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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 17.07.2006
Aktenzeichen: 12 U 23/05
Rechtsgebiete: BGB, BauGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1124 Abs. 2
BauGB § 144 Abs. 1
BauGB § 144 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 162 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 23/05

verkündet am : 17.07.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2006 durch die Richterin am Kammergericht Zillmann als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 5. Januar 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin - 32 O 357/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die am 10. Februar 2005 eingelegte und mit einem am 14. April 2005 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 12. Januar 2005 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Januar 2005 auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Beklagte verfolgt mit der Berufung die Abweisung der Klage insgesamt.

Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe bereits fehlerhaft die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht. Dem Kläger sei es möglich gewesen, die streitige Wirksamkeit der Mietverträge im Rahmen einer Räumungsklage oder einer Leistungsklage auf Nutzungsentschädigung geltend zu machen, weshalb ein gesondertes Feststellungsinteresse nicht gegeben sei.

Das Landgericht sei weiterhin unzutreffend davon ausgegangen, dass die Mietverträge deshalb unwirksam seien, weil die Mieträume nicht vor der Beschlagnahme des Grundstücks durch den Kläger an die Beklagte übergeben worden seien, was sich nach der Auffassung des Landgerichts aus dem Wortlaut der Mietverträge und der Zusatzvereinbarung vom 18. Juni 2002 ergebe. Damit habe das Landgericht die Vereinbarung vom 21. Juni 2002 nicht ausreichend gewürdigt.

Außerdem habe das Landgericht nicht auf seine Rechtsauffassung hingewiesen, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Frage der tatsächlichen Übergabe der Mieträume an die Beklagte ankomme.

Deshalb könne sie nunmehr in der Berufungsinstanz Folgendes weiter vortragen:

Bereits ab dem Tag des Abschlusses der Mietverträge, dem 16. September 2002, seien ihr von dem Geschäftsführer der Zwangsverwaltungsschuldnerin, Herrn nnnn , die Schlüssel für die Mieträume übergeben worden. Ab diesem Zeitpunkt habe sie die Räume nutzen können. Hierfür beruft sie sich auf das Zeugnis der in der Berufungsbegründung vom 14. April 2005 auf Seite 4, Bl. 132 der Akten, benannten Zeugen, wobei insoweit auf den Schriftsatz Bezug genommen wird.

Das Landgericht sei letztlich auch fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Mietverträge wegen einer beabsichtigten Umgehung von § 1124 Abs. 2 BGB gemäß § 242 BGB nichtig seien. Selbst wenn eine Vorausverfügung über den Mietzins unwirksam sein sollte, erstrecke sich dies nicht auf den Besitzanspruch des Mieters.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Januar 2005 - 32 O 357/04 - wird abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen, soweit die Unwirksamkeit der am 16. September 2002 geschlossenen gewerblichen Zwischenmietverträge über die Räume im Hause nnnnnnnnnnnn Berlin für die 1. Etage links, rechts und Mitte, 2. Etage links und Mitte sowie 3. Etage links, rechts und Mitte festgestellt wurde.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil, bestreitet die tatsächliche Übergabe der Räume an die Beklagte zum 16. September 2002, rügt das neue Vorbringen als verspätet und trägt unbestritten vor, dass der Mietvertrag mit dem Mieter nnnnn erst am 15. Mai 2004 mit Mietbeginn zum 1. September 2004 abgeschlossen worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

A. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage zulässig ist und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der zwischen der Beklagten und der Zwangsverwaltungsschuldnerin geschlossenen Mietverträge hat.

Dabei ist der Begründung des Landgerichts, wonach der Kläger weder auf die Geltendmachung einer Räumungsklage, noch auf die Inanspruchnahme der Beklagten auf Nutzungsentschädigung zu verweisen sei, weil deren grundsätzliche Zulässigkeit das Feststellungsinteresse entfallen ließe, zu folgen. Richtig hat das Landgericht nämlich darauf hingewiesen, dass die Feststellung der Unwirksamkeit der Mietverhältnisse für den Kläger in mehrerer Hinsicht eine Rolle spielt.

Auch eine Klage auf Nutzungsentschädigung würde das Interesse des Klägers nicht vollständig rechtskräftig feststellen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, was die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nochmals erklärt hat, hierüber hinaus die Frage im Raum steht, ob gegebenenfalls der Beklagten Ansprüche gegen den Kläger auf Herausgabe von teilweise von ihm eingezogenen Mieten für einige von ihr untervermietete Wohnungen zustehen.

