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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 09.07.2001
Aktenzeichen: 12 U 636/00
Rechtsgebiete: BVG, BGB, SGB X, SGB VI, SGB VII, ZPO


Vorschriften:

BVG § 15
BGB § 430
BGB § 816 Abs. 2
SGB X § 117
SGB X § 116 Abs. 2
SGB X § 116 Abs. 3
SGB X § 117 Satz 2
SGB VI § 93 Abs. 2 Satz 2
SGB VI § 93 Abs. 2 Nr. 2 a
SGB VI § 93
SGB VII § 56
SGB VII §§ 82 ff.
SGB VII § 56 Abs. 1
ZPO § 711
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 636/00

Verkündet am: 9. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß sowie die Richter am Kammergericht Hinze und Philipp für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 24. November 1999 verkündete Urteil der Zivilkammer 1 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt 78.157,34 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Ausgleichsanspruch im Rahmen des Gesamtgläubigerausgleichs nach § 117 SGB X geltend.

Aufgrund des in seinem Tatbestand zusammengefassten Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug - auf welches Bezug genommen wird - hat das Landgericht durch sein am 24. November 1999 verkündetes Urteil die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 78.157,34 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3. September 1999 zu zahlen. Es hat ausgeführt, das Zivilgericht sei für die Entscheidung zuständig. Die Parteien bildeten eine Gesamtgläubigerschaft, auf die § 117 SGB X entsprechende Anwendung finde. Die Klageforderung sei begründet, weil die von der Klägerin entrichtete Verletztenrente auch nicht teilweise Mehraufwendungen der am 16. August 1994 durch einen Verkehrsunfall verletzten A. F. betreffe. Wegen der Begründung der Entscheidung des Landgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Urteils verwiesen.

Gegen diese ihr am 20. Dezember 1999 zugestellte Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer am 19. Januar 2000 bei Gericht eingegangenen Berufung. Auf ihren am 27. Januar 2000 eingegangen Antrag ist die Frist für die Berufungsbegründung bis zum 20. März 2000 verlängert worden. Die Beklagte hat ihr Rechtsmittel mit am 20. März 2000 eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie trägt unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im ersten Rechtszug weiter vor:

1. Trotz der übereinstimmenden Erklärung vor dem Landgericht am 24. November 1999, mit einer Sprungrevision einverstanden zu sein (Bl. 62), sei ihre Berufung zulässig (Bl. 90 f.).

2. Die Klägerin sei gehindert, von ihr einen auf § 430 BGB gestützten Ausgleichsanspruch geltend zu machen, da sie nach dem eindeutigen Wortlaut des § 117 SGB X, der sich lediglich auf § 116 Abs. 2 und Abs. 3 SGB X beziehe, nicht Gesamtgläubiger seien. Dies ergebe sich aus der auf S. 2-4 der Berufungsbegründungsschrift vom 17. März 2000 aufgezeigten Entstehungsgeschichte des § 117 SGB X (Bl. 91-93). Für eine entsprechende Anwendung des § 117 SGB X auf anders gelagerte Fälle sei wegen der klaren Regelung in dieser Vorschrift durch den Gesetzgeber kein Raum. Die zeitlich vorausgegangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. März 1986 (VersR 1986, 810) betreffe gerade einen in § 116 Abs. 2 und Abs. 3 SGB X geregelten Fall (Bl. 93 f.).

3. Davon abgesehen stehe der Klägerin die Klageforderung nicht zu. Denn sie, die Beklagte, habe unter Verwendung der von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Berechnungsformel zu Recht aus der von der Klägerin an die Verletzte F. gezahlten Verletztenrente von monatlich 1.803,70 DM einen Teilbetrag von 838,00 DM unberücksichtigt gelassen. Denn der Gesetzgeber habe in § 93 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ausdrücklich geregelt, dass im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung die von der Berufsgenossenschaft nach einem Arbeitsunfall zu zahlende Verletztenrente sich einmal aus einem Teil zusammensetze, der die Lohnersatzfunktion betreffe, zum anderen den Ausgleich immaterieller Schäden diene, der der Höhe nach der Grundrente nach § 31 Bundesversorgungsgesetz (= BVG) entspreche. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte, wie der BT-Drucks. 11/4124, S. 174 (wiedergegeben auf S. 6 der Berufungsbegründung, Bl. 95) zu entnehmen sei. Der Teil der Verletztenrente, der keine Lohnersatzfunktion zukomme, sei im Verhältnis zu dem vom Schädiger hier in vollem Umfang auszugleichenden Erwerbsschaden nicht kongruent. Hieran scheitere jeder Ausgleichsanspruch der Klägerin (Bl. 95-97).

