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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.12.2008
Aktenzeichen: 12 U 33/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 529
ZPO § 531 Abs. 2
BGB § 119
BGB § 316
BGB § 781
BGB § 782
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 33/08

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht ..., den Richter am Kammergericht Dr. ... und den Richter am Kammergericht ... am 4. Dezember 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe:

I.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Nach § 513 Absatz 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung geht das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung von der Aktivlegitimation der Klägerin und der Passivlegitimation des Beklagten aus. Der Beklagte stellt dies im zweiten Rechtszug auch nicht mehr in Frage.

2. Zu Recht geht das Landgericht auch davon aus, dass der Beklagte insoweit an die von dem Zwangsverwalter erstellte Abrechnung "gebunden" ist, als diese einer von dem Beklagten selbst erstellten Abrechnung gleichzustellen ist. Insoweit unterscheidet sich die von einem Zwangsverwalter erstellte Abrechnung nicht von einer Abrechnung, die z. B. eine Hausverwaltung im Auftrag eines Eigentümers erstellt und an den Mieter versandt hat.

3. Im Ergebnis zu Recht geht das Landgericht auch davon aus, dass der Beklagte die von dem Zwangsverwalter erstellte Abrechnung nicht (mehr) berichtigen kann.

a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts folgt dies allerdings nicht daraus, dass der Beklagte als Eigentümer an die Abrechnung, die der Zwangsverwalter während seiner Tätigkeit erteilt hat, "gebunden" ist. Die Bindungswirkung einer von einem Zwangsverwalter erstellten Abrechnung kann für den Eigentümer nicht weiter gehen als die Bindungswirkung einer von diesem selbst bzw. von einer Hausverwaltung erstellten Abrechnung.

b) Es ist deshalb zu fragen, ob der Beklagte die streitgegenständliche Abrechnung, wenn er sie selbst erstellt hätte, berichtigen könnte. Diese Frage ist zu verneinen.

aa) Folgt man Sternel (Mietrecht, 3. Auflage 1998, III Rdnr. 376ff), so liegt in einer dem Mieter mitgeteilten Abrechnung, die ein Guthaben ausweist, ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gemäß §§ 781, 782 BGB, welches dazu führt, dass der Vermieter mit allen zur Zeit der Erklärung bekannten oder erkennbaren Einwendungen tatsächlicher oder rechtlicher Art ausgeschlossen ist.

Eine gemäß § 119 BGB mögliche Anfechtung wegen Irrtums scheitert vorliegend bereits daran, dass der Beklagte diese nicht unverzüglich nach Kenntnis von der Abrechnung im Oktober 2006 erklärt hat.

bb) Folgt man Langenberg (Betriebskostenrecht der Wohn- und Gewerberaummiete, 4. Auflage 2006, VIII Rdnr. 183 ff) so ist von Folgendem auszugehen:

Eine Berichtigung der Abrechnung scheitert vorliegend nicht daran, dass der Saldo der Abrechnung verbindlich geworden ist (vgl. hierzu Langenberg, a.a.O. Rdnr. 196). Eine solche Verbindlichkeit des Saldos kann sich entweder aus ausdrücklichen Erklärungen der Parteien oder aus einer Ausgleichung des Saldos ergeben. Vorliegend haben sich die Parteien aber weder auf eine solche Verbindlichkeit geeinigt noch wurde der sich aus der Abrechnung ergebende Saldo ausgeglichen.

Trotz fehlender Verbindlichkeit des Abrechnungssaldos ist der Beklagte vorliegend gleichwohl nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, die streitgegenständliche Abrechnung zu berichtigen. Zwar ist dem Vermieter vor Verbindlichkeit des Saldos eine einseitige Korrektur der Abrechnung grundsätzlich ohne weiteres möglich. Einer Anfechtung der Abrechnung bedarf es nicht, da es sich nicht um eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 316 BGB handelt. Kleinere Fehler kann der Vermieter mit einer ergänzenden Mitteilung beheben, bei größeren Fehlern muss der Vermieter, wenn er eine Abrechnung berichtigen will, dem Mieter eine neue Abrechnung zukommen lassen.