Aus diesem Grund lässt auch die zwischenzeitliche Aufhebung der Zwangsverwaltung durch Beschluss vom 11. April 2005 das Feststellungsinteresse des Klägers nicht entfallen, da die Frage der Unwirksamkeit der Mietverhältnisse auch für Rechtsverhältnisse während der Zeit der Zwangsverwaltung von Bedeutung ist. Der Zwangsverwalter ist grundsätzlich auch weiterhin prozessführungsbefugt, soweit es sich um Ansprüche bzw. Rechtsverhältnisse handelt, die bereits während der Zeit der Zwangsverwaltung entstanden sind (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 8. Mai 2003 - IX ZR 385/00 -, BGHZ 155, 38 mit Nachweisen zur Rechtsprechung; Senat, Urteil vom 19. September 2005 - 12 U 49/04 -, KGR Berlin 2006, 120). Zur Beurteilung der Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte noch Ansprüche aus der Zeit der Beschlagnahme geltend zu machen hat bzw. sich im Gegenteil Ansprüchen der Beklagten ausgesetzt sieht, ist die Feststellung des wirksamen Bestehens bzw. Nichtbestehens der Mietverhältnisse erheblich.

2. Die Feststellungsklage ist, soweit das Landgericht ihr stattgegeben hat, begründet.

a. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die von der Beklagten mit der Zwangsverwaltungsschuldnerin geschlossenen Mietverträge vom 16. September 2002 gegenüber dem Kläger als Zwangsverwalter unwirksam sind.

Zwar ist zweifelhaft, ob mit dem Landgericht davon auszugehen ist, dass die Verträge bereits wegen einer beabsichtigten Umgehung der Regelung des § 1124 Abs. 2 BGB nach § 242 BGB als unwirksam zu behandeln sind. Der zutreffende Gedanke des Landgerichts, dass durch die Umwandlung des Darlehens eines Dritten in einen Baukostenzuschuss des Mieters unberechtigt eine Privilegierung erreicht werden soll, führt vielmehr wohl lediglich dazu, dass der Zwangsverwalter sich die Vorausverfügung über den Mietzins nicht entgegenhalten lassen muss.

b. Die Frage der Unwirksamkeit nach § 242 BGB kann jedoch dahinstehen, da die Mietverträge jedenfalls wegen fehlender Genehmigung des Bezirksamtes Lichtenberg von Berlin schwebend unwirksam waren und eine Genehmigung vor Bestellung des Klägers zum Zwangsverwalter durch Beschluss vom 20. Dezember 2002, der Beklagten zur Kenntnis gegeben mit Schreiben vom 11. Februar 2003, nicht erfolgte.

aa. Es handelte sich bei den jeweils am 16. September 2002 geschlossenen Verträgen, Anlage K 7, um solche, die für einen bestimmten Zeitraum von mehr als einem Jahr über Mieträume abgeschlossen wurden, die sich in einem förmlichen Sanierungsgebiet befanden, weshalb für den Abschluss der Mietverträge § 144 Abs. 1 Nr. 2 BauGB eingriff. Das Sanierungsgebiet wurde unstreitig durch Verordnung vom 18. November 1994 förmlich festgelegt und die Durchführung des Sanierungsverfahrens am 27. April 1995 im Grundbuch eingetragen.

Soweit die Beklagte vorbringt, eine Genehmigungspflicht habe deshalb nicht bestanden, weil in dem Vertrag über die Durchführung von Ordnungsmaßnahmen (Überlassungsvertrag) vom 13./24. November 1998 zu Nummer 10 das Wort "entfällt" eingefügt worden war, kann dem nicht gefolgt werden. Bereits aus dem Vertrag selbst ergibt sich nicht eindeutig, dass sich das dort auf Seite 4 oben eingefügte Wort auf § 3 Abs. 4 Nr. 10 des Vertrages bezieht. Im Übrigen ergibt sich aus dem Schreiben des Bezirksamtes Lichtenberg von Berlin vom 26. Oktober 2004, dass eine derartige Bedeutung dem eingefügten Wort nicht beikommen sollte.

