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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 30.06.2009
Aktenzeichen: 13 UF 153/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
BGB § 1408 Abs. 2
BGB § 1414
BGB § 1587o
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 13 UF 153/08

Verkündet am: 30. Juni 2009

In der Familiensache

hat der 13. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2009 durch die Richterin am Kammergericht Hennemann als Vorsitzende und die Richterinnen am Kammergericht Eilinghoff-Saar und Kolberg

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 29. Oktober 2008 - 156 F 10135/08 - und das diesem zugrunde liegende Verfahren aufgehoben und zur weiteren Verhandlung und Entscheidung einschließlich der Folgesache Versorgungsausgleich sowie der Kosten des Berufungsverfahrens an das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Parteien haben am 7. Juli 1983 die Ehe geschlossen. Bei der Antragsgegnerin war am 21. März 1983 eine Schwangerschaft festgestellt worden. Am 30. März 1983 schlossen die Parteien den Versorgungsausgleich für ihre Ehe durch notarielle Vereinbarung aus. Der Ehemann, der bereits einmal verheiratet war, war nur unter dieser Voraussetzung zur Eheschließung bereit. Zugleich vereinbarten sie in dieser Urkunde für die Ehe den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die Parteien waren sich darüber einig, dass die Antragsgegnerin mit Geburt des Kindes ihre Berufstätigkeit zunächst aufgeben und zumindest die ersten drei Jahre bzw. solange zu Hause bleiben sollte, bis das Kind größer sei und zur Schule gehe. Am 17. Oktober 1983 wurde die Tochter der Parteien geboren. Die Antragsgegnerin, die bis zur Geburt nach einer Lehre als Reisebürokauffrau, deren Abschlussprüfung sie nicht bestanden hatte, in einem Reisebüro gearbeitet hatte, gab ihre Berufstätigkeit auf. Sie blieb in der Folgezeit zu Hause und betreute das Kind. Der Antragsteller war ab 1985/1986 nur noch in der Nachtschicht beschäftigt. Am 27. Oktober 1998 schlossen die Parteien einen notariellen Ehevertrag und vereinbarten nunmehr Gütertrennung. Zugleich erklärten sie, dass es hinsichtlich des Versorgungsausgleichs bei der zwischen ihnen getroffenen Regelung in der notariellen Urkunde vom 30. März 1983 verbleibe. Der Antragsteller war seinem Sohn aus erster Ehe unterhaltspflichtig. Da der Sohn nach der Lehre das Fachabitur ablegte und studierte, leistete der Antragsteller bis ca. September 2002 an den Sohn Unterhaltszahlungen. Die Antragsgegnerin war ab April 1991 bis 3. November 1993 berufstätig, wobei sie unterschiedliche Einkünfte bezog. Seither ist sie überwiegend arbeitslos gewesen. 1999 und 2000 bezog sie Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung und derartige Einkünfte hatte sie auch in den Jahren 2004 und 2005. Nach einer Auskunft der Deutschen Rentenversicherung kkkkkkkkk vom 6. Juni 2007 hat sie eine Rentenanwartschaft von 240,90 EUR erreicht und würde bei gleichbleibenden Beitragszahlungen bis zur Regelaltersgrenze eine Rente von 308,41 EUR erlangen. Der Antragsteller hatte nach einer Auskunft des Rentenversicherungsträgers vom 31. Oktober 2003 eine Anwartschaft von 1.163,48 EUR erworben und würde bei gleichbleibenden Beitragszahlungen eine Rente von insgesamt 1.920,54 EUR bekommen. Zudem hat er eine betriebliche Rentenversorgung, die sich nach einer Mitteilung der Pensionskasse wwwwwwwwww vom 19. August 2003 auf monatlich 228,- EUR bei einem Rentenbeginn mit 65 Jahre belaufen würde. Der Antragsteller, der 1982 einen Verdienst von ca. 37.000,- DM hatte, konnte sein Einkommen kontinuierlich steigern und hatte 2001 ein Einkommen von ca. 104.000,- DM im Jahr.

Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sittenwidrig sei. Sie sei zur Zustimmung der Vereinbarung gedrängt worden, da der Antragsteller anderenfalls nicht zur Heirat bereit gewesen sei. Als der Erziehungsurlaub nach drei Jahren beendet gewesen sei, habe der Antragsteller darauf bestanden, dass sie weiterhin zu Hause bleibe, da ansonsten wegen seiner Nachtschichttätigkeit kein Familienleben hätte stattfinden können. Zum Abschluss des Ehevertrages am 27. Oktober 1998 sei es gekommen, weil der Antragsteller ihr nach ihrem Verständnis erklärt habe, dass der Sohn aus erster Ehe dadurch von erbrechtlichen Ansprüchen ausgeschlossen werde.

Hinsichtlich der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen

Der Antragsteller hat den Ausschluss für wirksam erachtet. Er habe die Antragsgegnerin mit der am 7. Oktober 1998 vereinbarten Gütertrennung von der Inanspruchnahme durch Kreditgläubiger schützen wollen. Es hätten zum Zeitpunkt des Scheidungsantrages Verbindlichkeiten von über 70.000 EUR bestanden, wobei er unstreitig alleiniger Darlehensnehmer gewesen sei und die Antragsgegnerin zudem im Innenverhältnis immer freigestellt habe - was ebenfalls unstreitig ist.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 29. Oktober 2008 die Ehe der Parteien geschieden und zugleich festgestellt, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs 1983 nicht sittenwidrig gewesen sei, weil beide Parteien berufstätig gewesen seien und beabsichtigt gewesen sei, dass die Antragsgegnerin nach drei Jahren wieder arbeite. Der Antragsteller sei auch nicht gehindert, sich auf diesen Ausschluss zu berufen. Zwar habe sich die Ehe dann anders entwickelt als die Parteien dies ursprünglich geplant hätten, da die Antragsgegnerin zu Hause geblieben sei. Sie habe aber 15 Jahre nach der ersten Vereinbarung ausdrücklich in dem Ehevertrag von 27. Oktober 1998 den Ausschluss des Versorgungsausgleichs bestätigt.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin fristgemäß Berufung eingelegt und begründet.

Sie ist weiterhin der Ansicht, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs sittenwidrig sei. Der Antragsteller habe eine berufliche Karriere gemacht, die ihm nur möglich gewesen sei, weil sie zu Hause geblieben sei und das Kind versorgt habe. Er habe ihr auch immer versprochen, sie an seiner Altersversorgung partizipieren zu lassen. Auch im Hinblick auf seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Sohn habe er kein Interesse an einer Berufstätigkeit von ihr gehabt. Die Verbindlichkeiten habe allein der Antragsteller verursacht, der die Gelder für eigene Zwecke ausgegeben habe.

Nachdem die Antragsgegnerin zunächst beantragt hat, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Scheidungsantrag abzuweisen sowie hilfsweise das angefochtene Urteil auszuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung einschließlich der Folgesache Versorgungsausgleich an das Amtsgericht zurückzuverweisen , beantragt sie nach Rücknahme des ursprünglichen Hauptantrages nur noch,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung einschließlich über den Versorgungsausgleich im Verbund an das Amtsgericht zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Schulden seien unter anderem dadurch entstanden, dass 1989 8.000 DM für ein neues Badezimmer, 1990 35.000 DM für eine neue Küche und 1993 20.300 DM für ein neues Wohnzimmer ausgegeben worden seien. 1991 habe er zudem ein Fahrzeug für 27.000 DM erworben.

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Versorgungsausgleich ist von Amts wegen durchzuführen, denn die Parteien haben den Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht wirksam vereinbart. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch notarielle Vereinbarung vom 30. März 1983 ist gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da er sittenwidrig ist.