Weil für die Parteien die Aufteilungsregelung gemäß § 93 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI maßgebend sei, habe das Landgericht für seine hiervon abweichende Ansicht nicht auf die allein auf § 10 Abs. 1 Wohngeldgesetz zugeschnittene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 1996 (NVwZ-RR 1997, 293 ff.) abstellen dürfen (Bl. 95). Im Grunde gehe das Bundesverwaltungsgericht auch in dieser Entscheidung davon aus, dass der Grundrentenanteil in der Verletztenrente aufgrund seiner im Laufe der gesellschaftlichen Weiterentwicklung veränderten Funktion mit zivilrechtlichen immateriellen Schadensersatzansprüchen wie dem Schmerzensgeld und eben auch dem Schadensersatz wegen vermehrter Bedürfnisse vergleichbar sei. Es befinde sich im Einklang mit dem Bundesverfassungsgericht, dem Bundesarbeitsgericht, dem Bundessozialgericht und dem Bundesarbeitsministerium für Arbeit und Soziales gemäß dessen Rundschreiben vom 2. März 1995 (Bl. 130 f.).

Vor der Rentenreform von 1992 seien Erwerbsunfähigkeitsrente und Verletztenrente einfach addiert und die Erwerbsunfähigkeitsrente entsprechend gekürzt worden, sobald 85 % der Rentenbemessung oder des Jahresarbeitsverdienstes überschritten gewesen sei. Es sei damals um eine Verhinderung einer Doppelversorgung gegangen. Hiernach habe der Gesetzgeber mit dem Rentenreformgesetz 1992 eine veränderte Rechtslage geschaffen, wenn es in den Motiven zu § 92 in der BT-Drucks. 11/4124 - nun § 93 SGB VI - heiße, es sei vorgesehen, dass der Teil der Verletztenrente, von dem angenommen werde, dass er nicht Lohnersatzfunktion habe, sich nicht rentenmindernd auswirke. Dementsprechend gehe die herrschende Meinung im Sozialrecht davon aus, dass der Grundrentenanteil der Verletztenrente die Funktion habe, immaterielle Schäden auszugleichen. Insbesondere auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 1998 (E 82, 83, 93 = Bl. 150 ff. = SozR 3 - 2600 § 93 Nr. 7) sei zu verweisen. Der Gesetzgeber habe festgeschrieben, dass die Verletztenrente zu einem Teil auch einen immateriellen Schaden ausgleichen solle. Deshalb habe entgegen der Ansicht der Klägerin nicht sie, die Beklagte, eine kongruenzmäßige Abgrenzung vorzunehmen (Bl. 131 f., 146 f, 148 f.). Die von der Klägerin für ihre Gegenansicht zitierte Rechtsprechung sei vor der Rentenreform 1992 ergangen (Bl. 131 f.). Die Ablehnung der Vorschläge der Fraktion Bündnis 90 DIE GRÜNEN im Gesetzgebungsverfahren zu § 56 SGB VII habe nicht die von der Klägerin angenommene Bedeutung, dass auch nicht teilweise immaterielle Schäden durch die Verletztenrente ausgeglichen werden würden (Bl. 132).

Soweit das Landgericht (UA. S. 7) auf die momentane Arbeitsmarktsituation abstelle, die durch eine hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sei, und die Minderung der Erwerbsfähigkeit regelmäßig zum Verlust des Arbeitsplatzes und damit zum Verdienstausfall führe, werde dies bestritten. Im Gegenteil würden gerade Unfallopfer als Schwerbeschädigte vor dem Verlust des Arbeitsplatzes in besonderem Maße geschützt (Bl. 97). Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit führe nicht regelmäßig zum Verlust des Arbeitsplatzes (Beweis: sachverständige Auskunft des Geschäftsführers des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaft, Dr. S., Bl. 97).

Die Tatsache, dass die Geschädigte F. unfallbedingt ihren Arbeitsplatz verloren habe, gestatte nicht den beanstandeten Rückschluss des Landgerichts. Auch in einem so gelagerten Fall sei die Verletztenrente geeignet, einen immateriellen Schaden auszugleichen, wie dies etwa im Falle einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes geschehe, die nach der Systematik des Gesetzes ebenfalls zu einem Teil auf den Ausgleich eines immateriellen Schadens abziele (Bl. 98).

Die Verletztenrente ziele auf einen abstrakten Schadensausgleich ab. Sie werde auch dann gezahlt, wenn der Verletzte durch den Arbeitsunfall keine Lohneinbußen erleide. Schon deshalb sei die Verletztenrente jedenfalls teilweise auf einen immateriellen Schadensausgleich ausgerichtet, ohne dass dieser Teil der Verletztenrente mit dem Schmerzensgeld kongruent sei (Bl. 98). Dieser Teil der Verletztenrente sei aber auch nicht kongruent mit dem Erwerbsschaden. Zwar solle durch die Verletztenrente typischerweise ein Verdienstausfallschaden ausgeglichen werden. Doch sei die Rente nicht identisch mit dem konkreten Verdienstausfall; sie könne höher oder niedriger sein. Denn sie knüpfe einmal an den reinen Körperschaden und die Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 56 SGB VII und zum anderen an 2/3 des Bruttojahresarbeitsverdienstes gemäß §§ 82 ff. SGB VII an. Es werde also auch ein Körperschaden, also die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität ausglichen. Neben der Verletztenrente erhalte der Geschädigte, der unfallbedingt den Arbeitsplatz verliere, Arbeitslosengeld gemäß §§ 117 ff. SGB III in ungekürzter Höhe (Bl. 98 f.).

