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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.04.2009
Aktenzeichen: 14 W 70/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 140
ZPO § 321a
1. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Nebenintervention kann dadurch erfolgen, dass dem Beschwedeführer im Endurteil die Kosten der Nebenintervention auferlegt werden und diese Entscheidung in den Entscheidungsgründen begründet wird.

2. Auf den Lauf einer Rechtsmittelfrist hat ein Berichtigungsbeschluss grundsätzlich keinen Einfluss.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 14 W 70/08

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Erich und die Richter am Kammergericht Schlecht und Dr. Elzer am 3. April 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde gegen das Zwischenurteil des Landgerichts Berlin vom 30. Juli 2008 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

2. Der Gegenstandswert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer erklärte mit beim Landgericht Berlin am 24. Juni 2008 eingegangenem Schriftsatz, der Beklagten als Streithelfer beizutreten. Das Landgericht Berlin verfügte am 27. Juni 2008, den Parteien von dem Beitrittsschriftsatz eine beglaubigte Abschrift zuzustellen und teilte dem Beschwerdeführer den für den 30. Juli 2008 festgesetzten Termin zur mündlichen Verhandlung mit. Eine Ladung unterblieb. Ebenso wurden dem Beschwerdeführer keine Schriftsätze mitgeteilt. Die Beschwerdegegnerin bestritt mit bei Gericht am 30. Juli 2008 eingegangenem Schriftsatz das Recht des Beschwerdeführers, dem Verfahren beizutreten. Sie behauptete, der Beschwerdeführer sei nicht Aktionär der Beklagten. In der mündlichen Verhandlung am selben Tage war der Streithelfer nicht vertreten. Der Vertreter der Beklagten legte einen "Screen-Shot" vor, aus dem sich ergab, dass der Beschwerdeführer einer ihrer Aktionäre ist.

Mit Urteil vom 30. Juli 2008, dem Beschwerdeführer am 11. August 2008 zugestellt, wies das Landgericht Berlin die Streithilfe zurück. Der Beschwerdeführer habe nicht nachgewiesen, Aktionär der Beklagten zu sein. Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer mit bei Gericht am 22. August 2008 eingegangenem Schriftsatz eine "Rügeschrift nach § 321a ZPO vor" und beantragte nach § 321a ZPO analog, § 522 Abs. 2 ZPO, das Verfahren fortzusetzen. Er bemängelte, nicht ordnungsmäß geladen worden zu sein. Außerdem habe er keine Schriftsätze erhalten.

In der dem Beschwerdeführer zugestellten Urteilsausfertigung war wegen eines Übertragungsfehlers die Zurückweisung der Streithilfe anders als im Protokoll der Sitzung im Tenor nicht enthalten. Diesen Fehler korrigierte das Landgericht mit Beschluss vom 3. September 2008. Im Hinblick auf diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer mit bei Gericht am 16. September 2008 eingegangenem Schriftsatz "vorsorglich" sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung ein. Seinen Antrag vom 22. August 2008, das Verfahren fortzusetzen, nahm der Beschwerdeführer am 8. Oktober 2008 zurück. Zur Begründung führte er an, dass die Rücknahme vor dem Hintergrund erfolge, dass die Streithilfe "nunmehr auch im Urteil zurückgewiesen worden ist und sofortige Beschwerde eingelegt werden konnte". Das Landgericht half der Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist nicht ab.

II.

1. Die Beschwerde ist gem. §§ 71 Abs. 2, 569 Abs. 1 S. 1, 572 Abs. 2 S. 2 ZPO unzulässig. Die Beschwerde ist zwar an sich statthaft. Sie ist aber nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt. Die sofortige Beschwerde ist, soweit keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Notfrist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Beschlusses. Die angegriffene Entscheidung - die Zurückweisung der Nebenintervention durch Zwischenurteil vom 30. Juli 2008 - wurde dem Beschwerdeführer am 11. August 2008 zugestellt. Die sofortige Beschwerde ging beim Landgericht indes erst am 16. September 2008 ein.

