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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.01.2005
Aktenzeichen: 13 UF 146/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 727
BGB § 1586b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29. Juni 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (133 F 1272/03) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I. Auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung wird gemäß § 540 Abs.1 ZPO Bezug genommen und diese wie folgt ergänzt :

Mit Urteil vom 23. März 2004 - 27 O 729/03 - verpflichtete das Landgericht Berlin die hiesige Klägerin, einer Auszahlung des von der A........ beim Amtsgericht Köln hinterlegten Lebensversicherungsbetrages über 199.831,28 EUR einschließlich Zinsen an die Beklagte zuzustimmen. Das Landgericht ging dabei davon aus, der Rechtsgrund für das ursprünglich vereinbarte Bezugsrecht der hiesigen Klägerin aus der vom Erblasser im Jahre 1976 abgeschlossenen Lebensversicherung sei entfallen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin wies das Kammergericht mit Urteil vom 15. November 2004 - 26 U 55/04 - zurück.

Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat der auf Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente von 2.454,20 EUR (4.800,- DM) ab Juli 2002 gerichteten Klage der Klägerin mit Urteil vom 29. Juni 2004 stattgegeben und der Beklagten zugleich die Berufung auf die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass vorbehalten. Gegen dieses ihr am 12. Juli 2004 zugestellte Urteil (Bl. 160 ff. d.A.), auf das wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, hat die Beklagte am 11. August 2004 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 12. Oktober 2004 begründet.

Die Beklagte behauptet nach wie vor, die Klägerin habe aus dem ihr seit März 1990 gezahlten Unterhalt Kapitalrücklagen von mindestens 290.000,- DM/145.000,- EUR gebildet. In diesem Sinne habe sie sich auch vor 3 bis 4 Jahren gegenüber ihrer früheren Schwiegermutter, der Zeugin S......., geäußert. Das Geld habe sie teilweise treuhänderisch an ihren Sohn D....... weitergeleitet.

Im Übrigen sei der Nachlass überschuldet. Zum Aktivnachlass des verstorbenen Herrn J........ hätten lediglich eine Kaufpreisforderung aus der mit Kaufvertrag vom 27. April 2002 erfolgten Veräußerung der Hausverwaltung des Erblassers in Höhe von 49.247,23 EUR, ein Anspruch aus Berufsunfähigkeitsversicherung gegen die A........ in Höhe von 32.673,82 EUR, eine Sammlung utopischer Romane im Werte von 550,- EUR (Verkaufserlös) und der Geschäftsanteil des Erblassers an der Erwerbergesellschaft seiner zuvor als Einzelfirma betriebenen Hausverwaltung (5 % des Stammkapitals von 25.000 EUR) gehört. Weitere Vermögenswerte habe der Erblasser nicht gehabt, seinen Anteil am Inventar der mit der Beklagten genutzten Ehewohnung habe er am 22. Dezember 2000 für 9.000,- DM an die Beklagte verkauft.

Dem stünden private Verbindlichkeiten des Erblassers von 66.204,06 EUR (86.734,36 EUR - 20.530,30 EUR zwischenzeitlich von der Krankenkasse erstatteter Heilbehandlungskosten) gegenüber. Ferner bestünde ein Anspruch der Beklagten gegen den Nachlass wegen Verauslagung von an die Klägerin in der Zeit von März bis Juni 2002 erfolgten Unterhaltszahlungen in Höhe von 9.816,80 EUR. Zudem seien aus dem Rechtstreit der Parteien über die Abänderung des Unterhaltsvergleichs Kosten von insgesamt 2.981,36 EUR, aus dem erstinstanzlichen Rechtsstreit über die Auszahlung der bei der A. bestehenden Lebensversicherung Kosten von 3.183,04 EUR und weitere Anwaltskosten zur Erlangung der Berufsunfähigkeitsversicherung von 1.342,12 EUR entstanden. Schließlich verweist die Beklagte noch auf den dem Sohn des Erblassers zustehenden Pflichtteil.