Allerdings begründet der Umstand, dass die Antragsgegnerin bei Abschluss des Ehevertrages schwanger war, für sich allein noch keine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages. Die bei Vertragsabschluss bestehende Schwangerschaft indiziert aber eine ungleiche Verhandlungsposition und damit eine Disparität bei Vertragsschluss, die es rechtfertigt, den Vertrag einer verstärkten richterlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen, wobei in einer Gesamtschau alle maßgeblichen Faktoren zu berücksichtigen sind (vgl. BGH FamRZ 2005, 1444; FamRZ 2006, 1359, 1361 und FamRZ 2007, 1310, 1311). Auch bei dieser Gesamtschau wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt werden (vgl. BGH FamRZ 2007, 1310. 1311).

Durch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs mit notarieller Vereinbarung vom 30. März 1983 ist zum Nachteil der Antragsgegnerin ein Kernbereich der gesetzlichen Scheidungsfolgen ohne Ausgleich abbedungen worden. Die gesetzlichen Regelungen über den Versorgungsausgleich unterliegen zwar grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten; einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten kennt das geltende Recht nicht (vgl. BGH FamRZ 2004, 601, 604). Die grundsätzliche Disponibilität darf aber nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelung durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. In dem Vertrag vom 30. März 1983 haben die Parteien allein den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Vereinbarungen zum Unterhalt haben sie nicht getroffen. Sie haben jedoch abweichend von § 1414 BGB die mit Ausschluss des Versorgungsausgleichs eintretende Gütertrennung aufgehoben und den Güterstand der Zugewinngemeinschaft für ihre beabsichtigte Ehe vereinbart. Der Versorgungsausgleich ist - als gleichberechtigte Teilhabe beider Ehegatten am beiderseits erworbenen Versorgungsvermögen - einerseits dem Zugewinnausgleich verwandt und wie dieser ehevertraglicher Disposition grundsätzlich zugänglich (§ 1408 Abs. 2, § 1587o BGB). Er ist jedoch andererseits als vorweggenommener Altersunterhalt zu verstehen; von daher steht er einer vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos offen. Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich müssen deshalb nach denselben Kriterien geprüft werden wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht. Der Unterhalt wegen Alters gehört zum Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts; das Gesetz misst ihm als Ausdruck ehelicher Solidarität besondere Bedeutung zu - was freilich einen Verzicht nicht generell ausschließt, etwa wenn die Ehe erst im Alter geschlossen wird. Nichts anderes gilt für den Versorgungsausgleich. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des schon beim Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine ausreichende Altersversorgung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot der ehelichen Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn sich ein Ehegatte, wie schon beim Vertragsschluss geplant, der Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichte hat. Das in diesem Verzicht liegende Risiko verdichtet sich zu einem Nachteil, den der Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe scheitert (vgl. BGH FamRZ 2008, 2012 sowie BGH, Bs. v. 18. März 2009 - XII ZB 94/06).

Die Parteien wussten vorliegend bei Vertragsabschluss von der Schwangerschaft der Antragsgegnerin. Für diese war es die Motivation nach vorherigem fünfjährigen Zusammenleben auf eine Heirat zu drängen, wie sie in der Anhörung dargelegt hat. Für beide Parteien war es zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses selbstverständlich, dass die Antragsgegnerin ihre bestehende Berufstätigkeit zunächst aufgeben wird, um sich der Kindesbetreuung zu widmen. Dabei waren die Parteien sich auch darüber einig, dass die Antragsgegnerin in jedem Fall die ersten drei Lebensjahre des Kindes keinerlei Berufstätigkeit nachgehen werde, sie sich möglicherweise aber auch solange ausschließlich der Kinderbetreuung widmet, bis das Kind zur Schule geht. Dabei hatte nicht allein die Antragsgegnerin diese Vorstellung, sondern aus der Anhörung der Parteien vor dem Senat ergab sich eindeutig, dass es sich um gemeinsame Vorstellungen der Parteien handelte, insbesondere auch der Antragsteller davon ausging, dass die Kinderbetreuung bis zur Einschulung des Kindes Vorrang vor einer Berufstätigkeit der Beklagten haben sollte. Die Ehegatten haben damit bereits bei Vertragsschluss die Vorstellung gehabt, dass die Antragsgegnerin demnächst aus dem Berufsleben ausscheiden wird und damit bis auf Weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte (außer Kindererziehungszeiten) erwerben würde. Der mit der Geburt des Kindes und seiner Betreuung einhergehende Verzicht der Antragsgegnerin auf den Ausbau der eigenen Versorgungsbiografie stellt sich nunmehr - mit der Scheidung - für diese als ein bei Vertragsschluss vorhersehbarer ehebedingter Nachteil dar (vgl. BGH, Bs. v. 18. März 2009 - XII ZB 94/06). Dies verdeutlichen die nach den vorliegenden Mitteilungen der Rententräger von den Parteien erwirtschafteten Versorgungsanrechten. Auch wenn es sich insoweit nicht um eine Ehezeitauskunft handelt, so hat der Antragsteller 2003 bereits eine Rentenanwartschaft von 1.163,48 EUR erworben und bei gleichbleibendem Erwerb der letzten durchschnittlichen Entgeltpunkte konnte er mit einer Rente von 1.920,54 EUR rechnen. Ferner hatte er eine Anwartschaft auf eine monatliche Betriebsrente erworben, wobei für das 65. Lebensjahr eine monatliche Rente von 228,- EUR ermittelt worden ist. Nach einer Information der Deutschen Rentenversicherung ttttttttt vom 8. Juni 2007 hat die Antragsgegnerin bislang lediglich Rentenanwartschaften von 240,90 EUR erworben und kann bei gleichbleibendem Erwerb der letzten Entgeltpunkten mit einer Rente von 308,41 EUR rechnen. Dies verdeutlicht die evident einseitige Lastenverteilung der durch Kindererziehung und Aufgabe der Berufstätigkeit eingetretenen Lücke in der Erwerbsbiografie der Antragsgegnerin, die letztlich noch dadurch verstärkt worden ist, dass der Antragsteller ab 1985/1986 ausschließlich in der Nachtschicht tätig gewesen ist und auch auf seinen Wunsch die Antragsgegnerin eine Berufstätigkeit dann nach Ende des 3. Lebensjahres bzw. der Einschulung des Kindes nicht aufnahm, um weiterhin ein Familienleben zu gewährleisten, wenn der Antragsteller nunmehr tagsüber zu Hause war. Diese Veränderung der beruflichen Tätigkeit des Antragstellers, die bei Vertragsschluss noch nicht absehbar gewesen ist und daher für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Vertrages nicht maßgeblich sein kann, hat aber auch dazu geführt, dass der Antragsteller eine erhebliche Steigerung seines Verdienstes von 47.868 DM 1983, im Jahr der Eheschließung, auf zuletzt 54.000 EUR im Jahr 2002 erzielen und damit seine Rentenanwartschaften auch erheblich ausbauen konnte, was letztlich nur deshalb möglich gewesen ist, weil die Antragsgegnerin sich um die Kinderbetreuung und den Haushalt gekümmert hat und keiner eigenen Berufstätigkeit nachgegangen ist.

Diese einseitige Lastenverteilung ist auch durch keinerlei Vorteil für die Antragsgegnerin kompensiert worden. Zwar haben die Parteien ausdrücklich den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft vereinbart, aber Zugewinn ist nicht erwirtschaftet worden. Jedenfalls haben die Parteien mit dem Ehevertrag vom 27. Oktober 1998 diesen Güterstand aufgehoben und Gütertrennung vereinbart, wobei auch kein Ausgleich für einen zwischenzeitlich möglicherweiser erwirtschafteten Zugewinn vereinbart worden ist. Ebenso wenig vermag die vom Antragsteller vorgenommene Freistellung der Antragsgegnerin von Verbindlichkeiten im Innenverhältnis einen Ausgleich darstellen. Abgesehen davon, dass diese Verbindlichkeiten erst während der Ehe entstanden sind, hat der Antragsteller auch weiterhin nicht substanziiert dargetan, in welcher Höhe diese Verbindlichkeiten bis zur Trennung der Parteien konkret bestanden haben und weshalb diese Verbindlichkeiten entstanden sind. Unstreitig ist er alleiniger Darlehensnehmer gewesen. Die von ihm behaupteten Ausgaben in den Jahren 1989 bis 1993 von insgesamt 90.300 DM (= 46.169,66 EUR) für Renovierung und Ausstattung der Ehewohnung und ein Fahrzeug mögen eine behauptete Verschuldung von 70.000 EUR im Jahr 2008 nicht zu begründen. Anderweitige Vorteile zugunsten der Antragsgegnerin sind weder behauptet noch ersichtlich.

