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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 03.01.2005
Aktenzeichen: 12 U 11/03
Rechtsgebiete: StVO, ASOG, BGB, ZPO


Vorschriften:

StVO § 35
StVO § 35 Abs. 1a
StVO § 37
ASOG § 59
ASOG § 60
BGB § 839
ZPO § 448
ZPO § 531 Abs. 2
Läuft ein Polizeibeamter in Verfolgung eines Verdächtigen über die Fahrbahn bei für ihn rotem Ampellicht und zwingt er dadurch einen Pkw-Fahrer, der nach Umschalten der Ampel gerade angefahren war, zu plötzlichem scharfen Bremsen mit der weiteren Folge, dass ein nachfolgender Pkw-Fahrer auffährt, so kommt eine Haftung des Dienstherrn des Beamten für den Frontschaden des Auffahrenden auch dann in Betracht, wenn das Handeln des Polizisten nach § 35 StVO gerechtfertigt war; dies folgt aus den §§ 59, 60 ASOG Berlin, die für die Fälle der Schädigung infolge rechtmäßiger Maßnahmen der Polizei einen Anspruch auf angemessenen Ausgleich vorsehen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 11/03

verkündet am : 3. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 3. Januar 2005 durch den Richter am Kammergericht Hinze als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. November 2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24 O 510/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Zutreffend ist das Landgericht in dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass Schadensersatzansprüche aus § 839 BGB gegen das beklagte Land ausscheiden, weil der Polizeibeamte nnnnnnnnn , als er als Fußgänger bei für ihn rotem Ampellicht die Fußgängerfurt der Budapester Straße überquerte in Ausübung der Sonderrechte aus § 35 Abs. 1a StVO handelte, so dass die Rechtswidrigkeit einer etwaigen Amtspflichtverletzung, die hier in dem Rotlichtverstoß liegen könnte, entfällt. Das Gericht folgt insoweit den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils, die durch das Vorbringen in der Berufung nicht entkräftet werden. Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch der Umstand, dass der Zeuge nnn dazu in der Lage war, sein Fahrzeug rechtzeitig vor dem die Fahrbahn überquerenden Polizeibeamten abzubremsen gegen die Annahme spricht, der als Zeuge vernommene nnnnnnnnnn habe die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten.

2.

Allerdings hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass sich ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung bei rechtmäßigem Verhalten des Zeugen nnnnnnnnnn aus den §§ 59, 60 ASOG sowie unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines enteignenden Eingriffes hätte ergeben können. Doch setzen sowohl der Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff bei rechtmäßigem Polizeiverhalten als auch der Anspruch aus §§ 59, 60 ASOG, der dem Anspruch aus enteignendem Eingriff im Zweifel als spezialgesetzliche Regelung vorgeht (vgl. OLG Hamm, NJW 1988,1096 für § 45 NRW PolG), voraus, dass durch öffentliches Verwaltungshandeln unmittelbar in den Eigentumsinhalt eingegriffen wird (BGHZ 100, 335, 338; Staudinger/Seiler, BGB, 2002, Vorbemerkung zu §§ 903 ff. Rdnr. 39 für den enteignenden Eingriff; Berg/Knape/Kiworr, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, § 59 ASOG Anmerkung D für § 59 ASOG). Der bloße adäquat-kausale Zusammenhang zwischen Verwaltungshandeln und Schaden genügt dafür nicht (BGH a.a.O.; Staudinger/Seiler a.a.O.). Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Verwaltungshandeln, hier dem Überqueren des Fußgängerüberweges durch den Zeugen nnnnnn bei Rot, und dem dem Kläger entstandenen Schaden könnte dann bejaht werden, wenn die Sachverhaltsdarstellung des Klägers zutreffen würde, wonach dieser zunächst hinter dem Fahrzeug des Zeugen nnn bei für ihn rotem Ampellicht angehalten hatte, sodann nach dem Umspringen der Ampel auf Grün angefahren war und in dieser Situation auf das plötzliche scharfe Bremsen des Zeugen nnn nicht mehr rechtzeitig reagieren konnte. In einem derartigen Fall würde auch ein Fußgänger, dessen Rotlichtverstoß nicht durch die §§ 35, 37 StVO gerechtfertigt ist, einem auffahrenden Kraftfahrer in vollem Umfang haften (vgl. Senat, VM 1993, 27 Nr. 35). Der Kläger hat seine Sachverhaltsdarstellung jedoch nicht beweisen können. Der Zeuge nnn konnte keine Angaben dazu machen, ob das Fahrzeug des Klägers vor dem Anfahren an der Ampel unmittelbar hinter seinem, des Zeugen nnn , Fahrzeug gestanden hat. Der Zeuge war auch nicht dazu in der Lage, Angaben dazu zu machen, ob der Anstoß des klägerischen Fahrzeugs auf das Heck des BMW des Zeugen nnn unmittelbar nach dem Bremsmanöver erfolgte oder ob zwischen Bremsmanöver und Kollision mehrere Sekunden vergangen waren. Der Zeuge nnnnnn hatte bei seiner Vernehmung durch das Landgericht bekundet, er schätze, dass das Aufprallgeräusch erst erfolgt sei, als er bereits 10 bis 15 m auf dem gegenüberliegenden Fußweg gewesen sei. Da der Zeuge nnn nach seiner glaubhaften Aussage gebremst hat, als der Zeuge nnnnnn sich noch auf der Fahrbahn befand, würde dies bedeuten, dass zwischen dem Bremsmanöver des Zeugen nnn und dem Aufprall mehrere Sekunden vergangen sind. In diesem Fall würde gegen den Kläger der Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass er zu schnell gefahren ist oder es an der erforderlichen Aufmerksamkeit hat fehlen lassen (vgl. Hentschel Straßenverkehrsrecht, 37. Auflage, § 4 StVO Rdnr. 17 m.w.N.). Dann hätte sich für den Kläger ein Risiko verwirklicht, dass jeder Kraftfahrzeughalter tragen muss. Dem Kläger wäre durch die polizeilichen Maßnahmen nichts zugemutet worden, was nicht auch ohne Einschreiten der Polizei hätte eintreten können.

Soweit sich der Kläger zum Beweis für die Richtigkeit seiner Unfalldarstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. Januar 2005 erstmals auf das Zeugnis seiner Ehefrau nnnnnnnn berufen hat, war dem nicht nachzugehen. Die Voraussetzungen, unter denen dieser Beweisantritt nach § 531 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise hätte zugelassen werden können, sind weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Das Gericht hat auch keinen Anlass gesehen, den Kläger zu dem von ihm behaupteten Unfallhergang nach § 448 ZPO von Amts wegen als Partei zu vernehmen, da es nach den Aussagen der Zeugen nnnnnn und nnn an dem hierfür erforderlichen Anfangsbeweis (vgl. dazu Zöller/Gröger, ZPO 25. Auflage, § 448 Rdnr. 4) fehlt.

Die Unaufklärbarkeit des genauen Unfallhergangs geht im Ergebnis zu Lasten des für die Unmittelbarkeit des polizeilichen Eingriffs in sein Eigentum beweispflichtigen Klägers. Die Berufung hat daher keinen Erfolg.

3.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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