Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 30.09.2005
Aktenzeichen: 12 U 213/04
Rechtsgebiete: ZPO, BV, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
BV § 43
BV § 44
BGB § 536 Abs. 1 n.F.
BGB § 537 Abs. 1 a.F.
BGB § 537 Abs. 1 S. 2 a.F.
Ein Mangel der Mietsache liegt nicht bereits allein deshalb vor, weil die tatsächlich nutzbare Fläche (208,95 qm) nach zutreffender Berechnung um weniger als 10% von der mit 228,75 qm vereinbarten Fläche abweicht.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 213/04

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, die Richterin am Kammergericht Zillmann und den Richter am Kammergericht Spiegel am 30. September 2005 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 20. August 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 32 O 688/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert (§ 522 Absatz 2 Satz 1 ZPO). Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Hinweis nach § 522 Absatz 2 Satz 2 ZPO vom 18. August 2005 verwiesen. Der Senat sieht auch nach erneuter Beratung und unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägers vom 31. August 2005 keinen Anlass, davon abzuweichen.

1) Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob die Formulierung "die vermiete Fläche gilt als mit 228,75 m² vereinbart" dafür spricht, dass die Parteien die wahre Größe dem Streit entziehen und die vermietete Fläche unabhängig von den tatsächlichen Umständen verbindlich festlegen wollten oder ob - wie der Kläger meint - diese Formulierung inhaltlich identisch ist mit der Formulierung "Die vermietete Fläche wird mit 228,75 m² vereinbart".

2) Der Senat lässt auch ausdrücklich offen, ob dem Kläger aufgrund der Kenntnis der geringen Raumhöhe des als "Schlafzimmer" bezeichneten Raumes auch die nach seiner Ansicht daraus resultierende Reduzierung der Grundfläche um 14.412 m² bekannt war.

3) Die Zurückweisung der Berufung erfolgt allein deshalb weil - wie auch das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausführt - die tatsächlich nutzbare Fläche bei zutreffender Berechnung 208,95 m² beträgt und damit um weniger als 10% von der im Mietvertrag genannten Fläche von 228,75 m² abweicht.

Wie sich aus den im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht überreichten Aufmaßskizzen ergibt, handelt es sich bei der Berechnung des Sachverständigen Cnn um eine Wohnflächenberechnung, die ganz offensichtlich auf den §§ 43, 44 der II. BV beruht. Diese Verordnung ist auf das streitgegenständliche Gewerbemietverhältnis aber nicht anzuwenden. Aus der vorliegend anwendbaren DIN 277 ergibt sich aber gerade nicht, dass Räume mit einer (zu) geringen Raumhöhe nur zu 50% zu berücksichtigen sind. Bei der Ermittlung der Bruttogrundfläche spielt die Raumhöhe keine Rolle, d.h. auch niedrige und nicht begehbare Räume, wie z.B. unter Dachschrägen werden in die errechnete Fläche mit einbezogen. Bei Berechnung der Nettogrundfläche müssen Räume oder Raumteile mit einer lichten Raumhöhe von über 1,5 m bzw. unter 1,5 m getrennt ermittelt werden. Die DIN 277 macht jedoch keine Vorgabe, mit welcher Quote die Fläche von Räumen oder Raumteilen mit einer lichten Höhe unter 1,5 m angerechnet werden. Dies obliegt der Parteivereinbarung. Vorliegend haben die Parteien aber eine lediglich 50%tige Anrechnung solcher Räume nicht vereinbart.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist es bei Mietverträgen über Gewerberäume keineswegs eine bundesweit wie auch in Berlin übliche Anrechnungspraxis, Räume mit einer lichten Höhe von 1,68 m nicht voll anzurechnen. Entgegen der Ansicht des Klägers kann die nach seiner Ansicht bestehende Vertragslücke auch nicht durch eine "Nichtberücksichtigung von Raumteilen unter 1,5 m bzw. Berücksichtigung zu lediglich 1/2" ausgefüllt werden.

Der 20. Zivilsenat des Kammergerichts hat zur Frage der anzuwendenden Berechnungsmethode in einem vergleichbaren Sachverhalt ausgeführt (GE 2002, 257):

Ein Fehler des Mietgegenstandes im Sinne von § 537 Abs. 1 BGB a.F. bzw. § 536 Abs. 1 BGB n.F. liegt nicht vor.

a) Zwar geht die Entwicklung in der Rechtsprechung dahin, Flächenabweichungen nicht nur als zusicherungsfähige Eigenschaft, sondern zugleich nach der Verkehrsanschauung als Fehler zu verstehen und bei einer erheblichen Abweichung einen Mangel anzunehmen (vgl. OLG Köln NZM 1999, 73 = WuM 1999, 282; OLG Dresden NJW-RR 1998, 512 f. = WuM 1998, 144 = OLGR 1998, 309; Bub in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. II Rn. 645; Kraemer NZM 1999, 156, 160 (3. d))), wie es dem gewandelten Verständnis zum Fehlerbegriff entspricht (vgl. Kraemer NZM 1999, 156, 159). ... Bei der Beurteilung der Erheblichkeit des Fehlers (§ 537 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. bzw. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB n.F.) wird es zutreffend sein, die Grenze der Erheblichkeit mit Rücksicht auf vergleichbare Rechtsprechung zum Kauf- und Werkvertragsrecht unabhängig von den Umständen des Einzelfalls bei etwa 10 % zu ziehen (vgl. Kraemer NZM 1999, 156, 161 (4.) und ders. NZM 2000, 1121, 1122 (3.)).

b) Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass entgegen der Vereinbarung statt der betroffenen Teilflächen von insgesamt 543,90 m² (im Termin vom 22. Oktober 2001 wie folgt geklärt: Bauteil 3: Erdgeschoss (24,10 m²) sowie 1. Obergeschoss (478,44 m²) und Bauteil 4: 1. Obergeschoss (41,36 m²)) tatsächlich nur 438,33 m² vorhanden sind. Zwar haben sich die Kläger insoweit auf das im selbstständigen Beweisverfahren des Landgerichts Berlin 25 OH 8/98 erstattete Gutachten des Sachverständigen Knn vom 24. März 1999 bezogen. Hier kommt der Sachverständige unter Berücksichtigung von §§ 43, 44 II. BV zu einer anrechenbaren Fläche von 438,33 m². Die II. BV, nach der die Wohnfläche ermittelt wird, gilt jedoch grundsätzlich nur für preisgebundenen Wohnraum (§ 1 Abs. 1 II. BV). Selbst für nicht preisgebundenen Wohnraum ist die II. BV nicht, jedenfalls nicht verbindlich, anzuwenden (vgl. Kraemer in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. III Rn. 1361; Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 2 MHG Rn. 54 ff.). Im Falle der Vermietung von Geschäftsräumen ist nicht die Wohn-, sondern die Nutzfläche maßgeblich. Der Mieter von Geschäftsräumen wird die Berechnung nach Wohnflächen nicht erwarten dürfen (§§ 133, 157 BGB). Wenn der Mieter die Flächenberechnung bei Vertragsschluss nicht hinterfragt und zur Art der Berechnung nichts ausdrücklich vereinbart, muss er sich damit abfinden, dass der Vermieter ihm die Mietfläche durch eine zulässige und mögliche Berechnung nachweist. Der Sachverständige Knn hat hinsichtlich der im Ergebnis abweichenden, von der Beklagten eingereichten Aufstellung des Vermessungsingenieurs Dnnn vom 3. Dezember 1998 in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Maße weitgehend gleich ermittelt worden seien, aber die weitere Berechnung nicht auf der Grundlage der II. BV erfolgt sei. In diesem Zusammenhang hat er weder die Berechnung nach der DIN 277 noch die nach Achsmaß als solche beanstandet, sondern lediglich - rechtlich unzutreffend - die Berechnung nach der II. BV für maßgeblich gehalten. ... Die letztmalig per 12. November 1999 korrigierte Aufstellung des Vermessungsingenieurs Dnnn entspricht im Wesentlichen der ursprünglichen Aufstellung vom 3. Dezember 1998 und berücksichtigt zu Recht die Erdgeschossfläche sowie Treppe/Lastenaufzug. Es ist ferner auch gerade für eine Gaststätte nicht einzusehen, weshalb die Terrassennutzung unberücksichtigt bleiben sollte, denn offensichtlich war diese trotz der missverständlichen Formulierung zur Beschreibung des Vertragsobjekts, "das aus folgenden Räumen besteht" mitvermietet. Auch die Herausrechnung der Grundflächen von Stützpfeilern ist bei einer Gaststätte, deren Gastraum ohnehin üblicherweise unterteilt wird, nicht unbedingt zwingend. Ferner ist bei der Vermietung von Geschäftsraum die Einbeziehung von mitvermieteten Treppen- und Eingangsbereichen nicht zu beanstanden. Selbst ohne Berücksichtigung der Terrassenfläche entspräche die Berechnung nach Achsmaß mit 536,16 m² (591,37 m² - 55,21 m²) aber annähernd der vereinbarten Fläche. Auch die Berechnung nach der DIN 277, die als solche vom Sachverständigen nicht beanstandet worden ist, ergibt keine wesentliche Abweichung vom Vereinbarten, denn hier wären zu den ursprünglich berechneten 470,29 m² jedenfalls für das Erdgeschoss weitere 13,42 m² und für Treppe/Lastenaufzug weitere 13,64 m² hinzuzurechnen, sodass sich 497,35 m² bzw. einschließlich Terrasse 549,64 m² ergeben. Selbst wenn die Terrasse unberücksichtigt bleibt, ergibt sich auf der Grundlage der DIN 277 lediglich eine Differenz zwischen 497,35 m² und den vereinbarten 543,90 m² von 9 %, die nicht erheblich wäre.

Der erkennende Senat macht sich diese Ausführungen zu Eigen. Der Kläger kann sich auch nicht auf die von ihm zitierte Rechtsprechung des BGH (NJW 2005, 2152; NJW 2004, 1947) und des OLG Karlsruhe (NJW-RR 2002, 218) berufen. In den diesen Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen stand eine Flächenabweichung von 10% fest, vorliegend dagegen nicht.

4) Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Senat weicht, wie oben dargestellt, insbesondere nicht von Entscheidungen des BGH ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 7.800,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück