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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 23.07.2001
Aktenzeichen: 12 U 980/00
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, ZGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB § 6
BGB § 197
BGB § 198
BGB § 201
BGB § 203
BGB § 205
BGB § 209
BGB § 211
BGB § 252
BGB § 852
BGB § 198 Satz 1
BGB § 209 Abs. 1
BGB § 211 Abs. 1
BGB § 203 Abs. 2
ZGB § 45 Abs. 3
ZGB § 59 Abs. 1
ZGB § 59 Abs. 2
ZPO § 287
ZPO § 711
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 980/00

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 23. Juli 2001

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, den Richter am Kammergericht Philipp und den Richter am Amtsgericht Dr. Wimmer auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Klägerin, die jeweils im übrigen zurückgewiesen werden, wird das Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin vom 22. Dezember 1999 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende Zahlungen zu leisten:

a) ab dem 01.07.01 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 4.083,49 DM jeweils zum 01.01., 01.04., 01.07., 01.10. eines jeden Jahres bis zum 31. August 2022.

b) 384.851,15 DM nebst 4% Zinsen aus 157.333,27 DM seit dem 09.12.1996, 14.332,25 DM seit dem 23.02.1996, 11.360,96 DM seit Zustellung des Schriftsatzes vom 30.10.1996, jeweils 11.408,73 DM seit dem 01.04.1997, dem 01.07.1997, dem 01.10.1997, 01.01.1998, jeweils 11.779,50 DM seit dem 01.04.1998, dem 01.07.1998, dem 01.10.1998, 01.01.1999, jeweils 11.954,85 DM seit dem 01.04.1999, dem 01.07.1999, dem 01.10.1999, 01.01.2000, aus 12.250,47 DM seit dem 01.04.2000, sowie 5% Zinsen über Basiszinssatz aus jeweils 12.250,47 DM seit dem 01.07.2000, dem 01.10.2000, 01.01.2001 und dem 01.03.2001.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte der Klägerin sämtliche materielle Schäden, die ihr in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 19.07.1980 mit dem Versicherungsnehmer B entstehen, zu ersetzen hat, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsnehmer oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Haftung der Beklagten als Versicherer für Unfallschäden der Klägerin.

I. Die 1962 geborene Klägerin wurde als Beifahrerin auf dem Moped des bei der Beklagten haftpflichtversicherten T bei einem Unfall am 19. Juli 1980 in der DDR schwer verletzt.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagte zunächst vor dem Landgericht Berlin für Schäden aus diesem Unfall, insbesondere für entgangenen Verdienst, auf Zahlung in Anspruch genommen. Den Verdienstausfall hat sie teils als ausgerechneten Betrag für den Zeitraum vom 1. September 1992 bis zum 31. März 1997, teils in Form einer ab dem 1. April 1997 laufend zu zahlenden Rente beziffert (vgl. zur erstinstanzlichen Berechnung im Einzelnen den Schriftsatz vom 30. Oktober 1996, Bl. I 106 d.A.). Daneben hat sie die Feststellung einer Haftung der Beklagten für künftige Schäden begehrt.

Das Landgericht hat Gutachten der Orthopäden Dr. S (vom 23. November 1998, Bl. I 273 d.A.) sowie Prof. Dr. W (vom 5. Juli 1999, Bl. II 52 d.A.) eingeholt und der Klage mit Urteil vom 22. Dezember 1999 im wesentlichen stattgegeben.

Hierzu hat es ausgeführt:

Die Beklagte sei unstreitig im Namen des Versicherten in die Regulierung der Ansprüche eingetreten und habe damit konkludent ihre Einstandspflicht für den Schadensfall auch für die Zukunft anerkannt. Unfallbedingt sei die Klägerin erwerbsunfähig geworden (Gutachten Prof. Dr. W). Den Darlegungen der Kläger zu ihrer mutmaßlichen weiteren beruflichen Entwicklung ohne den Unfall als Holzfacharbeiterin sei die Beklagte nicht hinreichend entgegengetreten; die mutmaßliche Einkommensentwicklung habe die Klägerin durch Vorlage von Tarifverträgen unbestritten hinreichend dargelegt. Verjährung sei nicht eingetreten.

Auf die Einzelheiten des Urteils einschließlich der dortigen Wiedergabe des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird Bezug genommen.

II. Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung.

Sie trägt hierzu vor:

1. Sie sei nicht passivlegitimiert, da das ZGB nur einen Direktanspruch gegen den Schädiger, nicht jedoch gegen die Haftpflichtversicherung, vorgesehen habe (Bl. II 136 d.A.). Auch in den Rentenvertrag, der ohnehin nur die Differenz zwischen dem tatsächlichen Nettoeinkommen als Zimmerdisponentin und dem hypothetischen Einkommen als Holzfacharbeiterin ausgeglichen habe, sei sie nicht eingetreten; sie hafte insoweit auch nicht kraft Rechtsscheins.

2. Der Rentenvertrag, auf den sich die Haftung gestützt werden solle, sei nachträglich bis auf eine Restregelung aufgehoben worden (Bl. II 137 d.A.).

3. Die Eltern der Klägerin seien noch im Unfalljahr 1980 von W nach S umgezogen. Auch ohne den Unfall hätte die Klägerin ihr Ausbildungsverhältnis als Holzfacharbeiterin schon deswegen beendet (Bl. II 136, 140 d.A.).

4. Sowohl das VEB Sitzmöbelwerke W als auch das VEB Möbelkombinat R seien mit der Wende aufgelöst worden, so daß die Klägerin eine Beschäftigung dort verloren hätte.

5. Die trotz der Unfallfolgen aufgenommene Arbeit als Zimmerdisponentin bei dem VEB Fischfang habe die Klägerin nach sieben Jahren mit Vertrag vom 16. Februar 1989 aus persönlichen Gründen, die mit dem Unfall nichts zu tun gehabt hätten, aufgegeben (Bl. II 136, 141 d.A.). Der Hinweis im Aufhebungsvertrag auf gesundheitliche Gründe sei falsch.

6. Angesichts der Arbeitsmarktlage dort hätte die Klägerin auch ohne das Unfallereignis in Nordrhein-Westfalen keine Arbeit gefunden (Bl. II 142 d.A.).

