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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 12 U 46/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 287
Hat das Fahrzeug des Klägers vor dem streitgegenständlichen Ereignis mehrere Unfälle erlitten, obliegt es dem Kläger die Ursächlichkeit zwischen dem neuen Unfall und dem danach vorliegenden Schaden zu beweisen, wofür er ausschließen muss, dass Schäden gleicher Art schon früher vorhanden waren. Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO kommt erst in Betracht, wenn der Kläger dargelegt und bewiesen hat, welcher eingrenzbare Vorschaden durch welche konkreten Reparaturmaßnahme fachgerecht beseitigt worden ist. (Berufung zurückgewiesen durch Beschluss vom 12. November 2007).
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 46/07

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, den Richter am Kammergericht Dr. Wimmer und die Richterin am Kammergericht Zillmann am 11. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Das Landgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil zu Recht abgewiesen und nach in rechtlicher Weise nicht zu beanstandender Beweiswürdigung darauf erkannt, dass der Unfall nicht durch einen Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu 1., sondern das Anfahren der Zeugin L vom Fahrbahnrand verursacht worden ist.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

a. Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (siehe Senat, Urteil vom 11. März 2004 - 12 U 285/02 - DAR 2004, 387; NZV 2004, 632; Urteil vom 8. Januar 2004 - 12 U 184/02 - KGR 2004, 269, vgl. auch BGH, Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 266/03 - NJW 2005, 1583).

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Dabei darf er insbesondere auch einer Partei mehr glauben, als einem Zeugen, auch wenn dieser beeidet wurde, oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil der Beweisbehauptung feststellen, sofern dies nach der aus den übrigen Beweismitteln bzw. dem Akteninhalt gewonnenen Erkenntnisse seiner Überzeugung entspricht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rn 13).

Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und alle Beweismittel ausführlich einzugehen, es genügt, wenn nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 286 Rn 3; Senat, Urteil vom 12. Januar 2004 - 12 U 211/02 - DAR 2004, 223 = KGR 2004, 291).

b. An diese Grundsätze der freien Beweiswürdigung hat sich das Landgericht in dem angefochtenen Urteil gehalten.

Es hat auf den Seiten 5-8 des Urteils im Einzelnen ausgeführt, weshalb es den Angaben des Beklagten zu 2) und nicht der Aussage der Zeugin L folgt.

Soweit das Landgericht den Angaben des Beklagten zu 2) und der Zeugin entnommen hat, dass zum Zeitpunkt des Unfalls der unstreitig erfolgte Anfahrvorgang der Zeugin nnnnn noch nicht abgeschlossen war, wonach ihr, wie in dem angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt ist, gegenüber dem fließenden Verkehr eine erhebliche Sorgfaltspflicht oblag und der Beweis des ersten Anscheins für einen Verstoß gegen diese spricht, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Unabhängig von den Ausführungen oben 1. ist die Abweisung der Klage auch deshalb zu Recht erfolgt, weil der Kläger nicht dargelegt und in ausreichendem Maße unter Beweisantritt vorgetragen hat, dass durch den streitgegenständlichen Unfall der von ihm mit der Klage geltend gemachte Schaden in voller Höhe entstanden ist.

Das Fahrzeug des Klägers war im Unfallzeitpunkt am 23. Mai 2006 unstreitig in ganz erheblichem Maße vorgeschädigt. So hatte es nach dem durch Vorlage der entsprechenden Schadensgutachten bekräftigten Vorbringen der Beklagten bereits vor dem hiesigen Geschehen folgende Beschädigungen erlitten:

- 18. Juni 2003 Vorfall mit Beschädigung auf der rechten Seite, Reparaturkosten: 16.911,07 EUR

- 17. Februar 2003 Vorfall mit erheblicher Beschädigung von Heck, Seitenteilen, Längsträgern, Beleuchtung, Dach, Türen und weiterer kleinerer Teile, Reparaturkosten: 23.269,89 EUR

- 16. September 2004 Vorfall mit Beschädigung an linker vorderer Seite, Reparaturkosten: 2.258,16 EUR

- 10. Februar 2006 Vorfall mit Reparaturkosten: 1.802,71 EUR

- 24. März 2006 Vorfall mit Beschädigung vorne links und linker Achse, Reparaturkosten: 2.535,63 EUR.

