Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 04.12.2006
Aktenzeichen: 12 U 206/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 287
Es erscheint überwiegend wahrscheinlich (§ 287 ZPO), dass etwa 8 Jahre alte Fahrzeuge des Typs AUDI A 4 mit einer Laufleistung von 197.000 km üblicherweise von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten und gesucht werden. Der Wiederbeschaffungswert ist deshalb nicht um einen Umsatzsteueranteil zu vermindern.
Kammergericht

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 206/05

verkündet am: 4. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2006 durch den Richter am Kammergericht Spiegel als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 20. Oktober 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin - 17 0 639/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.930,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz tragen die Beklagten zu 73% und der Kläger zu 27%. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten zu 61% und dem Kläger zu 39% zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

A Haftungsquote

Nach dem Ergebnis der in zweiter Instanz wiederholten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Unfall von dem Beklagten zu 1) dadurch verursacht wurde, dass er die für ihn maßgebliche Kreuzungsampel bei rotem Ampellicht überfahren hat. Die Beklagten haften für den Unfall mithin zu 100%. Eine Mithaftung des Klägers war nicht festzustellen, da dieser seinen Abbiegevorgang erst nach Aufleuchten des für ihn maßgeblichen Grünpfeils fortgesetzt hat und die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges gegenüber dem schuldhaften Verhalten des Beklagten zu 1) nicht ins Gewicht fällt.

Der Senat folgt den Aussagen der Zeugen nnnn und nn sowie den Angaben des persönlich gehörten Klägers, aus denen sich unter Auswertung des in zweiter Instanz beigezogenen Ampelschaltplans die oben wiedergegebene tatsächliche Feststellung ergibt. Entgegen der Ansicht des Landgerichtes in der angefochtenen Entscheidung weichen die Angaben der Zeugen nnnn nicht von den Darlegungen des Klägers ab. Das Landgericht hat übersehen, dass der Kläger die Situation aus seiner Sicht, die Zeugin Caliebe die Situation dagegen aus der Sicht des Gegenverkehrs beschrieben hat. Diesen vermeintlichen Widerspruch hätte das Landgericht bereits erstinstanzlich durch gezielte Nachfrage an die Zeugen und insbesondere durch eine Beiziehung des Lage - und Signalzeitenplans der Unfallkreuzung aufklären können. In zweiter Instanz haben die persönlich gehörten Parteien sowie die Zeugen anhand dieses Lage - und Signalzeitenplans den Unfallhergang nachvollziehbar und verständlich darlegen können.

Der Zeuge nnn konnte zwar zum Unfallhergang keine konkreten Angaben machen, er konnte aber die Verkehrssituation sowie das Geschehen kurz vor dem Unfall präzise schildern. Wenn seinen zeitlichen Angaben auch nicht auf die Sekunde genau gefolgt werden kann, so ergibt sich aus seiner Aussage jedoch, dass er gegen Ende der für ihn maßgeblichen Grünphase in den Kreuzungsbereich eingefahren sein muss.

Die Zeugen nnnn hat den Unfall nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei geschildert, sie hat offen zugegeben, wenn sie sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern konnte. Sie hat dargelegt, dass sie das Verkehrsgeschehen wegen der Suche nach einer Tankstelle und des hohen Verkehrsaufkommens aufmerksam beobachtet hat, um den das Fahrzeug führenden Kläger zu unterstützen.

Die Einlassung des persönlich gehörten Beklagten zu 1) widerspricht dagegen in einem wesentlichen Punkt den Angaben der beiden Zeugen sowie des persönlich gehörten Klägers. Der Beklagte zu 1) hat ausgesagt, dass sich auf den beiden Spuren links neben ihm keine Fahrzeuge befunden hätten. Dagegen haben die Zeugen nnnn und nn in Übereinstimmung mit dem Kläger bekundet, dass auf den beiden Fahrstreifen links neben dem Beklagten zu 1) reger Fahrzeugverkehr war und dass die Fahrzeuge in diesen in beiden Fahrspuren an der Haltelinie der Kreuzung zum Stehen gekommen waren. Den Angaben des Beklagten zu 1) kann deshalb insgesamt nicht gefolgt werden.

B Schadenshöhe

Wiederbeschaffungswert (Rest 662,10 €)

Der vom Landgericht vorgenommene Abzug der Umsatzsteuer ist aufgrund des Fahrzeugalters (Erstzulassung am 22.03.1996) und der Laufleistung von 197.000 km vorliegend nicht gerechtfertigt.

Da das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist, bestimmt sich die Ersatzpflicht der Beklagten gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB in der Fassung des zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I 2674). Nach dieser gesetzlichen Neuregelung schließt der bei der Beschädigung einer Sache zur Wiederherstellung erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist ( § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ). Dies gilt auch im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens (vgl. BGH Urteile vom 1. März 2005 - VI ZR 91/04 - VersR 2005, 994 ; vom 20. April 2004 - VI ZR 109/03 - BGHZ 158, 388 , 389 und vom 18. Mai 2004 - VI ZR 267/03 - VersR 2004, 927, 928).