7. Möglicherweise müsse sich die Klägerin mit Schadensersatzansprüchen an den Sozialversicherungsträger verweisen lassen (Bl. II 143 d.A.).

8. Die Ansprüche seien verjährt; eine Unterbrechung durch ein Anerkenntnis sei nicht eingetreten (Bl. II 144 d.A.).

Die Beklagte beantragt,

in Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 22.12.1999 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält dem Beklagtenvorbringen entgegen:

1. Die Beklagte habe mit ihr den Rentenvertrag in eigenem Namen geschlossen und habe auch später mehrfach deutlich gemacht, daß sie in dieser Angelegenheit für sich selbst handele.

2. Die Aufhebung des Rentenvertrages habe unter dem Vorbehalt gestanden, daß er bei späteren Veränderungen inhaltlich habe angepaßt werden sollen.

3. Ohne den Unfall würde sie heute einer Tätigkeit als Holzfacharbeiterin mit entsprechender Vergütung nachgehen (Bl. I 9, 108 d.A.).

4. Mit den Eltern sei sie gerade deshalb umgezogen, weil sie unfallbedingt noch hilfsbedürftig gewesen sei.

5. Das Arbeitsverhältnis als Zimmerdisponentin sei krankheitsbedingt aufgehoben worden, nachdem sich nach Ablauf des Erziehungsjahres am 15. Oktober 1988 herausgestellt habe, daß sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihren Arbeitsplatz "auszufüllen" (Bl. II 185 d.A.). Tatsächlich sei es so gewesen, daß sie bei dem Unfall Zerreißungen im Bereich des Mastdarmes erlitten habe, die den Schließmuskel in seiner Funktion beeinträchtigt hätten, so daß sie keine Kontrolle über ihre Darmentleerungen mehr habe (Bl. I 207 d.A.). Darauf seien die im Aufhebungsvertrag erwähnten "gesundheitlichen Gründe" (Bl. I 16 d.A.) zurückzuführen.

III. Mit der Anschlußberufung macht die Klägerin die im Laufe des Rechtsstreits eingetretenen Veränderungen bei der Einkommensentwicklung (Lohntarifvertrag vom 22. April 1998 für gewerbliche Arbeitnehmer in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Nordrhein, Bl. 211 d.A.) geltend und verlangt zusätzlich Zinsen (zur Berechnung vgl. Bl. II 208 d.A.)

Die Klägerin beantragt unter Einbeziehung der vom Landgericht zuerkannten Beträge insoweit, wie folgt zu erkennen,

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgende Zahlungen zu leisten:

a) ab dem 01.07.01 eine vierteljährlich vorauszahlbare monatliche Rente in Höhe von 4.083,49 DM jeweils zum 01.01., 01.04., 01.07., 01.10. eines jeden Jahres bis zum 31. August 2025.

b) 384.851,15 DM nebst 4% Zinsen aus 157.333,27 DM seit dem 09.12.1996 14.332,25 DM seit dem 23.02.1996, 11.360,96 DM seit Zustellung des Schriftsatzes vom 30.10.1996, jeweils 11.408,73 DM seit dem 01.04.1997, dem 01.07.1997, dem 01.10.1997, 01.01.1998, jeweils 11.779,50 DM seit dem 01.04.1998, dem 01.07.1998, dem 01.10.1998, 01.01.1999, jeweils 11.954,85 DM seit dem 01.04.1999, dem 01.07.1999, dem 01.10.1999, 01.01.2000, aus 12.250,47 DM seit dem 01.04.2000, sowie 5% Zinsen über Basiszinssatz aus jeweils 12.250,47 DM seitdem 01.07.2000, dem 01.10.2000, 01.01.2001 und dem 01.03.2001.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte der Klägerin sämtliche materielle Schäden, die ihr in Zukunft aus dem Verkehrsunfall vom 19.07.1980 mit dem Versicherungsnehmer B entstehen, zu ersetzen hat, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsnehmer oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlußberufung zurückzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie über den schriftsätzlichen Vortrag hinaus die gesamte Art der Schadensberechnung durch die Klägerin (Grundlage Bruttoeinkommen) sowie die Zinsen bestritten und in Abrede gestellt, daß die von der Klägerin genannten Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt worden seien (Schriftsatz vom 23. Juli 2001, Bl. II 223 d.A.).

Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt überwiegend erfolglos, während die Anschlußberufung überwiegend erfolgreich ist.

A. Berufung

I. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach auf Zahlung von Verdienstausfall der Klägerin aus dem Rentenvertrag vom 25. August 1983 (Bl. I 12 d.A.) in Verbindung mit der Änderungsvereinbarung vom 10. Juli 1986 (Bl. I 14 d.A.) abgeleitet, denn in diesen Verträgen hat sich die Beklagte - unbeschadet der Regelungen im Recht der DDR zur gesetzlichen Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers - selbst wirksam zur Zahlung einer Rente für die entgehenden Einkünfte sowie Ersatz erhöhter Aufwendungen verpflichtet. Die Einwendungen der Beklagten hiergegen gehen fehl.

1) Die Frage, ob und in welchem Umfang zwischen den Parteien durch die vorgenannten Vereinbarungen Rechte und Pflichten begründet worden sind, bestimmt sich nach nach dem seinerzeit geltenden Recht der DDR (vgl. die Übergangsregelung in Art. 232 § 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche [EGBGB]). Gleiches gilt für die Frage einer Haftung wegen einer unerlaubten Handlung (Art. 232 § 10 EGBGB).

2 a) Hiernach trifft zwar der Hinweis der Beklagten zu, ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer sei im Recht der DDR zum Unfallzeitpunkt nicht vorgesehen gewesen: Nach §§ 251 Abs. 1, 264 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches der DDR (ZGB) waren Schadensersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers oder Versicherten von der Versicherungseinrichtung durch Zahlung an den Geschädigten zu erfüllen. Solche Leistungen des Versicherers waren also nicht auf Erfüllung einer eigenen Verpflichtung des Versicherers gerichtet.

Nach § 45 Abs. 3 ZGB konnte von diesen gesetzlich vorgesehenen Abwicklungsmodalitäten jedoch abgewichen werden. Eine Abweichung lag regelmäßig vor, wenn zwischen dem Geschädigten und dem Versicherer direkt Rentenverträge geschlossen wurden, soweit aus dem Vertragstext oder den Umständen erkennbar war, daß der in eigenem Namen auftretende Versicherer selbst eigene Verpflichtungen begründen wollte (vgl. zur Haftung aufgrund Rentenvertrages allgemein m.w.N. Senat, Urteil vom 23. Juli 1998 - 12 U 2451/97 -, KGR Berlin 1999, 67 = VersR 1999, 345 = NZV 1999, 246; Urteil vom 17. Juni 1999 - 12 U 2463/98 -, KGR 2000, 239; Beschluß vom 3. August 2000 - 12 W 2857/00 -).

b) Eine derartige Abweichung von der gesetzlichen Regel ergibt sich auch im vorliegenden Fall: Vertragstexte wie nachträgliches Regulierungsverhalten lassen keinen Zweifel daran, daß es der Beklagten um die Begründung und Regulierung einer eigenen Verpflichtung zu tun war.

aa) Die Vertragstexte weisen als Vertragspartner - und damit als Berechtigte und Verpflichtete - eingangs ausdrücklich die hiesigen Prozeßparteien unter ihren damaligen Namen aus ("Zwischen Herrn/Frl. I (...) und der staatl. Versicherung der DDR, Berlin..."). Von einem Handeln der Beklagten in fremdem Namen ist dort nicht die Rede. Schon dies führt zu einer eigenen Haftung der Beklagten.

bb) Daß es nicht nur um die unselbständige Regelung der Abwicklung einer fremden Schuld ging, zeigt deutlich § 3 beider Verträge. Er lautet:

"(1) Der Empfänger der Schadensersatzrente und die StV sind berechtigt, eine Veränderung oder Ergänzung des Rentenvertrages zu fordern, wenn Veränderungen eintreten, die Einfluß auf die Höhe der Schadensersatzverpflichtung haben, wie z.B. Verminderung oder Wegfall von erhöhten Aufwendungen, Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit, Eintritt oder Austritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung bzw. ähnlicher Versorgungsleistungen.

(2) Der Empfänger der Schadensersatzrente und die StV sind bei Eintritt von Veränderungen gemäß Abs. 1 verpflichtet, den Vertragspartner zu informieren.

(3) Verletzen die Vertragspartner die ihnen gemäß Abs. 2 obliegenden Informationspflichten, sind sie einander für daraus entstehende Schäden ersatzpflichtig.

(4) Änderungen des Vertrages sind schriftlich zu vereinbaren. Verweigert ein Partner seine Zustimmung, kann eine Änderung des Vertrages beim Gericht beantragt werden".

Damit haben die Vertragspartner zwischen sich Vorgaben über die Berücksichtigung materieller Änderungen des Schadensersatzanspruchs sowie das hierbei zu berücksichtigende Verfahren einschließlich wechselseitiger Schadensersatzansprüche in Geltung gesetzt. Wäre die Beklagte hier nur in Erfüllung einer eigenen Verpflichtung gegenüber dem Unfallverursacher tätig gewesen, hätte für eine solche Absprache jede praktische Veranlassung gefehlt, denn dies wäre zuvörderst Angelegenheit des Unfallursachers gewesen. Wenn die Beklagte hier womöglich als Vertreterin für den Unfallursacher mit Wirkung für diesen Absprachen hätte treffen wollen, wäre schon im Hinblick auf eine in § 59 Abs. 1 und 2 ZGB vorgesehene Haftung eines Handelnden ohne Vertretungsbefugnis im Vertragstext eine Klarstellung zur Vertretung und zum Vorliegen einer Vollmacht (§ 53 Abs. 3 ZGB) dringend geboten gewesen. Der Senat hält es für ausgeschlossen, daß dieser naheliegende rechtliche Aspekt bei der Gestaltung der für die Rentenverträge verwendeten Vordrucke nicht bedacht worden ist. Wenn gleichwohl keine klarstellende Klausel zu möglichen Vertretungsverhältnissen aufgenommen worden ist, läßt dies nur den Schluß zu, daß die Beklagte nicht für den Unfallverursacher, sondern für sich selbst handeln wollte und gehandelt hat. Die vom Landgericht gewählte Formulierung, die Beklagte sei "im Namen des Versicherten in die Regulierung der Ansprüche eingetreten" und habe so konkludent ihre Einstandspflicht für den Schadensfall anerkannt, ist hiernach jedenfalls mißverständlich: Die Beklagte hat gerade nicht im Namen des Versicherten gehandelt, sondern eine Einstandspflicht in eigenem Namen begründet.

cc) In § 1 Abs. 1 beider Texte findet sich die Formulierung "...zum Ausgleich der Schadensersatzansprüche gegen über Herrn B, zahlt die StV ab... eine monatliche/vierteljährliche Rente für

a) die entgehenden Einkünfte oder sonstige Einkommensminderung

b) erhöhte Aufwendungen".

Auch nach dieser Formulierung sollte ein unmittelbarer Zahlungsanspruch gegen die Beklagte begründet werden.

Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß auch von Ansprüchen gegenüber Herrn B die Rede ist, die durch die Zahlungen ausgeglichen werden sollen. Zum einen bedurfte es vertragstechnisch der Klarstellung, auf welches Schadensereignis sich die Verträge beziehen sollten. Das ist durch die Nennung des Unfalldatums, der Schaden-Nr. der Beklagten sowie des Namens des Schädigers geschehen. Zum anderen entsprach die Formulierung im Vordruck, der ersichtlich für die Begründung, nicht aber für die spätere Änderung eines Rentenvertrages konzipiert war (bei der Änderung vom 10. Juli 1986 waren entsprechende maschinenschriftliche Zusätze erforderlich, Bl. I 14 d.A.), der rechtlichen Situation, wie die Beklagte sie zutreffend beschreibt: Bis zum Vertragsabschluß bestand nur ein Direktanspruch der Geschädigten gegenüber Herrn B.