Die Beklagte beantragt,

das am 29. Juni 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 133 F 1272/03 - zu ändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil dahin zu ändern, dass die Beklagte nur Zug um Zug gegen Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des am 23. Februar 1990 vor dem Kammergericht zum Aktenzeichen 13 UF 4799/89 geschlossenen Vergleichs verurteilt wird,

weiter hilfsweise,

die Revision zuzulassen und der Beklagten Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin macht geltend, sie habe die von März 1990 bis einschließlich Juni 2002 von Seiten des Erblassers erfolgten monatlichen Unterhaltszahlungen von 4.800,- DM nicht zur Vermögensbildung verwandt. Bis 1995 habe sie gemäß ihrer im Schriftsatz vom 9. Dezember 2004 enthaltenen Aufstellung (Bl. 222 d.A.), auf die wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, laufende monatliche Zahlungsverpflichtungen für Miete, Versicherungen, Steuern, Telefon und Strom von ca. 4.317,- DM gehabt. Ab 1995 sei zwar der Beitrag für die Lebensversicherung in Höhe von 550,- DM monatlich entfallen und ab 2001 habe sich ihre Miete von knapp 2.000,- DM auf 750,- EUR im Monat reduziert, mit dem Restbetrag habe sie aber ihre sonstigen allgemeinen Lebenshaltungskosten decken müssen. Zudem habe sie im Jahre 1995 15.000,- DM zur Ablösung der vom Erblasser beliehenen Lebensversicherung aufbringen müssen.

1998 habe sie sich von ihrem Vermögen für 34.062,46 DM einen PKW angeschafft und 1999 ihrem Sohn 15.000,- DM für die Anschaffung eines PKWs überlassen. Weiteres Geld sei für die Renovierung ihrer alten und die Anmietung und Einrichtung ihrer neuen Wohnung verbraucht worden. Den Rest habe sie in Aktien angelegt und dabei im Zuge der Börsenentwicklung 2001 bis zu 90 % ihres Aktienvermögens verloren. Im Jahr 2002 seien an Aktienvermögen und Bankguthaben nur noch ca. 42.000,- EUR vorhanden gewesen, welches sie wegen der ausbleibenden Unterhaltszahlungen in der Folgezeit verbraucht habe. So habe sie per 31. Dezember 2002 noch über 402 D........ Namensaktien im Wert von 11.256 EUR und 68 T.... Namensaktien im Wert von ca. 1.400,- EUR verfügt und hieraus im Jahre 2002 insgesamt 415,56 EUR Zinseinnahmen erwirtschaftet. Per 9. Oktober 2003 habe sich die Stückzahl der Telekom-Aktien auf 112 erhöht und es seien 100 S.......... Aktien hinzugekommen, beide Aktien hätten einen Wert von 1.690,- EUR gehabt. Auf ihren Girokonten seien aber nur noch ca. 950,- EUR vorhanden gewesen. Im Juni 2004 habe sie nur noch über ein Kontoguthaben von 485,60 EUR verfügt. Das Aktiendepot weise keinen Bestand mehr auf, da sie ihre Aktien zwischenzeitlich für ihren Unterhalt verbraucht habe.

