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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 09.04.2001
Aktenzeichen: 12 U 8410/99
Rechtsgebiete: BGB, StVO, StVG, HaftpflG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 852
BGB § 831
BGB § 823
BGB § 847 Abs. 1
BGB § 831 Abs. 1 Satz 1
StVO § 41
StVG § 18 Abs. 1
StVG § 7 Abs. 2
StVG § 17 Abs. 2
HaftpflG § 1
HaftpflG § 4
HaftpflG § 13
HaftpflG § 1 Abs. 2
ZPO § 91
ZPO § 713
ZPO § 523
ZPO § 256
ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 8410/99

Verkündet am: 9. April 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, den Richter am Amtsgericht Dr. Wimmer und den Richter am Kammergericht Philipp für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 30. August 1999 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 25.859,26 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. August 1998 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. den materiellen Schaden der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 8. Februar 1997 gegen 13.55 Uhr in Berlin-Prenzlauer Berg auf der Kreuzung Wisbyer Straße/Trelleborger Straße nach einer Quote zu 1/2 zu ersetzen hat, soweit nicht Schadensersatzansprüche auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Ferner wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. der Klägerin den künftigen immateriellen Schaden aus dem zuvor genannten Unfallereignis unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens der Klägerin zu ersetzen hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 58 % der Gerichtskosten, 58 % ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten, 29 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. in voller Höhe zu tragen; die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 1.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine Partei 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Abweichend von der Darstellung im Tatbestand des angefochtenen Urteils hat die Klägerin mit der Klageschrift vom 15. Juni 1998 (S. 4 = Bl. 9) neben einem Schmerzensgeld in Höhe von 35.000,00 DM 70 % von folgenden Beträgen ersetzt verlangt:

Kosten für das Privatgutachten des Sachverständigen d P gemäß Rechnung vom 13. März 1997 (Bl. 15) 835,48 DM Nutzungsausfallentschädigung für 14 Tage zu je 58,00 DM 812,00 DM Auslagenpauschale 30,00 DM Kosten für einen Arztbericht gemäß Rechnung vom 2. September 1997 (Bl. 25) 42,03 DM 1.719,51 DM. Hiervon 70 % 1.203.66 DM.

An genannter Stelle hat die Klägerin - vom Landgericht übersehen - ausdrücklich darauf hingewiesen, den Fahrzeugschaden in Höhe von 10.500,00 DM nicht geltend zu machen, da dieser Schaden von ihrer Kaskoversicherung reguliert worden sei.

Im Übrigen wird auf das in dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung zusammengefasste Vorbringen der Parteien im ersten Rechtszug nebst Verweisungen Bezug genommen. Das Landgericht hat durch sein am 30. August 1999 verkündetes und durch Beschluss vom 3. Dezember 1999 berichtigtes Urteil die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung der Entscheidung des Landgerichts im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen dieses ihr am 13. September 1999 zugestellte Urteil - der Berichtigungsbeschluss ist ihr am 10. Dezember 1999 zugestellt worden und betrifft lediglich das Datum des Gutachtens, das der Sachverständige D I, U W unter dem 20 Mai 1999 (Bl. 77 ff.) gefertigt hat - wendet sich die Klägerin mit ihrer am 13. Oktober 1999 bei Gericht eingegangenen Berufung. Auf ihren am 11. November 1999 eingegangenen Antrag ist die Frist für die Berufungsbegründung bis zum 15. Dezember 1999 verlängert worden. Die Klägerin hat ihr Rechtsmittel mit am 15. Dezember 1999 eingegangenem Schriftsatz begründet, mit der sie ihre im ersten Rechtszug geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt und ferner die Feststellung verlangt, dass die Beklagten ihren gesamten künftigen Schaden zu ersetzen hätten. Sie trägt unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im ersten Rechtszug und teilweiser Wiederholung desselben weiter vor:

Anstatt aus etwa 34 bis 68 m Entfernung zur späteren Unfallstelle Warnsignale abzugeben, wie dem Gutachten des Sachverständigen D-I W vom 20. Mai 1999 zu entnehmen sei, hätte der Beklagte zu 2. bereits zu diesem Zeitpunkt mit der Straßenbahn eine Notbremsung vornehmen müssen, da er erkannt habe, dass sie nach rechts schaue und sich mit ihrem Personenkraftwagen auf das Gleisbett zubewege. Vor ihr hätten mehrere Fahrzeuge das Gleisbett überquert Aus dieser Entfernung habe der Beklagte zu 2. die Sperrung des Längsverkehrs - gemeint ist der Verkehr westlich der Unfallkreuzung auf der nördlichen Richtungsfahrbahn der Wisbyer Straße durch Polizeibeamte - wahrnehmen müssen; Polizeifahrzeuge hatten quer zur Fahrbahn gestanden. Die Strecke sei nicht hügelig und damit gut einsehbar gewesen. Deshalb hatte der Beklagte zu 2. die Straßenbahn noch 10 bis 20 m vor ihrem Fahrzeug zum Stehen bringen müssen. Durch die Vollbremsung waren Fahrgäste in der Straßenbahn nicht gefährdet worden.

Das Landgericht habe ferner die erhöhte Betriebsgefahr der Straßenbahn unberücksichtigt gelassen, die infolge der besonderen Gesamtverkehrslage, des verlängerten Bremsweges der Straßenbahn wegen der Witterungsverhältnisse - es sei feucht und rutschig gewesen - und der Geschwindigkeit der Straßenbahn trotz der besonderen Verkehrsverhältnisse erheblich erhöht gewesen (Bl. 162 f.).

Auch sei nicht nachvollziehbar, ob die Straßenbahn frei von technischen Mangeln gewesen sei. Die Beklagte zu 1. habe hierzu weder die Kurzwegregistratur noch Fotos noch ein technisches Gutachten vorgelegt (Bl. 162).

Jedenfalls hafte die Beklagte zu 1. für das Fehlverhalten des Beklagten zu 2. als ihren Verrichtungsgehilfen gemäß §§ 831 Abs. 1 Satz 1 BGB, 1 HaftpflG. Einen Entlastungsbeweis, dass den Beklagten zu 2. keine Schuld treffe oder der Unfall für ihn unabwendbar gewesen sei, habe die Beklagte zu 1. nicht geführt (S. 5 der Berufungsbegründung, Bl. 163).