Auch die Beklagte hat die durch die Rentenverträge begründeten Verpflichtungen ersichtlich als eigene angesehen. Gleiches gilt für die zwischenzeitlich tätige Deutsche Versicherungs-Aktiengesellschaft. Soweit entsprechender Schriftwechsel über die Ansprüche zur Akte gelangt ist, haben weder die Beklagte noch die Deutsche Versicherungs-AG in irgendeiner Weise erkennen lassen, daß sie nicht über eigene Verpflichtungen verhandeln (vgl. die Schreiben vom 30. Jan. 1991 [Anlage 3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 6. April 2000, im entsprechenden Beistück enthalten]. November 1993, Bl. I 21 d.A.; 25. Jan. 1995, Bl. II 194 d.A.; 14. April 1994, Bl. I 92 d.A.; 21. Juni 1995, Bl. I 22 d.A.).

3) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ihre Haftung für entgehende Einkünfte auch nicht dadurch beendet worden, daß in der Vertragsänderung vom 10. Juli 1986 mit Wirkung ab dem 1. Februar 1986 eine entsprechende Zahlung nicht mehr vorgesehen ist, sondern nur noch Zahlungen für "erhöhte Aufwendungen" festgelegt sind.

Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, daß diese Absprache unter Heranziehung des bereits wörtlich wiedergegebenen § 3 des Vertragstextes zu sehen ist, der einen Anspruch auf Änderungen des Vertrages begründet, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse ändern. Dies verbietet es, die Regelung im Änderungsvertrag als abschließend zu begreifen; in den bereits genannten Schreiben der Beklagten und der Deutschen Versicherungs-AG kommt denn auch zum Ausdruck, daß auch diese den Vertrag vom 1. Februar 1986 keineswegs als beendet angesehen haben (besonders deutlich das Schreiben vom 25. Januar 1995, Bl. II 194 d.A.: "Wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage wären wir daher berechtigt, den Vertrag zu kündigen"; diese Formulierung gibt nur einen Sinn, wenn der Vertrag noch als fortbestehend angesehen wird).

4) An der vorstehend dargestellten Rechtslage hat sich auch nichts dadurch geändert, daß in § 10 der Pflichtversicherungsverordnung der DDR vom 1. August 1990 (GBl. DDR Nr. 52, 1053) ein Direktanspruch gegen den Versicherer begründet worden ist, denn auch bei fortdauernder Entwicklung des Schadens, der durch die vor dem Zeitpunkt der Einführung des Direktanspruchs vollendete Handlung verursacht worden war, bleibt für den Ersatzanspruch das alte Recht maßgebend (vgl. Senat, Urteil vom 23. Juli 1998 - 12 U 2451/97 -, KGR Berlin 1999, 67 = VersR 1999, 345 = NZV 1999, 246).

5) Dem Senat nicht nachvollziehbar ist die Rüge der Beklagten, das angegriffene Urteil habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob nicht durch die Rechtsprechung des BAG der Rentenanspruch entfallen ist, weil nach dem 1. Januar 1991 neue Schadensersatzansprüche auf der Grundlage des DDR-AGB nicht mehr entstehen, so daß ausschließlich ein Sozialversicherungsträger zuständig sei (Bl. II 143 d.A.). Die von der Beklagte herangezogene Entscheidung betrifft einen gänzlich anderen Sachverhalt (Schadensersatzhaftung für Verdienstausfall wegen Berufskrankheit). Parallelen zum hiesigen Fall sind unter keinem Gesichtspunkt erkennbar.

6) Die geltend gemachten Ansprüche für die Zeit ab dem 1. September 1991 sind auch nicht verjährt, denn die Verjährung ist rechtzeitig durch Einreichung eines Prozeßkostenhilfeantrages mit anschließender Klageerhebung zunächst wegen höherer Gewalt gehemmt und dann unterbrochen worden, §§ 203, 205, 209, 211 BGB. Dies hat das Landgericht im angefochtenen Urteil (S. 9) zutreffend hervorgehoben.

a) Nach Art. 231 § 6 EGBGB finden die Regelungen des BGB zur Verjährung Anwendung auf die am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts (3. Oktober 1990) bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche.

Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen verjähren gemäß §§ 197, 198, 201 BGB in vier Jahren, beginnend mit dem Schluß des Jahres, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, die an die Stelle von Lohnansprüchen treten (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 215). Entstehungzeitpunkt für wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 198 Satz 1 BGB ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Einzelansprüche (vgl. Erman/Hefermehl, BGB, 10. Auflage 2000, § 198 Rn. 5).

Der Lauf der Verjährung wird durch Klageerhebung bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Sache oder anderweitigen Erledigung unterbrochen, §§ 209 Abs. 1, 211 Abs. 1 BGB. Zur Hemmung der Verjährungsfrist genügt es freilich, wenn bis zum letzten Tag dieser Frist ein vollständig und ordnungsgemäß begründetes Gesuch um Prozeßkostenhilfe bei Gericht eingeht; es tritt nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Hemmung der Verjährung durch höhere Gewalt gemäß § 203 Abs. 2 BGB ein, wenn der Berechtigte ein solches Prozeßkostenhilfegesuch stellt, über das das Gericht erst nach Ablauf der Verjährungsfrist entscheidet (vgl. BGH, NJW 1981, 1550; ZIP 2001, 893 m.w.N.).

b) Hiernach ist die Verjährung für Ansprüche für die Zeit vom 1. September 1991 bis zum 30. September 1992 zunächst durch Einreichung des Prozeßkostenhilfegesuchs mit anliegendem Klageentwurf vom 1. September 1995, das bei Gericht am 4. September 1995 eingegangen ist, rechtzeitig unterbrochen worden.