Der Anspruchsübergang auf die Klägerin reiche somit lediglich so weit, als die Verletztenrente tatsächlich Lohnersatzfunktion habe und kongruent sei (Bl. 99 f.).

4. Daraus, dass sie bis zum 31. Mai 1998 eine abweichende Anrechnungsweise hingenommen habe, ergebe sich kein Anerkenntnis und kein Verzicht. Von Anfang an sei zwischen den Parteien die Abrechnungsweise streitig gewesen. Es sei die Haftpflichtversicherung gewesen, die ursprünglich nach der von der Rechtsprechung zu § 117 SGB X entwickelten Formel abgerechnet habe. Diese habe mit Wirkung vom 1. Juni 1998 eine Kapitalisierung vorgenommen und den Kapitalbetrag auf die Parteien aufgeteilt (Bl. 100).

5. Vermehrte Bedürfnisse der Verletzten F hätten weder der Haftpflichtversicherer mit der Zahlung einer pauschalen Abfindung noch die Klägerin ausgeglichen; letztere zahle lediglich die Unfallrente nach einer MdE von 80 % (Bl. 129). Tatsächlich bestünden vermehrte Bedürfnisse. So lebe die Verletzte F im Haushalt ihrer Eltern, die z. Zt. noch helfend einspringen würden. Die Verletzte könne mit Hilfe einer oder zweier Unterarmgehstützen nur kurze Strecken zu Fuß zurücklegen. Sie sei nicht in der Lage, einen eigenen Haushalt zu führen. Sie leide ständig unter Schmerzen und Depressionen. Deshalb müsse sie entsprechende Medikamente einnehmen. Sie sei nicht in der Lage, selbst Auto zu fahren, und vermeide auch öffentliche Verkehrsmittel. Die Klägerin erstatte zwar Medikamente, Behandlungskosten und Taxikosten für Arztbesuche, dagegen nicht Taxifahrten etwa für einen regelmäßigen Besuch eines Schwimmbades zur Aufrechterhaltung eines Mindestmaßes an Muskelkrat und körperlicher Beweglichkeit oder zu Veranstaltungen oder zur Aufrechterhaltung sozialer Kontakte. Wegen des erhöhten Verschleißes durch die Gehstützen sei der Bedarf an Kleidung und Schuhwerk erhöht (Beweis: Zeugnis F., Bl. 130; vgl. ferner Bl. 147 f.).

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im ersten Rechtszug weiter vor:

1. Soweit die Beklagte bereits mit Schreiben vom 20. Mai 1999 (Bl. 112) eine Sprungrevision angestrebt habe und die Parteien vor dem Landgericht ein entsprechendes Einverständnis erklärt hätten, erhebe sie nicht den Einwand der Unzulässigkeit der Berufung (Bl. 120).

2. Die Parteien seien Gesamtgläubiger, § 117 SGB X sei entsprechend anwendbar. Hierfür sei das Abrechnungsverhalten des Haftpflichtversicherers des Schädigers und der Beklagten - bezüglich der vorprozessualen Abrechnung - sowie auf die Erläuterungen zur Auslegung der Anwendung des 3. Kapitels des SGB X vom 10./11. März 1983, die die Beklagte mit herausgegeben habe (Bl. 55 f.), und auf die Drucksache 9/95, S. 42 (Bl. 113), zu verweisen, in der der Bundesrat die Prüfung angeregt habe, ob in die Aufteilungsregelung des § 123 nicht auch Fälle einbezogen werden sollten, in denen der Schadensersatzanspruch geringer sei als der Gesamtbetrag der gleichartigen Sozialleistungen. Die Bundesregierung habe auf S. 48 der Drucksache 9/95 angekündigt, diese Frage im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens prüfen zu lassen (Bl. 114). Weshalb die Prüfung unterblieben sei, sei nicht dokumentiert. Wegen der Entstehungsgeschichte und der gesetzgeberischen Zielsetzung sei § 117 SGB X vorliegend entsprechend anwendbar. Dies sei auch die in der Literatur vertretene Ansicht (Bl. 120 f.).