II. Die Berufung der Beklagten ist nach §§ 511 Abs.2 Nr.1, 517, 519, 520 ZPO zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage ist zulässig. Ihr fehlt ungeachtet der vom Bundesgerichtshof zwischenzeitlich ausdrücklich bestätigten Möglichkeit zur Umschreibung eines Unterhaltsvergleichs gegen den nach § 1586 b BGB haftenden Erben gemäß §§ 727, 795 ZPO (BGH FPR 2004,591; OLG Celle OLG Report 1995,88; OLG Frankfurt/M FF 2003,68; OLG Koblenz FamRZ 2004,557; OLG Stuttgart FamRZ 2004,1220) nicht das erforderliche Rechtschutzbedürfnis. Zwar führt der Bundesgerichtshof das Gebot der Prozessökonomie als ein Argument für die Zulassung der Titelumschreibung nach § 727 ZPO an, mit dem Verhältnis von Titelumschreibung und Leistungsklage setzt er sich aber in der vorstehend genannten Entscheidung nicht weiter auseinander und brauchte dies auch nicht, da allein die Zulässigkeit der Titelumschreibung und dabei insbesondere die bislang heftigst umstrittene Frage der Rechtsnatur der auf den Erben übergegangen Unterhaltspflicht entscheidungsrelevant waren. Im Hinblick auf das Rechtschutzbedürfnis der Leistungsklage entspricht es aber bereits seit längerem der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass einem Gläubiger trotz eines bereits bestehenden Vollstreckungstitels die Erhebung einer Klage dann nicht verwehrt werden darf, wenn er hierfür nach Lage der Dinge einen verständigen Grund hat. Liegt - wie hier - lediglich ein nicht der Rechtskraft fähiger Vollstreckungstitel vor, so ist das Rechtschutzbedürfnis für eine Klage etwa dann gegeben, wenn mit einer Vollstreckungsabwehrklage oder Abänderungsklage des Schuldners zu rechnen ist (BGH FamRZ 1989,267; BGH FamRZ 1985,166; BGHZ 98,127; BGH NJW 1962,1392). Von dieser Rechtsprechung ist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 4. August 2004 (BGH FPR 2004,591) weder ausdrücklich noch sinngemäß abgerückt.

Vorliegend zeigen die von der Beklagten erhobenen Einwendungen gegen ein Fortbestehen des in dem Prozessvergleich vom 23. Februar 1990 geregelten Unterhaltsanspruchs und ihre Berufung auf die Überschuldung des Nachlasses, dass die bloße Umschreibung des bestehenden Unterhaltstitels eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien über die von der Beklagten geltend gemachten Einwendungen nicht vermieden hätte. Für die Klägerin bestand demnach ein verständiger Grund, eine Klärung der strittigen Fragen, insbesondere des von ihrer Bedürftigkeit abhängenden Fortbestandes des Unterhaltsvergleichs, im Wege der Leistungsklage herbeizuführen.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin beruht auf § 1586 b BGB in Verbindung mit dem am 23. Februar 1990 vor dem Kammergericht von der Klägerin und ihrem früheren Ehemann, dem Erblasser, geschlossenen Prozessvergleich.

Nach § 1586 b Abs.1 BGB haftet der Erbe jedenfalls dann für vertragliche Unterhaltsansprüche, wenn sie sich lediglich als Ausformung gesetzlicher Unterhaltsansprüche darstellen (OLG Koblenz NJW 2003,439; Münchner-Kommentar-Mauer, BGB; 4. Aufl., Rdnr.2 zu § 1586 b; Johannsen/Henrich-Büttner, Eherecht, 4. Aufl. Rdnr. 2 zu § 1586 b BGB; Bergschneider FamRZ 2003, 1049 f.; Hambitzer, FamRZ 2001, 201 f.). Hiervon ist im Zweifel auszugehen (BGH FPR 2004,591; BGH NJW 1985,1470; OLG Bamberg NJW-RR 1999,1095; Bergschneider aaO., S.1050; Hambitzer aaO. S.202,203). Vorliegend hatten sich die Eheleute nach Maßgabe der vom Senat beigezogenen Scheidungsakte des Amtsgerichts Charlottenburg - 151 F 2036/88 - am 23. Februar 1990 über die von der Klägerin am 9. Juni 1989 anhängig gemachte Folgesache Ehegattenunterhalt verglichen. Der gemeinsame Sohn Duncan war damals bereits 17 Jahre alt. Die Klägerin hatte aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Immobilienmaklerin unstreitig kein Einkommen. Der vereinbarte Unterhalt errechnete sich nach dem offensichtlich allein eheprägenden, bereinigten Einkommen des Erblassers von 11.000,- DM monatlich, d.h. in Anwendung der 3/7 -Methode mit einem geringen Aufschlag. Angesichts dieser Rahmenbedingungen und Berechnungsgrundlagen handelte es sich um die Ausgestaltung eines nach § 1573 Abs.1 BGB bestehenden Unterhaltsanspruches und nicht um eine von den gesetzlichen Grundlagen losgelöste Unterhaltsverpflichtung.

Allerdings bindet der Unterhaltsvergleich die Erbin dahingehend, dass sie einen Fortfall oder eine Änderung des daraus resultierenden Unterhaltsanspruchs der Klägerin nur nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage der zwischen dem Erblasser und der Klägerin getroffenen Unterhaltsvereinbarung erreichen kann (Wendl/Staudigl -Thalmann aaO. § 8 Rdnr. 169 ff.). Für die im Wege der Einwendungen gegen den vertraglichen Unterhaltsanspruch geltend gemachten Abänderungsgründe ist sie darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW 1987,1201; BGH NJW 1995,1892). Durch den Erbfall als solchen ist ein Abänderungsgrund noch nicht eingetreten, denn der Übergang der Unterhaltspflicht auf den Erben nach § 1586 b BGB ändert nichts an der Rechtsnatur des Unterhaltsanspruches (BGH FPR 2004,591).

Zwar kommt für die am 25. Juli 1935 geborene und im Juni 2002 bereits über 65 Jahre alt gewesene Klägerin mittlerweile kein Unterhaltsanspruch mehr nach § 1573 BGB, sondern nur ein solcher nach § 1571 BGB in Frage, denn die Klägerin muss sich keine Erwerbstätigkeit mehr suchen bzw. ausüben. Es kann insoweit dahin stehen, ob auch der in § 1571 Nr. 3 BGB für einen Anspruch auf Altersunterhalt bestimmte Einsatzzeitpunkt gewahrt wurde, denn der Unterhalt wurde nach Ablauf der offensichtlich für die Suche der Klägerin nach einer angemessenen Erwerbstätigkeit vorgesehenen Frist bis zum 31. Dezember 1992, für die die früheren Eheleute die Abänderung des Prozessvergleiches ausgeschlossen hatten, über neun Jahre weiter gezahlt, ohne dass ersichtlich ist, dass der Erblasser vor 2001 wegen einer möglichen Verletzung der Erwerbsobliegenheit der Klägerin irgendeinen Vorbehalt angebracht hätte. Die sodann vom Erblasser erhobene Abänderungsklage wurde von der Beklagten zurückgenommen. Zwar gilt die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs.2 ZPO nach wohl herrschender Meinung nicht für Prozessvergleiche (BGH NJW 1983,230; BGH NJW 1995,536). Allerdings setzt deren Aufhebung oder Abänderung materiell-rechtlich voraus, dass dem Unterhaltsschuldner ein Festhalten hieran infolge veränderter Umstände nach Treu und Glauben unzumutbar ist. Daran fehlt es, wenn der Unterhalt über Jahre hinweg anstandslos weitergezahlt wird, ohne zu Zeiten, in denen die Klägerin noch einer Erwerbstätigkeit hätte nachgehen können, dies einzufordern und dann auch noch in Kenntnis dieser Umstände eine bereits erhobene Abänderungsklage zurückgenommen wird. Im Gegenteil ist durch die jahrelange vorbehaltslose Zahlung des Unterhalts ein Vertrauensschutz auf Seiten der Klägerin entstanden, der einer Berufung darauf, sie sei in früheren Zeiten ihrer Erwerbsobliegenheit nicht ausreichend nachgekommen, entgegensteht (Palandt-Brudermüller, BGB, 64. Aufl. Rdnr. 12 zu § 1572 BGB). Insoweit steht letztlich § 242 BGB einer auf diese Einwendung gestützten rückwirkenden Abänderung des Prozessvergleichs entgegen (OLG Düsseldorf FamRZ 1995,743; OLG Köln NJW 1990,2630).