Nach den unter a) dargestellten Voraussetzungen lief die Verjährungsfrist für die im Jahre 1991 entstandenen Ansprüche mit Ablauf des Jahres 1995 ab. Insofern ist das Prozeßkostenhilfegesuch noch zu unverjährter Zeit eingegangen. Das Landgericht hat das Gesuch jedoch erst mit Beschluß vom 1. Februar 1996 zurückgewiesen, also zu einem Zeitpunkt, als die Verjährungsfrist für Ansprüche aus September bis Dezember 1991 einschließlich schon abgelaufen war. Erst danach ist auf entsprechenden Antrag der Klägerin die Klageschrift am 23. Februar 1996 zugestellt worden (Bl. I 72 d.A.). Später hat das Landgericht der Beschwerde der Klägerin ohne weiteres stattgegeben und Prozeßkostenhilfe mit Wirkung ab dem 4. September 1995 bewilligt (Bl. I 75 d.A.). Damit war die Klägerin durch höhere Gewalt i.S.d. § 203 Abs. 2 BGB - die Bearbeitungsfristen des Landgerichts - daran gehindert, innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist die Ansprüche für den genannten Zeitraum geltend zu machen. Nach §§ 203, 205 BGB war die Verjährungsfrist ab dem 4. September 1995 mithin gehemmt mit der Folge, daß sie durch die Klagezustellung am 23. Februar 1996 unterbrochen worden ist.

Im Laufe des Rechtsstreits hat die Klägerin die Klage noch erstinstanzlich dergestalt erweitert, daß sie zuletzt Ersatz für Lohnausfall in der Zeit vom 1. September 1991 bis zum 31. August 2025 verlangt hat, teils als ausgerechnete Zahlung, teils als Feststellungsantrag (Bl. I 106 d.A.). Der entsprechende Schriftsatz vom 30. Oktober 1996 ist der Beklagten am 9. Dezember 1996 zugestellt worden, so daß die Verjährungsfrist auch für Ansprüche ab dem 1. Oktober 1992 unterbrochen worden ist.

c) Erfolglos bleibt die Beklagte mit ihrem Hinweis auf eine dreijährige Verjährungsfrist nach § 852 BGB. Diese Frist bezieht sich nur auf deliktische Ansprüche. Nach dem Vorstehenden haftet die Beklagte hier aber nicht neben oder akzessorisch zu einem deliktisch handelnden Versicherten, sondern aufgrund eigener rechtsgeschäftlich übernommener Verpflichtung. Damit richtet sich auf die Verjährung dieser Ansprüche nicht nach Deliktsrecht, sondern - wie dargestellt - nach den für diese Vereinbarung geltenden Vorschriften.

II. Die Berufung bleibt hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Zahlungen weitgehend erfolglos; die Beklagte schuldet Zahlungen nur bis zum 31. August 2022, nicht - wie das Landgericht meint - bis zum 31. August 2025.

Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin Schadensersatz in Höhe der Vergütung einer Holzfacharbeiterin zuerkannt, denn insoweit hat sei einen Verdienstausfall durch den Unfall erlitten. Lediglich die verlangte und zugesprochene Dauer der Rentenzahlung ist durch den zugrundeliegenden Vertrag nicht vollständig gerechtfertigt.

1a) Im Prozeß ist es Sache desjenigen, der einen Einkommensschaden im Sinne des § 252 BGB geltend macht, die hypothetische Entwicklung seiner Berufs- und Einkommenslage ohne das Schadensereignis darzulegen und - bei erheblichem Bestreiten - zu beweisen. Dabei steht es ihm frei, den Schaden im Wege der Brutto- oder Nettolohnmethode zu berechnen (vgl. BGH, NJW 1995, 389; allgemein Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001, § 252 Rn. 10 m.w.N.). Ihm kommt jedoch über die Beweiserleichterung des § 252 BGB hinaus auch diejenige des § 287 ZPO zugute.

Der BGH hat hierzu in dem Fall einer Geschädigten, die infolge eines Haftpflichtschadens ihre Ausbildung nicht beenden konnte, jüngst ausgeführt (BGH NJW 2000, 3288 [3289]):

"Bei der Beurteilung der voraussichtlichen beruflichen Entwicklung eines Geschädigten ohne das Schadensereignis gebietet § 252 BGB eine Prognose entsprechend dem gewöhnlichen Lauf der Dinge bzw. nach den besonderen Umständen, insbesondere auf Grundlage dessen, was zur Ausbildung und zur beruflichen Situation des Betroffenen festgestellt werden kann. Zwar ist es hierbei Sache des Geschädigten, möglichst konkrete Anhaltspunkte und Anknüpfungstatsachen für diese Prognose darzulegen. Die insoweit zu stellenden Anforderungen dürfen indes nicht überspannt werden (st. Rspr., vgl. etwa Senat, NJW-RR 1999,1039 = VersR 2000, 233, und BGH, NJW 1998, 1634 = LM H. 7/1998 § 252 BGB Nr. 72 = VersR 1998, 770 [772] m.w. Nachw.).

Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen - wie hier - der Geschädigte sich noch in der Schule, in der Ausbildung oder am Anfang seiner beruflichen Entwicklung befindet, weil er dann regelmäßig nur wenige Anhaltspunkte dafür darzutun vermag, wie sich seine berufliche Entwicklung voraussichtlich gestaltet hätte. In solchen Fällen darf der Tatrichter den Geschädigten deshalb im Rahmen der Schadensermittlung gem. § 252 BGB, § 287 ZPO nicht vorschnell auf die Unsicherheit möglicher Prognosen verweisen und insbesondere nicht daraus herleiten, dass kein Erwerbsschaden eingetreten sei. Ergeben sich keine Anhaltspunkte, die überwiegend für einen Erfolg oder einen Misserfolg sprechen, dann liegt es vielmehr nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen und auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen anzustellen und den Schaden gem. § 287 ZPO zu schätzen. Verbleibenden Risiken kann durch gewisse Abschläge Rechnung getragen werden (st. Rspr., vgl. etwa Senat, NJW-RR 1999, 2039 = VersR 2000, 233, und BGH, NJW 1998, 1634 = LM H. 7/1998 § 252 BGB Nr. 72 = VersR 1998, 770 [772], jew. m. w. Nachw.)".

b) Umgekehrt steht es dem Schädiger frei, gleichfalls unter Berufung auf die Erleichterungen der §§ 252 BGB, 287 ZPO darzulegen und zu beweisen, daß der Geschädigte infolge überholender Kausalität auch ohne den Unfall ein geringeres als das behauptete Einkommen erzielt oder aus betriebs- oder gesamtwirtschaftlichen Gründen seine Arbeit verloren und kein Erwerbseinkommen erzielt hätte (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 7. Aufl. 2000, Rn. 37 m.w.N.)."

