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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 20.11.2006
Aktenzeichen: 12 U 151/05
Rechtsgebiete: StVG, BGB


Vorschriften:

StVG § 7 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 2
StVG § 17
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 17 Abs. 2
StVG § 17 Abs. 1 Satz 1
BGB § 421
BGB § 839 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 151/05

verkündet am : 20.11.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20.11.2006 durch den Richter am Kammergericht Dr. Wimmer als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 29. Juni 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 24 O 513/03 - abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.886,81 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25. April 2003 zu zahlen.

In übrigen wird die Klage zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die durch die Streithelfer der Klägerin eingelegte Berufung ist zulässig. Trotz der im Schriftsatz vom 12. August 2005 gewählten Formulierung, sie werde "namens und in Vollmacht der Streitverkündeten" eingelegt, ist sie als Rechtsmittel im Rahmen eines fremden Rechtsstreits, mithin als Berufung der Klägerin anzusehen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 67 ZPO Rn. 5 m.w.N.).

II.

Die Berufung ist überwiegend erfolgreich. Der Beklagte haftet für die Schäden, die die Klägerin durch die Kollision seines Polizeifahrzeuges (B nnnn ) am 17. November 2002 mit ihrem am Rand der Straße der Pariser Kommune geparkten VW Jetta (B - nnn ) erlitten hat, in Höhe des zuerkannten Betrages nach § 7 Abs. 1 StVG. Zu Unrecht hat das Landgericht im angefochtenen Urteil in Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile des Beklagten und des Streithelfers der Klägerin zu 1. eine Haftung des Beklagten im Verhältnis zur Klägerin verneint (§ 17 StVG).

1. Die Haftungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 StVG sind zugunsten der Klägerin dem Grunde nach ohne weiteres erfüllt, denn das Polizeifahrzeug ist gegen das geparkte Fahrzeug der Klägerin gefahren und hat dieses beschädigt. Dies hat auch das Landgericht so gesehen. Zwar hat es das im Urteil nicht ausdrücklich formuliert. Die ausführlichen Ausführungen des Landgerichts zur Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile setzen eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach jedoch voraus.

2. Die Haftung des Beklagten wird im Verhältnis zur Klägerin jedoch nicht dadurch berührt, dass sich auch das Verhalten des Streithelfers zu 1. möglicherweise unfallursächlich ausgewirkt hat.

a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 StVG bestimmt sich die Haftungsverteilung im Innenverhältnis zwischen mehreren Schädigern eines Dritten nach den jeweiligen Anteilen der Schadensverursachung. Im Außenverhältnis haften die Schädiger jedoch als Gesamtschuldner nach § 421 BGB mit der Folge, dass der Geschädigte jeden von ihnen in voller Höhe in Anspruch nehmen kann. Etwas anderes gilt nach § 17 Abs. 2 StVG im Verhältnis mehrerer beteiligter Fahrzeughalter untereinander. Sie haften einander von vornherein nur in Höhe der jeweiligen Quote der jeweiligen Schadensverursachung. Beteiligt im Sinne des § 17 Abs. 2 StVG ist nur der Halter eines Fahrzeuges, dessen Betriebsgefahr sich zu Lasten eines Anderen schadens-ursächlich ausgewirkt hat - es ist erforderlich, dass sich eine Gefahr verwirklicht hat, die von dem Fahrzeug selbst ausgeht. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 17 Abs. 1 und 2 StVG: "Beteiligte Fahrzeughalter" im Sinne dieser Regelung sind diejenigen, deren Kraftfahrzeuge einen Schaden verursacht haben (vgl. auch BGH, NJW 1980, 1579). Die bloße Anwesenheit des Fahrzeuges am Unfallort genügt also nicht. Der Betrieb, also die Fahrweise oder eine Besonderheit des Ruhevorganges, muss zum Unfall beigetragen haben (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 7 StVG, Rn. 10 m.w.N.).

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Klägerin als Dritte i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 StVG und nicht als beteiligte Fahrzeughalterin i.S.d. § 17 Abs. 2 StVG anzusehen.

Zwar geht auch von einem geparkten Fahrzeug eine Betriebsgefahr aus (vgl. bereits BGH, a.a.O.; einschränkend Hentschel, a.a.O., § 7 StVG, Rn. 5 m.w.N.), so dass sich der auf dem Parkstreifen am Fahrbahnrand abgestellte VW Jetta der Klägerin im Rechtssinne in Betrieb befand. Bei dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen hat sich diese Betriebsgefahr jedoch nicht schadensursächlich ausgewirkt. Nicht durch die dem VW Jetta der Klägerin innewohnende Betriebsgefahr, sondern durch das Beklagtenfahrzeug und möglicherweise durch das Fahrzeug des Streithelfers ist am VW Jetta ein Schaden verursacht worden. Die Kommentierung zur entsprechenden alten Fassung des § 17 StVG von Drees/Kuckuck/Werny, § 17 StVG, Rn. 3, bringt die Lage plastisch zum Ausdruck: "Dann besteht also die Schadensausgleichspflicht zwischen dem ersatzberechtigten Kraftfahrzeughalter und demjenigen Halter, den die Ersatzpflicht trifft, sofern der Ersatzberechtigte eine nach § 17 Abs. 1 Satz 1 relevante Mitverantwortung trägt, m.a.W.: dieser selbst ersatzpflichtig sein würde, falls nicht er, sondern ein Dritter geschädigt worden wäre". Ein Dritter wäre durch das geparkte Fahrzeug der Klägerin jedoch nicht geschädigt worden.