Die Genehmigungspflicht entfiel auch nicht dadurch, dass der Fördervertrag Nr. 0641187 von der IBB mit Wirkung zum 11. September 2002 gekündigt wurde. Entgegen den Ausführungen der Beklagten wurde der Ordnungsmaßnahmenvertrag mit dem Bezirksamt Lichtenberg von Berlin damit nicht ohne weiteres unwirksam. Das Bezirksamt Lichtenberg teilte vielmehr mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 mit, dass eine Kündigung dieses Vertrages vermutlich erfolgen werde. Eine solche sprach das Bezirksamt tatsächlich mit Schreiben vom 7. März 2003 aus, wobei es darauf abstellte, dass das Ziel des bezirklichen Ordnungsmaßnahmenvertrages, nämlich die Modernisierung und Instandsetzung des Grundstücks, wegen der Kündigung des Fördervertrages der IBB und der fehlenden Veräußerung des Objektes an einen zahlungskräftigen Investor, nicht mehr erreicht werden könne. Der Fördervertrag der IBB ist mithin nicht unbedingte Voraussetzung des Ordnungsmaßnahmenvertrags gewesen, sondern stellte nur die Mittel für die Zweckerreichung des Vertrages sicher. Es hätte ausweislich der von der Beklagten eingereichten Schreiben des Bezirksamtes die Möglichkeit bestanden, diese Mittel anderweitig nachzuweisen, womit eine Kündigung des Ordnungsmaßnahmenvertrages hätte verhindert werden können.

bb. Da mithin der Ordnungsmaßnahmenvertrag zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge vom 16. September 2002 bestand und erst nach Bestellung des Klägers zum Zwangsverwalter gekündigt wurde, konnten die Mietverträge nicht vor dessen Bestellung wirksam werden. Ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft ist während des Schwebezustandes unwirksam (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Überbl. v. § 104, Rn 31).

Im Übrigen lässt der Wegfall des Ordnungsmaßnahmenvertrages nicht die Genehmigungspflicht der Verträge entfallen. Diese Genehmigungspflicht besteht nämlich im Sanierungsgebiet so lange fort, bis die Sanierungs- oder Entwicklungssatzung durch neuerliche Satzung gemäß § 162 Abs. 2 BauGB aufgehoben worden ist (Keilich/Fronek, Die öffentlich-rechtliche Genehmigung von Mietverträgen in Sanierungs- und Entwicklungsgebieten, NZM 2001, 578, 580). Dies ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Selbst wenn durch die Kündigung des Ordnungsmaßnahmenvertrages die Genehmigungspflicht entfallen würde, führte dies nicht dazu, dass der Vertrag dem Kläger gegenüber wirksam würde. Kann nämlich das den Schwebezustand beendende Wirksamkeitserfordernis nicht nachgeholt werden, wird das schwebende Rechtsgeschäft endgültig nichtig (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO).

cc. Die obigen Erwägungen gelten auch für die Wohnung im 1. OG links, die die Beklagte unstreitig mit Mietvertrag vom 15. April 2004 zum 1. September 2004 an die Mieter nnnnnnn und nnnnnnnn weiter vermietet hat. Insoweit ist es zwar denkbar, dem Schreiben des Bezirksamtes Lichtenberg von Berlin vom 18. Juni 2004 eine schriftliche Genehmigung im Sinne von § 144 Abs. 1 BauGB zu entnehmen, weil das Bezirksamt hier mitteilt, dass es die Bedenken insoweit zurückstellt.

Allerdings weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass die nach § 144 Abs. 1 BauGB erforderliche Genehmigung sich auf den zwischen der Beklagten und der Zwangsverwaltungschuldnerin geschlossenen Mietvertrag beziehen muss. Dies wäre auch dann nicht der Fall, wenn man dem Schreiben des Bezirksamtes Lichtenberg von Berlin eine Genehmigung entnehmen könnte, da sich das Schreiben lediglich auf den von der Beklagten ihrerseits abgeschlossenen Untermietvertrag mit dem Mieter nnnn bezieht, nicht jedoch auf die streitgegenständlichen gewerblichen Zwischenmietverträge.

Darüber hinaus wurde der Mietvertrag auch erst am 15. Mai 2004 mit Mietbeginn zum 1. September 2004 geschlossen, so dass er gegenüber dem Kläger vor der wirksamen Beschlagnahme des Grundstückes nicht mehr wirksam werden konnte.

c. Auf die Fragen, ob die Mieträume der Beklagten bereits vor bzw. bei Abschluss der streitgegenständlichen Mietverträge vom 16. September 2002 übergeben worden waren und ob im Hinblick auf die von ihr vorgelegte Vereinbarung vom 21. Juni 2002 von einem früheren Mietbeginn als dem 1. Januar 2004 auszugehen wäre, wobei das Landgericht letzteres zutreffend verneint hat, kommt es damit nicht mehr an.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den § 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

C. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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