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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.09.2009
Aktenzeichen: 12 U 199/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 148
ZPO § 522 Abs. 2
Ist das Berufungsgericht davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Absatz 2 ZPO), so kann das verfahren dennoch in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt werden, wenn in einem Parallelrechtsstreit zwischen denselben Parteien aus demselben Gewerbemietverhältnis wegen derselben Rechtsfragen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden ist.

Dies gilt auch dann, wenn es sich um ein Verfahren im Urkundsprozess handelt.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 199/08

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, die Richterin am Kammergericht Zillmann und die Richterin am Landgericht Wischer am 10. September 2009 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses vom 16. Juli 2009 und auf Anberaumung eines Verhandlungstermins wird zurückgewiesen.

2. Der Rechtsstreit wird gemäß § 148 ZPO analog bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten und ggf. über die zugelassene Revision im Verfahren - XII ZR 140/09 - (12 U 202/08) ausgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht in zwei Urkundenprozessen Ansprüche gegen den Beklagten aus einem Gewerbemietvertrag geltend. § 21 Nr. 6 des Mietvertrages vom 20./ 24. Januar 2005 über Gewerberäume im 2. OG des Hauses zum Betrieb einer Rechtsanwaltskanzlei durch den Beklagten enthält folgende Regelung:

"Der Vermieter räumt dem Mieter ein Vormietrecht für die Mietfläche des 3. Obergeschosses für einen durch den Mieter zu benennenden Sozietätspartner ein. Dieses Vormietrecht ist befristet bis zur möglichen Vermietung der Fläche durch den Vermieter."

Die Klägerin vermietete in der Folgezeit die Räume im 3. Obergeschoss an einen Dritten. Der Beklagte behielt einen Teil der vereinbarten Miete nebst Nebenkostenvorschuss und Mehrwertsteuer wegen vermeintlicher Mängel, insbesondere der Nichtgewährung des Vormietrechts, ein und berief sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht. Die Klägerin erklärte unter dem 8. Februar 2006 die fristlose Kündigung und erwirkte durch zwei Instanzen ein Räumungsurteil gegen den Beklagten (32 O 318/06, 12 U 7/07) und seinen Untermieter Rechtsanwalt B (32 O 318/07, 12 U 164/07). Die Räumung erfolgte im Januar 2008.

1. Das Landgericht Berlin hat den Beklagten im Rechtsstreit - 32 O 393/07 - durch Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess vom 14. August 2008 zur Zahlung von Miete/ Nutzungsentschädigung für die Zeiträume in 2006 und 2007 sowie von Betriebskostenvorschüssen für Zeiträume in 2007 in Höhe von insgesamt 23.348,69 EUR nebst anteiliger Zinsen an die Klägerin verurteilt, ihm die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten und die weitergehende Klage abgewiesen. Aufgrund der hiergegen gerichteten Berufungen der Parteien hat der Senat zunächst die Prüfung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO veranlasst und insoweit zunächst die Klägerin mit Verfügung vom 9. April 2009 darauf hingewiesen, dass mit Ablauf des Jahres 2008 in Bezug auf den Betriebskostenvorschuss, der u.a. Gegenstand des Verfahrens sei, Abrechnungsreife eingetreten sein dürfte, sodass die titulierte Vorschussforderung unabhängig von den Einwendungen des Beklagten durch Zeitablauf unbegründet geworden sein dürfte. Der Senat hat der Klägerin anheim gestellt, die Klage teilweise zurückzunehmen oder den Rechtsstreit wegen der Vorschüsse in der Hauptsache einschließlich der anteiligen Zinsen für erledigt zu erklären. Dem ist die Klägerin nicht gefolgt, sie hat vielmehr eine Abrechnung eingereicht und die Klage insoweit umgestellt. Der Senat hat aufgrund mündlicher Verhandlung durch Schlussurteil und Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess vom 16. Juli 2009 - 12 U 202/08 - die Berufung des Beklagten zurückgewiesen, auf die Berufung der Klägerin das angefochtene Urteil teilweise abgeändert, die Klage im Übrigen abgewiesen, dem Beklagten in Bezug auf die Abänderung die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten und den Rechtsstreit hinsichtlich dieses Nachverfahrens an das Landgericht Berlin zurückverwiesen. Der Senat hat hierbei die Statthaftigkeit der Geltendmachung der Klageforderungen aus dem Mietverhältnis im Urkundenprozess bejaht und hierzu u.a. ausgeführt, hiergegen spreche nicht der Vortrag des Beklagten in Bezug auf die Betriebskostenanteile und das Zurückbehaltungsrecht bezüglich der Nebenkostenzahlungen für die Zeit nach dem 31. Dezember 2006 und auch bei Auslegung des Vormietrechts in dem Sinn des Beklagten sei keine anfängliche Mangelhaftigkeit der Mietsache gegeben, sondern liege allenfalls ein nachträglicher Verstoß gegen Vertragspflichten vor.