Wegen der schweren Verletzungen und der Folgeschäden, die sich ständig verschlimmerten, werde sie ihrem Beruf als Zuschneiderin, den sie im Stehen habe ausüben müssen, nicht mehr nachgehen können. Derzeit absolviere sie auf Veranlassung des Arbeitsamtes eine Umschulung im Rahmen einer Rena-Maßnahme. Mit der künftigen Arbeit werde sie ein geringeres Einkommen als als Zuschneiderin erzielen. Auf ärztliches Anraten betreibe sie vor dem Sozialgericht Berlin zu S 30 RJ 1128/00 das Verfahren wegen Gewährung einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente. Die Höhe des Erwerbsschadens könne sie noch nicht beziffern (S. 6 der Berufungsbegründung, Bl. 164). Nach dem Unfall habe sie Unterhalts- und Arbeitslosengeld bezogen.

Die Klägerin beantragt, wie mit der Berufungsbegründungsschrift vom 13 Dezember 1999 angekündigt,

1. unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 36.203,66 DM nebst 4 % Zinsen zu zahlen,

2. ferner festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, sämtliche über den Antrag zu 1. hinausgehenden Schäden zu ersetzen, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind,

und zwar in Verbindung mit dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 30. März 2001, nämlich

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.203,66 DM Schadensersatz nebst 4 % Zinsen p a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 35.000,00 DM Schmerzensgeld für den Zeitraum vom 8. Februar 1997 bis zur Urteilsverkündung am 30. August 1999 nebst 4 % Zinsen p. a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. in Erweiterung der Anträge festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, an sie 70 % sämtlicher, über die Anträge zu 1. und 2. hinausgehender materiellen und immateriellen Schäden zu bezahlen, letztere soweit sie nach dem 30. August 1999 aus dem Unfall vom 8. Februar 1997 auf der Wisbyer Straße in Berlin entstehen und soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie machen sich die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils zu Eigen und tragen unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im ersten Rechtszug weiter vor:

Der Sachverständige N habe keine Feststellungen über die Entfernung der Straßenbahn von der späteren Unfallstelle getroffen, als der Beklagte zu 2 das Warnsignal abgegeben habe. Sie, die Beklagten, räumten nur das ein, was der Beklagte zu 2. anlässlich seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht am 25. Januar 1999 erklärt habe. Danach sei es dem Beklagten zu 2. nicht mehr möglich gewesen, den Unfall durch eine Notbremsung zu vermeiden, als er erkannt habe, dass die Klägerin sich vorschriftswidrig verhalten würde. Allein wegen des Staus auf der Fahrbahn habe er eine Vollbremsung nicht zu einem früheren Zeitpunkt durchführen müssen, um nicht unnötig Fahrgäste zu gefährden und Schadensersatzansprüche auszulösen.

Zu bestreiten sei, dass die Klägerin infolge des Unfalls nicht mehr in der Lage sei, ihren früheren Beruf auszuüben, dass sie auf ärztliches Anraten Antrag auf Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente gestellt und wegen der angeblichen Behinderung eine Reha-Maßnahme über das Arbeitsamt erhalten habe.

Soweit sie mit Schriftsatz vom 4. April 2001 (Bl. 209) von der Klägerin erlittene Unfallfolgen bestritten hätten, beziehe sich ihr Bestreiten lediglich auf nicht dokumentierte Unfallfolgen, die die Klägerin aus nicht vorgelegten Unterlagen des Verfahrens vor dem Sozialgericht zitiert habe, und auf daraus ggf. folgende Rückschlüsse, nicht dagegen auf in vorliegenden ärztlichen Unterlagen dokumentierte Unfallfolgen, wie beispielsweise den Inhalt des Berichtes der Ärzte R und D vom 2. September 1997 (Bl. 26).

Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. März 2001 (Bl. 192) auch künftige immaterielle Schäden geltend mache, werde vorsorglich die Einrede der Verjährung erhoben (Schriftsatz vom 4. April 2001, Bl. 209).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und die von der Klägerin eingereichten Unterlagen verwiesen.

Der Beklagte zu 2 ist vor dem Senat persönlich angehört worden. Soweit seine Angaben im Senatsprotokoll vom 9. April 2001 festgehalten worden sind, wird auf dieses Bezug genommen.

Die Akten 102 PLs 1545/97 Ve der Amtsanwaltschaft Berlin haben dem Senat zum Zwecke der Information vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Dasselbe gilt, soweit die Klägerin bereits mit der Berufungsbegründungsschrift vom 13. Dezember 1999 (S. 2 = Bl. 154) die Feststellung begehrt hat, dass ihr "sämtliche... Schäden" zu ersetzen sind, soweit sie diese nicht bereits der Höhe nach mit insgesamt 36.203,66 DM angegeben hat; dies ergibt sich aus §§ 523, 264 Nr. 2 ZPO. Dieser sich auf sämtliche weiteren Schäden beziehende Feststellungsantrag betrifft schon wegen der deutlichen Formulierung nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Schäden, soweit sie nicht bereits von den 35.000,00 DM erfasst sind, die die Klägerin als Schmerzensgeld fordert. Deshalb ist der Antrag der Klägerin aus dem Schriftsatz vom 30. März 2001, soweit sie damit u. a. die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für "immaterielle Schäden" begehrt (Bl. 192), allenfalls als Klarstellung zu verstehen, die jedoch wegen der Eindeutigkeit der Anträge aus der Berufungsbegründungschrift vom 13. Dezember 1999 nicht mehr geboten war. Damit hat die Klägerin auch dieses Feststellungsbegehren noch vor Ablauf der sich aus § 852 BGB ergebenden dreijährigen Verjährungsfrist geltend gemacht; die insoweit von den Beklagten mit Schriftsatz vom 4. April 2001 (Bl 209) erhobene Einrede der Verjährung bleibt rechtlich bedeutungslos.

Im Übrigen ist es zulässig, dass die Klägerin nur einen Teil ihres materiellen Schadens mit der Leistungsklage geltend gemacht hat und darüber hinaus die materielle Feststellungsklage betreibt. Denn jedenfalls für den über das Jahr 2000 hinausgehenden Zeitraum konnte die Klägerin einen etwaigen Verdienstausfallschaden noch nicht beziffern Eine Feststellungsklage ist aber nicht schon dann im Hinblick auf die Möglichkeit einer Leistungsklage unzulässig, wenn der Geschädigte nur einen Teil des verursachten Schadens - hier des Verdienstausfalls - bereits zu beziffern in der Lage ist (BGH NJW-RR 1986, 1026; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 256 Rdn. 8).