c) Diese Grundsätze sind ohne weiteres auch bei der Auslegung des hier in Rede stehenden Rentenvertrages heranzuziehen. Der Haftungsumfang der Beklagten wird durch die Festlegungen im Rentenvertrag vom 25. August 1983 gekennzeichnet. Hiernach kann die Klägerin von der Beklagten "eine monatliche/vierteljährliche Rente für die entgehenden Einkünfte oder sonstige Einkommensminderung" infolge des Schadensereignisses vom 19. Juli 1980 verlangen (§ 1 Abs. 1 a des Vertragstextes i.V.m. dem Einleitungssatz), und zwar für die Zeit vom 1. Juli 1983 bis zum 31. August 2022 (§ 2 des Vertragstextes). Ein inhaltlicher Unterschied zwischen den dort genannten "entgehenden Einkünften" und dem "entgangenen Gewinn" nach § 252 BGB läßt sich nicht ausmachen.

2a) Im vorliegenden Fall steht danach zur Überzeugung des Senats (§ 287 ZPO) fest, daß die Klägerin ohne den Unfall am 19. Juli 1980 (sie war zum Unfallzeitpunkt knapp 18 Jahre alt) ihre seinerzeit begonnene Ausbildung als Holzfacharbeiterin im VEB Sitzmöbelwerke W erfolgreich zu Ende geführt hätte.

Auch die Beklagte hat erstinstanzlich (Bl. I 79 d.A.) ausdrücklich eingeräumt, die Leistungen der Klägerin seien so leistungsgerecht gewesen, daß sie am 5. Juli 1982 ohne die Unfallverletzungen ihre Lehre erfolgreich beendet hätte. Warum sie hiervon im zweiten Rechtszug wieder abgerückt ist, ist nicht deutlich geworden. Mit dem - von der Klägerin umfangreich bestrittenen (Bl. II 183 d.A.) - Hinweis, die Klägerin sei noch im Unfalljahr 1980 mit ihren Eltern von W nach S umgezogen, so daß sie deswegen ohnehin das Ausbildungsverhältnis beendet hätte (Bl. II 140 d.A.), bleibt die Beklagte erfolglos, denn sie behauptet nicht, daß die Klägerin auch ohne den Unfallschaden, der unstreitig zu einer besondere Hilfebedürftigkeit der Klägerin geführt hat, ihren Eltern beim Umzug gefolgt wäre. Daß die Klägerin tatsächlich mit umgezogen ist, begründet einen Abbruch des unfallbedingten Zusammenhanges damit nicht.

b) Die Klägerin hätte ferner eine ausbildungsentsprechende Anstellung in der Möbelindustrie der DDR als Holzfacharbeiterin gefunden. Der entsprechenden Behauptung der Klägerin ist die Beklagte nicht mit erheblichen Argumenten entgegengetreten.

Soweit sie erstinstanzlich eingewandt hat, die Klägerin hätte weder eine Tätigkeit als Holzfacharbeiterin noch überhaupt als gewerbliche Arbeitnehmerin erhalten (Bl. I 80 d.A.), bezieht sich dies erkennbar auf die Situation nach Übersiedlung nach S. Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Klägerin hätte nach beendeter Lehre eine Tätigkeit als Holzfacharbeiterin nicht aufgenommen, weil sie in einem anderen Beruf einen höheren Verdienst erzielt hätte (Bl. II 141 d.A.). Als Einwand gegen eine Schadensersatzforderung jedenfalls in Höhe des Einkommens einer Holzfacharbeiterin ist dieses Vorbringen unschlüssig. Träfe es zu, hätte die Klägerin auch nach Beklagtenvorbringen einen höheren Schaden durch den Wegfall eines höheren Einkommens erlitten. Die hier geltendgemachte niedrigere Forderung würde dadurch nicht in Frage gestellt.

c) Die Beklagte ist ferner erfolglos mit der Behauptung, die Klägerin hätte ihre Arbeitsstelle deshalb verloren, weil nach der Wende der VEB Sitzmöbelwerke W ebenso wie der VEB Möbelkombinat R aufgelöst worden seien.

Es ist bereits unklar, aufgrund welcher Umstände die Beklagte annimmt, die Klägerin hätte nach der Wende gerade in einem dieser beiden Betriebe eine Arbeitsstelle innegehabt. Gewiß erscheint es durchaus naheliegend, daß die Klägerin sich nach Ausbildungsende bei ihrem Ausbildungsbetrieb verdingt hätte. Völlig offen ist jedoch, ob sie zehn Jahre später dort immer noch gearbeitet hätte. Folglich läßt sich aus der Schließung der genannten Betriebe nicht ableiten, daß die Klägerin spätestens zu dieser Zeit erwerbslos geworden wäre.

Gleiches gilt für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Der Beklagten ist zuzugeben, daß sich offenkundig die Beschäftigungssituation im Gebiet der ehemaligen DDR zunächst deutlich verschlechtert hat und die Arbeitslosenzahlen gestiegen sind. Dies begründet aber weder einen ersten Anschein noch ein Indiz für einen Arbeitsplatzverlust der Klägerin. Man könnte dies vielleicht annehmen, wenn feststünde, daß in der (hypothetischen) Branche der Klägerin mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer ihre Anstellung verloren hätten. Davon ist im vorliegenden Rechtsstreit aber nichts bekannt geworden. Damit erscheint es durchaus plausibel, daß die Klägerin zu denjenigen gehört hätte, die weiterhin eine Anstellung als Holzfacharbeiterinnen behalten hätte.

d) Der von der Klägerin jedenfalls konkludent erhobenen Behauptung, sie wäre auch ohne den Unfallschaden im Dezember 1992 nach S umgezogen, ist die Beklagte gleichfalls nicht entgegengetreten; sie hat vielmehr nur in Abrede gestellt, daß die Klägerin angesichts der Arbeitsmarktlage in S eine Arbeitsstelle gefunden hätte.

e) Die Klägerin hätte nach dem Wechsel 1992 nach S eine Stelle gefunden, die nach dem Tarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Nordrhein-Westfalen vergütet worden wäre und diese Stelle auch durchgängig behalten.