3. Mit dem Landgericht sei davon auszugehen, dass zwischen der Verletztenrente und dem unfallbedingten Verdienstschaden Kongruenz bestehe. So sei auch die vom Landgericht angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 1996 zu verstehen (Bl. 121).

Wie aus der BT-Drucks. 13/2204, S. 90 (Bl. 115) und den Materialien zu § 56 Abs. 1 SGB VII nebst Eingabe der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (Bl. 116) sowie der Zurückweisung dieser Eingabe zu schließen sei, sei die Verletztenrente als Kompensation für den unfallbedingten materiellen Schaden zu verstehen. Es bestehe Kongruenz allein zum Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens. Andere Bestimmungen des SGB VII enthielten eine lückenlose Abdeckung der mit dem Unfall verbundenen vermehrten Bedürfnisse. Es lasse sich von der Verletztenrente kein Teil abspalten, der den Ersatz vermehrter Bedürfnisse oder den Schadensersatzanspruch betreffen könnte. Wegen der Materialien zu § 56 SGB VII reiche die von der Beklagten in der Berufungsbegründung angeführte Begründung zu § 93 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI ("ein Teil der Verletztenrente, von dem angenommen wird, dass er nicht Lohnersatzfunktion hat, sich nicht rentenmindernd auswirkt") nicht aus, um anzunehmen, dass ein Teil der Verletztenrente nicht den Erwerbsschaden betreffe. Das SGB VII vom 7. August 1996 sei im Vergleich zum SGB VI vom 18. Dezember 1989 das neuere Gesetz. § 56 SGB VII sei die speziellere Vorschrift. Der Gesetzgeber habe aus der nicht eindeutigen Begründung zu § 93 SGB VI nicht die Kongruenz im Sinne der Beklagten angenommen (Bl. 121-124, 136 f.).

4. Zutreffend habe das Landgericht auch auf die Arbeitsmarktsituation abgestellt (Bl. 124 f.).

5. Aufgrund ihres Bescheides vom 8. Januar 1998 erhalte die Verletzte F. rückwirkend seit dem 16. November 1994 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 25 % des Höchstsatzes, derzeit 537,69 DM monatlich (Bl. 138 f.). Außerdem trage sie alle medizinisch bedingten Kosten. Wenn ein regelmäßiger Schwimmbadbesuch medizinisch indiziert sein sollte, werde die Erstattungsfähigkeit dadurch bedingter Kosten geprüft. Weil die Verletzte die zweite Unterarmstütze nur gelegentlich benötige, scheide eine Entschädigung für Kleider- und Wäscheverschleiß gemäß § 7 der Verordnung über die orthopädische Versorgung Unfallverletzter (Bl. 141) i. V. m. § 15 BVG und § 1 Nr. 16 der Verordnung zur Durchführung des § 15 BVG (Bl. 142 f.) aus. Ein erhöhter Verschleiß des Schuhwerkes sei zudem nicht vorstellbar. Die von der Beklagten angesprochenen Depressionen seien ein gewichtiger Faktor für die unfallbedingt eingetretene Erwerbsunfähigkeit der Verletzten F und bei der Verletztenrente gemäß Bescheid vom 28. Januar 1997 (Bl. 144) berücksichtigt worden. In der Gesamt-MdE hätten die Depressionen einen Anteil von 30 % (Bl. 134 f.).

Soweit die Verletzte F. in der privaten Lebensführung eingeschränkt sei, nicht mehr einen eigenen Haushalt und kein Fahrzeug führen könne, soziale Kontakte eingeschränkt seien, handele es sich um immaterielle Defizite, die nicht als vermehrte Bedürfnisse eingestuft werden könnten. Im Übrigen habe die Verletzte gegenüber dem Haftpflichtversicherer, der Bayerischen Versicherungskammer, Schmerzensgeld, nicht aber Ersatz vermehrter Bedürfnisse etwa wegen Kleider- und Wäschemehrverschleißes geltend gemacht (Beweis: Zeugnis L. von der Haftpflichtversicherung, Bl. 136). Damit könne davon ausgegangen werden, dass die Verletzte insoweit keinen Schaden erlitten habe (Bl. 135 f.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll vom 9. Juli 2001 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Daran ändert nichts die übereinstimmende Erklärung der Parteien durch ihre Prozessbevollmächtigten vom 24. November 1999 vor dem Landgericht, sie seien mit einer Sprungrevision einverstanden. Zwar liegt darin die Übereinkunft, dass derjenige, der unterliege, Sprungrevision einlegen solle (vgl. § 566 a ZPO), und damit eine wirksame Vereinbarung des Berufungsverzichtes. Doch hat die Klägerin mit der Berufungserwiderung ausdrücklich erklärt, den Einwand der Unzulässigkeit der Berufung nicht zu erheben (Bl. 120). Nur wenn die Klägerin sich auf den Berufungsverzicht berufen hätte, wäre das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. So ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 1985 (NJW 1986, 198) zu verstehen, wenn darin ausgeführt wird, dass die Geltendmachung des Berufungsverzichtes nicht gegen Treu und Glauben verstoße. Diese rechtliche Erörterung setzt voraus, dass die Existenz eines Rechtsmittelverzichtes allein die Zulässigkeit der Berufung nicht berührt, sondern der Verzicht erst auf entsprechenden Einwand der Gegenseite relevant wird.

