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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.01.2005
Aktenzeichen: 14 U 180/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 707
Zu den Anforderungen an den Beschluss der Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft über die Erhebung von Nachschüssen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 14 U 180/03

verkündet am: 21. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Erich und die Richter am Kammergericht Buck und Jaeschke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Juni 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 22 O 115/03 - unter Berufungszurückweisung im Übrigen teilweise abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu Händen des Geschäftsbesorgers nnn, 1.690,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. April 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 77 % und die Beklagte 23 %. Von den Kosten des zweiten Rechtszuges tragen die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat teilweise in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, wegen des Beschlusses der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 27. April 1998 in der Hauptsache 2.535,33 € an die Klägerin zu zahlen. Sie ist aber auf der Grundlage der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung vom 07. Dezember 2001 verpflichtet 1.690,22 € zu zahlen.

Bei dem Beschluss vom 27. April 1998 ist nicht ersichtlich, dass er den Gesellschaftern eine verbindliche und damit im Weigerungsfall einklagbare Verpflichtung zur Unterzeichnung der in der Folge versandten schriftlichen Darlehensverträge auferlegen wollte. Die augenscheinlich von einer verpflichtenden Beschlussfassung ausgehende Beschlussauslegung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung überzeugt nicht. Deshalb kann der Senat den Beschluss nach § 529 Abs. 1 ZPO selbst auf der Grundlage des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien beurteilen.

Ein verbindlicher Beschluss über Nachschussleistungen in der Form faktischer "Zwangsdarlehen" für alle Gesellschafter ist am 27. April 1998 nicht zustande gekommen. Die Beklagte hat unbestritten darauf hingewiesen, dass den Gesellschaftern ausweislich eines Versammlungsprotokolls vom 29. November 1996 die rechtliche Problematik der nachträglichen gesellschaftsvertraglichen Begründung von direkten Nachschussforderungen im Ansatz bekannt war und dort schon ausdrücklich auf freiwillige Leistungen der Gesellschafter verwiesen wurde. Die Einladung zur hier fraglichen Gesellschafterversammlung enthält keine Textvorgabe für einen zu fassenden Beschluss. Die Angelegenheit der Kreditrückführung zur Aufhebung der Zwangsverwaltung sollte mithin nur erörtert werden. Wenn vor diesem Hintergrund das Protokoll vom 27. April 1998 erst einmal die Diskussion über Lösungsmöglichkeiten erwähnt und sodann gerade keine unmittelbar geltende direkte Nachschusspflicht, sondern eine Darlehenslösung beschlossen wird, die erst noch über zu erstellende und an die Gesellschafter zu versendende Darlehensverträge abgewickelt werden muss, dann spricht dies bereits gegen eine unmittelbar geltende bindende Zahlungsverpflichtung der Gesellschafter. Denn letztlich hing die Darlehenshingabe von der Unterschrift der Gesellschafter und der Zurücksendung der Exemplare ab, die im Protokoll selbst auch nicht nur als reine Förmlichkeit etwa zu Beweiszwecken dargestellt wird. Die Beklagte weist dann weiter zu Recht auf die auch im Protokoll enthaltene weitere Beschlussfeststellung hin, nach der für den Fall, dass einzelne Gesellschafter nicht bereit sein sollten, ihren Darlehensanteil zu zahlen, ein anderweitiges Guthaben bei einer Bank zur Kredittilgung eingesetzt werden sollte. Dementsprechend heißt es deshalb in § 5 des an die Beklagte gesandten Darlehensvertragsentwurfes auch, dass, sofern nicht genügend Gesellschafter ihrer "Zahlungsverpflichtung" bis zum 31. Mai 1998 nachkommen würden, im Endergebnis die dann erfolglos geleisteten Darlehen wieder zurückgezahlt würden. Auch aus einer derartigen Regelung heraus konnte der einzelne Gesellschafter nur ablesen, dass es ihm überlassen blieb, ob er das Darlehensformular unterzeichnet. Denn anderenfalls hätte ein Zeitraum für die notfalls auch gerichtliche Durchsetzung der Darlehensforderungen mit einkalkuliert werden müssen. Mindestens also von einer fehlenden gerichtlichen Durchsetzung aber konnte jeder Gesellschafter nach alledem ausgehen.

Diese Unverbindlichkeit gilt aber nicht für den Gesellschafterbeschluss vom 07. Dezember 2001 mit der daraus für die Klägerin folgenden Zahlungsverpflichtung in Höhe von1.690,22 €. Denn hier ist der Beschlusstext bereits als ersichtlich verbindliche Verpflichtung für jeden Gesellschafter in Form einer Sonderumlage in der Tagesordnung angekündigt. Dem Versammlungsprotokoll ist sodann zu entnehmen, dass die Zahlung nicht mehr dem einzelnen Gesellschafter durch Darlehenszeichnung überlassen bleiben soll. Vielmehr ist ausdrücklich die Rede von "säumigen" Gesellschaftern, also von Gesellschaftern die ihren als verbindlich anzunehmenden Zahlungspflichten nicht nachkommen. Zwar wird gerade wegen dieser Gesellschafter angenommen, dass ihnen gegenüber mangels gesellschaftsvertraglicher Grundlage keine rechtliche Handhabe bestehe, jedoch wird diese gesellschaftsvertragliche Grundlage dann zum nachfolgenden Tagesordnungspunkt 6 durch erstmalige ausdrückliche gesellschaftsvertragliche Begründung einer Nachschusspflicht geschaffen. Da nach dem Protokoll auch dort noch einmal auf die rechtlichen Zweifel hingewiesen wurde, kann damit die Beschlussfassung zu beiden Punkten insgesamt nur als einheitliche Vertragsänderung bzw. gesellschaftsvertragliche Bestätigung der zuerst beschlossenen spezifischen Nachschusspflicht im Einzelfall und damit jedenfalls als verbindliche Nachschussanforderung gewertet werden. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass die hier fragliche konkrete Zahlungsverpflichtung vor der allgemeinen Vertragsänderung beschlossen wurde.

