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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.04.2006
Aktenzeichen: 12 U 126/05
Rechtsgebiete: PflVG


Vorschriften:

PflVG § 3 Nr. 3 S. 3
Zu den Voraussetzungen einer schriftlichen Entscheidung im Sinne des § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG durch positive Mitteilung des Versicherers (hier: "Vom Rechtsvertreter unseres Versicherungsnehmers wurden wir dahingehend unterrichtet, dass unser Versicherungsnehmer bezüglich seiner Ansprüche Klage beim zuständigen Amtsgericht eingereicht hat. Bevor wir weitere Zahlungen an Sie leisten, wollen wir den Ausgang dieses Verfahrens abwarten und erklären uns bereits jetzt bereit, Ihre Ansprüche analog dem rechtskräftigen Urteil im zivilrechtlichen Verfahren zu regulieren").
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 126/05

In Sachen

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, die Richterin am Kammergericht Zillmann und den Richter am Kammergericht Spiegel am 13. April 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung, die sich überwiegend in der Wiederholung der bereits erstinstanzlich von der Beklagten vorgetragenen Argumente erschöpft, nicht entkräftet worden sind.

A. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Verjährung durch das Schreiben vom 16. November 1998 nicht gemäß § 208 BGB a. F. unterbrochen worden. Die Verjährung wird gemäß § 208 BGB unterbrochen, wenn der Verpflichtete den Anspruch dem Berechtigten gegenüber anerkennt. Ein solches Anerkenntnis erfordert keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung; vielmehr genügt jedes Verhalten dem Gläubiger gegenüber, aus dem sich das Bewusstsein des Schuldners vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt. Ob ein Anerkenntnis im Einzelfall vorliegt, hängt von den Umständen ab und bedarf tatrichterlicher Würdigung. (BGH, NJW 1985, 2945-2947).

Im Streitfall ist dem vorgenannten Schreiben der Beklagten aber gerade nicht unzweideutig deren Bewusstsein vom Bestehen des Anspruchs zu entnehmen. Vielmehr wird in diesem Schreiben die Frage, ob der Anspruch besteht oder nicht, von der Beklagten offen gelassen, ihre Beantwortung bis zum Abschluss des von ihrem Versicherungsnehmer eingeleiteten Rechtsstreites aufgeschoben.

Dass die Beklagte sich in diesem Schreiben gegenüber dem Kläger bereit erklärt, seine "Ansprüche analog dem rechtskräftigen Urteil im zivilrechtlichen Verfahren zu regulieren", ändert hieran nichts. Die Beklagte hält sich hiermit auch die Option offen, die Regulierung der Ansprüche des Klägers (für den Fall des Obsiegens ihres Versicherungsnehmers) vollständig abzulehnen. Dies ist mit einem Verhalten, aus dem sich für den Kläger unzweideutig das Bewusstsein der Beklagten vom Bestehen des Anspruchs ergibt, nicht vereinbar.

B. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Anspruchshemmung nicht gemäß § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG durch den Eingang des Schreibens vom 16. November 1998 bei dem Kläger beendet worden ist. Dieses Schreiben stellt keine schriftliche Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift dar.

1. Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass auch eine positive Entscheidung des Versicherers eine schriftliche Entscheidung im Sinne der zitierten Norm darstellen kann.

Auch hängt die Wertung, ob eine Erklärung des Versicherers den insoweit maßgeblichen Anforderungen genügt, wesentlich von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 50/95 - VersR 1996, 369).

Jedoch kann die Verjährungshemmung nur dann ihr Ende finden, wenn dem Geschädigten durch die Erklärung zweifelsfrei Klarheit über die Haltung des Haftpflichtversicherers des Schädigers gegenüber seinen Forderungen als Grundlage für die sachgerechte Durchsetzung seiner Ansprüche verschafft wird (vgl. grundlegend BGH, Urteil vom 30. April 1991 - VI ZR 229/90 - NJW 1991, 1954; BGH, Urteil vom 5. Dezember 1995 - VI ZR .50/95 -' VersR 1996, 369 = NJW-RR 1996, 474; Senat, Urteil vom 29. März 1999 - 12 U 8899/97 - VM 1999, 92 Nr. 94; Senat, Urteil vom 27. Februar 2006 - 12 U 262/04 -).

