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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 24.01.2006
Aktenzeichen: 14 U 134/04
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 120
HGB § 155
Zur Bedeutung der Buchungen auf variablen Kapitalkonten, die über Jahre in die Jahresabschlussrechnungen eingegangen sind, für die Ausgleichansprüche der Gesellschafter einer oHG.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 14 U 134/04

verkündet am: 24. Januar 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Erich, den Richter am Kammergericht Jaeschke und den Richter am Kammergericht Schlecht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28. Juni 2004 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 95.O.130/03 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst :

1. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 64.306,23 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen.

2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 35.011,00 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen.

3. Der Beklagte zu 3) wird verurteilt, an die Klägerin 13.084,75 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin fallen der Klägerin zu 36 %, dem Beklagten zu 1) zu 37 %, dem Beklagten zu 2) zu 20 % und dem Beklagten zu 3) zu 7 % zur Last. Von den außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin die des Beklagten zu 1) zu 29 %, die des Beklagten zu 2) zu 20 % und die des Beklagten zu 3) zu 45 %; im übrigen fallen jeder Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(I. )

Die Parteien streiten um den Ausgleich der negativen Kapitalkonten der Beklagten als Gesellschafter der liquidierten und am 15. April 2003 im Handelsregister gelöschten Hnnn Snnn & Co Tnnn -Knnnnnnn oHG (Gesellschaft) gemäß der zum 31. Dezember 2002 aufgestellten Liquidationsschlussbilanz vom 10. März 2003, auf die Bezug genommen wird. Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge sowie wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung, auf die im einzelnen verwiesen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin könne den Ausgleich der negativen Kapitalkonten mangels eigenen positiven Kapitalkontos nicht beanspruchen. Das feste Kapitalkonto der Klägerin sei nicht zu berücksichtigen. Zudem sei die Fortschreibung der variablen Kapitalkonten fehlerhaft: Da sich der Gesellschafter Hnnn Snnn verpflichtet habe, sein Einzelunternehmen in vollem Umfang unentgeltlich in die Gesellschaft einzubringen, und damit den übrigen Gesellschaftern deren Gesellschaftsanteile wirksam schenkweise übertragen habe, hätte auch sein variables Kapitalkonto wie das aller anderen Gesellschafter mit Null beginnen müssen. Eine abweichende Vereinbarung sei durch die Aussage des Zeugen Znnnn nicht bewiesen, denn in der widerspruchslosen Hinnahme einer entsprechenden Anweisung des Gesellschafters Snnn liege keine Zustimmung zur Abänderung der entsprechenden Satzungsbestimmung. Das Kapitalkonto der Klägerin sei damit um diesen Anfangsbestand und die hierauf berechneten Zinsen zu kürzen. Ebenso sei die Auflösung der Rückstellung der Einzelfirma zu Unrecht allein dem Gesellschafter Snnn gutgeschrieben worden. Auch sei nicht ersichtlich, dass die Gewinnverteilung 1995 der Satzung entsprochen habe.

Gegen dieses am 28. Juni 2004 verkündete und ihr am 1. Juli 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 2. August 2004 (Montag) Berufung eingelegt und diese am 1. September 2004 begründet.

Die Klägerin macht mit ihrer Berufung unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen geltend, der Gesellschafter Hnnn Snnn habe lediglich den übrigen Gesellschaftern schenkweise deren Gesellschaftsanteile übertragen, nicht jedoch seinen eigenen Geschäftsanteil an seiner früheren Einzelfirma unentgeltlich in die Gesellschaft eingebracht. Im übrigen erfordere der Ausgleichsanspruch lediglich, dass ihr Kapitalkonto positiv und die Kapitalkonten der Beklagten negativ sind, was der Fall sei. Da den Beklagten ihre festen Kapitalanteile geschenkt wurden, seien deren variable Kapitalkonten mit Null begonnen worden, während der Kapitalwert der Einzelfirma von ca. 380.000 DM nach der Aussage Znnnn in Höhe von 205.000 DM dem festen Kapitalkonto des Gesellschafters Snnn und im übrigen dessen variablem Konto gutgeschrieben wurde. Dementsprechend sei auch die aufgelöste Rückstellung zu Recht allein dem Gesellschafter Snnn gutgeschrieben worden, da diese nicht vom Schenkungsversprechen erfasst sei. Im übrigen seien die jeweiligen Bilanzen von den Beklagten niemals angefochten, sondern von ihnen vielmehr - unstreitig - als Grundlage ihrer Steuererklärungen verwendet worden.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und

1. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie 90.734,26 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen,

2. den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an sie 61.439,03 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen,

