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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 04.05.2000
Aktenzeichen: 12 U 569/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 141
ZPO § 278 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 546 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 852 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 569/99

Verkündet am: 4. Mai 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Kammergericht Hartig sowie der Richter am Kammergericht Grieß und Philipp auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 9. Dezember 1998 verkündete Urteil der Zivilkammer 17 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, weil das Urteil des Landgerichts richtig ist und sein Vorbringen im Berufungsverfahren ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigt.

Der Senat folgt der zutreffenden Begründung des angefochtenen Urteils, § 543 Abs. 1 ZPO, der im Hinblick auf die Berufungsbegründung nur Folgendes hinzuzufügen ist:

1. Entgegen der Auffassung des Klägers auf Seite 2 der Berufungsbegründung war die Vernehmung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 1998 durch das Landgericht nicht "unzulässig". Denn das persönliche Erscheinen des Klägers war gemäß § 141 ZPO zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnet. Darüber hinaus soll die erschienene Partei gemäß § 278 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Sache persönlich gehört werden, soweit dies sachdienlich erscheint.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers auf Seite 4 der Berufungsbegründung ist das angefochtene Urteil auch nicht insoweit falsch, als es - trotz der Klagerücknahme gegenüber der Beklagten zu 2. - diese noch im Rubrum als Partei aufführt. Denn die Kostenentscheidung wirkt auch zugunsten der früheren Beklagten zu 2., der die Klage am 26. Mai 1998 zugestellt worden war.

3. Auch in der Sache selbst teilt der Senat die Auffassung des Klägers nicht, das Landgericht habe entgegen der insoweit einhelligen Rechtsprechung den Verjährungsbeginn zu Unrecht auf den Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmung des Klägers vom 1. November 1994 vorverlegt, da der Kläger auch zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von einem Schadensersatzanspruch gegenüber dem Beklagten gehabt habe, sondern nicht mehr gewusst habe als zum Unfallzeitpunkt.

a) Die für den Verjährungsbeginn nach § 852 Abs. 1 BGB erforderliche "Kenntnis" des Verletzten "von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen" ist dann gegeben, wenn dem Verletzten dessen Namen und Anschrift bekannt sind (BGH NJW 1998, 988) und der Verletzte Kenntnis von Tatsachen hat, die auf ein schuldhaftes Verhalten des Schädigers hinweisen, welches Schaden verursacht haben kann, wobei jedoch Kenntnis von Einzelheiten des schädigenden Verhaltens nicht erforderlich ist; die Kenntnis muss aber grundsätzlich so weit gehen, dass der Geschädigte in der Lage ist, eine Schadensersatzklage erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos, zu begründen (BGH NJW 1999, 2734; Arzthaftungsprozess).

Auch bei einem Schaden aufgrund eines Verkehrsunfalls ist nicht notwendig, dass der Verletzte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung der Schuldfrage möglicherweise in Betracht kommen. Speziell für den Bereich des Verkehrsunfalls hat der BGH insoweit ausgeführt (NJW 1963, 1104): "Wer als Opfer eines Verkehrsunfalls den Hergang des Unfallgeschehens in seinen Grundzügen kennt, wird sich in der Regel zur Vermeidung der Verjährung entscheiden müssen, gegen die ihm bekannten beteiligten Fahrer und Halter gerichtlich vorzugehen. Nach der Lebenserfahrung liegt es gerade bei Beteiligung zweier Kraftfahrzeuge an einem Unfall nahe, dass die Schuldfrage von den beteiligten Fahrern unterschiedlich beurteilt wird. In diesem Falle ist es in der Regel Sache des Verletzten, durch eine Klage die Klärung der Verantwortung herbeizuführen. Sieht er hiervon ab, so beginnt die Verjährungsfrist zu laufen .... Auch wo die Frage eines haftungsbegründenden Verschuldens zweifelhaft ist, wird der Beginn der Verjährung doch nicht hinausgeschoben, wenn der Sachverhalt gewichtige Anhaltspunkte für ein fahrlässiges Verhalten der Verantwortlichen bietet ...; namentlich schließen Zweifel an der Beweisbarkeit des zugrunde liegenden Sachverhalts den Beginn des Fristablaufs nicht aus .... Der Verjährungsbeginn kann nicht davon abhängig sein, dass der zu beginnende Prozess mehr oder weniger risikolos erscheint .... So steht es der Verjährung denn auch nicht entgegen, wenn im Strafverfahren ein schuldhaftes Verhalten des Unfallbeteiligten für nicht nachweisbar erachtet worden ist und im Schadensersatzprozess, den der Verletzte gegen ihn angestrengt hat, ein vorinstanzliches Gericht den Kläger für beweisfällig gehalten hat ..." (so BGH NJW 1963, 1103, 1104).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze erscheint die Auffassung des Landgerichts zutreffend, dass der Kläger die für den Beginn der Verjährung gemäß § 852 Abs. 1 BGB erforderliche Kenntnis spätestens bei seiner polizeilichen Vernehmung am 1. November 1994 erlangt hat.