II. Die - zutreffende - Entscheidung des Landgerichts, dass die Zivilgerichte über den Rechtsstreit zu befinden haben, ist nicht zu überprüfen (§ 17 a Abs. 5 GVG).

III. In der Sache hat das Rechtsmittel der Beklagten keinen Erfolg. Denn der Klägerin steht ein Zahlungsanspruch in Höhe von 78.157,34 DM zu.

1. Die Klägerin ist berechtigt, Zahlung in genannter Höhe zu fordern:

Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass nach der herrschenden Meinung in der Literatur § 117 Satz 2 SGB X entsprechende Anwendung findet, wenn der Schädiger und für ihn zugleich der Haftpflichtversicherer den unfallbedingten materiellen Schaden des Geschädigten in voller Höhe auszugleichen hat, deren Zahlungen nach diesem Maßstab aber nicht ausreichen, um die von der Berufsgenossenschaft an den Geschädigten geleistete Verletztenrente und die vom Sozialversicherungsträger aufgebrachte Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe ihrer Leistungen auszugleichen. Es liegt eine durch entsprechende Anwendung der genannten Vorschrift zu schließende Gesetzeslücke vor mit der Folge, dass die Prozessparteien eine Gesamtgläubigerschaft bilden (vgl. § 430 BGB) und deren Anteil an den Zahlungen des Schädigers und des Haftpflichtversicherers sich aus dem Verhältnis ihrer Leistungen ergibt (Geigel/Plagemann, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl. 2001, 30. Kapitel, § 117 SGB X Rdn. 125, S. 1325; Wussow/Schloen, Unfallhaftpflichtrecht, 14. Aufl. 1996, Rdn. 2544; Kasseler Kommentar/Kater, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand der 32. Ergänzungslieferung: 1. Dezember 2000, § 117 SGB X Rdn. 15; Schroeder-Printzen/Schmalz, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 117 Anm. 4; Küppersbusch VersR 1983, 193, 205).

Selbst wenn der Beklagten zu folgen wäre, dass wegen des Wortlautes des § 117 SGB X und seiner von der Beklagten auf S. 2-4 der Berufungsbegründung (Bl. 91-93) aufgezeigten Entstehungsgeschichte zwischen den Parteien keine Gesamtgläubigerschaft bestünde und die Klägerin sich nicht auf einen Ausgleichsanspruch stützen könnte, wäre letztere gleichfalls berechtigt, erstere gemäß § 816 Abs. 2 BGB in Anspruch zu nehmen.

So hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Februar 1989 (- VI ZR 244/88 - NZV 1989, 268, 269) zwar eine entsprechende Anwendung des § 117 SGB X und damit eine Gesamtgläubigerschaft zwischen Sozialversicherungsträgern und Versorgungsträgern selbst in den Fällen der Beschränkung des Schadensersatzanspruchs auf eine Quote (vgl. insofern § 116 Abs. 3 SGB X) verneint. Allerdings ist durch diese Entscheidung dem Umstand Rechnung getragen worden, dass der Sozialversicherungsträger und der Versorgungsträger aus Rechtsgründen an der Ersatzforderung einer Witwe nicht miteinander konkurrieren könnten; beide seien nur jeweils Inhaber eines bestimmten Teiles des der Geschädigten zustehenden Schadensersatzanspruches geworden und damit nur Teilgläubiger.

Selbst wenn diese Entscheidung des Bundesgerichtshofs dahin verstanden werden sollte, dass § 117 SGB X eine über den Wortlaut hinausgehende entsprechende Anwendung auf andere, ähnliche Konstellation nicht zulässt und die Parteien nicht Gesamtgläubiger, sondern nur Teilgläubiger (vgl. BGH, a. a. O., S. 270) sind, ergibt sich die Klageforderung aus § 816 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der Nichtberechtigte eine empfangene Leistung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, an diesen herauszugeben. Darin, dass die Klägerin ihre Klageforderung nicht gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Geschädigten geltend macht, liegt eine stillschweigende Genehmigung (vgl. § 185 Abs. 2 BGB) mit der Folge, dass der Haftpflichtversicherer mit seiner Leistung an die Beklagte von seiner - denkbaren - Leistungspflicht befreit worden ist und die Beklagte diesen Forderungsbetrag auf Kosten der Klägerin i. S. des § 816 Abs. 2 BGB erlangt hat. Die Einziehung des Betrages in Höhe der Klageforderung durch die Beklagte beim Haftpflichtversicherer - soweit ihr hierauf kein Anspruch zusteht - ist einer Verfügung des Nichtberechtigten über die Forderung gleichgestellt. Die Genehmigung durch die Klägerin ist in der Geltendmachung der Klageforderung - wenn auch als Ausgleichsanspruch - und in der Erhebung der Klage zu erblicken (vgl. BGH NZV 1989, 268, 270). Außerdem hat die Klägerin vorsorglich eine entsprechende Genehmigung erklärt (S. 2 des Senatsprotokolls vom 9. Juli 2001, Bl. 177).