3. den Beklagten zu 3) zu verurteilen, an sie 23.871,70 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2003 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigten die angefochtene Entscheidung, die sie für zutreffend erachten, unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages und machen geltend, die Buchungen auf den Kapitalkonten seien von Beginn an unrichtig gewesen, so dass die Klage mangels ordnungsgemäßer Berechnung eines ausgleichspflichtigen Betrages, der im übrigen allein der Gesellschaft zustünde, unschlüssig sei. Dass sie sich gegen die Buchungen nicht verwahrt haben, läge daran, dass es untunlich gewesen sei, sich gegen die Anweisungen des verstorbenen Gesellschafters Snnn zur Wehr zu setzen, zumal ihnen die geschenkten Anteile ungeachtet der Verbuchung auf den Kapitalkonten ein gutes Einkommen sicherten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

(II. )

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist überwiegend begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Denn die Klägerin kann zum Ausgleich der jeweiligen negativen Kapitalkonten vom Beklagten zu 1) 64.306,23 EUR, vom Beklagten zu 2) 35.011,00 EUR und vom Beklagten zu 3) 13.084,75 EUR verlangen, § 155 HGB; im übrigen ist ihre Klage dagegen der Höhe nach unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, zumal die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung gebieten, § 513 ZPO.

Gemäß § 155 HGB kann ein Gesellschafter nach erfolgter Liquidation der Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern den Ausgleich der variablen Kapitalkonten verlangen, auf denen während des Bestehens der Gesellschaft neben den Gewinnen und Einlagen auch die Verluste und Entnahmen jedes Gesellschafters zu verbuchen waren, § 120 Abs. 2 HGB. Der nach der Liquidation festzustellende - positive oder negative - Saldo des jeweiligen Kapitalkontos ist die Bilanzziffer, die den maßgeblichen Stand der Einlage des Gesellschafters angibt, so wie er sich nach den Methoden der kaufmännischen Buchführung und Bilanzierung errechnet. Er bringt die wirtschaftliche Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen zum Ausdruck und gibt die absolute Wertdifferenz der unterschiedlichen Vermögensbeteiligungen der Gesellschafter wieder, indem aus ihm abzulesen ist, welchen Vermögenswert jeder Gesellschafter in der Gesellschaft "stehen" hat. Damit ergeben sich aus den verschieden hohen Salden zugleich die zwischen den Gesellschaftern auszugleichenden Vermögensunterschiede (Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, S. 1140 ff, 1282).

Nach Abschluss der Liquidation kann jeder Gesellschafter direkt und ohne Beteiligung der Gesellschaft von seinem Mitgesellschafter den Ausgleich ihrer ungedeckten, negativen Kapitalkonten verlangen, da das entnommene Kapital nicht mehr zur Verteilung sowie zum Ausgleich positiver Kapitalkonten zur Verfügung steht. Darauf, ob und inwieweit noch ungedeckte Verbindlichkeiten gegenüber Dritten bestehen, kommt es dabei nicht an. Maßgebend für den vorzunehmenden Ausgleich ist allein die durch das feste Kapitalkonto vorgegebene Verteilungs- und Ausgleichsquote (Baumbach/Hopt, HGB, 32. Auflage, Rdnr. 2 f zu § 155, Rdnr. 22 zu § 120).

