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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 01.10.2007
Aktenzeichen: 12 U 72/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 513 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 529
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 12 U 72/06

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, den Richter am Kammergericht Dr. Wimmer und die Richterin am Kammergericht Zillmann am 1. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe:

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Die Entscheidung des Landgerichts, auf Grund einer außergewöhnlichen Häufung von Beweisanzeichen lägen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die vom Kläger geltend gemachten Schäden an seinem Fahrzeug nicht aus einem zufälligen Schadensereignis herrührten, sondern - sofern sie überhaupt auf eine Kollision mit dem bei der Beklagten zu 1. versicherten Fahrzeug stammten - auf einen geplanten Zusammenstoß zurückzuführen sind, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Eine ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen kann die Feststellung rechtfertigen, dass ein Unfall verabredet gewesen ist, wobei die erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür ausreicht (st. Rspr., vgl. nur BGHZ 71, 339; Senat, NZV 2003, 87; NZV 2003, 233; KGR 2005, 851). Beweisanzeichen können sich ergeben aus Unfallhergang, Art der Schäden, fehlender Kompatibilität, Anlass der Fahrt, Art der beteiligten Fahrzeuge, persönliche Beziehungen und Vermögensverhältnissen der Beteiligten. Entscheidend ist die Gesamtschau, nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände (OLG Köln, Urteil vom 13. Februar 1994 - 12 U 206/93 - r + s 1994, 212).

Als Indizien für einen manipulierten Unfall sind dabei insbesondere folgende Umstände zu werten: Eine Unfallsituation, bei der der Geschädigte dem Grunde nach die volle Haftung der Gegenseite erwarten kann, die Abwesenheit unbeteiligter Zeugen, eine begrenzte Bereitschaft zur Sachaufklärung, widersprüchliche Darstellungen zum Unfallgeschehen; ein fehlender Grund für den behaupteten Fahrfehler, ein wertloses Schädigerfahrzeug, die Beteiligung von Personen, die erfahrungsgemäß aus finanziellen Gründen leicht zur vorsätzlichen Herbeiführung von Unfällen gewonnen werden können, schneller Weiterverkauf des Schädigerfahrzeugs nach dem Unfall (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30. November 1998 - 6 U 148/797 - DAR 1999, 404).

Für die erforderliche Überzeugungsbildung über die erhebliche Wahrscheinlichkeit eines manipulierten Unfalls kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/ oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen; entscheidend ist vielmehr stets die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen (KG, Urteil vom 19. Februar 2007 - 22 U 132/06 -).

Der Beweis für einen fingierten Unfall ist geführt, wenn sich der "Unfall" als letztes Glied einer Kette gleichförmiger Geschehnisse darstellt, ohne dass sich die festgestellten Gemeinsamkeiten noch durch Zufall erklären ließen. Das gilt auch dann, wenn in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtung jeweils auch als unverdächtig erklärt werden könnten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 8. März 2007 -19 U 54/06 - MDR 2007, 1019).

Ist das Opferfahrzeug in erheblichem Maße vorgeschädigt, ist dies ein aussagekräftiges Indiz für einen manipulierten Unfall, und zwar unabhängig davon, ob die Vorschäden dem Kläger tatsächlich bekannt waren (vgl. KG, Urteil vom 18. Oktober 2004 - 22 U 80/04 -).

Nach diesen in der Rechtsprechung der Verkehrssenate der Oberlandesgerichte seit langem anerkannten Grundsätzen hat das Landgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend festgestellt, dass hier eine derart erhebliche Häufung von werthaltigen Beweisanzeichen vorliegt, dass diese keinen Zufall mehr darstellen können, sondern auf ein vorsätzliches Geschehen hindeuten.