Will der Geschädigte seinen Schaden fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnen, ist von einem dort angegebenen Brutto-Wiederbeschaffungswert eine darin enthaltene Umsatzsteuer abzuziehen. Hierfür hat der Tatrichter zu klären, ob solche Fahrzeuge üblicherweise auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach § 10 UStG regelbesteuert oder nach § 25a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2005 - VI ZR 91/04 - VersR 2005, 994 ). Dabei ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn sich der Tatrichter im Rahmen der Schadensschätzung im Sinne des § 287 ZPO an der überwiegenden Wahrscheinlichkeit orientiert, mit der das Fahrzeug diesbezüglich auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt wird (BGH, Urteil vom 9. Mai 2006 - VI ZR 225/05 - VersR 2006, 987).

Vorliegend hält der Senat es im Rahmen der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) für überwiegend wahrscheinlich, dass rund acht Jahre alte Fahrzeuge des Typs Audi A4 mit einer Fahrleistung von 197.000 üblicherweise von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden und der auf dem privaten Markt zu zahlende Preis dem vom Sachverständigen in seinem Gutachten genannten Wiederbeschaffungswert entspricht (vgl. OLG Frankfurt, OLGR 2006, 335; OLG Köln, OLGR 2004, 96).

Pauschale Neuzulassungskosten (51,13 €)

Diese Position hat das Landgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt. Ein Anspruch auf Ersatz von - pauschalierten - Ummeldekosten besteht immer dann, wenn Ummeldekosten tatsächlich angefallen sind, d.h. wenn das Unfallfahrzeug abgemeldet und ein Ersatzfahrzeug zugelassen wird. Dies hat der Kläger auf Seite 2 seines Schriftsatzes vom 9. März 2005 vorgetragen.

Hat eine Ummeldung tatsächlich stattgefunden, dann kommt Schätzung gem. § 287 ZPO in Betracht. Nach st. Rspr. des Senats beträgt, wenn eine Ummeldung tatsächlich stattgefunden hat, die dem Geschädigten zustehende Pauschale für die Ummeldung 75 DM (38,35 €), wobei ihm naturgemäß nicht der Nachweis abgeschnitten ist, dass die Ummeldung tatsächlich höhere Kosten verursacht hat, die in diesem Falle auch zu ersetzen sind. Da der Kläger diesen Nachweis nicht geführt hat verbleibt es bei den 38,35 €.

Nebenkostenpauschale (Rest 5,56 €)

Zu Recht hat das Landgericht diese Position mit 20,00 € in Ansatz gebracht. Nach der neueren Rechtsprechung des Kammergerichts wird bei Unfällen, die sich nach Einführung des EURO am 1. Januar 2002 ereignet haben, die allgemeine Unkostenpauschale mit 20 EUR bemessen (KG, Urteil vom 27. Februar 2006 - 22 U 170/05; KG, OLGR 2006, 252; KG, OLGR 2005, 994 = DAR 2006, 211 = MDR 2006, 568 = NZV 2006, 307; KG, OLGR 2005, 664; KG, Urteil vom 8. November 2004 - 22 U 225/03 -)

Standgebühren (30,00 €)

Diese Position hat das Landgericht zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat diese Position durch Vorlage der Rechnung ausreichend substantiiert. Die Beklagten haben auf Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 17. Februar 2005 diese Position mit den Worten "Die Parkgebühren ... sollen derzeit nicht angegangen werden" zugestanden.

Abschleppkosten (1.252,80 €)

Grundsätzlich kann der Geschädigte die Abschleppkosten vom Unfallort zum Sitz einer von ihm ständig benutzten Werkstätte ersetzt verlangen, wenn das beschädigte KFZ reparaturfähig ist und die Abschleppkosten in einem angemessenen Verhältnis zu den Reparaturkosten stehen (vgl. OLG Celle, VersR 1968, 1196; OLG Hamm, VersR 1970, 43). Vorliegend fehlt es schon - für den Kläger erkennbar - an der Reparaturwürdigkeit. Unter Berücksichtigung der dem Kläger obliegenden Schadensminderungspflicht wäre dieser deshalb gehalten gewesen, Begutachtung und Verwertung des Fahrzeuges in Berlin und nicht in Ingolstadt durchführen zu lassen.

Rechtsanwalt (211,99 €)

Diese Position hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Auch der im zweiten Rechtszug hilfsweise gestellte Freistellungsantrag ist nicht begründet, da der Kläger die Voraussetzung des § 10 Absatz 1 RVG nicht dargelegt hat.

Schadensberechnung

Der dem Kläger bei dem streitgegenständlichen Unfall entstandene ersatzfähige Schaden berechnet sich wie folgt:

 Wiederbeschaffungswert abzgl. Restwert3.240,00 €
Nebenkostenpauschale20,00 €
Standgebühr30,00 €
Neuzulassungskosten38,35 €
Nutzungsausfallentschädigung602,00 €
Summe3.930,35 €
Vom Landgericht bereits zugesprochen1.599,97 €
Erfolg der Berufung2.330,38 €

Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1, Absatz 2 ZPO n. F.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m § 26 Nr. 8 EGZPO.



Ende der Entscheidung

Zurück