Für diese Prognose sprechen die hypothetischen arbeitsmarktrelevanten "Kenndaten" der Klägerin: Sie war 1992 30 Jahre alt, hätte eine entsprechende Berufsausbildung und zehn Jahre einschlägiger Berufserfahrung vorweisen können und hätte sich aus einer ungekündigten Stellung heraus bewerben können. Hiernach wäre ihre Bewerbung mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich gewesen. Das von der Beklagten zum Beleg für das Gegenteil vorgelegte umfangreiche statistische Material zur Entwicklung des Arbeitsmarktes in der Bundesrepublik Deutschland (enthalten im Beistück zum Schriftsatz vom 6. April 2000) ist nicht geeignet, hieran Zweifel zu begründen. Die Daten beziehen sich auf den gesamten Arbeitsmarkt und weisen - aufgegliedert nach Landesarbeitsamtsbezirken - schwankende Arbeitslosenquoten im Land Nordrhein-Westfalen zwischen 10 und 12% im Zeitraum von Juni 1995 bis Januar 1999. Damit lassen sich aus diesen Angaben für den hier interessierenden Zeitpunkt 1992 keine Informationen gewinnen. Darüber hinaus besagen die Statistiken zu den einzelnen Branchen und Qualifikationen der Arbeitslosen nichts, so daß sie keine Grundlage für die Prüfung bieten, wie wahrscheinlich eine Einstellung oder ein späterer Arbeitsplatzverlust der Beklagten aufgrund allgemeiner Rahmendaten des Arbeitsmarktgeschehens gewesen wäre.

3) Die Klägerin muß sich entgegen der Auffassung der Beklagten kein Mitverschulden hinsichtlich des Verdienstausfalles anrechnen lassen, § 254 BGB, weil sie die ab dem 1. April 1982 beim VEB Fischfang ungeachtet ihrer Unfallverletzungen aufgenommene ganztätige Tätigkeit als Zimmerdisponentin an der Rezeption eines Hotels durch Aufhebungsvertrag vom 16. Februar 1989 (Bl. I 16 d.A.) wieder aufgegeben hat. Es handelte sich um eine überobligationsmäßige Tätigkeit (vgl. BGH, NJW 1994, 131 = MDR 1994, 673) auf einem "Schonarbeitsplatz" (Gutachten Prof. Dr. W vom 5. Juli 1999, S. 3 und 7 = Bl. 54 und 58 d.A.). Angesichts der beim Unfall erlittenen orthopädischen Schäden hätte sie diese Tätigkeit nicht aufnehmen müssen, so daß ihr nicht vorzuwerfen ist, daß sie sie wieder aufgegeben hat.

a) Dem Geschädigten obliegt es im Rahmen der Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB, seine verbliebene Arbeitskraft im Rahmen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich einzusetzen und dadurch den Schaden gering zu halten. Kriterien dafür, ob ein Verletzter die Möglichkeit hat und ob es ihm zumutbar ist, einer gewinnbringenden Erwerbstätigkeit nachzugehen, sind etwa sein Gesundheitszustand, seine Persönlichkeit, die soziale Lage, der bisherige Lebenskreis, Begabung und Anlagen, Bildungsgang, Kenntnisse und Fähigkeiten, bisherige Erwerbsstellung, Alter, seelische und körperliche Anpassungsfähigkeit, seine familiäre Situation und sein Wohnort (vgl. Senat, Urt. vom 17. Juni 1999 - 12 U 2463/98 - KGR 2000, 239, 240 = DAR 2000, 401; auch Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 7. Auflage 2000, Rn. 41 m.w.N.).

b) In Zusammenschau dieser Umstände war die Klägerin nicht verpflichtet, die Tätigkeit in der Rezeption des Hotels überhaupt aufzunehmen.

aa) Nach den Feststellungen des orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. W in seinem Gutachten vom 5. Juli 1999 (Bl. II 52 ff. d.A.) hat die Klägerin durch den Unfall Schäden erlitten, die in der Zeit vom 19. Juli 1980 bis zum 7. Januar 1981 zu einer vollständigen Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben. Ab dem 7. Januar 1981 war die Klägerin zu 50% in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert. Der Grad der Minderung hat sich im Laufe der Zeit bis zur Begutachtung auf 80% gesteigert (Bl. II 82 d.A.).

Der Gutachter hat zudem ausdrücklich hervorgehoben, zu der erlittenen Blasen- und Weichteilverletzung könne er als Orthopäde nicht Stellung nehmen; diese müsse ggf. in einem gesonderten urogynäkologischen Gutachten untersucht werden; damit ist deutlich, daß sich die von ihm festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit schon allein aus den orthopädischen Folgen des Unfalls ergibt, unbeschadet möglicher weiterer Minderungen aus anderen medizinischen Gründen.

Das Gutachten hat der Sachverständige sorgfältig und nach den für die Abfassung solcher Untersuchungen sowie fachlich zu beachtenden Regeln gefertigt, so daß das Landgericht ihm zu Recht (S. 8 des angefochtenen Urteils) gefolgt ist. Nachdem sie das zuvor vom Landgericht eingeholte Gutachten noch abgelehnt hatte, hat auch die Beklagte Einwendungen gegen die Richtigkeit dieses Gutachtens nicht mehr erhoben.

bb) Damit steht fest, daß die Klägerin zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme als Zimmerdisponentin zu 50% in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert war. Bei diesem Befund war es ihr nicht zumutbar, überhaupt eine Ganztagstätigkeit anzunehmen. Erst recht mußte sie im Hinblick auf die erlittenen Schäden an Becken, Hüftgelenk, Oberschenkel, Knie, Fuß und Unterschenkel (vgl. die unfallbedingten Diagnosen des Sachverständigen auf S. 30 des Gutachtens = Bl. II 81 d.A.) keine Tätigkeit annehmen, die üblicherweise zu einem Gutteil im Stehen ausgeübt wird.