An der sich daraus ergebenden Sittenwidrigkeit der Vereinbarung vom 30. März 1983 ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil der Antragsteller aufgrund der Scheidung seiner ersten Ehe und den damit im Wege des Versorgungsausgleichs einhergehenden Verlust von Versorgungsanwartschaften unstreitig zu einer Eheschließung mit der Antragsgegnerin nur bereit war, wenn der Versorgungsausgleich vor Eheschließung ausgeschlossen wurde. Diese Motivation des Antragstellers vermag aufgrund der bei Abschluss des Vertrages vorhersehbaren einseitigen Lastenverteilung zum Nachteil der Antragsgegnerin bezüglich des Aufbaus einer eigenen Altersversorgung ohne jegliche Kompensation der notariellen Vereinbarung vom 30. März 1983 nicht das Verdikt der Sittenwidrigkeit zu nehmen.

Die Sittenwidrigkeit dieses Vertrages ist auch nicht durch den Ehevertrag vom 27. Oktober 1998 beseitigt worden. Zwar ist in dem Ehevertrag die Erklärung enthalten, dass es hinsichtlich des Versorgungsausgleichs bei der notariell beurkundeten Vereinbarung vom 30. März 1983 verbleiben sollte. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Sittenwidrigkeit der ursprünglichen Vereinbarung nunmehr entfällt. Denn weder kann dieser Erklärung entnommen werden, dass die Parteien die ursprüngliche Vereinbarung ausdrücklich bestätigen wollten noch hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Umstände, die bei Vertragsabschluss zu einer Sittenwidrigkeit der Vereinbarung geführt haben, geändert, so dass der Ehevertrag nicht als eine Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts (§ 141 BGB) verstanden werden kann (vgl. BGH BGHZ 60, 102, 108 und BGHZ 104, 24).

Die Antragsgegnerin hatte bei Unterzeichnung des Ehevertrags am 27. Oktober 1998 nicht den Willen, den am 30. März 1983 vereinbarten Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu betätigen. Zwar hat sich auch nach der Anhörung der Parteien letztlich nicht vollständig erschlossen, welche Motivation der Parteien zu diesem Ehevertrag geführt hat. Während der Antragsteller der Auffassung war, er habe die Antragsgegnerin durch die vereinbarte Gütertrennung vor einer Inanspruchnahme seiner Gläubiger schützen wollen, ist die Antragsgegnerin bei ihrer Darstellung geblieben, wonach sie mit diesem Vertrag insbesondere vor erbrechtlichen Ansprüchen des Sohnes des Antragstellers aus erster Ehe, der zu dieser Zeit Ausbildungsunterhalt gegenüber dem Antragsteller geltend machte, geschützt werden sollte. Keine Vorstellung der Parteien vermag damit den Ehevertrag zu begründen, denn weder waren durch die vereinbarte Gütertrennung erbrechtliche Ansprüche des Sohnes ausgeschlossen - vielmehr ist der Erbteil der Antragsgegnerin verkürzt worden, da § 1371 BGB nicht zur Anwendung gelangen konnte - noch begründet der Güterstand der Zugewinngemeinschaft die Haftung der Antragsgegnerin für allein vom Antragsteller gegenüber Dritten eingegangene Verbindlichkeiten. Die Antragsgegnerin hat aber unwidersprochen vorgetragen, dass sie den Wunsch an den Notar herangetragen habe, ob man bei der vorgenommenen Änderung der notariellen Vereinbarung vom 30. März 1983 bezüglich des Güterstandes nicht auch den Ausschluss des Versorgungsausgleichs aufheben könne. Darauf habe der Notar erklärt, dass dies ihm nicht möglich sei, sondern die Parteien sich darüber verständigen müssten. Da der Antragsteller aber mit einer Änderung nicht einverstanden gewesen sei, ist es insoweit bei der ursprünglichen Regelung geblieben. Die Bezugnahme auf die Regelung zum Versorgungsausgleich im Ehevertrag vom 27. Oktober 1998 hatte damit aus Sicht der benachteiligten Antragsgegnerin letztlich nur klarstellende Bedeutung dahingehend, dass es im Übrigen bei der vertraglichen Vereinbarung vom 30. März 1983 bleibe. Eine ausdrückliche Bestätigung der Fortgeltung dieser Regelung durch die Antragsgegnerin ist dagegen gerade nicht vorgenommen worden.