Im übrigen würde ein Anspruch nach § 1571 BGB auch nur dann scheitern, wenn die Klägerin zwischenzeitlich eine volle wirtschaftliche Selbständigkeit erlangt hätte oder ihr eine solche fiktiv zuzurechnen und mithin auch kein Anspruch nach § 1573 Abs.2 BGB gegeben gewesen wäre. Reichen die erzielbaren Erwerbseinkünfte für den der Ehe angemessenen Unterhalt nicht aus und verliert der Berechtigte diese Einkünfte, weil er infolge des Erreichens der Altersgrenze keine Arbeitsverpflichtung mehr hat, schließt sich der Altersunterhalt nach § 1571 BGB an (Wendl/Staudigl-Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 4,Rdnr. 94). Angesichts der eklatanten Einkommensunterschiede der Eheleute zum Zeitpunkt der Scheidung, zu dem die Klägerin immerhin auch schon fast 55 Jahre alt war, erscheint es unwahrscheinlich, dass sie selbst unter Entfaltung aller gebotener Erwerbsbemühungen in der Lage gewesen wäre, ihren eheangemessenen Unterhaltsbedarf nachhaltig aus eigenen Erwerbseinkünften zu befriedigen.

Ob sich die Beklagte in der Konsequenz auch nur auf eine fehlende Bedürftigkeit der Klägerin berufen kann, die nach dem Tode des Erblassers eingetreten ist (so Hambitzer FamRZ 2001, 201,203), kann letztlich dahinstehen, da es hier ohnehin nur auf die tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin ab Juni 2002 ankommt.

Dass die Klägerin ab Juni 2002 nicht über Einkünfte aus Erwerbstätigkeit oder Rente verfügte, wird von der Beklagten nicht substanziiert bestritten. Die Klägerin war fast 67 Jahre alt, so dass die Anrechnung fiktiven Erwerbseinkommens nicht mehr in Frage kommt. Ein Versorgungsausgleich wurde seinerzeit nicht durchgeführt, weil beide Ehegatten während der Ehe nur selbständig tätig waren und keine öffentlich-rechtlichen oder privaten Rentenanwartschaften erworben hatten. Es ist nicht ersichtlich, dass sich an diesem Zustand seit der Scheidung etwas geändert hätte, so dass es allein um die Frage gehen kann, ob die Klägerin Vermögenseinkünfte oder Vermögen hat, das sie nach § 1577 Abs.3 BGB für ihren Unterhalt einsetzen muss.

Dabei kommt die Berücksichtigung fiktiven, d.h. nicht mehr vorhandenen Vermögens allerdings nicht in Frage, sondern allenfalls die Berücksichtigung fiktiver Kapitaleinkünfte, wenn die Klägerin vorhanden gewesenes Vermögen obliegenheitswidrig verbraucht hätte. Das ist hier nicht der Fall. Die Eheleute haben eine Unterhaltsvereinbarung allein aufgrund ihrer Erwerbseinkommen und nicht unter Berücksichtigung von Vermögenseinkünften getroffen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass etwa ein Teil des Unterhalts zweckgebunden als Altersvorsorgeunterhalt ausgezahlt wurde, so dass die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, einen Teilbetrag auch entsprechend zur Absicherung ihres Unterhaltsbedarfs im Alter anzulegen. Auf diese Grundlagen der Unterhaltsberechnung konnte die Klägerin jedenfalls solange vertrauen, solange der Erblasser den nach seinem Erwerbseinkommen berechneten Unterhalt weiterzahlte, ohne eine Änderung der diesem zugrunde liegenden Verhältnisse geltend zu machen, was nach dem Vortrag der Beklagten erst Ende 2001 geschehen ist. Jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin unterhaltsrechtlich nicht verpflichtet, eventuell zwischenzeitlich gebildetes Vermögen gewinnbringend anzulegen. Ihr kann daher auch nicht entgegen gehalten werden, sie habe ihr Vermögen vorher verschwendet. Ihr ist weder anzulasten, dass sie ihrem Sohn Geldzuwendungen zukommen ließ, noch dass sie ihr Geld in Aktien seriöser Gesellschaften wie D........ und T... anlegte, die im Zuge der Börsenentwicklung im Jahre 2001 einen erheblichen Wertverlust erfahren haben. Erst recht lässt sich hierauf keine Verwirkung des Unterhaltsanspruches nach § 1579 BGB stützen.

Entscheidend ist also letztlich nur, ob die Klägerin im Juni 2002 und in der Folgezeit tatsächlich über Vermögenseinkünfte und Vermögenswerte verfügte, welche ihre Bedürftigkeit entfallen ließen oder minderten. Zwar obliegt die Darlegungs- und Beweislast für diesen Einwand - wie gesagt - grundsätzlich der Beklagten. Da es hier aber um Tatsachen in der Sphäre der Klägerin geht, zu denen die Beklagte keinen Zugang hat, genügt es, wenn sie das ihr in zumutbarer Weise Erkennbare vorträgt. Es ist dann an der Klägerin, dies substanziiert zu bestreiten (BGH NJW 1987,1201; BGH NJW 1961,826; BGH NJW 1983,687).

Die Klägerin hat das Vorbringen der Beklagten, sie habe von den Unterhaltszahlungen des Erblassers monatlich 2.000,- DM gespart, substanziiert anhand einer Aufstellung der Kosten ihrer Lebensführung bestritten. Wenn sie bis 1995 allein an Miete, Krankenversicherung und Lebensversicherung 3.833,- DM zahlen musste, kann sie von den Unterhaltsleistungen nicht 2.000,- DM im Monat gespart haben. Das war auch nach Fortfall der Lebensversicherungsbeiträge von 550,- DM monatlich bzw. nach ihrem Umzug und einer verbleibenden Miete von 750,- EUR und Krankenversicherungskosten von 1.000,- EUR nicht möglich. Ein monatlicher Betrag von 2.000,- DM bleibt selbst dann nicht übrig, wenn man nur mit der vom Erblasser selbst während des Scheidungsverfahrens angegebenen Warmmiete von damals bereits 1.641,- DM rechnet (vgl. Protokoll vom 9.6.1986, Bl. 69 BA 151 F 2036/88). Die Beklagte kann die von der Klägerin konkret benannten Kostenpositionen wegen der ihr für den Wegfall der Bedürftigkeit der Klägerin grundsätzlich obliegenden Darlegungs- und Beweislast nur in substanziierter Form bestreiten. Der Verweis auf eine zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nur sinngemäß wiedergegebene Erklärung der Klägerin gegenüber der Zeugin S....... reicht insoweit ebenso wenig aus, wie das bloße Bestreiten mit Nichtwissen. Es hätte zumindest der Mitteilung von Anhaltspunkten bedurft, aus denen sich ergibt, dass die Angaben der Klägerin falsch sind.

Die Klägerin mag zwar Rücklagen aus den Unterhaltszahlungen gebildet haben. Auch hat sie im Jahre 1995 unstreitig einen Lebensversicherungsbetrag von 150.000,- DM/76.693,78 EUR erhalten. Hiervon hat sie nach eigenem Vorbringen in den Jahren 1998 und 1999 34.062,46 DM und 15.000,- DM, d.h. 49.062,46 DM/25.085,24 EUR für sich und den Sohn ausgegeben. Unter Berücksichtigung von im Jahre 2001 für den Wohnungswechsel geltend gemachter Renovierungs-, Makler- und Einrichtungskosten von ca. 20.000,- DM/10.225,84 EUR und des bekannten Werte- verfalls auf dem Aktienmarkt hat die Klägerin durchaus plausibel vorgetragen, dass dieses Vermögen über die Jahre hinweg bis 2002 auf die von ihr angegeben ca. 42.000 EUR abgeschmolzen war. Jedenfalls ist die Spekulation der Beklagten über die angebliche Ansparung von 145.000,- EUR nicht geeignet, den unter Vorlage von Kontoauszügen gestützten Vortrag der Klägerin zu entkräften.

Das von der Klägerin eingeräumte Vermögen von 42.000,- EUR muss sie unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht gemäß § 1577 Abs.3 BGB für ihren Unterhaltsbedarf verwenden. Die Beklagte haftet gemäß § 1586 b Abs.1 S.2 BGB nur noch beschränkt für den Unterhaltsbedarf der Klägerin. Der Umfang dieser Haftung lässt sich derzeit - wie noch zu zeigen ist - noch nicht ermessen. Die Beklagte selbst beruft sich auf eine Überschuldung des Nachlasses. Es erscheint nicht billig, dass die Klägerin, die über keine Rente verfügt, und damit rechnen muss, dass ihr Unterhaltsanspruch ohnehin in absehbarer Zeit wegen der Haftungsbegrenzung nach § 1586 b Abs.1 S.2 BGB entfällt, ihr noch vorhandenes Vermögen zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfs einsetzen muss, denn dann wäre ihre weitere Altersvorsorge vollkommen ungesichert, zumal nach dem Urteil des Kammergerichts vom 15. November 2004 davon auszugehen ist, dass ihr der von der AXA Versicherung hinterlegte Betrag nicht zusteht.

