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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 12 U 212/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 529
Zu den Voraussetzungen der Feststellung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für einen manipulierten Unfall (hier: Anstoß mittels gemietetem Kleintransporter, für dessen Verwendung am Kollisionsort keine plausible Erklärung vorliegt, wobei nach Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen der Anstoß ungebremst oder nur leicht gebremst erfolgte; Opferfahrzeug der gehobenen Mittelklasse, relativ kurz vor dem Ereignis angeschafft und relativ kurz danach unrepariert verkauft; falsche Angaben des Schädigers zum Unfallhergang). Ist das Opferfahrzeug in erheblichem Maße vorgeschädigt, ist dies ein aussagekräftiges Indiz für einen manipulierten Unfall, und zwar unabhängig davon, ob die Vorschäden dem Kläger tatsächlich bekannt waren (vgl. KG, Urteil vom 18. Oktober 2004 - 22 U 80/04 -). Die Behauptung, eine angebliche Reparatur, deren Einzelheiten nicht mitgeteilt werden, sei fachgerecht durchgeführt worden, kann nicht zulässigerweise in das Wissen eines Zeugen gestellt werden, auch wenn es sich um den Privatsachverständigen des Klägers handelt.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 212/06

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, den Richter am Kammergericht Dr. Wimmer und die Richterin am Kammergericht Zillmann am 14. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe: Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 1. ausreichende Indizien für das Vorliegen eines manipulierten Unfalls vorgebracht hat, die in ihrer Gesamtheit den Schluss auf eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten des Klägers und des Beklagten zu 2. zulassen.

Als Indizien für das Vorliegen eines manipulierten Geschehens sind insbesondere die Art und der Zustand der beteiligten Fahrzeuge, der Hergang des Verkehrsunfalls und das Verhalten der Beteiligten von Bedeutung. Wie der BGH, in seinem Grundsatzurteil vom 13. Dezember 1977 - VI ZR 206/75 (vgl. BGHZ 53, 245 [256] = NJW 1970, 946) ausgeführt hat, liegt es gerade im Wesen der Unfallmanipulation, dass die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit eines unbeabsichtigten Schadensereignisses offen bleiben soll. Die Häufung von Beweisanzeichen für eine Manipulation dient also der unmittelbaren Überzeugungsbildung des Tatrichters dahin, dass eine solche Manipulation vorliegt.

Eine ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen kann deshalb die Feststellung rechtfertigen, dass der Unfall verabredet gewesen ist. Entscheidend ist die Gesamtschau, nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände (OLG Köln, Urteil vom 13. Februar 1994 - 12 U 206/93 - r + s 1994, 212). Für die Überzeugungsbildung, dass ein Unfall vorsätzlich herbeigeführt worden ist, reicht es aus, wenn sich typischerweise bei gestellten Unfällen auftretende Merkmale in auffälliger Weise häufen. Ein lückenloser, mathematisch- naturwissenschaftlich zwingender Beweis ist nicht erforderlich. Dieser ist in den meisten Fällen schon deshalb nicht möglich, weil solche Unfälle darauf angelegt sind, echt zu wirken (OLG Köln, Urteil vom 5. Juni 1998 - 19 U 269/97 - VRS 95, 335).

Folgende Indizien sind in Fällen manipulierter Unfälle immer wieder anzutreffen und auch im vorliegenden Fall gegeben:

Das Fahrzeug des Klägers war in erheblichem Umfang vorgeschädigt (vgl. hierzu bspw. OLG Hamm, Urteil vom 30.5.2005 - 13 U 30/05 - ZfS 2005, 539; KG, Urteil vom 18. Oktober 2004 - 22 U 80/04 -; Urteil vom 23.5. 2003 - 22 U 222/02 -; Urteil vom 14. Juni 2004 - 22 U 321/02 -; Urteil vom 12.1.2004 - 22 U 281/02 - ; Senat, Urteile vom 02. Juli 1992 - 12 U 6592/91 - ; vom 14. Juni 1993 - 12 U 2859/92 - ; vom 21. April 1994 - 12 U 6733/92 - ; vom 20. Februar 1995 - 12 U 451/94 - ; vom 27. Februar 1995 - 12 U 3250/93 - ; vom 13. Juli 1995 - 12 U 1692/94 - ; vom 11. Juli 1996 - 12 U 3918/95 - und 22. September 1997 - 12 U 1683/96 - ). Dabei stellt bereits die Tatsache an sich, dass es sich um ein Fahrzeug mit erheblichen, nicht sach- und fachgerecht reparierten Vorschäden handelt, ein Indiz dar, ohne, dass es vorliegend darauf ankäme, ob die Vorschäden in ihrem Umfang dem Kläger tatsächlich bekannt gewesen seien (vgl. hierzu KG, Urteil vom 18. Oktober 2004 - 22 U 80/04 -).

Dafür, dass die unstreitig vorhandenen Vorschäden sach- und fachgerecht repariert wurden, ist der Kläger darlegungs- und beweisbelastet. Die Behauptung, eine angebliche Reparatur, deren Einzelheiten nicht mitgeteilt werden, sei fachgerecht durchgeführt worden, kann nicht zulässigerweise in das Wissen eines Zeugen gestellt werden, was auch dann gilt, wenn es sich um den Privatsachverständigen handelt (Senat, Beschluss vom 29. Januar 2007 - 12 U 207/06). Erforderlich ist, dass die Einzelheiten der behaupteten Reparatur dargelegt werden und dargetan wird, in welcher Art und Weise der Sachverständige das Fahrzeug untersucht haben will, um festzustellen, dass der unstreitige schwere Totalschaden des Fahrzeugs vollständig behoben war. Hieran fehlt es.