Diese Berichtigungsmöglichkeit besteht aber auch für den Vermieter von Gewerberaum nicht grenzenlos. Vielmehr ist auch der Vermieter von Gewerberäumen trotz Fehlens einer ausdrücklichen Vertragsbestimmung über die Abrechnung der Nebenkosten gehalten, in angemessener Frist eine Abrechnung zu erteilen. Für die gewerbliche Miete fehlt es allerdings im Gegensatz zum frei finanzierten (§ 556 BGB bzw. § 4 Abs. 1 Satz 2 MHRG) und zum preisgebundenen und öffentlich geförderten Wohnraum (§ 20 Abs. 4 Satz 2 NMVO 1970) an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Müssen wie hier nach dem Vertrag Vorauszahlungen auf die Nebenkosten geleistet werden und steht wie hier die Höhe der Nebenkosten nicht von vornherein fest, so hat der Vermieter, der ebenso wie der Mieter für Klarheit über die gegenseitigen Ansprüche zu sorgen hat, die mietvertragliche Nebenpflicht, eine Abrechnung zu erteilen, aus der sich ergibt, ob der Mieter Nachzahlungen zu leisten oder Geld zurückzuerhalten hat (BGH, NJW 1984, 1684). Im Interesse der Klarheit über das Bestehen der wechselseitigen Ansprüche ist der Vermieter deshalb auch verpflichtet, von ihm erkannte Fehler in der Abrechnung zeitnah zu berichtigen.

Dieser Verpflichtung ist der Beklagte vorliegend nicht nachgekommen, er hat sein Recht auf Berichtigung der Nebenkostenabrechnung deshalb verwirkt.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis um 31. Dezember 2004 der Klägerin spätestens zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums, d.h. bis zum 31. Dezember 2005 hätte mitgeteilt werden müssen (vgl. Langenberg, a.a.O. G Rdnr. 67). Tatsächlich ist der Klägerin diese Abrechnung erst Mitte März 2006 und damit verspätet von dem Zwangsverwalter zugesandt worden. Unter Übersendung der vom Zwangsverwalter erstellten Abrechnung hat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 9. Oktober 2006 zur Zahlung des sich aus der Abrechnung ergebenden Saldos aufgefordert und für den Fall der Nichtzahlung Klage angedroht, welche sie mit Schriftsatz vom 23. Juli 2007 erhoben hat. In seinem Schriftsatz vom 17. Oktober 2007 und damit fast zwei Jahre nach Eintritt der Abrechnungsreife weist der Beklagte die Klägerin auf die seiner Ansicht nach bestehenden Fehler der Abrechnung hin. Eine neue, berichtigte Abrechnung legt er nicht vor, vielmehr stellt er lediglich Alternativrechnungen an, die schon deshalb keine neue Abrechnung seitens des Beklagten beinhalten können, weil er die von der Klägerin geleisteten Vorauszahlungen auf Seite 3 dieses Schriftsatzes als streitig darstellt.

Erstmalig mit seiner Berufungsbegründung und damit mehr als zwei Jahre nach Eintritt der Abrechnungsreife überreicht der Beklagte eine berichtigte Abrechnung, aus der sich der nach Ansicht des Beklagten zugunsten der Klägerin bestehende Saldo von 22.400,71 € ergibt.

Das Zeitmoment ist damit gegeben. Das für eine Verwirkung darüber hinaus erforderliche Umstandsmoment ergibt sich daraus, dass der Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 9. Oktober 2006 trotz der darin enthaltenen Klageandrohung nicht zum Anlass genommen hat, die ihm übersandte Abrechnung zu überprüfen und zu berichtigen. Die Klägerin durfte aufgrund dieses Schweigens des Beklagten davon ausgehen, dass dieser inhaltliche Einwendungen gegen die Abrechnung nicht mehr vorbringen wird.

c) Im Übrigen ist der Beklagte auch gemäß § 531 Absatz 2 ZPO gehindert, die berichtigte Abrechnung im zweiten Rechtszug in den Prozess einzuführen. Er hat sich im ersten Rechtszug darauf beschränkt, die Nebenkostenabrechnung sowie die darin enthaltenen Vorschusszahlungen zu bestreiten und Alternativberechnungen anzustellen obwohl die Erstellung einer richtigen Nebenkostenabrechnung ihm als Vermieter und nicht der klagenden Mieterin oblag. Er hat nicht dargelegt, dass die Vorlage dieser Abrechnung erst im zweiten Rechtszug nicht auf Nachlässigkeit beruht.

II.

Im Übrigen hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.

III.

Es wird daher angeregt, die Fortführung der Berufung zu überdenken.

Ende der Entscheidung

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