Dem Inhalt des Schreibens muss der Charakter einer erschöpfend, eindeutig und endgültig den Schadensersatzanspruch im Hinblick auf das Interesse des Gläubigers an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bejahenden schriftlichen Erklärung zukommen. (vgl. BGH Urteil vom 5. Dezember 1995, a.a.O.; Prölss/ Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl., § 3 Nr. 3 PfIVG, Rn 7). Der mit § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG verfolgte Schutzzweck ist erst dann erfüllt, wenn für den Geschädigten klar ist, ob der Versicherer die angemeldeten Schadensersatzansprüche umfassend zu befriedigen bereit ist oder nicht.

2. Diese Voraussetzungen erfüllt das Schreiben der Beklagten vom 16. November 1998 nach Auffassung des Gerichts nicht.

Dabei ist für die Frage, ob die schriftliche Erklärung eine Entscheidung im Sinne des § 3 Nr. 3 Satz 3 PfIVG darstellt auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch das Verfahren und die Konkretisierung der Schadensanmeldung abzustellen (BGH, Urteil vom 30. April 1991, a.a.O.).

a) Entgegen der Ansicht des Landgerichtes fehlt es schon an einer eindeutigen schriftlichen Entscheidung zur Haftungsfrage dem Grunde nach.

Das Schreiben lässt nämlich offen, ob und wenn ja in welcher Höhe die Beklagte für den Schaden des Klägers der Höhe nach einstehen will. Die Erklärung, die Ansprüche des Klägers analog dem (im Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens noch nicht vorliegenden) "rechtskräftigen Urteil im zivilrechtlichen Verfahren" regulieren zu wollen, enthält keine erschöpfende, eindeutige und endgültige Entscheidung zum Haftungsgrund.

Es stand nämlich seinerzeit noch gar nicht fest, ob das vom Unfallgegner des Klägers eingeleitete zivilrechtliche Verfahren überhaupt mit einem rechtskräftigen Urteil enden wird. Für die gleichfalls in Betracht kommende Verfahrensbeendigung durch Klagerücknahme, Hauptsachenerledigung oder Vergleich enthält das Schreiben vom 16. November 1998 keine Regelung.

Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen dass - wie das Landgericht auf Seite 6 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausführt - eine positive Aussage allein zum Haftungsgrund nicht den Anforderungen des § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG genügt (BGH, VersR 1996, 369).

b) Mit zutreffender Begründung geht das Landgericht davon aus, dass das streitgegenständliche Schreiben auch hinsichtlich der Anspruchshöhe nicht den an eine Entscheidung, wie sie § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG meint, zu stellenden Anforderungen gerecht wird.

Sind nämlich genau bezifferte Forderungen angemeldet, beseitigt nur eine umfassende Erklärung des Versicherers auch zu deren jeweiliger Höhe die Verjährungshemmung. Vorbehalte oder Einwendungen gegen die Höhe auch nur einzelner angemeldeter Forderungen lassen die Verjährung insgesamt weiter gehemmt bleiben. Denn dann besteht für den Anspruchsteller keine Klarheit über die Regulierung seines Schadens.

Verbleiben aber im Einzelfall über die Tragweite einer (positiven) Erklärung des Versicherers in wesentlichen Punkten (zu Anspruchsgrund oder Anspruchshöhe) Zweifel, dann liegt eine "Entscheidung" im Sinne des § 3 Nr. 3 Satz 3 PfVG, nicht vor (BGH, NJW 1991, 1954).

Im Streitfall bestehen solche Zweifel sowohl zum Anspruchsgrund als auch zur Anspruchshöhe.