Daß sie dies dennoch getan hat, spricht - wie das Landgericht (Urteil S. 9) zu Recht formuliert hat - für ihre Arbeitswilligkeit. Zumal angesichts der vom Gutachter W konstatierten weiteren Minderung der Erwerbsfähigkeit stellt es aber kein Mitverschulden dar, daß die Klägerin die Arbeit nach sieben Jahren wieder aufgegeben hat; Leistungen, die ein Geschädigter aufgrund einer "überobligationsmäßigen" Erwerbstätigkeit erhält, also einer Beschäftigung, ohne hierzu im Rahmen der Schadensminderungspflicht gegenüber dem Schädiger gehalten zu sein, dürfen diesem nicht zugute kommen (BGH, Urt. v. 19.10.1993 - VI ZR 56/93 -, NJW 1994, 131, 133 = MDR 1994, 673; Küppersbusch, a.a.O.).

4) Damit kann die Klägerin verlangen, von der Beklagten so gestellt zu werden, als habe sie durchgängig in dem streitgegenständlichen Zeitraum eine Vergütung als Facharbeiterin erhalten. Die Höhe der nach den einschlägigen Tarifverträgen erzielten Löhne hat die Klägerin durch Vorlage der entsprechenden Tarifverträge belegt; die Beklagte hat hierzu auch nichts bestritten.

5) Lediglich zur Zahlungsdauer ist das Klägerverlangen nicht vollständig durch die vertragliche Vereinbarung vom 25. August 1983 gedeckt, so daß insoweit die Berufung erfolgreich ist.

Die Parteien haben in § 2 ihres Rentenvertrages vom 25. August 1983 (Bl. I 12 d.A.) eine Rentenzahlung für entgangene Einkünfte oder sonstige Einkommensminderung bis zum 31. August 2022 vereinbart, also bis zum Ablauf des sechzigsten Lebensjahres der Klägerin. Soweit das Landgericht antragsgemäß eine Rente bis zum 31. August 2025 zugesprochen hat, geht dies über die vertragliche Vereinbarung hinaus. Eine andere Anspruchsgrundlage gegen die Beklagte ist jedoch für die Rentenzahlung nicht ersichtlich. Eine ergänzende Auslegung des Vertrages unter Heranziehung von § 3 Abs. 1 scheidet deshalb aus, weil sich die darin enthaltene Anpassungsklausel ausdrücklich auf die Höhe der Schadensersatzverpflichtung bezieht, nicht jedoch auf deren Dauer.

II. Angesichts der klaren Angabe des Sachverständigen Prof. Dr. W es sei mit erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin (auf orthopädischem Gebiet) auch in Zukunft zu rechnen, weil es sich um fortschreitenden Dauerschäden handele (S. 32 des Gutachtens = Bl. II 83 d.A.) ist nicht zu beanstanden, daß das Landgericht antragsgemäß eine entsprechende Haftung der Beklagten für die daraufhin weiter zu erwartenden künftigen materiellen Schäden festgestellt hat.

B. Anschlußberufung

Die Anschlußberufung ist aus den zur Berufung dargelegten Gründen weitgehend begründet.

1) Auch die im zweiten Rechtszuge zusätzlich geltend gemachten Differenzbeträge für die Zeit ab dem 1. April 1998, die über die vom Landgericht zuerkannten Beträge hinausgehen (vgl. zum Rechenwerk Bl. II 208 - 210 d.A.) und die auf der von der Klägerin nachgewiesenen Tarifentwicklung beruhen, stellen ersatzfähige Einkommensausfälle nach § 1 Abs. 1 a) des zwischen den Parteien geschlossenen Rentenvertrages dar.

a) Ohne Erfolg bleibt der Hinweis der Beklagten, den von der Klägerin zum Beleg für die mutmaßliche Einkommensentwicklung vorgelegten Tarifverträge fehle die Allgemeinverbindlichkeit, so daß sie keine Grundlage für die Verdienstausfallberechnung bilden könnten.

Über die Höhe eines im Prozeß geltend gemachten Schadens entscheidet nach § 287 ZPO das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Eines Vollbeweises der Schadenshöhe bedarf es nicht (vgl. zu den Einzelheiten Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 287 Rn. 1). Im Rahmen dieses Ermessens bietet der jetzt vorgelegte Tarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Nordrhein vom 22. April 1998 zwischen dem Landesverband Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung Nordrhein e.V. und der Gewerkschaft Holz und Kunststoff (Bl. II 211 d.A.) eine hinreichend aussagekräftige Grundlage für eine gerichtliche Schätzung. Es handelt sich nicht um einen Firmentarifvertrag. Vielmehr beansprucht er Geltung in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln (§ 1 des Vertragstextes). Damit indizieren die in ihm vereinbarten Löhne in aussagekräftiger Weise die allgemeine Lohnentwicklung. Sie eignen sich auch ohne eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch die zuständige Behörde als Grundlage für eine richterliche Schadensschätzung. Dasselbe gilt für die weiteren Tarifverträge (vgl. Bl. I 117 bis 137 d.A.), die die Klägerin vorgelegt hat.

b) Gleichfalls erfolglos bleibt die Beklagte mit der Rüge, die Klägerin könne ihren Verdienstausfallschaden nicht auf Bruttolohnbasis berechnen.

Der BGH (NJW 1995, 389) hat beide Berechnungsmethoden miteinander verglichen, dabei hervorgehoben, es handele sich um "bloße Berechnungstechniken ohne eigenständige normative Aussage" und weiter ausgeführt, beide eigneten sich zur Ermittlung des "wahren" Schadens.

Insofern ist der von der Klägerin gewählte Berechnungsweg über das mutmaßliche Bruttoeinkommen nicht zu beanstanden.

2) Der weiterhin verlangte Zins ist unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes in gesetzlicher Höhe gerechtfertigt.

3) Lediglich die beanspruchte Zahlungsdauer bis zum 31. August 2025 ist wegen der Fristvereinbarung im Rentenvertrag vom 25. April 1983 (Bl. I 12 d.A.) nicht gerechtfertigt, so daß eine über den 31. August 2022 hinausgehende Forderung unbegründet ist.

C. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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