Gegen das vorbezeichnete Urteil hat der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt, die dort unter dem Az. XII ZR 140/09 geführt wird.

2. Durch Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess vom 29. Juli 2008 hat das Landgericht Berlin - 29 O 51/08 - den Beklagten zur Zahlung von restlicher Nutzungsentschädigung für die Monate Juni bis Dezember 2007 in Höhe von insgesamt 13.167,32 EUR nebst anteiliger Zinsen an die Klägerin verurteilt und ihm die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt, die unter dem oben genannten Aktenzeichen geführt wird. Er stützt die Berufung darauf, dass die Klage als in der gewählten Prozessart unstatthaft abzuweisen sei, da er sich gegen die vermeintlichen Zahlungsansprüche der Klägerin auf Mietzins neben den Minderungen wegen diverser Störungen des Mietgebrauchs auf ein Leistungsverweigerungsrecht im Sinn von § 320 Abs. 1 BGB wegen der Nichterfüllung einer wesentlichen Vertragspflicht (Einräumung des vertraglich vereinbarten Vormietrechts an den Mieträumen im 3. Obergeschoss) berufen habe. Das Landgericht hätte einen zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit dem Räumungsprozess durchgreifen lassen müssen und habe zu Unrecht seinen Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Nebenkostenvorschüsse und ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der von der Klägerin eingeklagten Nebenkostenvorauszahlungen verneint.

Durch Schlussurteil vom 9. Dezember 2008 - 29 O 51/08 hat das Landgericht Berlin das Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess vom 29. Juli 2009 für vorbehaltlos erklärt. Die hiergegen eingelegte Berufung, die beim Senat unter 12 U 16/09 geführt wird, stützt der Beklagte darauf, dass seinem Beweisangebot zur Vernehmung eines Zeugen über die Behauptung, er habe den Gesellschafter der Klägerin ... vor Vertragsabschluss darüber in Kenntnis gesetzt, dass er innerhalb eines kurzfristigen Zeitraums auf die Hinzumietung der Räume im 3. OG angewiesen und deshalb den Mietvertrag nur unter der Voraussetzung zu schließen bereit sei, dass ihm diesbezüglich im Mietvertrag verbindlich ein Vormietrecht im Sinn der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eingeräumt werde, nicht nachgegangen worden sei. Die Klägerin habe diesen vertraglichen Anspruch verletzt, was mit der Situation einer Doppelvermietung gleichzusetzen sei. Damit stünde ihm ein Minderungsrecht und ein Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter zu. Zu Unrecht habe das Landgericht die Aufrechnung mit den gezahlten Betriebskostenvorschüssen sowie das Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf die Betriebskostenvorauszahlungen für 2007 zurückgewiesen.

3. Mit Beschlüssen vom 16. Juli 2009 hat der Senat die Parteien in den Verfahren 12 U 199/08 und 12 U 16/09 jeweils gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO darauf hingewiesen, dass der Senat nach Vorberatung beabsichtigt, die jeweilige Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg habe. Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2009 beantragt der Beklagte,

den Beschluss vom 16. Juli 2009 aufzuheben und Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen,

hilfsweise,

das Verfahren wegen Vorgreiflichkeit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Parallelverfahren zu 12 U 202/08 auszusetzen.

Die Klägerin hat dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nicht zugestimmt. Sie hält die Voraussetzungen des § 148 ZPO nicht für gegeben und hält eine Aussetzung gerade im Urkundenprozess für unzulässig. Zudem stehe nicht fest, ob und in welchem Umfang der Beklagte im Fall des Beschwerdeerfolgs das Revisionsverfahren durchführen werde.

II.

1. Der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses vom 16. Juli 2009 und auf Anberaumung eines Verhandlungstermins war zurückzuweisen.