Soweit die Klägerin zugesteht, im Jahre 2002 immerhin noch Kapitaleinkünfte von 415,56 EUR, d.h. 34,63 EUR monatlich erwirtschaftet zu haben, stellt dies im Vergleich mit den Einkommensverhältnissen, die der Unterhaltsvereinbarung vom 23. Februar 1990 zugrunde lagen, keine wesentliche Änderung dar, die eine Abänderung der vertraglichen Unterhaltspflicht rechtfertigen könnte.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin scheitert derzeit auch nicht an dem von der Beklagten erhobenen Einwand, der Nachlass sei überschuldet. Im Unterhaltsprozess nach dem Tode des Verpflichteten steht es grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, ob über den Einwand der auf den Pflichtteil beschränkten Erbenhaftung sachlich entschieden oder die Parteien wegen des Streits über die Haftungsbeschränkung nach §§ 780, 781, 785 ZPO auf das Vollstreckungsverfahren verwiesen werden. Nur für den Fall der Spruchreife, muss abschließend entschieden werden (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht OLG-Report Schleswig 1998,282). Eine Spruchreife liegt hier aber nicht vor. Die Angaben der Beklagten erlauben keine zuverlässigen Feststellungen über die tatsächliche Höhe des Nachlasses.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Haftungsbeschränkung liegt bei der Beklagten (Münchner-Kommentar-Maurer, aaO., Rdnr. 13 zu § 1586 b BGB; Bergschneider aaO. S.1055). Ihrem Vorbringen lässt sich bisher nicht mit Substanz entnehmen, dass wegen einer Überschuldung des Nachlasses ein Pflichtteilsanspruch nicht bestünde bzw. dieser zwischenzeitlich erschöpft wäre. Dies gilt unabhängig davon, ob der nach dem Urteil des Kammergerichts vom 15. November 2004 bestehende Anspruch der Beklagten auf Auszahlung des Lebensversicherungsbetrages in den Nachlass fällt (so in der Konsequenz die Entscheidung des Kammergerichts).

Bereits der angegebene Kaufpreisanspruch des Erblassers gegen die Erwerbergesellschaft seiner Hausverwaltung ist nicht nachvollziehbar. Der Kaufvertrag weist keinen abschließenden Kaufpreis aus. Er differenziert zwischen dem Firmenwert, wofür ein Kaufpreis von 108.500,- EUR angegeben wird, und dem hinzuzurechnenden Kaufpreis für die Einzelfirma, der noch anhand einer zum Stichtag 30. April 2002 zu erstellenden Bilanz festgestellt werden soll. Diese Bilanz ist nach dem Vorbringen der Beklagten bisher noch nicht erstellt. Die Beklagte hat zwar eine Bilanz für die Firma J........ zum Stichtag 30. April 2002 als Anlage zu ihrer Berufungsbegründung eingereicht, diese weist einen nach Abzug von Rückstellungen und Verbindlichkeiten verbleibenden Vermögensüberschuss von 87.572,47 EUR aus, der dann in der Bilanz als Kaufpreisverbindlichkeit bezeichnet wird. Folglich müssten sich aus dem Kaufvertrag vom 27. April 2002 eigentlich Zahlungsansprüche von 196.072,47 EUR ergeben. Allerdings revidierte die R... diese Bilanz mit Schreiben vom 10. Juni 2004 bereits wieder hinsichtlich der Positionen B. "Rückstellungen" und C. "Verbindlichkeiten", woraus sich ergibt, dass insoweit in nicht unerheblichem Umfange mit Schätzungen gearbeitet wurde. Eine korrigierte Bilanz liegt bisher nicht vor.