Zu keiner dieser Schadensereignisse hat der Kläger vorgetragen, wann und wie, durch welche Werkstatt und mit welchem Aufwand unter Einsatz welchen Materials sie ordnungsgemäß behoben worden sein sollen. Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 17. November 2006 Vorschäden an dem Fahrzeug vor dem 16. September 2004 pauschal bestritten hat, ist dies im Hinblick auf die vorgelegten und eindeutig das Fahrzeug des Klägers betreffenden Schadensgutachten nicht ausreichend, zumal der Kläger entgegen seiner Ankündigung den Kaufvertrag über den Erwerb des Fahrzeugs durch ihn nicht vorgelegt hat.

Die Beklagten haben in zulässiger Weise bestritten, dass durch den streitgegenständlichen Unfall an dem Fahrzeug des Klägers ein Schaden in der geltend gemachten Höhe von 14.524,88 EUR überhaupt entstehen konnte, da sie insbesondere auch bestreiten, dass das Fahrzeug auf Grund der erheblichen Vorschäden, deren ordnungsgemäß Beseitigung nicht vorgetragen worden ist, überhaupt noch einen solchen Wert hatte.

Für die Frage des substantiierten Vortrages zum Schadenseintritt ist es schließlich auch unerheblich, ob dem Kläger etwaige Vorschäden bekannt waren, wobei dies im Hinblick auf die letzten drei Vorfälle bereits deshalb der Fall sein musste, weil sie in seiner Besitzzeit eintraten.

Bestreiten die Beklagten die Anspruchshöhe, so hat der Kläger nach allgemeinen Grundsätzen darzulegen und zu beweisen, dass der Pkw Schäden an Teilen erlitten hat, die nicht schon aus anderen Gründen hätten ausgetauscht oder fachgerecht repariert werden müssen (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1977 - VI ZR 206/75 - BGHZ 71, 339 = VersR 1978, 242 = NJW 1978, 2154). Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO ist nicht möglich, der Geschädigte muss die Beseitigung des Vorschadens konkret darlegen und gegebenenfalls beweisen (vgl. auch Senat, Urteile vom 23. Januar 1992 - 12 U 1254/91 - und vom 12. Oktober 1992 -12 U 7435/90 -).

Angesichts des unstreitigen Umstandes, dass das Fahrzeug des Klägers bereits vor dem hier streitigen Ereignis mehrere Unfälle mit Hauptanstoßstelle unter anderem auch in demselben Bereich gehabt hat, genügte es nicht, die nach dem hier streitigen Unfall vorhandenen Schäden mittels eines Privatgutachtens darzutun. Wird nämlich - wie hier - die Kausalität zwischen dem "Unfall" und den danach vorliegenden Schäden im Einzelnen bestritten, so obliegt es dem Kläger, die Ursächlichkeit nachzuweisen. Hierfür muss er ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs schon früher vorhanden waren (vgl. BGHZ 71, 339, 345 = NJW 1974, 2154, 2156 = VersR 1978, 862, 864; Senat, Urteile vom 15. Mai 2000 - 12 U 9704/98; vom 2. August 1999 - 12 U 4408/98 - und vom 14. Februar 2000 - 12 U 6185/98 - sowie Beschlüsse vom 6. Juni 2007 - 12 U 57/06 - und 13. August 2007 - 12 U 180/06 -; OLG Düsseldorf, DAR 2006, 324).

Eine Schadensschätzung (§ 287 ZPO) kommt nicht in Betracht, wenn der Kläger, der über keine Reparaturrechnung verfügt, nicht hinreichend darlegt und unter Beweis stellt, welchen klar eingrenzbaren Vorschaden das Fahrzeug hatte und welche Arbeiten im Rahmen einer fachgerechten Reparatur durchgeführt worden sein sollen (KG, Urteil vom 28. September 2006 - 22 U 197/05 -)

An alledem fehlt es vorliegend.

3. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen wird anheim gestellt, die weitere Durchführung der Berufung zu überdenken.

Ende der Entscheidung

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