II. Das Rechtsmittel der Klägerin hat teilweise Erfolg. Die Beklagte zu 1. hat ihren materiellen Schaden, auch soweit dieser noch nicht beziffert ist, nach einer Quote zu 1/2 zu ersetzen. Bei dem bisherigen und ggf. künftigen immateriellen Schaden, den die Beklagte zu 1. gleichfalls zu ersetzen hat, ist ein hälftiges Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen. Im Übrigen hat ihre Berufung keinen Erfolg:

Der Unfall hatte sich am 8. Februar 1997 gegen 13.55 Uhr in Berlin-Prenzlauer Berg auf der Kreuzung Wisbyer Straße/Trelleborger Straße ereignet. Die Klägerin bog mit ihrem Personenkraftwagen Citroen B - N 8 von der nördlichen Richtungsfahrbahn der Wisbyer Straße - in westlicher Richtung fahrend - nach links ab und beabsichtigte, in südlicher Richtung den Durchbruch des breiten Mittelstreifens zu durchfahren. Hierzu sah sie sich veranlasst, weil die Weiterfahrt auf der nördlichen Richtungsfahrbahn der Wisbyer Straße wegen eines anderen Verkehrsunfalls nicht möglich war und deshalb Polizeibeamte den Verkehr auf dieser Richtungsfahrbahn nach Norden oder Süden umleiteten. Auf dem breiten Mittelstreifen der Wisbyer Straße befindet sich für die Straßenbahn ein eigener Gleiskörper. Auf dem Mittelstreifen sind die Straßenbahnschienen in die Fahrbahn, also innerhalb des Verkehrsraumes einer öffentlichen Straße eingelassen. Vor dem Schienenbett im Mittelstreifendurchbruch hatte die Klägerin das dort angebrachte Zeichen 205 zu § 41 StVO ("Vorfahrt gewähren") zu beachten. Dort auf dem Gleisbett kam es zur Kollision zwischen dem Personenkraftwagen der Klägerin und der Straßenbahn Nr. A 1 der Beklagten zu 1., die der Beklagte zu 2. führte. Letzterer hatte mit der Straßenbahn den Mittelstreifen der Wisbyer Straße in westlicher Richtung befahren. Auf die polizeiliche Verkehrsunfallskizze zu dem gegen die Klägerin gerichteten Ermittlungsverfahren 102 PLs 1545/97 Ve der Amtsanwaltschaft Berlin (= BA, dort Hülle Bl. 4) wird verwiesen. Die Straßenbahn geriet gegen die linke Seite des Personenkraftwagens der Klägerin in Höhe der Fahrertür. Die Klägerin wurde durch den Aufprall der Straßenbahn erheblich verletzt.

Soweit die Klägerin ein Schmerzensgeld verlangt und die Feststellung der Einstandspflicht für künftige immaterielle Schäden fordert, ergibt sich dies gegenüber der Beklagten zu 1. aus §§ 831, 847 Abs. 1 BGB, 256 ZPO. Bezüglich des Ersatzes des bereits bezifferten materiellen Schadens und der Feststellung der Einstandspflicht für noch nicht bezifferten und künftigen materiellen Schaden folgt die Haftung der Beklagten zu 1. aus § 1 HaftpflG und § 831 BGB i. V. mit § 256 ZPO.

§ 1 HaftpflG schließt die persönliche Inanspruchnahme des Beklagten zu 2. als Triebwagenführers in gleichem Umfang nach §§ 823, 847 Abs. 1 BGB, 256 ZPO nicht aus, wenn er den Unfall schuldhaft herbeigeführt hat. Ein schuldhafter Verstoß gegen eine Verkehrspflicht muss ihm nachgewiesen werden. Eine dem § 18 Abs. 1 StVG entsprechende Beweislastnorm kennt das Haftpflichtgesetz nicht (Greger, StVG, 3. Aufl. 1997, HaftpflG § 12 Rdn. 4). Nach § 18 Abs. 1 StVG haftet der Führer des Kraftfahrzeuges wie der Halter desselben für gegenwärtigen und künftigen materiellen Schaden, sofern ersterer nicht beweist, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 BGB) beachtet zu haben; er braucht - anders als der Halter - nicht zu beweisen, dass sich für ihn der Unfall als ein unabwendbares Ereignis dargestellt hat. Den der Klägerin obliegenden Beweis schuldhaften Verhaltens seitens des Beklagten zu 2. hat sie nicht geführt.

Hierzu ist Folgendes hervorzuheben:

1.

Die Beklagte zu 1. hat der Klägerin den gegenwärtigen bezifferten und unbezifferten sowie den künftigen materiellen Schaden anteilig schon deshalb zu ersetzen, weil ihre Haftung nicht nach § 1 Abs. 2 HaftpflG ausgeschlossen ist.

a)

§ 1 Abs. 2 HaftpflG nennt zwei Arten des Entlastungsbeweises. Der schwerer zu führende Entlastungsbeweis betrifft den Fall, dass sich das Schadensereignis als höhere Gewalt im Sinne eines von außen auf den Betrieb einwirkenden Ereignisses darstellt, das so außergewöhnlich ist, dass der Bahnunternehmer mit seinem Eintritt nicht zu rechnen braucht, und dass weder durch wirtschaftlich tragbare Einrichtungen noch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt verhindert oder unschädlich gemacht werden kann (BGH DAR 1988, 238, 239; Greger, a. a. O., § 1 Rdn 36; Filthaut, HaftpflG, 5. Aufl 1999, § 1 Rdn. 158, 159).

Der erleichterte Entlastungsbeweis betrifft den Nachweis des unabwendbaren Ereignisses, ist aber gegenüber der höheren Gewalt insofern der weitergehende Begriff, als Gründe, die nicht von außen kommen, sondern in der betrieblichen Sphäre liegen, nicht zur Entlastung führen. Dieser Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses ähnelt bzw. entspricht dem nach § 7 Abs. 2 StVG zu führenden gleichlautenden Entlastungsbeweis (Greger, a. a. O., § 1 Rdn. 16; Filthaut, a. a. O.,§ 1 Rdn. 160).

Die Haftung des Betriebsunternehmers ist unterschiedlich, je nachdem, ob sich der Unfall innerhalb des Verkehrsraums einer öffentlichen Straße - dann Haftungsausschluss entsprechend § 7 Abs. 2 StVG - oder aber außerhalb des Verkehrsraums ereignet hat. Für die in der Regel mit höheren Geschwindigkeiten fahrende Bahn mit eigenem Gleiskörper soll verschärft gehaftet werden. An Kreuzungen ist für die Frage, ob sich der Unfall auf dem Gleiskörper oder auf dem Verkehrsraum einer öffentlichen Straße ereignet hat, entscheidend, ob es sich der baulichen Gestaltung nach um einen Bahnübergang handelt oder ob die Bahn am Verkehr auf der Kreuzung wie ein Straßenfahrzeug teilnimmt. Straßenbahnen, die auf eigenem Gleiskörper in der Straßenmitte fahren, erhalten in der Regel an Straßenkreuzungen keine Andreaskreuze. Damit wird klargestellt, dass sie auf der Kreuzung am allgemeinen Straßenverkehr teilnehmen (KG, Urteil vom 12. Februar 1998 - 12 U 3076/96 - = VerkMitt 1998, 51 Nr. 64; Greger, a. a. O., § 1 Rdn. 18, 21; vgl. auch Filthaut, a. a. O., § 1 Rdn. 196, 198) Weil die Straßenbahn in einem derartigen Kreuzungsbereich in den Straßenverkehr eingeführt ist, muss sich deren Fahrer diesem Verkehr anpassen und im Rahmen der Verpflichtungen nach der Straßenverkehrsordnung die Geschwindigkeit nach den Straßen- und Verkehrsverhältnissen bemessen (Filthaut, a. a. O., § 1 Rdn. 198).