Ein Verhandlungstermin kann nicht anberaumt werden, weil die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses vom 16. Juli 2009 verwiesen, an denen der Senat festhält. Sofern die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen, ist die Berufung zwingend ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Auf den Hilfsantrag des Beklagten war der Rechtsstreit jedoch im Hinblick auf die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde im Verfahren 12 U 202/08 (BGH XII ZR 140/09) analog § 148 ZPO auszusetzen.

a) Eine Aussetzung in direkter Anwendung des § 148 ZPO scheidet aus. Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit oder dem Verwaltungsverfahren zu treffenden Entscheidung im Sinn einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus (BGH Beschluss vom 30. März 2005 - X ZB 26/04 - BGHZ 162, 373-378; Zöller/ Greger ZPO 27. Auflage 2009, Rn. 5 zu § 148; Münch/ Komm/ Wagner ZPO 3. Auflage 2008, Rn. 6 zu § 148; Musielak ZPO 6. Auflage 2008, Rn. 5 zu § 148). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt, da zwar sowohl im hiesigen Verfahren als auch im Verfahren XII ZR 140/09 (12 U 202/08) die Fragen zur Statthaftigkeit des Urkundenprozesses, die Verletzung des vertraglich eingeräumten Vormietrechts und die formelle Fehlerhaftigkeit der Nebenkostenabrechnungen relevant sind, in beiden Verfahren stellen sie jedoch allein Vorfragen dar. Dies reicht nicht aus, denn das Rechtsverhältnis muss den Gegenstand des anderen Verfahrens bilden, darf dort nicht seinerseits nur Vorfrage sein (Zöller/ Greger a.a.O.).

b) Die Aussetzung war jedoch in analoger Anwendung des § 148 ZPO anzuordnen.

aa) Nach seiner Funktion und in seinem prozessualen Mittel ist § 148 ZPO analogiefähig (Münch/ Komm/ Wagner a.a.O. Rn. 20 zu § 148; Stein/ Jonas/ Roth ZPO 22. Auflage 2005 Rn. 14 zu § 148). Allerdings genügt es nicht, dass die in dem anderen Verfahren zu erwartende Entscheidung lediglich geeignet ist, einen rechtlichen oder gar nur tatsächlichen Einfluss auf die Entscheidung in dem ausgesetzten Verfahren zu entfalten; sodass weder ein sinnvolles Aufeinanderabstimmen beider Prozesse noch die Vermeidung unerwünschter Verwicklungen in den gegenseitigen Rechtsverhältnissen der Beteiligten genügen; vielmehr sind an die Rechtsfortbildung hohe Anforderungen zu stellen, weil eine Partei einen Anspruch auf Durchführung des Verfahrens innerhalb eines angemessenen, nicht übermäßig langen Zeitraums hat (Stein/ Jonas/ Roth a.a.O). Die Prozessökonomie für sich allein rechtfertigt die Aussetzung ebenso wenig wie die Gefahr einander widersprechender Urteile (OLG Köln Beschluss vom 17. Mai 1957 - 9 W 1/57 - NJW 1958, 106-107).

Dies greift im vorliegenden Fall jedoch zu kurz. Sowohl in dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof als auch im hier zu entscheidenden Verfahren werden Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis der identischen Parteien geltend gemacht und dieselben Einwendungen durch den Beklagten erhoben. In beiden Verfahren sind die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses, die Verletzung des vertraglich eingeräumten Vormietrechts und die formelle Fehlerhaftigkeit der Nebenkostenabrechnungen zu entscheidende Fragen, die aufgrund der Situation, dass es sich um den gleichen Rechtsgrund bei identischen Parteien handelt, einheitlich zu entscheiden sind. Die Besonderheit des Falles liegt hier gerade darin, dass aufgrund einer prozessualen Situation in dem Verfahren, das dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesgerichtshof - XII 140/09 - zugrunde liegt, die Nichtzulassungsbeschwerde allein dadurch möglich wurde, dass die Klägerin aufgrund des Hinweises des Senats gemäß Verfügung vom 9. April 2009 bezüglich einer teilweisen Unbegründetheit der Klage wegen Eintritts der Abrechnungsreife die Klagebegründung bezüglich des Anspruchs auf Nebenkostenvorauszahlungen umgestellt hat auf einen Anspruch auf Zahlung einer Nebenkostennachforderung nach entsprechender Abrechnung. Aufgrund dieser Änderung konnte der Senat nicht mehr nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss entscheiden, sondern hatte über die Berufung mündlich zu verhandeln. Nur deshalb ist es dem Beklagten möglich, mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 16. Juli 2009 vorzugehen. Da der Senat an seiner im Beschluss vom 16. Juli 2009 im hiesigen Rechtsstreit dargestellten Auffassung festhält, besteht die konkrete Gefahr von widerstreitenden Entscheidungen für den Fall der Stattgabe der Nichtzulassungsbeschwerde. Diese widerstreitenden Entscheidungen könnten für das vorliegende Verfahren auch nicht mehr korrigiert werden.