2. Der Senat, der seit Jahren als Spezialsenat in Verkehrssachen tätig ist, folgt dieser Wertung des Landgerichts auch aus eigener Überzeugung. Dabei sei nochmals aufgeführt, dass folgende, in den Fällen des Senats bei manipulierten Verkehrsunfällen immer wieder auftauchende Beweisanzeichen, im zu entscheidenden Fall vorlagen:

geschädigtes Fahrzeug ist älteres Fahrzeug der Luxusklasse mit höherer Laufleistung

geschädigtes Fahrzeug ist erheblich vorgeschädigt

geschädigtes Fahrzeug ist häufiger in Unfälle verwickelt

zur Reparatur der Vorschäden erfolgen keine substantiierten Angaben

die Reparatur erfolgte in zweifelhafter Werkstatt ohne Rechnung auf billigstem Niveau, ohne dass Einzelheiten zur Art der Reparatur vorgetragen werden

Abrechnung der Schäden stets auf Gutachtenbasis

Geschädigter ist auch mit anderen Fahrzeugen häufiger in Unfälle verwickelt

Unfall erfolgte zur Nachtzeit

keine unabhängigen Zeugen

einfacher, nicht nachhaltig erklärter Fahrfehler führte zum angeblichen Unfall

die Schuld wird sofort eingeräumt

Schädigerfahrzeug ist älter und minderwertig

Schädigerfahrzeug wird alsbald nach dem Unfall unauffindbar weiterveräußert

Schädiger befindet sich in schlechten finanziellen Verhältnissen

Widersprüchliche Angaben zum Unfallhergang/Grund des Fahrfehlers.

Soweit die Berufung einzelne dieser Indizien angreift und vorliegend als unverdächtig erklären will, ändert dies nichts an der durch die Anzahl der vorliegenden Beweisanzeichen gewonnenen Gesamteinschätzung.

Die Überzeugungsbildung des Gerichts setzt keine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus; vielmehr kann eine Häufung von Beweisanzeichen, die auf eine Manipulation hindeuten, ausreichend sein. Als Indiz geeignet ist in diesem Zusammenhang ein Umstand, für den es bei Annahme eines echten Unfalls entweder keine Erklärung gibt oder wenn er bei einem gestellten Unfall signifikant häufiger vorkommt, als bei einem echten (vgl. Geigel, Der Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap 37 Rn. 38). Es kommt auch nicht darauf an, ob in diesem Sinne geeignete Indizien bei isolierter Betrachtungsweise auch unverdächtig sein können, solange ihre Häufung letztlich nicht anders als mit einem fingierten Geschehen erklärbar ist (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 8. März 2007 -19 U 54/06 - MDR 2007, 1019).

Hinsichtlich der Berufungsangriffe ist im Einzelnen noch Folgendes hervorzuheben:

Auch auf viel befahrenen Straßen ist zur Nachtzeit mit weniger Zeugen zu rechnen, da potentielle Zeugen einen Unfallhergang auf Grund der Dunkelheit nicht oder schlechter beurteilen können und zudem weniger geneigt sind, anzuhalten und sich als Zeugen zur Verfügung zu stellen.

Die Äußerungen der Beklagten zu 2. sind möglicherweise vom Landgericht nicht ganz zutreffend als "nebulös" bezeichnet worden. Sie sind jedenfalls ohne Zweifel dergestalt, dass sie eine eindeutige Erklärung für den Unfall "...so denke ich, dass ich damals irgendwie mit dem Radio beschäftigt war, unter Umständen mit einer CD ..." vermissen lassen. Diese äußerst vagen Angaben, bei denen sich die Beklagte zu 2. offenbar nicht festzulegen vermochte, machte sie im Termin am 15. Februar 2006, also lediglich ein Jahr und knapp drei Monate nach dem Schadensereignis.