Das Fahrzeug wurde in unrepariertem Zustand verkauft (vgl. bspw. Senat, Urteil vom 13.06.2005 - 12 U 65/04 - KGR 2005, 738 = VRS 109, 165; KG, Urteil vom 8.9. 2005 - 22 U 233/04 -; Urteil vom 22.8.2002 - 22 U 383/01 -; Urteil vom 23.6.2003 - 22 U 222/02 -; OLG Hamm, Urteil vom 30.11. 1998 - 6 U 148/97 - DAR 1999, 404); die Abrechnung erfolgt auf Gutachtenbasis.

Das Schädigerfahrzeug ist ein gemieteter Kleintransporter, der für einen angeblichen Möbeltransport gemietet wurde. Gemietete Kleintransporter werden, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, besonders häufig für derartige Manipulationen verwendet (vgl. hierfür bspw. Senat, Urteil vom 30.10.1995 - 12 U 3716/94 - VM 1996, 51 Nr. 71; Urteil vom 15.5.2000 - 12 U 9704/98 -; Urteil vom 3.8.2000 - 12 U 212/99 -; Urteil vom 22.4.2002 - 12 U 20/01 - VRS 104, 258 = VersR 2003, 1552; Urteil vom 12.9.2002 - 12 U 9199/00 - NZV 2003, 84 = VRS 104,92; Urteil vom 5.12.2002 - 12 U 7990/00 - KGR 2003, 143; Urteil vom 17.4.2003 - 12 U 272/01 - NZV 2003, 530 = KGR 2004, 260; Urteil vom 13.5.2005 - 12 U 65/04 - KGR 2005, 738 = VRS 109, 165; KG, Urteil vom 22. August 2002 - 22 U 383/01 -; Urteil vom 10.6.2004 - 22 U 121/03 - KGR 2005, 851 = VRS 109, 168; OLG Hamm, Urteil vom 30.5.2005 - 13 U 30/05 - ZfS 2005, 539). Dabei sind die Angaben des Beklagten zu 2., er habe das Möbelhaus Ikea gesucht, besonders unglaubwürdig, weil dieses nicht einmal annähernd in der Umgebung des Unfallortes liegt und auf diesem Weg auch kaum zu erreichen war.

Die Angaben des Fahrers des Schädigerfahrzeugs zum Hergang des Unfalls sind im Hinblick auf die vorliegenden Schäden jedenfalls zweifelhaft und mit der zu erwartenden Reaktion eines Normalfahrers nicht übereinstimmend. Nach den Ausführungen des Sachverständigen nnnn trifft es nicht zu, dass der Renault Transporter vor dem Zusammenstoß stark abgebremst worden ist. Beide Fahrzeuge befanden sich nach den überzeugenden Ausführungen im Gutachten zum Zeitpunkt des Unfalls vielmehr in etwa in ihrer statischen Höhenlage, eine Frontabsenkung des Renaults erfolgte nicht (vgl. Seite 10 des Gutachtens). Diese Angaben hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung ausweislich des Protokolls vom 12. September 2006 auch nicht revidiert. Der Sachverständige hat vielmehr auch auf Nachfrage bestätigt, dass er ein starkes Bremsen ausschließen könne und die Fahrzeuge entweder ungebremst oder nur leicht gebremst kollidiert seien. Soweit der Sachverständige sodann weitere Ausführungen zur Frage des Abbremsens machte, sind diese ersichtlich dahin zu verstehen, dass er nicht ausschließen könne, dass der Beklagte zu 2. zunächst eine Vollbremsung unternommen hätte, diese dann aber vor dem Aufprall abgeschwächt hätte.

Es ist auch nach Auffassung des Senats auszuschließen, dass der Wagen des Klägers trotz Vorliegen der in Fällen mit manipulierten Verkehrsunfällen immer wieder vorkommenden oben aufgeführten typischen Anzeichen wie - nochmals aufgeführt - Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse in erheblich vorbeschädigtem Zustand, relativ kurz vor dem Unfall gekauft und in beschädigtem Zustand wieder relativ kurze Zeit später verkauft, Miet-Lkw ohne genau nachvollziehbaren Mietgrund als Schädigerfahrzeug, falsche Angaben des Fahrers des Schädigerfahrzeuges zum Hergang des Unfalls, Abrechnung auf Gutachtenbasis ohne ausreichende Berücksichtigung der Vorschäden, in einen normalen Verkehrsunfalls verwickelt war, der lediglich zufällig die ausführlich dargelegte Vielzahl von werthaltigen Indizien für manipulierte Verkehrsunfälle aufwies.

2. Ob sich aus dem Gutachten des Sachverständigen nnnn darüber hinaus ergibt, dass der Kläger mit der vorliegenden Klage Schäden abrechnen wollte, die nicht aus dem streitgegenständlichen Unfall stammten, kann daneben dahinstehen. Dies würde lediglich ein weiteres Indiz darstellen, auf welches es jedoch nicht entscheidend ankäme.

Gleiches gilt für die Frage, ob der Kläger versucht hat, Vorschäden zu verschweigen.

3. Es wird anheimgestellt, die weitere Durchführung der Berufung zu überdenken.

Ende der Entscheidung

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