Die Klageforderung ist, wie vom Landgericht (UA. S. 6) dargestellt, nach der von Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1969, 1901) und Literatur (Geigel/Plagemann, a. a. O., Kapitel 30, Rdn. 123) anerkannte Formel ermittelt worden: Ersatzanspruch multipliziert mit der Leistung des fordernden Sozialversicherungsträgers, geteilt durch die Gesamtleistung aller Sozialversicherungsträger. Es ist nicht ersichtlich, dass ein auf § 816 Abs. 2 BGB gestützter Zahlungsanspruch anders zu berechnen wäre.

2. Wie das Landgericht ferner zutreffend hervorgehoben hat (UA. S. 6), hat die Beklagte die Berechnungsformel nicht richtig angewandt. Statt des anrechenbaren Rentenanspruchs von 1.016,06 DM hat die Beklagte unberechtigterweise 1.375,72 DM angesetzt. Die Differenz von 359,66 DM, also 26,143401 % und damit 78.157,34 DM des im Rahmen der Kapitalisierung vom Haftpflichtversicherer erhaltenen Betrages hat die Beklagte an die Klägerin abzuführen. Denn trotz der im Berufungsverfahren zusätzlich begründeten Ansicht der Beklagten ist weiterhin davon auszugehen, dass in der Gesamtleistung aller Träger bei der Konkurrenz von Unfall- und Rentenversicherungsträgern die Verletztenrente des Unfallversicherungsträgers in voller Höhe als dem Erwerbsschaden des Verletzten gegenüberstehende kongruente Leistung zu berücksichtigen ist. Sie ist vorliegend nicht um einen Betrag in Höhe einer fiktiven Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) bei einem Grad der Behinderung von 80 % zu mindern:

a) Erfolglos versucht die Beklagte aus § 93 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 226) herzuleiten, dass der von ihr unberücksichtigte Teil der von der Klägerin entrichteten Verletztenrente keine Lohnersatzfunktion habe, sondern dem Ausgleich immaterieller Schäden diene. § 93 Abs. 2 a. a. O. lautet insoweit (vgl. auch Bl. 94):

"Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bleiben unberücksichtigt

1. ...

2. bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung

a) der Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz geleistet würde, ..."

Zur Begründung dieser Vorschrift heißt es (BT-Drucks. 11/4124, S. 174):

"In Nr. 2 a ist vorgesehen, dass - wie bereits im geltenden Recht bei der Berücksichtigung von Renten der Unfallversicherung bei Hinterbliebenenrenten nach § 18 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB IV - entsprechend dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit ein Teil der Verletztenrente der Unfallversicherung, von dem angenommen wird, dass er nicht Lohnersatzfunktion hat, sich nicht rentenmindernd auswirkt. Dadurch wird erreicht, dass Versicherte mit gleich hohem Bruttoverdienst als Schwerbehinderte im Vergleich zu Leichtverletzten eine höhere Gesamtleistung erhalten. ..."

§ 18 a Abs. 3 Satz 1 SGB IV vom 21. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3845) lautet:

"Erwerbseinkommen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 (Anmerkung: Die also bei der Rente wegen Todes zu berücksichtigen sind)

1. ...

2. ...

3. ...

4. die Verletztenrente der Unfallversicherung, soweit sie den Betrag übersteigt, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz gezahlt würde; ..."