Denn - wie das Landgericht auf Seite 5 des angefochtenen Urteils zutreffend hervorgehoben hat - hat der Kläger in dieser polizeilichen Vernehmung erklärt, er sei der Meinung gewesen, dass das Fahrzeug des Beklagten erstens ohne Licht und zweitens viel zu schnell gefahren sei.

Bereits im Januar/Februar 1994 war der Kläger davon ausgegangen, dass der Beklagte dadurch zum Unfall beigetragen hatte, dass er mit erheblich überhöhter Geschwindigkeit gefahren war: Denn ausweislich seiner Schadensmeldung an seinen Haftpflichtversicherer vom 21. Januar 1994 (Blatt 23 f. d. A. = Beiakten Band VI Bl. 13 f.) sowie ausweislich seines Schreibens ohne Datum, eingegangen bei der am 7. Februar 1994 (Beiakten Band VI, Bl. 12 = Blatt 108 d. A.) war sich der Kläger sicher, dass der Beklagte mit überhöhter Geschwindigkeit und wesentlich zu schnell gefahren ist.

Damit lagen - nach der Rechtsprechung des Senats, der als Spezialsenat für Verkehrsunfallsachen auch über eine rechtzeitige Klage des Klägers gegen den Beklagten zweitinstanzlich zu entscheiden gehabt hätte - hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger in der Lage war, eine Schadensersatzklage erfolgversprechend zu begründen; denn eine unfallursächliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Vorfahrtberechtigten ist geeignet, dessen teilweise oder volle Haftung zu begründen (vgl. Senat, DAR 1992, 433; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., StVO § 8 Rdn. 70); die Ausgangs- oder Kollisionsgeschwindigkeit des Pkw Porsche des Beklagten wäre gegebenenfalls im Haftungsprozess durch ein Sachverständigengutachten aufgrund des Schadensbildes an den Fahrzeugen festzustellen gewesen. Eine Haftung des Beklagten kam um so mehr in Betracht, als der Kläger der Auffassung war, das Fahrzeug des Beklagten sei ohne Licht gefahren.

Daher hat das Landgericht auch zu Recht ausgeführt, für die "Kenntnis" im Sinne des § 852 Abs. 1 BGB sei es auf ein Wissen des Klägers von einer Manipulationsabsicht des Beklagten zu 1. nicht angekommen und die Kenntnis der äußeren Umstände sei ausreichend gewesen (vgl. BGH NJW 1964, 494).

Dem Landgericht ist auch dahin zuzustimmen, dass die Erhebung einer Klage gegen den Beklagten jedenfalls ab dem Zeitpunkt (1. November 1994) geboten gewesen wäre, als der Kläger in der polizeilichen Vernehmung Strafantrag gestellt hatte, wobei er in derselben Vernehmung erklärt hat, er gehe davon aus, dass seine Versicherung habe betrogen werden sollen; denn es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger auch diese Äußerung - entgegen seiner eigentlichen Meinung - angeblich nur auf Anraten der Polizei getätigt hat.

Wie das Landgericht zutreffend auf Seite 5 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, wird die Aussage des Klägers in der polizeilichen Vernehmung vom 1. November 1994, ergehe davon aus, dass seine Versicherung habe betrogen werden sollen, und er habe bereits zuvor Verdacht geschöpft, nicht plausibel dadurch erklärt, dass der Kläger nunmehr geltend machen will, lediglich auf Anraten der Polizei Strafantrag gestellt zu haben, weil er davon ausgegangen sei, dies sei zu seinem Besten.

4. Dem Antrag des Klägers auf Zulassung der Revision war gemäß § 546 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO nicht zu entsprechen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von einer Entscheidung des BGH abweicht; der BGH hat die Frage des Beginns der Verjährungsfrist bei Ansprüchen aus Verkehrsunfällen in seinem in NJW 1963, 1104, veröffentlichten Urteil speziell entschieden und der Senat weicht davon nicht ab.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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