Das Schreiben der Beklagten vom 16. November 1998 verschaffte dem Kläger seinerzeit gerade keine Klarheit darüber, "welche Schritte es zur Verwirklichung seiner Ansprüche und zur Verhinderung einer Anspruchsverjährung nach den allgemeinen Regeln ... bedarf" (vgl. S. 5 der Berufungsbegründung; OLG Hamm VersR 2002, 563). Dieses Schreiben schuf gerade keine Basis für die Entscheidung des Klägers, "sich trotz positiver Entscheidung des Versicherers gegen eine Verjährung seiner Ansprüche ... gegebenenfalls durch die Erhebung einer Feststellungsklage zu schützen" (vgl. S. 5 der Berufungsbegründung; BGH VersR 1991, 878).

Vielmehr bestand nach Zugang des Schreibens der Beklagten bei dem Kläger für diesen gerade keine Klarheit, "welcher Schritte es zur Verwirklichung seiner Ansprüche und zur Verhinderung einer Anspruchsverjährung nach den allgemeinen Regeln bedarf" (S. 5 der Berufungsbegründung; OLG Hamm a. a. O.)

Der Kläger wusste nämlich weder, ob und wenn ja zu welchem Prozentsatz die Beklagte ihre Haftung einräumen wollte noch wusste er, in welcher Höhe sie die Mietwagenkosten akzeptieren wollte. Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 16. November 1998 gerade keine erschöpfende, umfassende und endgültige Entscheidung getroffen.

Soweit die Beklagte meint, sie habe sich durch ihr Schreiben in die Hände des Amtsgerichtes Leipzig begeben, dokumentiert sie damit, dass sie selbst gerade keine Entscheidung getroffen, diese vielmehr einem anderen überlassen hat.

Eine Entscheidung im Sinne von § 3 Nr. 3 Satz 3 PfVG liegt aber nur vor, wenn sie vom Versicherer selbst stammt (vgl. BGH, NJW 1997, 2521) und von diesem schriftlich erklärt wird.

3. Der Kläger verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn er sich auf die Hemmung der Verjährung beruft. Es kann dahinstehen, ob die zu § 12 VVG entwickelte Rechtsprechung, wonach die Hemmungswirkung entfällt, wenn der Anspruchsteller die zunächst angemeldeten Ansprüche offensichtlich nicht mehr weiterverfolgt (vgl. Nachweise bei Römer in Römer/Langheid, 2. Auflage 2003, § 12 Rdnr. 25), auch in Bezug auf § 3 Nr. 3 Satz 3 PfVG Anwendung finden kann.

Vorliegend kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger, obwohl er hätte tätig werden können und müssen, die Angelegenheit "schlicht hat einschlafen lassen". Vielmehr durfte der Kläger aufgrund des Schreibens vom 16. November 1998 abwarten und davon ausgehen, dass die Beklagte nach Abschluss des zivilrechtlichen Verfahrens ihrerseits von sich aus auf die Angelegenheit zurückkomme würde. Nur so konnte der Kläger die Aussage "bevor wir weitere Zahlungen an Sie leisten ..." verstehen.

C. Verwirkung

Zutreffend geht das Landgericht auch davon aus, dass der Anspruch nicht verwirkt ist. Es kann dahinstehen, ob das Zeitmoment vorliegend gegeben ist, jedenfalls fehlt es am sog. Umstandsmoment, d. h. einem durch den Kläger geschaffenen Vertrauenstatbestand, aus dem die Beklagte folgern könnte, der Kläger würde seinen Schadensersatzanspruch nicht mehr geltend machen. Entgegen der Ansicht der Beklagten auf den Seiten 6/7 ihrer Berufungsbegründungsschrift reicht die bloße Untätigkeit des Klägers insoweit nicht aus. Wie oben dargelegt durfte der Kläger aufgrund des Schreibens vom 16. November 1998 abwarten und davon ausgehen, dass die Beklagte nach Abschluss des zivilrechtlichen Verfahrens ihrerseits von sich aus auf die Angelegenheit zurückkomme würde.

Im Übrigen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.

Es wird daher angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken. Der Senat beabsichtigt, die Kosten des zweiten Rechtszuges auch im Falle einer Berufungsrücknahme durch die Beklagte entsprechend dem Verhältnis von Berufung und Anschlussberufung zu quoteln (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 2. August 2004 - 7 U 251/03 -, NJW-RR 2005, 507).

Ende der Entscheidung

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