Hierin liegt ein gravierender Unterschied zu dem vom OLG Köln (NJW 1958, 106, 107) zu entscheidenden Fall. Das OLG Köln führt nämlich gerade aus, dass die Möglichkeit einander widersprechender Entscheidungen vor allem dann allein kein hinreichender Aussetzungsgrund sei, wenn sich die Urteile höchstens in einer für die Parteien nicht schädlichen Weise widersprechen könnten. Vorliegend besteht jedoch die Gefahr eines schädlichen Widerspruchs (einmal Stattgabe einmal Abweisung des gleich gelagerten Anspruchs der identischen Parteien). Soweit die Klägerin sich auf die Entscheidung des BGH vom 30. März 2005 - X ZB 26/04 - BGHZ 162, 373-378 stützt, folgt dem der Senat nicht. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall waren an den relevanten Verfahren nicht jeweils dieselben Parteien beteiligt, vielmehr konnte dem anhängigen anderen Verfahren für das Streitverfahren allenfalls die Bedeutung eines Musterprozesses zukommen. Der BGH hat in diesem Beschluss auch nicht entschieden, ob Fälle denkbar seien, in denen der rechtlich erhebliche Einfluss des Verfahrens, bis zu dessen Entscheidung ausgesetzt werde, durch einen anderen, über bloße Prozesswirtschaftlichkeit hinausreichenden Wertungsgesichtspunkt ersetzt werden könne. Diese Frage hat der BGH vielmehr ausdrücklich offen gelassen.

bb) Gegen die analoge Anwendung von § 148 ZPO spricht auch nicht die Besonderheit des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO. Zwar wird nach § 148 ZPO die Verhandlung ausgesetzt und im Rahmen des § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO kommt es gerade nicht zu einer Verhandlung, der Senat hat vielmehr gerade die Anberaumung eines Verhandlungstermins abgelehnt. Verhandlung im Sinn des § 148 ZPO bedeutet jedoch das Verfahren. Die Aussetzung der Verhandlung bedeutet den Stillstand des betreffenden Prozesses kraft richterlicher Anordnung, wobei es dabei keinen sachlichen Unterschied macht, dass das Gesetz in § 148 sowie in den §§ 149, 156 die Aussetzung der Verhandlung und in den §§ 152, 153, 154, 155 und den §§ 246ff, 614, 640f ZPO diejenige des Verfahrens vorsieht; die §§ 148 ff ZPO regeln die Aussetzung eines Zivilprozesses mit Rücksicht auf ein anderes zivilprozessuales Verfahren (Stein/ Jonas/ Roth a.a.O. Rn. 1 zu § 148).

Auch wenn die Vorschrift des § 522 Abs. 2 ZPO vor allem dem zügigen Abschluss des Berufungsverfahrens dienen soll, ist eine Aussetzung vorliegend nicht ausnahmslos abzulehnen, wenn die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind. Zwar wird eine Aussetzung für den Fall der Entscheidungsreife abgelehnt (Stein/ Jonas/ Roth a.a.O. Rn. 18 zu § 148), dies wird jedoch damit begründet, dass durch die Aussetzung nicht erst die Voraussetzungen für die Zulässigkeit oder Begründetheit geschaffen werden sollen. Dies ist vorliegend auch nicht gegeben, da es lediglich um die Klärung der Bewertung eines feststehenden Sachverhaltes in rechtlicher Hinsicht geht. Zudem ist die Aussetzung eines entscheidungsreifen Rechtsstreits für eng umgrenzte Ausnahmen für außergewöhnliche Fälle, etwa wenn ein aufgetretener Mangel sonst später nicht mehr bereinigt werden könnte, denkbar (Stein/ Jonas/ Roth a.a.O.). Wie bereits oben dargestellt besteht hier ohne die Aussetzung die Gefahr sich widerstreitender Entscheidungen für identische Parteien für den gleichen Rechtsgrund mit der Besonderheit, dass einmal der BGH angerufen werden kann und einmal nicht.

cc) Unerheblich ist es, dass es sich vorliegend um ein Berufungsverfahren handelt. Die Aussetzung ist im Berufungsverfahren ohne Einschränkung möglich (Münch/Komm/ Wagner a.a.O. Rn. 3 zu § 148 ZPO).