Der jeweilige Hinweis auf die Grundrente bezieht sich auf § 31 BVG. Diese Grundrente dient nicht dem Ausgleich erlittenen Erwerbsschadens. Doch darf nicht übersehen werden, dass nach der Begründung zu § 93 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI erstmals eine Freibetragsregelung geschaffen worden ist, durch die Versicherte mit gleich hohem Bruttoverdienst - vor dem Unfall - als Schwerverletzte im Vergleich zu Leichtverletzten eine höhere Gesamtleistung erhalten sollten (vgl. Kasseler Kommentar/Gürtner, a. a. O., Band 1, § 93 SGB VI Rdn. 18). Auch Leichtverletzte können durch diese Gesetzgebung einen wenn auch geringeren Vorteil erlangen. Entscheidend ist, dass vor Inkrafttreten dieser Vorschrift die Verletztenrente unabhängig von dem Grad der Verletzung nach einem bestimmten Prozentsatz bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge zu berücksichtigen war und es keinen Zweifel daran gegeben hat, dass die Verletztenrente in vollem Umfang Lohnersatzfunktion hatte, also diese Leistungen des Sozialversicherungsträgers vollumfänglich kongruent gegenüber der Verpflichtung des Schädigers und seines Haftpflichtversicherers zum Ausgleich des Erwerbsschadens des Geschädigten gewesen ist, soweit deren Schadensersatzpflicht hierfür gereicht hat. Dass der Gesetzgeber diesen Charakter der Verletztenrente gegenüber dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer hätte ändern und letztere ggf. hätte besser stellen wollen, ist § 93 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI nicht zu entnehmen. Wie der Begründung des Gesetztes und der Vorschrift zu entnehmen ist, ist es Wille des Gesetzgebers gewesen, bei der Ermittlung von Erwerbsunfähigkeitsrente die Schwerverletzten gegenüber den Leichtverletzten besser zu stellen, nämlich dass die Verletztenrente nicht mehr einheitlich nach einem bestimmten Prozentsatz zu berücksichtigen ist.

Es gibt überhaupt keine, zumindest keine ausreichenden Hinweise für die Annahme, dass der Gesetzgeber mit § 93 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI für einen Teil der Verletztenrente einen anderen Charakter hat schaffen oder begründen wollen. Es gibt keine Grundlage, der Bezugnahme auf die Grundrente nach dem BVG in der genannten Vorschrift über eine bloß gegebene Berechnungsgrundlage hinaus eine weitergehende Bedeutung beizumessen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber dem nach dieser Berechnungsgrundlage ermittelten Betrag den Charakter eines Ausgleichsanspruchs für immaterielle Schäden, nämlich eines Schmerzensgeldes gemäß § 847 BGB oder eines Schadensersatzanspruchs wegen unfallbedingter Vermehrung der Bedürfnisse des Geschädigten i. S. d. § 843 Abs. 2 BGB hat geben wollen. Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung, ob der Gesetzgeber einen Teil der Verletztenrente selbst dann schmerzensgeldausgleichenden Charakter hat beimessen wollen, wenn der Unfallgegner nicht schuldhaft gehandelt hat; § 847 BGB setzt schuldhaftes Verhalten des Schädigers voraus.

Allein deshalb kommt der Verletztenrente weiterhin in voller Höhe Lohnersatzfunktion zu. Sie ist mit dem Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens in vollem Umfang kongruent.

Somit braucht nicht mehr auf die Ausführungen der Klägerin zu § 56 SGB VII vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1254) auf S. 3 ff. des Schriftsatzes vom 18. Juli 2000 (Bl. 121 ff.) eingegangen zu werden, mit denen sie belegen will, dass es dem Gesetzgeber ferngelegen hätte, die von der Beklagten angenommene Aufteilung der Verletztenrente beabsichtigt zu haben.

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten (S. 9 der Berufungsbegründung, Bl. 98) ist dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 1976 (BVerfGE 42, 176 ff.) nicht zu entnehmen, dass dieses Gericht der Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes teilweise den Charakter wie im Falle eines Ausgleiches eines immateriellen Schadens - i. S. d. § 847 BGB - beimisst.

Im Übrigen heißt es in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1972 (BVerfGE 34, 118, 132 unter Nr. C I 4):

"Für die Beurteilung des Gesamtsystems ist im Übrigen auch zu beachten, dass die Rente aus der Unfallversicherung unter den gegenwärtigen Verhältnissen bei leichten und mittelschweren Unfällen ein entgangenes Schmerzensgeld aufwiegt."

Damit erklärt dieses Gericht nicht, dass ein Teil der Unfallrente den Charakter eines Schmerzensgeldes i. S. d. § 847 BGB hätte und insoweit keine Kongruenz mit dem übergegangenen Ersatzanspruch bestehe, soweit Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer den Erwerbsschaden des Geschädigten zu ersetzen hätten.

Zwar weist die Beklagte zutreffend auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 31. März 1998 (BSGE 82, 83, 99 = SozR 3 - 2600 § 93 Nr. 7 = Bl. 158 d. A.) hin, "mit der Bezugnahme auf die BVG-Grundrente in § 93 Abs. 2 SGB VI wurde nunmehr gesetzlich klargestellt, dass der Verletztenrente auch die Funktion zukommt, bestimmte "immaterielle Schäden" auszugleichen. Denn die BVG-Grundrente stellt eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit dar und soll zudem Mehraufwendungen ausgleichen ..." Doch ist dem nicht zu folgen. Denn wie ausgeführt, ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Charakter der Verletztenrente teilweise ändern wollte. Soweit das Bundessozialgericht die Bedeutung der BVG-Grundrente hervorhebt, ist nicht erläutert, weshalb allein wegen der Bezugnahme in § 93 SGB VI auf das Bundesversorgungsgesetz als Berechnungsweise für den Freibetrag sich der Charakter der Verletztenrente teilweise verändert haben müsse. Deshalb überzeugt die Beklagte mit ihrer Deutung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. April 1996 (NVwZ-RR 1997, 293) nicht (vgl. S. 6 f. der Berufungsbegründung, Bl. 95 f.). Dieser Entscheidung (a. a. O., S. 294) ist mit dem Landgericht darin zu folgen, dass Verletztenrenten rechtlich auch nicht teilweise dazu bestimmt sind, einen verletzungsbedingten Mehrbedarf zu decken.