b)

Weil sich wegen der voranstehenden Ausführungen der Unfall innerhalb des Verkehrsraumes einer öffentlichen Straße ereignet hat, hat die Beklagte zu 1. den Beweis zu führen, dass der Unfall für den Beklagten zu 2. ein unabwendbares Ereignis darstellt. Wie ferner hervorgehoben, ähnelt ein solcher Nachweis (§ 1 Abs. 2 HaftpflG) dem nach § 7 Abs. 2 StVG zu führenden gleichlautenden Entlastungsbeweis. Damit kann grundsätzlich auf die Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 StVG zurückgegriffen werden (vgl. auch KG VRS 88, 115, 116 = VersR 1995, 978 Ls).

Nach § 7 Abs. 2 StVG ist die Haftung des Kraftfahrzeughalters dann ausgeschlossen, wenn der Unfall auch bei Anwendung der über die gewöhnliche Sorgfalt hinausgehenden, nach den Umständen des konkreten Falles gebotenen besonderen Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Umsicht nicht zu vermeiden gewesen wäre. Eine absolute Unvermeidbarkeit wird allerdings nicht gefordert. Auch der an den sogenannten "Idealfahrer" anzulegende Maßstab muss menschlichem Vermögen und den Erfordernissen des Straßenverkehrsrechts noch angepasst sein. So gilt auch für ihn in der Regel der Vertrauensgrundsatz, nach dem sich der Kraftfahrer in gewissem Umfang darauf verlassen darf, dass andere Verkehrsteilnehmer sich sachgerecht verhalten, solange keine besonderen Umstände vorliegen, die geeignet sind, dieses Vertrauen zu erschüttern (BGH VersR 1968,475; 1970, 820; NJW 1982, 1149 = Vers R 1982, 441; NJW 1986, 183, 184 = VersR 1985, 864; KG VRS 88, 115, 116; KG, Urteil vom 9. Dezember 1999 - 12 U 7337/95 -).

Die Beklagte zu 1. hat nicht den Beweis geführt, dass der Unfall für den Beklagten zu 2. ein unabwendbares Ereignis darstellt. Das Landgericht gibt die gutachtlichen Äußerungen des Sachverständigen W wieder, der Unfall wäre vermieden worden, wenn der Beklagte zu 2. statt zunächst ein Warnsignal abzugeben, gleich eine Vollbremsung vorgenommen hatte. Das Landgericht meint, der Beklagte zu 2 habe selbst abwägen dürfen, ob er zunächst das Warnsignal abgibt, um eine Gefährdung der Fahrgäste durch eine Vollbremsung zu vermeiden (UA. S. 8). Damit ist nicht der Beweis der Unabwendbarkeit zu führen:

aa)

Hervorzuheben ist, dass der Beklagte zu 2. schließlich doch eine Vollbremsung durchgeführt, zumindest stark abgebremst hat, ohne dass die Beklagten behaupten, dadurch wären die Fahrgäste gefährdet gewesen. Wenngleich G K Fahrgast der Straßenbahn, nicht auf Antrag der Klägerin vernommen worden ist (vgl. S. 3 des Schriftsatzes vom 15. Juni 1998, Bl. 8), hat der Sachverständige D-I U W auf S. 4 seines Gutachtens vom 20. Mai 1999 (Bl. 80) deren schriftliche Zeugenaussage vom 13. Februar 1997 zu dem genannten Ermittlungsverfahren (BA Bl. 6 R) auszugsweise wiedergegeben. Dies ist von keiner Partei beanstandet worden. Aufgrund der Angaben der G K - die in der Straßenbahn saß - deutet nichts auf eine die Fahrgäste gefährdende Notbremsung hin. Es gibt allerdings keine Hinweise, dass Fahrgäste gestanden hätten. Außerdem spricht alles dafür, dass das Landgericht jedenfalls bei Abfassung des Beweisbeschlusses vom 25. Januar 1999 (Bl. 61) nicht deutlich gemacht hat, dass der Beklagten zu 1. die Beweislast obliegt, dass der Unfall für den Beklagten zu 2. ein unabwendbares Ereignis darstellt - ihr obliegt ferner die Beweislast bzw. der Entlastungsbeweis im Rahmen des § 831 BGB -, wenn es die Einholung des Gutachtens von dem Sachverständigen W allein von der Vorschusszahlung der Klägerin abhängig gemacht hat.

Wegen dieser ihr obliegenden Beweislast bezüglich der Voraussetzungen des unabwendbaren Ereignisses hätte die Beklagte zu 1. dartun und beweisen müssen, welche Geschwindigkeit der Beklagte zu 2. tatsächlich einhielt, als er sich der späteren Unfallstelle näherte, wie weit er entfernt war, als er die Klägerin im Personenkraftwagen wahrnahm und erkannte, dass sie nach rechts - in von ihm abgewandter Richtung - blickte, als er Warnzeichen abgab und als er - in welcher Weise - zu bremsen anfing. Dies betrifft lediglich die Haftung der Beklagten zu 1; denn - wie erwähnt - ist ein fahrlässiges Handeln des Beklagten zu 2. von der Klägerin darzulegen und zu beweisen.

Zur Geschwindigkeit der Straßenbahn haben die Beklagten im ersten Rechtszug etwa 40 km/h und eine Entfernung von 40 m vor der Kreuzung angegeben, als der Beklagte zu 2. das Abbiegen der Klägerin mit dem Personenkraftwagen in den Mittelstreifendurchbruch wahrgenommen haben will. Trotz andauernden Warnsignals sei die Klägerin auf die Schienen zugefahren. Hierfür haben sie sich auf das Zeugnis der G K sowie der Polizeibeamten M D und G R berufen (S. 1 f. des Schriftsatzes vom 24. September 1998, Bl. 39 f.). Im ersten Rechtszug haben die Beklagten ferner vorgetragen, die Geschwindigkeit könne durchaus auch 45 bis 50 km/h betragen haben (S 1 des Schriftsatzes vom 16. Dezember 1998, Bl. 57). Im Berufungsverfahren sind die Beklagten so zu verstehen, als wollten sie vortragen, dass die Geschwindigkeit zwischen 40 und 50 km/h gelegen habe (S. 2 des Schriftsatzes vom 16. Mai 2000, Bl. 172); im Übrigen werde von ihnen das eingeräumt, was der Beklagte zu 2. anlässlich seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht im Termin am 25. Januar 1999 (Bl. 60) erklärt habe (a. a. O., Bl. 172).