3. Erfolglos beruft sich der Beklagte gegen seine Inanspruchnahme auf ein Bremsversagen sein Polizeifahrzeuges. Eine haftungsausschließende höhere Gewalt i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG liegt im Fall eines betriebsfremden und von außen einwirkenden Ereignisses vor (vgl. Hentschel, a.a.O., § 7 StVG, Rn. 32 ff.). Das Versagen der technischen Einrichtungen des Fahrzeuges selbst, also auch der Bremsanlage, gehört nicht dazu.

4. Gleichfalls nicht zu einer anderen Beurteilung führt der Hinweis auf das deliktsrechtliche Haftungsprivileg nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Nach dieser Regelung besteht ein Schadensersatzanspruch wegen fahrlässiger Amtspflicht-verletzung nur, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Diese Vorschrift gilt im Bereich der deliktischen Haftung für die Folgen eines Verkehrsunfalls zwar jedenfalls dann, wenn der Beamte unter Inanspruchnahme von Sonderrechten am allgemeinen Straßenverkehr teilgenommen hat (vgl. BGHZ 68, 217). Im Bereich der Gefährdungshaftung gilt diese Haftungseinschränkung jedoch nicht (vgl. Senat, VersR 1992, 1129; Staudinger/Wurm, BGB, Bearbeitung 2002, § 839 BGB, Rn. 278 m.w.N.).

5. Die Klageforderung ist der Höhe nach überwiegend begründet.

a) Der Beklagte schuldet der Klägerin Ersatz des Wiederbeschaffungswertes in Höhe von 1.350,- EUR, den diese anhand des Schadensgutachtens des Sachverständigen nnnnn vom 5. Dezember 2002 hinreichend dargelegt hat. Auf den entsprechenden Einwand des Beklagten hat er auch die Verschrottung durch einen Verwertungsnachweis vom 26. April 2004 nachgewiesen. Seine Behauptung, bei Veräußerung des beschädigten Fahrzeuges an Aufkäufer aus osteuropäischen Ländern sei noch ein Restwert erzielbar gewesen, hat der Beklagte nicht näher erläutert. Die ferner angesprochene Frage der Differenzbesteuerung stellt sich nicht, da es sich um eine Abrechnung auf Totalschadensbasis handelt, nicht um Ersatzbeschaffung.

b) Ersatzpflichtig sind ferner die Gutachterkosten in Höhe von 182,58 EUR (Rechnung vom 5. Dezember 2002).

c) Die Klägerin kann Ersatz der Abschleppkosten in Höhe von 104,40 EUR verlangen (Rechnung Auto nnn vom 9. Dezember 2002 nebst Quittung). Der Einwand des Beklagten, es sei nicht dargelegt, wohin das Fahrzeug abgeschleppt worden sei, ist unerheblich. Es ist offensichtlich, dass das beschädigte Fahrzeug nicht am Unfallort im öffentlichen Verkehrsraum verbleiben konnte, so dass die Klägerin gehalten war, für ein Abschleppen zu sorgen. Die dafür in Rechnung gestellten Kosten halten sich im Rahmen des Üblichen, so dass keine Veranlassung bestand, weiter aufzuklären, wohin das Fahrzeug abgeschleppt worden ist.

d) Auch die weiteren Positionen Abmeldegebühr (5,60 EUR), Anmeldegebühr für das neue Fahrzeug (52,00 EUR einschließlich Schildern), Nutzungsausfallpauschale für die Zeit vom 17. bis 23. November 2002 (171,78 EUR) sowie Unkostenpauschale in Höhe von 20,45 EUR sind als unfallursächlicher Schaden begründet. Der Einwand, für den 23. November 2002 sei kein Nutzungsausfall geschuldet, weil die Klägerin an diesem Tag das neue Fahrzeug angemeldet habe, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Bis zu der Anmeldung des neuen Fahrzeuges, wann auch immer sie im Tagesverlauf stattgefunden hat, sind der Klägerin die Gebrauchsvorteile des unfallbeschädigten Fahrzeuges entgangen. Eine vom Beklagten offensichtlich verlangte stundenweise Abrechnung der Nutzungsausfallentschädigung kommt nicht in Betracht (§ 278 ZPO).

e) Nicht ersatzfähig sind jedoch die von der Klägerin behaupteten Zinsen für die Zwischen-finanzierung eines Ersatzwagenkaufes und die Bearbeitungsgebühr für diesen Kredit. Abgesehen davon, dass die Klägerin den Beklagten nicht auf die beabsichtigte Kreditaufnahme hingewiesen und ihm so die Möglichkeit genommen hat, durch entsprechende Zahlung den jetzt geltend gemachten Schaden zu vermeiden (§ 254 Abs. 2 BGB), ist die Unfallursächlichkeit der jetzt verlangten Zinsen nicht dargelegt, da sie auf einen Kredit in Höhe von 2.500,- EUR zurückgehen sollen - geschuldet ist jedoch nur Ersatz in Höhe von 1.350,- EUR. Entsprechend ist die Bearbeitungsgebühr von 75,00 EUR nicht ersatzfähig, denn für die Anschaffung des Fahrzeuges für 2.500,- EUR hätte die Klägerin sowieso ein Darlehen mit entsprechenden Bearbeitungskosten aufnehmen müssen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war entgegen dem Antrag des Beklagten nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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