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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 19.09.2005
Aktenzeichen: 12 U 49/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 366 Abs. 2
Der Zuschlag in der Zwangsversteigerung lässt die Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters für den Zeitraum bis zum rechtskräftigen Zuschlag nicht entfallen. Der Vermieter ist nach § 242 BGB (widersprüchliches Verhalten) nur dann gehindert, sich auf eine Anrechnung nach § 366 Abs. 2 BGB zu berufen, nachdem er in einer Rechnungslegung gegenüber einem anderen Gericht von einer anderen Anrechnung ausgegangen ist, wenn er durch sein früheres Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen und der andere Teil daraufhin bestimmte Dispositionen getroffen hat.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 49/04

verkündet am: 19. September 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2005 durch den Richter am Kammergericht Spiegel als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Januar 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 34 des Landgerichts Berlin - 34 O 361/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 19. Januar 2004 verkündete und am 9. Februar 2004 zugestellte Urteil des Landgerichts, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Beklagten u. a. vor:

Der Kläger sei nicht prozessführungsbefugt, da ein Besitzübergang vom Eigentümer auf den Zwangsverwalter zu keiner Zeit erfolgt sei. Aus dem gleichen Grund sei es dem Kläger auch nicht möglich gewesen, unter dem 17. Juni 2003 eine wirksame fristlose Kündigung auszusprechen. Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Vertrages vom 11. Januar 1999 sei unzutreffend. Es handele sich vielmehr um einen Schenkung. Die Prozessführungsbefugnis sei jedenfalls durch die mit Beschluss vom 7. Januar 2005 erfolgte Aufhebung der Zwangsverwaltung weggefallen.

Wegen des Antrages auf Räumung und Herausgabe sowie wegen eines Teilbetrages der Zahlungsklage in Höhe von 3.221,16 € nebst anteiliger Zinsen (Nebenkostenvorschüsse für die Zeit von März bis Oktober 2003) haben die Parteien den Rechtsstreit im zweiten Rechtszug übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Beklagten beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung, die er für zutreffend erachtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache, soweit diese nicht übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, aus den im wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg.

Im Hinblick auf die Ausführungen im Zweiten Rechtszug ist ergänzend auf das Folgende hinzuweisen:

Nach § 513 Absatz 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1) Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger prozessführungsbefugt.

a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die von ihnen zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 1986, 2439) vorliegend nicht einschlägig. Diese Entscheidung betrifft einen Sachverhalt, in dem der Besitzer eines Grundstücks seinen Besitz nicht von dem Zwangsverwaltungsschuldner und gleichzeitigen Gründstückseigentümer abgeleitet hat, sondern von einer dritten juristischen Person, gegen den sich der der Zwangsvollstreckung zugrunde liegende Titel nicht richtete. Ist nicht der Schuldner selbst sondern eine andere Person Vermieter, so scheidet nach Ansicht des BGH in dieser Entscheidung eine Zwangsverwaltung aus.

Vorliegend leitet aber die Beklagte zu 1) als Mieterin ihr Besitzrecht vom Grundstückseigentümer und Vollstreckungsschuldner ab, so dass der Kläger als Zwangsverwalter an Stelle des Schuldners dessen Rechte gegenüber der Beklagten zu 1) geltend machen kann. Die Ermächtigung hierzu ergibt sich aus dem Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 25. Februar 2003. Irgendwelche Handlungen des Zwangsverwaltungsschuldners zur Übertragung des Besitzes auf den Zwangsverwalter sind hierzu nicht erforderlich. Dies folgt bereits aus der von den Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

b) Die Prozessführungsbefugnis ist in Bezug auf die noch entscheidungserhebliche Zahlungsklage wegen rückständiger Mietzinszahlungen entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht durch die mit Beschluss vom 7. Januar 2005 erfolgte Aufhebung der Zwangsverwaltung weggefallen. Nur für Vorgänge aus dem Zeitraum ab rechtsbeständigem Zuschlag ist der Zwangsverwalter generell nicht mehr aktivlegitimiert und prozessführungsbefugt. Der Zuschlag in der Zwangsversteigerung lässt die Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters für die Masse auch dann nicht entfallen, wenn - wie vorliegend - anschließend die Zwangsverwaltung durch gerichtlichen Beschluss aufgehoben wird (BGH NJW-RR 1993, 442). Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis beschränken sich auf die Vorgänge bis zum rechtsbeständigen Zuschlag, da sich die aus § 152 ZVG für den Zwangsverwalter ergebende gesetzliche Prozessstandschaft nur auf das Schuldnervermögen bezieht (BGHZ 109, 171).

2) Die Klage ist auch begründet.

a) Die Auslegung des Vertrages vom 11. Januar 1999 durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Sie ist insbesondere, wie das Landgericht ausführt, interessengerecht und wird von der Überschrift der Vereinbarung gedeckt. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass die Parteien diese interessengerechte Auslegung nicht gewollt haben, haben die Beklagten erstinstanzlich nicht vorgetragen. In zweiter Instanz sind sie mit ihrem vom Kläger bestrittenen Vortrag insoweit gemäß § 531 ZPO ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Beklagten spricht die Vereinbarung des 1. Januar 2003 als frühesten Termin für eine Mietfreistellung nicht gegen die Auslegung durch das Landgericht. Es handelt sich hierbei dann um den Termin, an dem die aufgeschobene Bedingung frühestens eintreten sollte.

b) Selbst wenn es sich aber um eine Schenkung handeln sollte, würde dies der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Eine solche unentgeltliche Überlassung wäre dem Kläger als Zwangsverwalter gegenüber unwirksam (vg. LG Berlin, GE 1999, 379).

c) Die zur Abwendung der Zwangsräumung gezahlten 20.000,00 € waren entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die Klageforderung zu verrechnen. Den beiden Zahlungsbelegen (Anlage BB1) ist eine Zahlungsbestimmung nicht zu entnehmen. Eine entsprechende mündliche Zahlungsbestimmung konnten die Beklagten nicht beweisen. Der Zeuge Rechtsanwalt Gnnn hat bekundet, dass bei den Gesprächen am 28. Mai 2004 über die Frage der Verrechnung der Zahlung nicht gesprochen worden sei. Auch der Zeuge Rechtsanwalt Knnn hat nicht bestätigt, dass über die Frage der Verrechnung gesprochen worden sei. Er hat lediglich ausgesagt, er selbst sei "davon ausgegangen, dass das ... gebrachte Geld auf die rückständigen Mieten bzw. Schuldbeträge zu leisten war". Diese Ansicht reicht aber weder für eine Zahlungsbestimmung noch für eine Verrechnungsvereinbarung aus. Entgegen der Aussage des Zeugen Knnn hat der Zeuge Gnnn in seinem an den Obergerichtsvollzieher Bnn gerichteten Schreiben vom 28. Mai 2004 auch nicht bestätigt, dass die Zahlung auf die vorliegend rechtshängigen Mieten erfolgt ist. Er bestätigt in diesem Schreiben lediglich, dass ein Betrag von 20.000,00 € auf rückständige Schulden geleistet worden seien. Da der Gerichtsvollzieher lediglich mit der Vollstreckung der Räumung beauftragt war, war es für diesen auch ohne Interesse, auf welche Schuld die Zahlung erfolgte.

Im Übrigen entspricht die von dem Kläger gemäß § 366 Absatz 2 BGB vorgenommene Verrechnung der von dem Zeugen Knnn geäußerten Vermutung, dass das gebrachte Geld auf die rückständigen Mieten zu leisten war.

c) Umstände, aus denen auf eine konkludente bzw. nachträgliche Zahlungsbestimmung (vgl. hierzu BGH, NJW-RR 1995, 1257) geschlossen werden könnte, haben die Beklagten nicht dargelegt. Insbesondere folgt eine solche Zahlungsbestimmung nicht aus der Rechnungslegung des Klägers gegenüber dem Amtsgericht Charlottenburg und dem Fehlen einer Stellungnahme der Beklagten zu dieser Rechnungslegung. Es handelt sich hierbei nicht um wechselseitige Willenserklärungen; vielmehr war Erklärungsempfänger jeweils das Amtsgericht Charlottenburg. Auch die Interessenlage gebietet eine Anrechnung der 20.000,00 € auf die Klageforderung nicht. Nach ihrem eigenen Vorbringen ging es den Beklagten bei dieser Zahlung ausschließlich um die Abwendung der Räumung. Ihr Interesse, den Kläger zu einer gesonderten gerichtlichen Geltendmachung der Rückstände für die Zeit ab November 2003 zu zwingen, ist nicht schützenswert. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass sie für diesen Zeitraum keine Miete schulden, haben sie nicht dargelegt.

d) Gemäß § 366 Absatz 2 BGB sind die beiden Zahlungen in Höhe von zusammen 20.000,00 € auf die Mietzinsrückstände der Beklagten für die Zeit ab November 2003 anzurechnen, da diese nicht rechtshängig sind und damit dem Kläger weniger Sicherheit bieten. Der Kläger ist auch nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf diese Anrechnungsregelung zu berufen. Zwar ist der Kläger in seiner gegenüber dem Amtsgericht Charlottenburg erfolgten Rechnungslegung von einer anderen Anrechnung ausgegangen, jedoch lässt die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu; Parteien dürfen ihre Rechtsansicht ändern (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Auflage, § 242 Rdnr. 55). Widersprüchliches Verhalten ist nur dann missbräuchlich, wenn ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde und der andere Teil im Hinblick hierauf bestimmte Dispositionen getroffen hat. Vorliegend kann offen bleiben, ob der Kläger durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Die Beklagten haben jedenfalls nicht dargelegt, welche schützenwerten Dispositionen sie im Vertrauen hierauf getroffen haben. Die vom Kläger berechneten Verwaltergebühren stehen diesem auch dann zu, wenn die Zahlungen gemäß § 366 Absatz 2 BGB auf die Mietzinsrückstände der Beklagten für die Zeit ab November 2003 angerechnet werden. Auch das Einfordern dieser Rückstände war Gegenstand der Zwangsverwaltung.

3) Die Revision war nicht zuzulassen, da weder die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Absatz 1 Nr.1, Absatz 2 ZPO n. F.).

4) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Absatz 1, 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren aus den vorstehend genannten Gründen die Kosten den Beklagten aufzuerlegen. Der erledigte Teil der Klage war bis zum Eintritt der Erledigung zulässig und begründet. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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