Der Beklagte zu 2. hat in seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht Berlin (Bl. 60), ohne die mit der Straßenbahn eingehaltene Geschwindigkeit zu nennen, erklärt, soweit am Unfalltage auf der Straße in seiner Fahrtrichtung ein Stau geherrscht habe, sei dies nichts besonderes gewesen. Dort herrsche fast immer Stau. Die Straße sei dort etwas hügelig. Deshalb und wegen des Fahrzeugstaus habe er die Polizisten schwer erkennen können. Damit hat er also nicht erklärt, die den Verkehr an der Kreuzung regelnden Polizeibeamten nicht erkannt zu haben. Der Beklagte zu 2. hat weiter angegeben, als er etwa 30 bis 40 m von der späteren Unfallstelle entfernt gewesen sei, habe er den Personenkraftwagen der Klägerin mit etwa 10 km/h nach links abbiegen sehen. Da es sich um eine Gefahrensituation habe handeln können, sei er mit dem Schalthebel in den Bereich gegangen, in dem das Bremsen beginne. Er habe geklingelt und erwartet, dass die Klägerin hierauf reagieren würde. Als er erkannt habe, dass sie in Richtung Schönhauser Allee schaue - er sei nun etwa 30 m von der Unfallstelle entfernt gewesen -, habe er eine Notbremsung ausgeführt.

Vor dem Senat hat der Beklagte zu 2., erneut persönlich angehört (Bl. 216), erklärt, seine Angaben vor dem Landgericht träfen zu, ebenso seine schriftliche Aussage vom 17. Februar 1997 noch als Zeuge im Bußgeldverfahren (BA Bl. 8 R). Damals hat der Beklagte zu 2. erklärt, eine Geschwindigkeit von etwa 40 km/h eingehalten zu haben, und ferner angegeben:

"Als ich mit der Straßenbahn noch ca. 40 Meter von oben genannter Überfahrt entfernt war, sah ich umseitig aufgeführten PKW, welcher als Linksabbieger, aus gleicher Fahrtrichtung d. h. von rechts kommend, auf die Überfahrt gelenkt wurde. Ich gab Warnsignal und begann den Zug abzubremsen. Die PKW-Fahrerin hatte, während sie sich dem von mir befahrenen Gleis stetig näherte, ihren Blick nach hinten rechts in Richtung Schönhauser Allee gerichtet. Sie führten ihren PKW, ohne in Fahrtrichtung zu schauen, immer weiter auf die Zufahrt, obwohl ich dauerndes Warnsignal gab. Da die PKW-Fahrerin noch immer nicht auf das von mir gegebene reagierte, leitete ich sofort die Gefahrenbremsung ein."

Bereits in der zur "Meldung eines Betriebsvorkommnisses" der Beklagten zu 1. vom 8. Februar 1997 gehörenden Aussage vom 12. Februar 1997 hatte der Beklagte u. a. erklärt (BA Bl. 10 R), eine Geschwindigkeit von etwa 40 km/h eingehalten zu haben. Die Aussage des Beklagten zu 2. vom 12. Februar 1997 stimmt mit der voranstehenden Erklärung vom 17. Februar 1997 inhaltlich überein.

Im Übrigen hat der Beklagte zu 2. anlässlich seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat wiederholt bzw. ergänzt, der damalige Stau an einem Sonnabend sei nicht ungewöhnlich gewesen. Da eine Gefahrenlage nicht auszuschließen gewesen sei, habe er den ersten Bremskontakt eingelegt, indem er den Schalthebel in den Bereich bewegt habe, in dem das Bremsen beginne. Weil die Klägerin auf das Warnzeichen - das Klingeln - überhaupt nicht reagiert habe, habe er die Straßenbahn abzubremsen begonnen. Er habe in das Fahrzeug der Klägerin hineinsehen und erkennen können, dass sie nicht in die Richtung der Straßenbahn geblickt habe. Die Klägerin habe sich mit ihrem Fahrzeug so langsam auf die Schienen zubewegt, dass er davon ausgegangen sei, sie werde auf das Warnsignal reagieren. Deshalb habe er nicht sofort zu bremsen begonnen, sondern zunächst geklingelt. Er könne sich nicht erinnern, dass vor der Klägerin andere Verkehrsteilnehmer mit Fahrzeugen die Straßenbahnschienen überquert hätten. Aus etwa 60 m Entfernung könne man schon abbiegende Fahrzeuge wahrnehmen; mit einem solchen Abbiegen sei bei einem Stau immer zu rechnen.

bb)

Hiernach kann im Rahmen der Prüfung der Unabwendbarkeit des Unfalls zugunsten der Beklagten zu 1. lediglich berücksichtigt werden, dass der Beklagte zu 2. mit der Straßenbahn eine Ausgangsgeschwindigkeit eingehalten hat, die 40 km/h, aber auch 50 km/h betragen hat. Deshalb ist auf die widerspruchsfreien, nachvollziehbaren und damit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen D-l U W auf S. 6 - 9 seines Gutachtens vom 20. Mai 1999 nebst Anlagen Blatt-Nr. 7-10 (Bl. 82 ff., 92 ff.) zurückzugreifen, die sich auf eine Ausgangsgeschwindigkeit von 40 bis 50 km/h beziehen. Wegen der unstreitig anzusetzenden Fahrzeugverzögerung im Bereich um 25 m/sec.2 hat der Sachverständige in überprüfbarer Weise ermittelt, dass sich der Beklagte zu 2. bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h 45 m und bei einer solchen von 50 km/h 68 m vom Kollisionsort entfernt befunden hat und bis zur Kollision 4,6 bzw. 6,3 sec. vergangen sind, als er beobachtete, dass die Klägerin mit ihrem Fahrzeug nach links abbog, und er daraufhin das Warnsignal abzugeben begann. Weil die Klägerin in der Zeit von 4,6 bis 6,3 sec. rd. 12 m, nämlich diejenige Strecke zurücklegte, auf der der Beklagte zu 2. ihren Personenkraftwagen wahrnahm, ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass die Klägerin eine Geschwindigkeit im Bereich von 10 km/h eingehalten hat Wenn aber der Beklagte zu 2. in der Zeit von 4,6 bis 6,3 sec. vor dem Unfall nicht nur mit dem Warnsignal, sondern sogleich oder zugleich mit einer Vollbremsung reagiert hätte, dann wäre die Straßenbahn bereits 10 bis 20 m vor dem Kollisionsort zum Stehen gekommen Auch dies hat der Sachverständige W-I U nachvollziehbar erläutert und mit seinen Berechnungen belegt. So erklärt es sich, dass der Sachverständige W in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Juli 1999 (Bl. 113) im Hinblick darauf, dass bei sofortiger Bremsreaktion die Straßenbahn etwa 10 bis 20 m vor dem Kollisionsort zum Stillstand gekommen wäre, eindeutig dahin zu verstehen ist, dass die Kollision auch mit einer geringeren Abbremsung als einer Vollbremsung zu vermeiden gewesen wäre.