Mangels Begründung, dass der Gesetzgeber den Charakter eines Teiles der Verletztenrente geändert hätte, ist nicht den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juli 1983 und 23. Februar 1988 (NJW 1984, 83; NZA 1988, 609), zu folgen, soweit darin zum Ausdruck kommt, dass sie ferner dem Ausgleich immaterieller Schäden und sonstiger Einbußen dient. Dasselbe gilt für die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 31. März 1998 (SozR 3 - 2600 § 311 SGBVI Nr. 2, S. 14) und vom 8. Dezember 1992 (BSGE 71, 299, 304). An der vom Senat vertretenen Ansicht ändert schließlich nichts der Hinweis der Beklagten auf das Rundschreiben des BMA vom 2. März 1985 (als Anlage mit Schriftsatz vom 6. Oktober 1999 - vgl. Bl. 38, 43 - eingereicht).

Deshalb ist auf die von der Beklagten wegen der Rentenreform als überholt angesehene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurückzugreifen, als die Verletztenrente in voller Höhe auf Erwerbseinbußen bzw. Erwerbsschaden anzurechnen ist, also Kongruenz besteht; nur wenn die - volle - Schadensersatzpflicht des Schädigers und des Haftpflichtversicherers nicht ausreicht, Leistungen mehrerer Sozialversicherungsträger an den Geschädigten auf den Erwerbsschaden auszugleichen, sind die Schadensersatzleistungen entsprechend den "vollen" Leistungen der Sozialversicherungsträger auf diese aufzuteilen; die Verletztenrente betrifft weder dem Geschädigten zustehendes Schmerzensgeld (§ 847 Abs. 1 BGB) noch den Anspruch auf Ausgleich vermehrter Bedürfnisse gemäß § 843 Abs. 1 BGB (vgl. BGHZ 28, 68, 70; VersR 1970, 899; NJW 1982, 1589, 1590; NJW 1985, 735/736).

Es braucht mit der Klägerin nicht weiter darauf abgestellt zu werden, dass die von der Beklagten geleistete Erwerbsunfähigkeitsrente lediglich bis zum 65. Lebensjahr, also bis zur voraussichtlichen Verrentung des Geschädigten aufzubringen ist (vgl. BGH NZV 1995, 441).

Sollte den zuvor zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundessozialgerichts und des Bundesarbeitsgerichts entnommen werden müssen, dass der Gesetzgeber beabsichtigt habe, den Charakter der Verletztenrente teilweise geändert zu haben, und ein Teil dem Ausgleich von Schmerzensgeld und vermehrten Bedürfnissen dienen solle (§§ 847, 843 BGB), müsste künftig überlegt werden, ob insoweit Ansprüche des Geschädigten teilweise auf den die Verletztenrente leistenden Sozialversicherungsträger übergegangen sind, er also gegenüber dem Schädiger und Haftpflichtversicherer Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse gegenüber dem Schädiger und Haftpflichtversicherer oder demjenigen Sozialversicherungsträger, der sonst für vermehrte Bedürfnisse aufzukommen hat, nicht mehr in voller Höhe geltend machen könnte.

3. Hiernach kommt es auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht an, ob denn die Klägerin über die Zahlung der Verletztenrente hinaus durch weitere Leistungen die vermehrten Bedürfnisse der Geschädigten F überhaupt oder nur unvollständig ausgleicht, womit sie offenbar begründen will, dass Verletztenrente auch solche Bedürfnisse ausgleiche (vgl. S. 1 f. ihres Schriftsatzes vom 29. September 2000, Bl. 129 f., und die Erwiderung der Klägerin mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2000 u. a. unter Vorlage des Bescheides vom 8. Januar 1998 zur Pflegegeldzahlung in Ablichtung, Bl. 134 f., 138). Deshalb ist die Verletzte F. nicht auf Antrag der Beklagten als Zeugin zu vernehmen gewesen. Ebenso wenig brauchte der Beweisantritt der Beklagten dazu ausgeschöpft zu werden, dass eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht regelmäßig zum Verlust des Arbeitsplatzes führe.

4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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