Bereits gegen die Beschlussfassung über die konkrete Zahlungsverpflichtung gemäß Tagesordnungspunkt 4 bestehen im Weiteren aus sich heraus trotz bis dahin fehlender gesellschaftsvertraglicher Grundlage für Nachschüsse keine Bedenken. Eine mit der hier vorliegenden qualifizierten Mehrheit zustande gekommene "Vertragsdurchbrechung" im Einzelfall ist zulässig (BGH NJW 1990, S. 2684/2685).

Aber auch die generelle nachträgliche Schaffung der Ermächtigungsgrundlage für Nachschussverpflichtungen der Gesellschafter war rechtmäßig. Denn die Neuregelung in § 4 Ziffer 6 erster Satz des Gesellschaftsvertrages entspricht zunächst den Anforderungen der Rechtsprechung an die Bestimmtheit der Regelungen von Nachschusspflichten unter Abweichung von § 707 BGB (vgl. allg. Palandt, BGB, 64. Auflage 2005, § 707 Rn. 2 m .w. Nachw.). Die Änderung gemäß Tagesordnungspunkt 6 selbst ist auch mit der notwendigen 3/4-Mehrheit nach § 12 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages zustande gekommen.

Da der (alte) Gesellschaftsvertrag indessen nur generell die Möglichkeit der Vertragsänderung mit 3/4-Mehrheit vorsieht ohne explizit die Nachschusspflicht zu erwähnen, könnte für die hier streitigen Beschlüsse fraglich sein, ob nicht auch insoweit der Bestimmtheitsgrundsatz eingreift und sowohl die konkrete Nachschussanforderung als auch die nachträgliche allgemeine Einfügung der Nachschussverpflichtung in den Gesellschaftsvertrag wegen der fehlenden Einstimmigkeit aller vorhandenen Gesellschafter verhindert. Das ist aber nicht der Fall. Der Bundesgerichtshof hat für die Kommanditgesellschaft entschieden, dass in einer durch die Größe der Mitgliederzahl und die körperschaftliche Verfassung vom gesetzlichen Leitbild abweichenden Gesellschaft die Gesellschafter vereinbaren können, dass der Gesellschaftsvertrag, auch soweit er die Grundlagen des Gesellschaftsverhältnisses regelt, mit Mehrheit geändert werden kann, ohne dass sie gleichzeitig die Beschlussgegenstände im Vertrag näher bezeichnen müssten (BGHZ 85, S. 350ff., vgl. zur Entwicklung in dieser Frage auch zusammenfassend Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1, 2004, § 5 Rn. 68, § 57 Rn. 33ff.). Diese für die Personengesellschaften geltenden Grundsätze sind auch auf die vorliegende Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzuwenden, weil der Sachverhalt gleich gelagert ist. Auch handelt es sich bei der Klägerin ohne Zweifel um einen vom Normalfall der personalistischen Gesellschaft bürgerlichen Rechts abweichenden größeren Personenverband in der körperschaftlichen Verfassung eines geschlossenen Immobilienfonds.

Es bleibt damit allein noch die Frage, ob die vorliegende Einführung von Nachschusspflichten gleichwohl so in den Kernbereich der Gesellschafterrechte eingreift, dass es aus diesem Gesichtspunkt beim Einstimmigkeitsprinzip bleiben muss. Aber auch das kann nicht angenommen werden. In Übereinstimmung mit den von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Landgerichts Berlin vom 01. Juli 2003 - 19 O 36/03 -, 28. November 2003 - 53 S 253/03 - und des AG Schöneberg vom 29. Oktober 2003 - 103 C 38/03 - ist im Kern darauf hinzuweisen, dass die Nachschusspflichten Wesen und Zweck der Gesellschaft nicht ändern und u.a. wegen der ggfls. bestehenden Sonderkündigungsrechte auch die Gesellschafterstellung nicht aushöhlen oder unzumutbar beeinträchtigen und dass Nachschussregelungen der vorliegenden Art insbesondere bei der Publikumsgesellschaft eine sinnvolle Fortführung der Gesellschaft und ihrer laufenden Geschäfte gewährleisten können.

Auf die Frage einer aus gesellschaftsrechtlichen Treuegesichtspunkten herleitbaren Zustimmungspflicht der Beklagten zur Nachschussverpflichtung kommt es bei alledem nicht an. Für die Rechtswirksamkeit der Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung insgesamt ist es im vorliegenden Fall auch nicht entscheidungserheblich, auf welcher eigenen Informationsgrundlage die Beklagte ihr Stimmrecht ausübte.

Die nicht mit gesonderter Begründung angefochtene Zinsentscheidung beruht auf § 291 ZPO. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Ziffer 8 EGZPO.

Die Revision war gemäß den §§ 26 Nr. 7 S. 1 EGZPO, 543 Abs. 1,2 ZPO nicht zuzulassen. Denn der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, da er keine entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und klärungsfähigen Rechtsfragen aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen oder die Interessen der Allgemeinheit berühren; ebenso erfordern auch die Fortbildung des Rechts oder die Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Zulassung nicht, da insbesondere von bisheriger Rechtsprechung nicht abgewichen wird (vgl. allg. u.a. BGH NJW 2002, S. 2473ff., NJW 2003, S. 65ff.).



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