Wie ausgeführt, ist ein Unfall als unabwendbares Ereignis erst dann zu werten, wenn der Verkehrsteilnehmer alle über die übliche Sorgfaltspflichten (vgl. § 276 BGB) hinausgehenden Vorsichtsmaßnahmen hat walten lassen. Eine solche Vorsicht hat der Beklagte zu 2. nicht beachtet, weil er nicht zugleich mit der Abgabe der Warnsignale eine Vollbremsung eingeleitet hat; wie ausgeführt, hätte sogar eine etwas geringere als die Vollbremsung ausgereicht, um die Kollision zu vermeiden. Dies rechtfertigt die - teilweise - Haftung der Beklagten zu 1. für allen bisherigen und künftigen materiellen Schaden der Klägerin (§ 1 HaftpflG); soweit es um den Ersatz künftigen materiellen Schadens geht, ist noch auf die nachfolgenden Ausführungen zum rechtlichen Interesse an einer alsbaldigen Feststellung zu verweisen.

2.

Wegen der voranstehenden Auswertung des Gutachtens des Sachverständigen W drängt sich bereits an dieser Stelle die Prüfung und Verneinung jeglicher Haftung des Beklagten zu 2. für die von der Klägerin erlittenen Schäden auf. Wie ausgeführt, schließt § 1 HaftpflG die Haftung des Beklagten aus. Eine dem § 18 Abs. 1 StVG entsprechende Beweislastnorm kennt das Haftpflichtgesetz nicht. Nur wenn die Klägerin den Beweis zu führen in der Lage ist, dass der Beklagte zu 2. den Unfall schuldhaft herbeigeführt hat, haftet er persönlich (§§ 823, 847 Abs. 1 BGB, 256 ZPO). Diesen Beweis hat die Klägerin nicht geführt. Hierzu reicht es nicht aus, dass der Unfall für den Beklagten zu 2. kein unabwendbares Ereignis darstellt. Dies führt nicht zum Nachweis, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (vgl. § 276 BGB) verletzt hätte.

Zur Feststellung eines Verschuldens des Beklagten zu 2. durch fahrlässiges Verhalten genügt es nicht, dass er - wie zuvor ausgeführt - den Unfall hätte vermeiden können, wenn er von vornherein nicht nur Warnsignale abgegeben, sondern sofort eine Vollbremsung oder eine ähnlich starke Bremsung eingeleitet hatte. Dass der Beklagte zu 2. Warnsignale abgegeben hat, ist unstreitig. Außerdem hat der Sachverständige W gleichfalls einleuchtend ausgeführt, dass die Klägerin als Verkehrsteilnehmerin in der Lage war, die Warnsignale jedenfalls aus 40 m Entfernung wahrzunehmen (S. 8 f. des Gutachtens vom 20. Mai 1999, Bl. 84 f.). Es ist die Pflicht eines jeden Verkehrsteilnehmers, auf derartige Warnzeichen zu reagieren. Der Beklagte zu 2. war berechtigt, dies in seine Überlegungen einzubeziehen. Er durfte zunächst darauf vertrauen, dass die Klägerin ihr Fahrzeug noch vor dem Schienenbett anhält. Hierauf hätte der Beklagte zu 2. erst in dem Augenblick nicht mehr vertrauen dürfen, als deutlich wurde, dass die Klägerin auf das Warnzeichen nicht reagieren würde. Es hat der Klägerin oblegen, die Entfernung des Beklagten zu 2. mit der Straßenbahn bis zur Kollisionsstelle darzutun, von der aus er noch den Unfall hatte vermeiden können, als er sich auf deren Fahrverhalten nicht mehr hätte verlassen dürfen. Ebenso hätte sie angeben müssen, wie weit sie sich vom Gleisbett entfernt befand. Hierzu hat die Klägerin konkret nichts vortragen können, weshalb es ihr auch nicht möglich ist, ein Verhalten des Beklagten zu 2. zu beweisen, dass er in vorwerfbarer Weise unachtsam gehandelt hätte.

3.

Wenngleich die Klägerin einen rechtswidrigen Verkehrsverstoß des Beklagten zu 2. nicht zu beweisen vermag, ergibt sich die Haftung der Beklagten zu 1. nicht nur aus § 1 HaftpflG, sondern zugleich aus § 831 Abs. 1 BGB, und damit nicht nur für materielle, sondern auch für immaterielle Schäden (§ 847 Abs. 1 BGB). Die Beklagte zu 1. hat gemäß § 831 Abs. 1 BGB als Geschäftsherrin für den Schaden einzustehen, den der Beklagte zu 2. als ihr Verrichtungsgehilfe in Ausführung der ihm obliegenden Aufgaben der Klägerin widerrechtlich zugefügt hat. Widerrechtlich ist der Schaden zugefügt, wenn der objektive Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt ist. Auf ein Verschulden des Beklagten zu 2. kommt es somit nicht an. Es ist Angelegenheit der Beklagten zu 1., den Entlastungsbeweis zu führen. Zweifel gehen zu ihren Lasten (BGH NZV 1991, 114, 115). An den nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB möglichen Entlastungsbeweis, dass der Verrichtungsgehilfe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt hat walten lassen, sind im Interesse der Verkehrssicherheit strenge Anforderungen zu stellen. Hierzu gehört es, den angestellten Verrichtungsgehilfen in ausreichendem Maße zu überwachen. Es kann geboten sein, verdeckte, d. h. unauffällige Kontrollfahrten durchzuführen, um sich von dessen Geeignetheit zu überzeugen, wobei es auf den Einzelfall ankommt, ob derartige Kontrollfahrten ggf. in unterschiedlichen zeitlichen Abständen zu wiederholen sind (vgl. BGH VersR 1984, 67; NJW 1997, 2756, 2757; KG VerkMitt 1995, 51, 52 Nr. 51; OLG Hamm MDR 1998, 1222, 1223; vgl. auch OLG Karlsruhe VersR 1992, 370; Palandt/Thomas, 60. Aufl. 2001, § 831 Rdn. 11). Hierzu hat die Beklagte zu 1. nichts vorgetragen, obwohl die Klägerin auf S. 5 ihrer Berufungsbegründung darauf hingewiesen hat, so dass es eines zusätzlichen gerichtlichen Hinweises nicht bedurfte. Den persönlichen Angaben des Beklagten zu 2. sind keine Umstände zu entnehmen, die einer Entlastung der Beklagten zu 1. dienen könnten. In diesem Zusammenhang kann ferner nicht auf das Gutachten des Sachverständigen W zurückgegriffen werden.

4.

Allerdings stellt der Unfall auch für die Klägerin kein unabwendbares Ereignis dar (vgl. § 7 Abs. 2 StVG). Darüber hinaus ergibt sich ihre Mithaftung nicht lediglich aus der Betriebsgefahr. Vielmehr hat sie den Unfall mitverschuldet. Denn gegenüber dem Beklagten zu 2. als Straßenbahnführer war sie wegen des Zeichens 205 zu § 41 StVG wartepflichtig (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVO). Das Ausmaß ihres Mitverschuldens ergibt sich aus ihrem Vortrag auf S. 1 des Schriftsatzes vom 3. November 1998 (Bl. 47), wenn es dort heißt, sie hätte sich nach links orientieren müssen, habe jedoch nach rechts auf den Verkehrsposten geblickt und auf seine Handregelung geachtet; sie sei sich der Gefahrenlage der von links kommenden Straßenbahn gar nicht bewusst gewesen. Soweit die Klägerin auf die Handregelung der Polizeibeamten verweist, haben diese jedenfalls nicht auch im Schienenbereich den Verkehr geregelt (vgl. § 36 StVG). Dort hat weiterhin das Zeichen 205 gegolten. Nicht dort, sondern an anderen Stellen der Wisbyer Straße haben Polizeibeamte den Verkehr geregelt und dadurch die Vorfahrt für den Straßenbahnzug nicht eingeschränkt. Die Klägerin hat in besonders leichtfertiger Weise dazu beigetragen, dass es zum Unfall gekommen ist. Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein Verkehrsteilnehmer sich bei üblicher Sorgfalt im Straßenverkehr durch die Handregelung der Polizei davon hätte ablenken lassen, auf die übrige Verkehrslage zu achten. Weil die Klägerin eine Strecke parallel rechts neben den Straßenbahnschienen gefahren ist und sie auf das nach dem Gutachten des Sachverständigen Wanderer wahrnehmbare Klingeln nicht reagiert hat, hat sie sich besonders leichtfertig verhalten.

Steht somit die Mithaftung auch der Klägerin fest (vgl. § 4 HaftpflG), so gebietet § 17 Abs. 2 StVG, welcher den §§ 4, 13 HaftpflG als Spezialvorschrift vorgeht, eine Abwägung entsprechend § 17 Abs. 1 StVG (KG VRS 88, 115, 116; VerkMitt 1998, 51, 52 Nr. 64; Greger, a. a. O., § 4 Rdn. 1).

Abs. 2 des § 17 StVG verweist auf Abs. 1. Damit kommt es auf die Abwägung des Verursachungs- und Verschuldensanteils der Klägerin und des Beklagten zu 2. unter Berücksichtigung der vom Personenkraftwagen und von der Straßenbahn ausgehenden Betriebsgefahr an. Dies gilt nur für die Beurteilung des materiellen Schadens der Klägerin. Bezogen auf § 831 BGB ist lediglich auf das Mitverschulden der Klägerin gemäß § 254 BGB abzustellen. Dies führt dazu, dass der gegenwärtige und künftige materielle Schaden der Klägerin nach einer Quote zu 1/2 zu ersetzen ist. Zwar ist das Verhalten der Klägerin besonders leichtfertig gewesen. Doch steht dem die von der Straßenbahn in stärkerem Maße ausgehende Betriebsgefahr - im Vergleich zur vom Personenkraftwagen ausgehenden Gefahr - gegenüber. Was das Schmerzensgeld (§§ 831, 847 Abs. 1 BGB) anbelangt, steht das Mitverschulden der Klägerin durchaus im Vordergrund. Doch ist zu bedenken, dass die Beklagte zu 1. in keiner Weise zum Entlastungsbeweis vorgetragen hat. Deshalb ist von einem hälftigen Mitverschulden der Klägerin auszugehen gewesen.

5.

Wie aus dem Tatbestand ersichtlich, beträgt der von der Klägerin bislang bezifferte materielle Schaden insgesamt 1.719,51 DM. Die grundsätzlich Berechtigung der Klägerin, Nutzungsausfallentschädigung zu fordern, haben die Beklagten im ersten Rechtszug zuletzt nicht mehr bestritten.

Somit hat die Beklagte zu 1. der Klägerin nach einer Quote zu 1/2 859,26 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 13. August 1998 (§§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB) zu ersetzen.

6.

Das der Klägerin zustehende, von der Beklagten zu 1 geschuldete Schmerzensgeld (§§ 831 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB) ist auf 25.000,00 DM zu schätzen (§ 287 ZPO).

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von seiner Doppelfunktion auszugehen (vgl. BGHZ 18, 149; KG DAR 1987, 151 = VerkMitt 1986, 69 = VRS 72, 331, 333). Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung dafür schuldet, was er ihm angetan hat. Der Entschädigungs- und Ausgleichsgedanke steht im Vordergrund. Die wesentliche Grundlage für die Höhe der Bemessung des Schmerzensgeldes bilden das Maß und die Dauer der Lebensbeeinträchtigung, die Größe, Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen und Leiden sowie die Dauer der Behandlung und der Arbeitsunfähigkeit, die Übersehbarkeit des weiteren Krankheitsverlaufes, die Fraglichkeit der endgültigen Heilung sowie ferner der Grad des Verschuldens und die Gesamtumstände des Falles. Dabei ist nicht der aus der Rechtsprechung ersichtliche Rahmen zu sprengen (KG DAR 1987, 151; KG, Urteile vom 16. Januar 1997 - 12 U 6048/95 -; 13. Oktober 1997 - 12 U 7192/96 -; 6. August 1998 - 12 U 7192/96 -; 13. April 2000 - 12 U 7999/97 -).