dd) Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass eine Aussetzung des Verfahrens im Urkundenprozess und wegen der Einheitlichkeit im Nachverfahren unzulässig ist, greift dieser Einwand vorliegend nicht durch. Zwar ist anerkannt, dass das Gericht nicht aussetzen darf, wo die Verfahrensart einen Stillstand des Verfahrens verbietet, was grundsätzlich auch für den Urkundenprozess gilt (Zöller/Wagner a.a.O. Rn. 4 zu § 148). Die Aussetzung im Urkundenprozess ist aber nur bis zum Erlass des Vorbehaltsurteils mit der Eilbedürftigkeit dieses und der Vorläufigkeit des Verfahrens nicht vereinbar (Zöller/ Wagner a.a.O. Rn. 3 zu § 148 ZPO; auch Stein/ Jonas/ Wagner a.a.O. Rn. 32 zu § 148).

ee) Gegen die Aussetzung spricht auch nicht, dass derzeit noch keine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten vorliegt, ihm der BGH insoweit vielmehr eine Begründungsfrist bis zum 14. Dezember 2009 eingeräumt hat. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beklagten in den zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreitigkeiten ist eine umfassende Begründung des Beklagten mit den Argumenten zu allen relevanten Themen zu erwarten. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 28. Juli 2009 nachvollziehbar dargelegt, dass die Revision u.a. auf die Unstatthaftigkeit des Urkundenprozesses, die Unschlüssigkeit der Klage, die Verletzung des vertraglich eingeräumten Vormietrechts und die formelle Fehlerhaftigkeit der Nebenkostenabrechnung gestützt wird. Der Beklagte hat in der Vergangenheit auch dann keinen Abstand von seiner bisherigen Argumentation genommen, wenn der Senat über diese Frage bereits entschieden hat. Warum er dann gerade für den Fall der Nichtzulassungsbeschwerde nicht umfassend begründen sollte und im Fall der Stattgabe der Nichtzulassungsbeschwerde im Revisionsverfahren lediglich einen Teil der Argumente vorbringen sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Aus diesem Grund ist es im konkreten Einzelfall möglich, auch ohne Kenntnis der konkreten Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu bejahen.

ff) Es war auch nicht geboten, die widerstreitenden Entscheidungen dadurch zu vermeiden, dass der Senat die mündliche Verhandlung eröffnet und dadurch dem Beklagten wiederum die Möglichkeit gibt, eine Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Dieses Verfahren widerspricht der Regelung des § 522 Abs. 2 ZPO und dient auch nicht dem Interesse der Parteien, da es weitere Kosten verursacht und die Klägerin insoweit keinen relevanten Vorteil hat. Ihr steht bereits ein Vorbehaltsurteil zur Verfügung, aus dem sie die Zwangsvollstreckung betreiben kann und wohl auch betreibt.

gg) Die Aussetzung des Verfahrens erfolgt nach Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien, nämlich in Bezug auf die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und die Gefahr einer Verfahrensverschleppung. Der Beklagte hat ein starkes Interesse daran, zunächst vor dem BGH zu klären, ob seine Rechtsansichten entgegen der Auffassung des Senats zutreffend sind, um dies dann auch in den noch beim Senat anhängigen Berufungsverfahren 12 U 199/08 und 12 U 16/09 geltend machen zu können. Im Hinblick darauf, dass der Klägerin bereits ein Vorbehaltsurteil und ein Schlussurteil zur Verfügung stehen, aus denen sie die Zwangsvollstreckung betreiben kann, überwiegt ihr Interesse an einem zügigen Verfahrensabschluss das vorgenannte Interesse des Beklagten nicht. Die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung aus den Urteilen wird durch die Aussetzung des hiesigen Verfahrens nach § 148 ZPO analog nicht beeinträchtigt. Soweit sich eine Prozesshandlung auf nicht selbst unterbrochene oder ausgesetzte Nebenverfahren bezieht, wie das Verfahren der Zwangsvollstreckung, ist § 249 Abs. 2 ZPO nicht einschlägig (Stein/ Jonas/ Roth a.a.O. Rn. 8 zu § 249). Aus diesem Grund und vor dem Hintergrund, dass die Klägerin durch ihr Verhalten dem Beklagten die Möglichkeit eröffnet hat, aufgrund der dadurch notwendigen mündlichen Verhandlung und der Entscheidung durch Urteil die Nichtzulassungsbeschwerde mit der Gefahr der widersprechenden Entscheidungen zu erheben, ist ihr ein Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Verfahren des BGH XII ZR 140/09 zumutbar.

3. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, denn der Einzelfall gibt Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. Zöller/ Heßler a.a.O. Rn. 12 zu § 543), nämlich zur Anwendung des § 148 ZPO analog für den Fall des § 522 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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