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweis und die Frage, ob und wodurch dieser Anschein erschüttert bzw. ausgeräumt werden kann, gemacht. Gleiches gilt für die Ausführungen zur Haftung des Wendenden.

Insoweit kann insgesamt auf die Ausführungen auf den Seiten 4 bis 7 des angegriffenen Urteils Bezug genommen werden.

b. Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht allerdings, sofern es unter Abwägung der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG zu einer Alleinhaftung des Beklagten zu 1) gekommen ist.

Dabei hat das Landgericht zutreffend erkannt, dass grundsätzlich auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen ist und unter Berücksichtigung sämtlicher für den Unfall ausschlaggebender Fahrmanöver eine Abwägung vorzunehmen ist.

Hierbei ist, wie auch das Landgericht richtig gesehen hat, für den Kläger zu beachten, dass dieser vor dem beabsichtigten Abbiegemanöver - wobei letztlich dahinstehen kann, ob, wie das Landgericht meinte, das beabsichtigte Abbiegen des Klägers im Hinblick auf den schmalen Mittelstreifendurchbruch als Wendemanöver anzusehen ist, auch wenn der Kläger unstreitig in die kreuzende Straße unter Überquerung der Gegenfahrbahn einfahren wollte - einen Fahrstreifenwechsel vom rechten in den linken Fahrstreifen vorgenommen hatte.

Dieser Fahrstreifenwechsel erfolgte nach der polizeilichen Unfallaufnahme unmittelbar vor dem Abbiegemanöver, wobei der Kläger gegenüber den aufnehmenden Beamten äußerte: "Ich bin Schuld. Ich bin von der rechten Spur links abgebogen."

Ausweislich seiner Ausführungen in der Klageschrift hatte der Kläger zum Zeitpunkt des Fahrstreifenwechsels den herannahenden Beklagten zu 1) auch bereits wahrgenommen.

Nach der Aussage der Zeugin ... wechselte der Kläger etwa zwei Fahrzeuglängen vor dem Abbiegemanöver den Fahrstreifen. Durch das eingeholte Sachverständigengutachten ließ sich letztlich nicht feststellen, über welchen Zeitraum bzw. über welche Strecke der Wagen des Klägers in linken Fahrstreifen gefahren ist, bevor er in den Mittelstreifendurchbruch einfuhr. Der Sachverständige konnte gemäß seinen Ausführungen in dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten auch nicht feststellen, wie weit das Fahrzeug des Beklagten zu 1) noch von dem klägerischen Fahrzeug entfernt war, als der Kläger den Fahrstreifen wechselte.

Damit konnte der Kläger den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis eines schuldhaften Verstoßes gegen die Sorgfaltspflichten gemäß § 7 Abs. 5 StVO nicht ausräumen, zumal weder ersichtlich, noch von dem Kläger nachvollziehbar dargelegt worden ist, weshalb er direkt nach dem Unfall angab, den Fahrstreifenwechsel unmittelbar vor dem Abbiegemanöver vorgenommen zu haben, im Prozess nunmehr jedoch vorträgt, bereits längere Zeit im linken Fahrstreifen gefahren zu sein, ohne dieses allerdings näher zu konkretisieren.

Wie das Landgericht ebenfalls ausgeführt hat, steht auf Grund des Sachverständigengutachtens fest, dass der Beklagte zu 1) sich der späteren Unfallstelle mit einer ganz erheblich überhöhten Geschwindigkeit von jedenfalls 80 km/h näherte und sich deshalb außerstande setzte, noch rechtzeitig unfallverhütend zu reagieren. Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen hätte der Beklagte zu 1) bei Einhalten der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h in einem Abstand von 1 m zu dem klägerischen Pkw anhalten können, so dass die überhöhte Geschwindigkeit ebenfalls unfallursächlich war.

Steht wie vorliegend mithin fest, dass der Unfall sowohl durch einen sorgfaltswidrigen Fahrstreifenwechsel, als auch durch eine erheblich überhöhte Geschwindigkeit des Auffahrenden verursacht worden ist, so ist der Schaden hälftig zu teilen.

Soweit der Kläger mit dem Landgericht der Auffassung ist, auf Grund der vorliegenden erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung trete ein etwaiges Verschulden des Klägers beim Fahrstreifenwechsel vollständig zurück, kann dies bereits deshalb nicht überzeugen, weil der Kläger das Herannahen des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) nach seinen eigenen Ausführungen noch vor dem Fahrstreifenwechsel wahrgenommen hatte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück