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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 20.04.2007
Aktenzeichen: 14 U 12/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 707
Zu den Anforderungen an die Regelungen in einem Gesellschaftsvertrag über eine Nachschusspflicht der Gesellschafter.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 14 U 12/06

verkündet am: 20.04.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2007 durch die Richterin am Kammergericht Dr. Hollweg-Stapenhorst, den Richter am Kammergericht Jaeschke und den Richter am Kammergericht Schlecht für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 7. Dezember 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 3.O.250/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

(I.)

Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zu Nachschüssen gemäß dem notariellen Gesellschaftsvertrag der Klägerin, auf den Bezug genommen wird (Anlage K 2). Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung, auf die im einzelnen verwiesen wird, der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin, gegen deren Prozessführungsbefugnis keine Bedenken bestehen, stehe der geltend gemachte Nachschussanspruch gemäß § 9 Abs. 3 des als wirksam zu behandelnden Gesellschaftsvertrages zu, da der erwirtschaftete Überschuss nicht zur Bedienung der von der Gesellschaft aufgenommenen Darlehen ausreiche.

Gegen dieses am 7. Dezember 2005 verkündete und ihm am 12. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 9. Januar 2006 Berufung eingelegt und diese am 6. Februar 2006 begründet.

Der Beklagte macht mit seiner Berufung unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen - wortgleich mit seinen Berufungen in den beiden weiteren am Terminstag zu verhandelnden Sachen 14 U 13/06 und 14 U 15/06 - ausschließlich noch geltend, dass der Gesellschaftsvertrag keine wirksame Nachschussverpflichtung enthalte. Denn der Gesellschaftsvertrag sehe weder eine feste Obergrenze noch sonstige Kriterien vor, die das Nachschussrisiko begrenzen.

Der Beklagte beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachtet, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages und tritt der Berufung entgegen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

(II.)

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nach der Rechtsprechung des Senates, von der abzuweichen auch hier kein Anlass besteht, nicht begründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn die Klägerin kann von dem Beklagten gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages die ihr zuerkannten Nachschusszahlungen beanspruchen. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Die Zulässigkeit der Klage, die das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, auf die verwiesen werden kann, bejaht hat, wird vom Beklagten in zweiter Instanz nicht mehr angezweifelt.

Die eingeforderten Nachschüsse stehen der Klägerin nach § 9 Abs. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages zu, denn durch den Gesellschaftsvertrag der Parteien ist die dispositive Regelung des § 707 BGB, wonach ein Gesellschafter zur Erhöhung des vereinbarten Beitrages oder zur Ergänzung der durch Verlust verminderten Einlage grundsätzlich nicht verpflichtet ist, wirksam abgeändert worden.

Im Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft können über die betragsmäßig festgelegte Einlageschuld hinaus Beitragspflichten vereinbart werden, wenn eine derartige Aufspaltung der Beitragspflicht aus dem Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgeht und die Höhe der nachzuschießenden Beiträge im Gesellschaftsvertrag zumindest in objektiv bestimmbarer Weise ausgestaltet ist. Die - dispositives Recht enthaltende - Regelung in § 707 BGB greift unter anderem dann nicht ein, wenn die Höhe der Beiträge im Gesellschaftsvertrag nicht ziffernmäßig fixiert ist, sondern in objektiv bestimmbarer, künftigen Entwicklungsmöglichkeiten Rechnung tragender Weise ausgestaltet ist. Dies ist zum Beispiel anzunehmen, wenn sich die Gesellschafter keine der Höhe nach festgelegten Beiträge versprochen, sondern sich verpflichtet haben, entsprechend ihrer Beteiligung an der Gesellschaft das zur Erreichung des Gesellschaftszweckes Erforderliche beizutragen. In einem solchen Fall bedürfen die Festlegung der Höhe und die Einforderung der Beiträge im Zweifel keines Gesellschafterbeschlusses, sondern sind Sache der Geschäftsführer. § 707 BGB ist auch dann nicht berührt, wenn sich die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag zum einen eine betragsmäßig festgelegte Einlage, zum anderen laufende Beiträge versprochen haben. Allerdings ist die in § 707 BGB getroffene Grundentscheidung, dass ein Gesellschafter während des Bestehens der Gesellschaft grundsätzlich nicht zu Nachschüssen verpflichtet ist, bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags zu beachten. Danach muss aus dem Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgehen, dass über die eigentliche Einlageschuld hinausgehende Beitragspflichten begründet werden sollen. Zudem muss auch im Falle einer derartigen Aufspaltung der Beitragspflicht die Höhe der laufenden Beiträge im Gesellschaftsvertrag zumindest in objektiv bestimmbarer Weise ausgestaltet sein (vgl. zusammenfassend BGH, Urteil vom 23. Januar 2006, II ZR 126/04, NJW-RR 2006, S. 829ff; s.a. BGH, Urteil vom 23. Januar 2006, II ZR 306/04, NJW-RR 2006, S. 827ff; BGH, Urteil vom 04. Juli 2005, II ZR 354/03, NJW-RR 2005, S. 1347/1348).

Vorliegend ist in § 4 des Gesellschaftsvertrages festgelegt, dass die Gesellschafter einerseits einen bestimmten Baranteil am Eigenkapital zu leisten haben und andererseits ein sogenannter Fremdmittelanteil zur Investitionsdurchführung besteht, für den Darlehen aufgenommen werden dürfen. Unter Berücksichtigung des Eigenkapitals soll dieser Fremdmittelanteil nach dem Gesellschaftsvertrag 9.345.000,00 DM nicht überschreiten (13.350.000,00 DM Gesamtkosten abzüglich 4.005.000,00 DM Eigenkapital). § 9 Abs. 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages sieht Nachschüsse nur insoweit vor, als sie zur Bedienung der gemäß § 4 Abs. 6 begrenzt aufgenommenen Darlehen erforderlich sind. Die Höhe etwaiger Nachschusspflichten ist damit hinreichend begrenzt. Der Gesellschaftsvertrag enthält keine Bestimmung, nach der eine Erhöhung der Fremdmittel im Belieben einer zukünftigen Gesellschaftermehrheit steht, die darüber nach freiem Ermessen entscheiden könnte. § 4 Abs. 1 S. 2 des Gesellschaftsvertrages bestimmt vielmehr ausdrücklich, dass die sachlich gerechtfertigte Erhöhung der zur Baufertigstellung notwendigen Baukosten nur mit Zustimmung aller Gesellschafter als Eigenkapitalerhöhung umgelegt werden kann. Damit sind - anders als in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen - Nachschüsse, die über die Aufnahme der Fremdmittel hinausgehen und somit allein als Grund unvorhersehbarer Nachschussleistungen in Betracht kommen, von einer Beschlussfassung durch einfache Mehrheit ausdrücklich ausgenommen und nur einstimmig möglich. Die Nachschusspflicht in § 9 Abs. 3 S. 3 - 5 bezieht sich demgegenüber allein auf die gemäß § 4 Abs. 6 als Fremdmittel aufgenommenen Darlehen. Deren Höhe ist durch den zahlenmäßig im Sinne eines Höchstbetrages bestimmten Fremdmittelanteil eindeutig begrenzt. Es musste jedem Gesellschafter zugleich von vornherein bewusst sein, dass die Aufnahme der in ihrer Gesamthöhe begrenzten Darlehen neben der Tilgung auch die Zahlung von Zinsen zur Folge haben würde. Zinsen und Tilgung sind als Erhöhungsrisiken gegenüber dem Bareinlageteil damit überschaubar. Insofern sind die Gesellschafter neben ihrer Barleistungspflicht im vorliegenden Fall zur Leistung von laufenden Beiträgen verpflichtet, die objektiv bestimmbar waren. Die hier vorliegende Nachschusspflicht aus § 9 Abs. 3 gestattet gerade nicht die Abwälzung uferloser Kostenanforderungen aller für den Fonds tätigen Unternehmen wie Geschäftsbesorger, Treuhänder und Banken. Denn § 9 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages sieht einen Nachschuss nur insoweit vor, als er zur Bedienung der gemäß § 4 Abs. 6 aufgenommenen Darlehen erforderlich ist, wozu vorrangig die erwirtschafteten Erträge zu verwenden sind. Zwar können die davon wiederum abzuziehenden "Aufwendungen" gemäß § 9 Abs. 3 im äußersten Fall jeglichen Ertrag aufzehren. Auf die Nachschusspflicht wirkt sich dies aber nur in der Form aus, dass die Annuitäten der gemäß § 4 Abs. 6 begrenzten Darlehen dann ungemindert durch Nachschüsse der Gesellschafter aufgebracht werden müssen. Auch in diesem Fall bleibt also die Nachschusshöhe bestimmbar. Hieran ändern auch die weiteren Vertragsbestimmungen - z.B. über die Anwachsung bei Ausscheiden anderer Gesellschafter - nichts. Die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Nachschusspflicht muss lediglich objektiv bestimmbar, aber nicht der Höhe nach für alle Zeiten unveränderlich bestimmt sein. Schließlich bestehen keine Bedenken wegen fehlender Erkennbarkeit der in § 9 des Gesellschaftsvertrages vorgesehenen Nachschussregelung, die auch an dieser Stelle nicht übersehen werden konnte. Bei einer Vertragsbestimmung mit der Überschrift "Ergebnis" kann ein Gesellschafter auch Bestimmungen zur Folge eines ungenügenden Ergebnisses, also zum Nachschuss, erwarten. Dass die Klägerin bei der Berechnung der hier fraglichen Nachschusspflicht der Höhe nach Darlehensschulden ansetzt, die im Ausgangspunkt nicht mehr der Begrenzung gemäß § 4 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrags entsprechen, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Durchgreifende Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit des Beitritts des Beklagten zur Klägerin, die hier nicht nur zur Anwendung der Regelungen über die fehlerhafte Gesellschaft führen würden (vgl. dazu allg. BGH NJW-RR 2005, 1217), sind nicht erkennbar, so dass es auch nicht weiter darauf ankommt, ob die der geschäftsbesorgenden Gesellschafterin erteilten Vollmachten nach § 1 RBerG nichtig sind. Dass mit dem Gesellschaftsvertrag zugleich auch der Treuhandvertrag beurkundet worden ist, hat bereits das Landgericht in erster Instanz nach Einsichtnahme in die Urkunde festgestellt, ohne dass die Berufung sich hiergegen wendet.

Auch seine weiteren Einwendungen erster Instanz, die das Landgericht zu Recht zurückgewiesen hat, verfolgt der Beklagte mit seiner Berufung nicht mehr weiter, so dass entsprechende Ausführungen des Senates hierzu nicht mehr erforderlich sind, sondern auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils verwiesen werden kann.

Der Zinsausspruch ist nicht gesondert angefochten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 ZPO zuzulassen, weil der Senat in der entscheidungserheblichen Frage der Wirksamkeit der gesellschaftsvertraglichen Nachschusspflicht von der Rechtsprechung des 23. Zivilsenates des Kammergerichts in seinem Urteil vom 11. September 2006 - 23 U 11/06 - abweicht.

Ende der Entscheidung

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