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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 04.09.2006
Aktenzeichen: 12 U 204/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 286
Für den Beweis der Behauptung des Klägers, er habe sich durch den streitgegenständlichen Unfall eine HWS - Verletzung zugezogen, gilt der Beweismaßstab des § 286 ZPO. Die Einschätzung eines medizinischen Sachverständigen, eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von etwa 3 bis maximal 4,5 km/h sei nicht geeignet, eine HWS - Distorsion hervorzurufen, und zwar auch unter Berücksichtigung einer etwaigen geneigten Körperhaltung und einer Kopfdrehung im Moment des Aufpralls, spricht dagegen, dass der Kläger tatsächlich unfallbedingt eine derartige Verletzung erlitten hat. Weisen Röntgenaufnahmen nach dem Unfall eine Steilstellung der Halswirbelsäule auf, die auch etwa 2 1/2 Jahre nach dem Unfall unverändert vorhanden ist, was - nach dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen - nicht durch den streitgegenständlichen Unfall erklärt werden kann, erhärtet dies die Einschätzung, dass eine unfallbedingte Verletzung nicht bewiesen ist, zumal eine Steilstellung der HWS nach dem Stand der Wissenschaft bei 42 % der Normalbevölkerung festzustellen ist (vgl. Senat, Urteil vom 28. August 2003 - 12 U 88/02 -).
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 204/04

verkündet am : 4. September 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. September 2006 durch die Richterin am Kammergericht Zillmann als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. August 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24 O 259/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte kein Anspruch aus den §§ 7 StVG, 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 3 PflVG zusteht.

a. Hinsichtlich des geltend gemachten Verdienstausfalls aus abgetretenem Recht, den der Kläger darauf stützt, dass die ihn beschäftigende GmbH sein Gehalt trotz seiner Krankschreibung an ihn weitergezahlt habe, ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass ein derartiger Anspruch durch den Kläger bereits nicht ausreichend dargelegt worden ist. Dabei kann es dahinstehen, ob mit dem Landgericht davon auszugehen wäre, dass der Kläger als Geschäftsführer einer GmbH seinen Schaden wie ein Selbständiger beziffern müsste.

Der Kläger hat weder erstinstanzlich, noch mit der Berufung den Anstellungsvertrag, dem die Höhe des Gehaltes sowie eine vertragliche Lohnfortzahlung entnommen werden könnten, noch Belege über geflossene Zahlungen vorgelegt. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, da die Beklagte sowohl die Vereinbarung einer Lohnfortzahlung, als auch deren tatsächliche Auszahlung bestritten hat.

b. Auch ein von dem Kläger auf Grund eines nach seiner Behauptung bei dem Verkehrsunfall vom 17. Oktober 2001 erlittenen HWS-Syndromes begehrtes Schmerzensgeld hat das Landgericht zu Recht nicht zuerkannt.

Dabei hat das Landgericht zunächst auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die in dem erstinstanzlichen Gutachten angeführte Steilstellung der Halswirbelsäule keinen objektiven Hinweis auf eine unfallbedingte HWS-Verletzung darstellt, da eine solche nach dem heutigen Stand der Wissenschaft bei ca. 42 % der Normalbevölkerung festzustellen ist (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 28.8. 2003 - 12 U 88/02 - NZV 2004, 252). Dies gilt um so mehr, als die von dem Sachverständigen Dr. Hnnnn herausgestellte Steilstellung unstreitig auch auf Röntgenbildern des Klägers zu erkennen ist, die erhebliche Zeit nach dem streitgegenständlichen Unfall vom 17. Oktober 2001 gefertigt wurden, nämlich am 17. Februar 2004. Dies erhärtet die Annahme, dass es sich hierbei nicht um eine unfallbedingte Veränderung handelt.

Soweit das Landgericht deshalb und im Hinblick darauf, dass der erstinstanzlich beauftrage Sachverständige nur eine HWS-Distorsion im Bereich von 0 bis 1 diagnostiziert hatte, jedoch meinte, trotz der eindeutigen Ausführungen in dem Gutachten über eine unfallbedingte Verletzung des Klägers, diese nicht als mit dem Beweismaß des § 286 ZPO erwiesen ansehen zu können, begegnete dies Bedenken.

Das durch das Berufungsgericht eingeholte weitere Gutachten des Dr. Pnn hat jedoch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Hnnnn über eine unfallbedingte HWS-Verletzung nicht bestätigt.

Dr. Pnnn führt in seinem ausführlichen, in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 11. Januar 2006 aus, dass die bei dem Kläger bereits vor dem Unfall bestehende chronische und behandlungsbedürftige Erkrankung der Halswirbelsäule so weit in der Ursächlichkeit für die ab dem 20.10. 2001 ärztlich dokumentierten Beschwerden war, dass sie die alleinige Teilursache der vom Kläger geklagten Beschwerden darstellte. Auf Grund des Fehlens jedweder objektiver Befundveränderungen ist nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich das Gericht anschließt, eine Mitbeeinflussung oder gar die vollständige Entstehung dieser Veränderungen durch den Unfall vom 17. Oktober 2001 nicht möglich gewesen.

Dabei hat der Sachverständige dargelegt, dass die sich aus dem unstreitigen Privatgutachten der Beklagten des Gutachters Nnn ergebende Kollisionsdifferenzgeschwindigkeit von 3 bis maximal 4,5 km/h auch unter Berücksichtigung einer etwaigen geneigten Körperhaltung und einer Kopfdrehung im Moment des Aufpralls nicht geeignet sei, eine Halswirbelsäulendistorsion hervorzurufen. Auch die Befunde der bildgebenden Diagnostik und der weitere klinische Verlauf nach dem Unfallgeschehen waren nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nicht geeignet, eine unfallbedingte Verletzung zu belegen.

Hinsichtlich der festgestellten Steilstellung, hat der Sachverständige Dr. Pn darauf hingewiesen, dass diese auch auf den am 17. Februar 2004 gefertigten Röntgenbildern ausgeprägt zu erkennen gewesen sei, was unfallbedingt in keiner Weise mehr zu erklären sei.

Die von dem behandelnden Arzt festgestellten Veränderungen der Bewegungseinschränkung und einer muskulären Verspannung sind nach den Ausführungen des Sachverständigen als so genannte semiobjektive Kriterien zu werten und damit nicht zwangsläufig unfallbedingt. Nach Abwägung sämtlicher vorliegender Befunde und Unterlagen kommt der Sachverständige dazu, dass eine unfallbedingte Behandlungsnotwendigkeit nicht bestand und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht gegeben war.

Hinsichtlich der von dem Kläger vorgebrachten Vorschädigung der Halswirbelsäule hat der Sachverständige Dr. Pnn in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. März 2006 ausgeführt, dass eine Vorschädigung zwar auch zu einer erhöhten Anfälligkeit der Halswirbelsäule auf von außen einwirkende Faktoren führen könne, der wissenschaftliche Beweis für diese Argumentation bisher jedoch nicht erbracht sei.

c. Der Kläger hat nach alledem den Vollbeweis, den das Landgericht richtig als erforderlich angesehen hat, für die von ihm behauptete Verletzung der Halswirbelsäule bei dem streitgegenständlichen Unfall nicht erbracht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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