Die Klägerin ist erheblich verletzt worden, wie den Berichten des Arztes D vom 2. September 1997 und 5. November 1998 (Bl. 26, 73) zu entnehmen ist. Im Bericht vom 2. September 1997 (Bl. 26) heißt es:

"Bei diesem Unfall hatte die Verletzte schwerste Verletzungen im Beckenbereich erlitten. Es handelt sich um einen Verrenkungsbruch des linken Hüftgelenkes. Dabei ist das gesamte Hüftgelenk aus dem Becken herausgebrochen und nach innen ins Becken verschoben. Weiter mussten Frakturen des Beckenringes und damit verbunden eine Instabilität des Beckens festgestellt werden Auch eine Beckenschaufelfraktur ist eingetreten. Die sehr schwere Verletzung wurde operativ behandelt. Dabei handelt es sich um eine äußerst schwierige und ausgedehnte Operation. Trotz eines insgesamt guten Operationsergebnisses werden dauernde Folgeschäden verbleiben. Neben Schmerzen im Narben-, Becken- und Beinbereich links ist ein Beinlängenunterschied verblieben mit + 1 cm der linken Seite. Neurologische Störungen im Bereich des linken Oberschenkels wurden mit einer Reizstrombehandlung therapiert und gebessert. Es werden auch hier Folgeschäden zurückbleiben. Weiter sind Störungen des Gangbildes und der Belastbarkeit zu erwarten. Die stationäre Behandlung erforderte auch die Verlegung auf eine Intensivstation. Ab 15.4.97 bis zum 20.05.97 fand eine stationäre Rehabilitation in der M-K H statt."

Die Beklagte zu 1. hat inzwischen klargestellt, dass sie nicht bestreiten wolle, dass diese ärztlicherseits dokumentierten Verletzungen und Folgen auf den Verkehrsunfall zurückzuführen sind. Die Beklagte zu 1. hat im Übrigen bestritten, dass weiterhin eine ambulante Behandlung der Klägerin erforderlich sei sowie dass Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit und eine Schwerbehinderung bestehe (Bl. 42, 58, 174).

Hiernach ist zum einen aus der Sicht der Beklagten zu 1. von den im ärztlichen Bericht vom 2. September 1997 umschriebenen Verletzungen und Folgen bei der Schätzung des Schmerzensgeldes auszugehen (§ 287 ZPO). Wegen der Schwere der darin dokumentierten Verletzungen ist die Beklagte zu 1. zum anderen so zu verstehen, dass auch sie jedenfalls von einer monatelangen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausgeht. Außerdem ist der Tatsache, dass die Klägerin sich ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000,00 DM bei einem Mitverschulden von 30 % vorstellt, zu entnehmen, dass sie von einem Betrag in Höhe von 50.000,00 DM im Falle voller Haftung der Beklagten zu 1. ausgeht.

Diese Umstände ermöglichen es dem Senat, wegen der unstreitigen Verletzungen und Folgen das der Klägerin zustehende, angemessene Schmerzensgeld - unter Berücksichtigung ihres hälftigen Mitverschuldens - auf 25 000,00 DM - nebst 4 % Zinsen seit dem 13. August 1998 (§§ 284 Abs. 1, 288 Abs. 1, 246, 849 BGB) - zu schätzen. Damit bewegt sich der Senat im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung. So haben in Fällen erheblicher Frakturen im Beckenbereich und weiterer Verletzungen sowie Störungen das Landgericht Darmstadt durch Urteil vom 14. Mai 1990, das Landgericht Hanau durch Urteil vom 10. März 1988, das Oberlandesgericht Frankfurt durch Urteil vom 11. Februar 1994 und das Oberlandesgericht Koblenz durch Urteil vom 19. Juli 1982 dem jeweiligen Geschädigten, dem kein Mitverschulden anzulasten gewesen ist, jeweils ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000,00 DM zuerkannt (vgl. Hacks/ Ring/Böhm, Schmerzensgeld-Beträge, 19. Aufl. 1999, lfd Nr. 1935, 1942, 1960, 1972). Wegen des hälftigen Mitverschuldens der Klägerin ist von 25.000,00 DM auszugehen.

Mit diesem Betrag sind alle unstreitigen bekannten Verletzungen und Folgen, auch soweit sei künftig fortbestehen, ausgeglichen. Soweit die Klägerin eine Begrenzung für die Zeit bis zum 30. August 1999 verlangt, entspricht dies nicht dem Sinn des § 847 BGB; nach dieser Vorschrift hat ein Ausgleich für entstandene und voraussehbare Beeinträchtigungen zu erfolgen.

7.

Dazu, dass die Beklagte zu 1. der Klägerin den noch nicht bezifferten und den künftigen materiellen Schaden nach einer Quote zu 1/2 und künftigen immateriellen Schaden unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens zu ersetzen hat (§ 256 ZPO), ist Folgendes auszuführen:

a)

Für die Bejahung eines rechtlichen Interesses an alsbaldiger Feststellung des Rechtsverhältnisses i. S. des § 256 ZPO bezüglich eingetretener und künftiger materieller Schäden genügt es, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Entstehung weiterer in der Zukunft liegender Ersatzansprüche besteht (BGH VersR 1976, 291, 292; KG, Urteile vom 18. April 1981 - 12 U 495/90 -; 13. April 2000 - 12 U 7999/97 -). Dieses Feststellungsbegehren ist schon wegen der gravierenden Brüche im Beckenbereich, die die Klägerin unstreitig erlitten hat, als begründet anzusehen. Soweit die Beklagte zu 1. die Voraussetzungen für dieses materielle Feststellungsbegehren bestreitet (Bl. 174), ist ihr nicht zu folgen. Derartige Ansprüche sind zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

b)

Soweit die Klägerin ferner eine entsprechende Feststellung hinsichtlich immaterieller Schäden begehrt, ist das Feststellungsinteresse aufgrund des Bestreitens des Anspruchs durch die Beklagte zu 1. und der drohenden kurzen Verjährung nach § 852 BGB gegeben. Bei der Prüfung der Begründetheit sind maßvolle Anforderungen zu stellen. Es genügt eine nicht entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Schadensersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bislang nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden. Ob in diesem Sinne mit der Möglichkeit einer späteren Verschlechterung zu rechnen ist, kann sich aus der Art und der Schwere der Verletzung ergeben. Bei schwereren Unfallverletzungen trifft dies in der Regel zu; in Fällen dieser Art kann der Feststellungsanspruch nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Verletzten bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen immerhin zu rechnen (zur Feststellung der Haftung für künftige immaterielle Schäden: BGH NZV 1989, 442 = NJW-RR 1989, 1367 = DAR 1989, 379; KG, Urteile vom 16. Januar 1997 - 12 U 6048/95 -; 13. Oktober 1997 - 12 U 7629/96 -; 13. April 2000 - 12 U 7999/97 -). Wegen der gravierenden Brüche im Beckenbereich - die unstreitig sind - ist das immaterielle Feststellungsbegehren dem Grunde nach unter Berücksichtigung des hälftigen Mitverschuldens der Klägerin auch begründet.

Die Feststellung der Ausgleichspflicht - künftigen - immateriellen Schadens erstreckt sich lediglich auf eine unfallbedingte Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die also derzeit nicht voraussehbar und damit vom kapitalisierten Schmerzensgeld m Höhe von 25 000,00 DM nicht erfasst ist.

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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