Auch lässt sich der Verkehrswert des Anteils des Erblassers an der Erwerbergesellschaft seiner Hausverwaltung nicht einfach nach einem Bruchteil des Stammkapitals ermessen.

Unter den Nachlassverbindlichkeiten sind ferner Steuerrückstellungen von 20.567,81 EUR aufgeführt, bei denen sich noch nicht ermessen lässt, inwieweit diese tatsächlich für noch ausstehende Steuerschulden verbraucht werden. Bei den als Verbindlichkeiten aufgelisteten Kosten aus Arbeitsrechtstreitigkeiten ist nicht ersichtlich, inwieweit diese nicht bereits in der Bilanz als Abzugsposition vom Kaufpreis für die Immobilienverwaltung des Erblassers zu berücksichtigen sind. Die Erforderlichkeit der Anwaltskosten für die Erlangung der Berufsunfähigkeitsversicherung ist nicht ersichtlich.

Das von der Beklagten vorgelegte Nachlassverzeichnis des Notar R.. ist nicht beweisgeeignet, denn der Notar gibt darin im Wesentlichen Erklärungen der Beklagten selbst, ihrer Tochter und der Steuerberaterfirma R... wieder und weist selbst darauf hin, er könne keine Gewähr für die Richtigkeit der ihm erteilten Informationen übernehmen. Außerdem "verändere sich der Sachstand offensichtlich nach wie vor laufend". Der Notar regt daher selbst eine Nachermittlung an.

Nach alledem muss es bei dem vom Amtsgericht ausgesprochenen Vorbehalt der beschränkten Haftung der Beklagten nach § 780 ZPO verbleiben.

Der Zinsanspruch resultiert aus §§ 288 Abs.1, 286 Abs. 2 Nr.1 BGB. Zwar ist die Fälligkeit der der Klägerin zustehenden monatlichen Unterhaltsrente in dem Unterhaltsvergleich vom 23. Februar 1990 nicht explizit geregelt, es ist aber davon auszugehen und dürfte auch der tatsächlichen Übung entsprochen haben, dass die Eheleute hier die Regelung des § 1585 Abs.1 S.2 BGB gelten lassen wollten, die aber nur dann Verzugs begründende Wirkung i.S.d. § 286 Abs.2 Nr. 1 BGB hat, wenn sie Gegenstand einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung ist (vgl. Palandt-Heinrichs, aaO. Rdnr. 22 zu § 286 BGB). In diesem Sinne ist die vorliegende Unterhaltsvereinbarung nach Auffassung des Senates aber zu verstehen.

Soweit die Beklagten mit ihrem Hilfsantrag erstmals in der Berufungsinstanz ein auf einen Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Unterhaltsvergleichs gestütztes Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Klageanspruch geltend macht, kann sie damit keinen Erfolg haben, denn aus der Natur des auf Existenzsicherung gerichteten Unterhaltsanspruchs folgt, dass diesem grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht entgegen gesetzt werden kann (OLG Naumburg OLG-Report 1998,230; OLG Düsseldorf FamRZ 1988,284).

Die Kostenentscheidung basiert auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsschrift hilfsweise Vollstreckungsschutz beantragt, stehen dem die Vorschriften der §§ 713, 714 ZPO entgegen. Anträge bezüglich der Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils sind nach § 714 ZPO verspätet. Im Hinblick auf das Berufungsurteil, bei dem es auch nur um die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung gehen kann, haben Schuldnerschutzanordnungen nach § 713 ZPO zu unterbleiben, da weder Veranlassung für eine Revisionszulassung nach § 543 Abs.2 ZPO besteht, noch ist gemäß § 26 Nr. 9 EGZPO die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet. Dem Antrag der Beklagten auf Zulassung der Revision wegen des aus ihrer Sicht nicht gegebenen Rechtschutzbedürfnisses für die Leistungsklage der Klägerin war nicht zu entsprechen, da diese Frage - wie gezeigt - bereits höchstrichterlich entschieden ist.

Ende der Entscheidung

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