Soweit die Berufung statistische Angaben des Landgerichts darüber vermisst, weshalb die Beteiligung eines älteren Luxusfahrzeuges ein gewichtiges Indiz für einen manipulierten Unfall darstellt, sei auf folgende Fälle aus der Rechtsprechung verwiesen, wobei es sich lediglich um einen kleinen Ausschnitt der Fälle manipulierter Unfälle unter Beteiligung eines älteren Fahrzeuges der gehobenen bis Luxusklasse handelt:

Entscheidungen des KG: 12 U 7990/00 vom 5.12.2002 = KGR 2003, 143; 22 U 383/01 vom 22.8.2002; 12 U 207/01 vom 16.1.2003 = KGR 2003, 366; 12 U 272/01 vom 17.4.2003 = KGR 2004, 260; 22 U 222/02 vom 23.6.2003; 12 U 318/03; 12 U 4/04 vom 6.2.2006 = KGR 2006, 793 m.w.N.; 22 U 80/04 vom 18.10.2004; 12 U 190/04 vom 6.6.2005 = KGR 2005, 851; 12 U 228/04 vom 12.1.06 = NUV 2006,377;12 U 201/05 Beschluss vom 8.12.05 = KGR 2007, 265; 12 U 32/06 Beschluss vom 24.10.06 = KGR 2007, 304; 12 U 8/07 Beschluss vom 22.2.2007; OLG Hamm 13 U 30/05 vom 30.5.2005 = ZfS 2005, 539; OLG Karlsruhe vom 8.3.2007 = MDR 2007, 1019.

Bezüglich des von der Berufung vorgebrachten Angriffs, das Landgericht hätte es versäumt, Beweis über die behauptete Reparatur des Vorschadens zu erheben, ist dem entgegen zu halten, dass es bereits an substantiiertem Vorbringen zu einer behaupteten Reparatur fehlte.

Die Behauptung, eine angebliche Reparatur, deren Einzelheiten nicht dargelegt werden, sei fachgerecht durchgeführt worden, kann nicht zulässigerweise in das Wissen eines Zeugen gestellt werden, der lediglich über Tatsachen vernommen werden kann (§ 373 ZPO); denn dies wäre Ausforschung und ein ungeeignetes Beweismittel, da eine fachkundige Bewertung erforderlich ist. Dies gilt auch dann, wenn als Zeuge der Privatsachverständige benannt ist, solange nicht dargetan ist, auf welche Weise dieser das Fahrzeug untersucht haben will, das einen schweren Schaden erlitten hat.

Bereits aus der vom Kläger vorgelegten Bestätigung der ... GmbH vom 14.11. 2005 ergibt sich nicht, welche Reparaturen an dem Fahrzeug vorgenommen worden sein sollen. Auch hat der Kläger nicht vorgetragen, welche konkreten Reparaturarbeiten in das Wissen des von ihm benannten Zeugen ... gestellt werden sollen. Das Landgericht hat deshalb zu Recht davon abgesehen, den Zeugen zu vernehmen.

3. Die Abweisung der Klage folgte letztlich auch deshalb zu Recht, weil der Kläger nicht ausreichend dazu vorgetragen hat, dass die vorliegend geltend gemachten Schäden kausal auf dem hiesigen Ereignis beruhten.

Das Fahrzeug des Klägers hatte unstreitig knapp ein Jahr vor dem hiesigen Vorfall einen Schadensfall mit erheblichen Beschädigungen im hiesigen Schadensbereich, dem Heck des Fahrzeugs. Ausweislich des Gutachtens ... vom 9.1.2004 waren dort erhebliche Beschädigungen im Bereich der hinteren Karosserie inklusive Träger und Querträger eingetreten, die Instandsetzungskosten von 14.699,74 EUR erforderlich machten.

Wird - wie hier - die Kausalität zwischen dem "Unfall" und den danach vorliegenden Schäden bestritten, so obliegt es dem Kläger, die Ursächlichkeit im Einzelnen nachzuweisen. Hierfür muss er ausschließen, dass Schäden gleicher Art und gleichen Umfangs schon früher vorhanden waren (vgl. BGHZ 71, 339, 345 = NJW 1974, 2154, 2156 = VersR 1978, 862, 864; OLG Düsseldorf, DAR 2006, 324).

4. Es wird nach alledem anheim gestellt, die weitere Durchführung der Berufung zu überdenken.

Ende der Entscheidung

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