Im Übrigen kann ein sittenwidriger Vertrag auch nur dann wirksam bestätigt werden, wenn sich die Umstände, die zur Sittenwidrigkeit geführt haben, entfallen sind. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Vielmehr hat sich die evident einseitige Lastenverteilung zum Nachteil der Antragsgegnerin noch dadurch verstärkt, dass auch nach der Einschulung der gemeinsamen Tochter eine Aufnahme der Berufstätigkeit durch die Antragsgegnerin nicht erfolgt ist. Sie hat ausweislich des Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung sssssssss vom 8. Dezember 2006 erstmals im April 1991 und damit knapp 8 Jahre nach Eheschließung eine Berufstätigkeit ausgeübt. Sie erreichte dabei allerdings nicht mehr ansatzweise ihren Verdienst vor der Eheschließung, sondern erzielte größtenteils einen Verdienst von deutlich weniger als 1000,- DM im Monat, war mithin größtenteils nur geringfügig beschäftigt. Bei Vertragsschluss am 27. Oktober 1998 war sie zudem bereits seit mehr als 5 Jahren durchgehend arbeitslos gewesen. Auch dies verdeutlicht, dass der Antragsgegnerin nach der Kinderbetreuung ein Wiedereinstieg in den Beruf nicht gelungen war und sie in keinem Fall die bestehende Lücke in ihrer Altersversorgung aufgrund der von den Parteien bei Abschluss der ursprünglichen Vereinbarung vom 30. März 1983 gemeinsam beabsichtigten alleinigen Kinderbetreuung durch die Antragsgegnerin bei gleichzeitiger Aufgabe ihrer Berufstätigkeit zwischenzeitlich annähernd geschlossen werden konnte. Vielmehr hat sich die aus der Berufsaufgabe zugunsten der Kinderbetreuung ergebende Lücke in der Altersversorgung verstärkt, weil die Antragsgegnerin dann auch ganz offensichtlich keinen Anschluss an das Erwerbsleben mehr gefunden hat, wobei dahingestellt bleiben kann, ob dies auch zumindest teilweise darauf beruhte, dass der Antragsgegner angesichts der gegenüber ihm geltend gemachten Unterhaltsforderungen des Sohnes kein Interesse an einer Erwerbstätigkeit und einen eigenen Verdienst der Antragsgegnerin hatte.

Mithin wirkt die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung vom 30. März 1983 fort. Damit ist der Versorgungsausgleich durchzuführen. Dies hat das Amtsgericht ausgehend von seiner Rechtsauffassung bislang versäumt und wird dies nun nachzuholen haben. Gemäß § 629 ZPO ist die Scheidung der Ehe zusammen mit der Entscheidung über im Versorgungsausgleich auszusprechen und damit auf Antrag der Antragsgegnerin das angefochtene Urteil auszuheben und an das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg zur erneuten Entscheidung einschließlich über die Folgesache Versorgungsausgleich zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Amtsgericht vorbehalten.



Ende der Entscheidung

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