Nach diesen Grundsätzen sind die Beklagten der Klägerin in Höhe der vorgenannten Beträge ausgleichspflichtig.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Bilanzen angesichts der Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag tatsächlich so nicht hätten aufgestellt werden dürfen, und ob im weiteren hiervon ausgehend Fehlbuchungen fortgeschrieben oder neu veranlasst wurden. Denn die Beklagten haben unstreitig die von der Gesellschaft und damit von ihnen als Gesellschafter aufzustellenden Jahresbilanzen und somit auch sämtliche darin enthaltenen Buchungen auf ihren Kapitalkonten, wie sich aus den von der Klägerin auszugsweise vorgelegten Ablichtungen ergeben, nicht nur unwidersprochen hingenommen, sondern sie auch zum Gegenstand ihrer eigenen jährlichen Steuererklärungen gemacht. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin haben die Beklagten als Gesellschafter der OHG sowohl die jeweiligen Jahresbilanzen, die ihnen nach der persönlichen Äußerung des Beklagten zu 3) im Termin auch bekannt waren, als auch die Liquidationsschlussbilanz mit dem aus den vorgelegten Ablichtungen ersichtlichen Inhalt festgestellt. Mit dieser Feststellung der Bilanzen haben sie nicht nur ihren gesetzlichen Pflichten nach §§ 242, 245 Satz 2 HGB entsprochen, sondern zugleich - wie auch zudem durch deren anschließende Verwendung - nach außen wie auch im Innenverhältnis untereinander unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, diese als abschließende kontenmäßige Gegenüberstellung der Aktiva und Passiva der Gesellschaft gelten zu lassen (Baumbach/Hopt, a.a.O., Rdnr. 2 zu § 245). Dies erfasst auch die den Bilanzen anliegenden Fortschreibungen der Kapitalkonten. Insoweit wirkt die Bilanz zwischen den sie feststellenden Gesellschaftern wie ein rechtsgeschäftliches Anerkenntnis der hierin ausgewiesenen Einzelposten (Baumbach/Hopt, a.a.O., Rdnr. 3 zu § 242). Insbesondere nach Eintritt der Klägerin in die Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Gesellschafters Snnn im Jahre 1995 können sich die Beklagten daher angesichts dieser Umstände nicht mehr nachträglich darauf berufen, dass die von diesem Gesellschafter veranlaßten Buchungen von ihnen nicht hinzunehmen seien, zumal nichts dafür ersichtlich ist, dass die Klägerin von den den beanstandeten Buchungen zugrundeliegenden Vorgängen Kenntnis gehabt hätte. Dass die Bilanzen jemals von ihnen angefochten oder rückwirkend neu festgestellt worden seien, behaupten die Beklagten selbst nicht. Ihre Motive, aus denen sie sich nicht gegen die Bilanzen und die vom Gründungsgesellschafter Snnn veranlassten Buchungen gewandt haben, mögen menschlich verständlich sein, sind jedoch als geheimer Vorbehalt rechtlich letztlich ohne Bedeutung, § 116 BGB. Die Beklagten zu 1) und 2) räumen insoweit ein, dass sie die Buchungen auf dem variablen Kapitalkonten hingenommen haben, weil ihnen ihre Unternehmensbeteiligung trotz dieser buchhalterischen Aufteilungen ein gutes Einkommen sicherte. Hiervon können sie jetzt, nachdem sie die Bilanzen jahrelang festgestellt und sich zudem durch Übernahme in ihre Steuererklärungen zu eigen gemacht haben, selbst dann nicht mehr einseitig abrücken, wenn sie ihre privaten steuerlichen Angelegenheiten ganz in die Hände des Steuerberaters der Gesellschaft gelegt haben.

Damit müssen die Beklagten gegen sich gelten lassen, dass ihre Kapitalkonten zuletzt die in den Anträgen der Klägerin als Zahlungsbegehren jeweils festgeschriebenen negativen Salden auswiesen.

Zugleich kann die Klägerin aus den vorgenannten Gründen für sich in Anspruch nehmen, dass ihr variables Kapitalkonto einen positiven Stand von 68.175,75 EUR hatte. Zu diesem Saldo kann die Klägerin nicht einseitig noch den Stand ihres festen Kapitalkontos hinzurechnen, dessen Ausgleich sie nach den vorstehenden Grundsätzen nicht verlangen kann.

Nach alledem kann die Klägerin vorab von den Beklagten den Ausgleich ihres positiven Kapitalkontos von 68.175,50 EUR verlangen. Der danach rechnerisch zur Summe sämtlicher negativer Kapitalkonten von 176.044,99 EUR noch verbleibende Differenzbetrag von 107.869,49 EUR ist sodann zwischen sämtlichen Gesellschaftern entsprechend ihrem Anteil an der Gesellschaft, wie er sich aus ihrem festen Kapitalkonten ergibt, zu verteilen, so dass der Klägerin bei einem Kapitalanteil von 41 % weitere 44.226,49 EUR zustehen und sich ihr gesamter Ausgleichsanspruch auf 112.401,99 EUR errechnet, der sich anteilig wie erkannt auf die einzelnen Beklagten aufteilt. Hierbei ist von dem jeweiligen Negativsaldo jedes Beklagten der auf ihn entfallende Teilbetrag abzusetzen, der ihm nach seinem Kapitalanteil an dem überschießenden, nicht zum Ausgleich des positiven Kapitalkontos der Klägerin benötigten Differenzbetrag selbst zusteht. Dies sind beim Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) bei einem Kapitalanteil von jeweils 24,5 % je 26.428,03 EUR und beim Beklagten zu 3) bei einem Kapitalanteil von 10 % ein Betrag von 10.786,95 EUR. Um diesen "Eigenanteil" verringert, müssen die Beklagten ihren jeweiligen Negativsaldo an die Klägerin ausgleichen.

Das gleiche Ergebnis errechnet sich, so man den - negativen - Saldo aller vier variablen Kapitalkonten von 107.869,49 EUR entsprechend ihren jeweiligen festen Kapitalanteilen zwischen allen Gesellschaftern aufteilt und die sich danach ergebenden anteiligen Beträge mit den positiven bzw. negativen Einzelsalden gegenrechnet.

Der Zinsausspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

Ende der Entscheidung

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