2. Dieser Bewertung - Verfristung - steht nicht entgegen, dass es versehentlich zunächst versäumt wurde, die Zurückweisung der Nebenintervention im Tenor des schriftlichen Urteils zu beurkunden. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Nebenintervention kann auch dadurch erfolgen, dass dem Beschwerdeführer im Endurteil zum einen die Kosten der Nebenintervention auferlegt werden (BGH v. 10.7.1963 - V ZR 132/61, NJW 1963, 2027 = MDR 1963, 997; Münchener Kommentar zur ZPO/Schilken, 2. Auf. 2000, § 71 Rdn. 9; Musielak/Weth, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 71 Rdn. 6) und diese Entscheidung zum anderen - wie hier - in den Entscheidungsgründen begründet wird. Die Beschwerdefrist berechnet sich daher nicht erst mit der am 8. September 2008 erfolgten Zustellung des Berichtigungsbeschlusses des Landgerichts vom 3. September 2008, sondern ab Zustellung des Zwischenurteils über die Zulassung der Nebenintervention am 11. August 2008. Auf den Lauf der Rechtsmittelfristen hat eine Berichtigung ohnehin grundsätzlich keinen Einfluss. Die Rechtsmittelfrist wird vielmehr regelmäßig durch die Zustellung des nicht berichtigten Urteils in Lauf gesetzt; nach der Berichtigung beginnt keine neue Frist (vgl. nur BGH v. 12.2.2004 - V ZR 125/03, NJW-RR 2004, 712 [713]; BGH v. 24.6.2003 - VI ZB 10/03, NJW 2003, 2991 [2992]). Ein Ausnahmefall, der angenommen wird, wenn das Urteil in der zugestellten, nicht berichtigten Fassung insgesamt nicht klar genug war, um den Parteien die Grundlage für ihr weiteres prozessuales Handeln zu bieten, liegt nicht vor (dazu allgemein Musielak/Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2008, § 319 Rdn. 17).

3. Es ist auch nicht möglich, nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung die beim Landgericht am 22. August 2008 eingegangene Rüge als eine sofortige Beschwerde gegen das Zwischenurteil vom 30. Juli 2008 anzusehen. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung dürfen die Parteien keinen Rechtsnachteil dadurch erleiden, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form verlautbart; ihnen steht deshalb sowohl derjenige Rechtsbehelf zu, der nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch dasjenige Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form ergangenen Entscheidung zulässig wäre (BGH v. 7.11.2006 - VIII ZB 38/06, NJW-RR 2007, 284). Dieser Grundsatz greift hier aber nicht ein. Das Landgericht hat seine Entscheidung, die Streithilfe nicht zuzulassen, wie es das Gesetz verlangt in der Form eines Zwischenurteils getroffen. Dem Beschwerdeführer ist durch einen etwaigen Verlautbarungsfehler des Gerichts den Parteien nicht ein falscher Weg für die Art der Anfechtung gewiesen worden.

4. Die Rüge kann auch nicht als sofortige Beschwerde ausgelegt oder in eine solche umgedeutet werden.

a) Die Auslegung von Prozesserklärungen hat den Willen des Erklärenden zu beachten, wie er den äußerlich in Erscheinung getretenen Umständen üblicherweise zu entnehmen ist (BGH v. 22.1.2002 - VI ZB 51/01, NJW 2002, 1352). Im Zweifel ist dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH v. 18.6.1996 - VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210 [1211]). Voraussetzung einer Auslegung ist allerdings eine Auslegungsbedürftigkeit der Erklärung. Hat eine prozessuale Erklärung nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt, ist für eine Auslegung kein Raum (BGH v. 13.12.2006 - XII ZB 71/04, NJW 2007, 1461; BGH v. 10.10.1957 - VII ZR 419/56, BGHZ 25, 318 [319] = NJW 1957, 1873). Das ist hier der Fall. Der Beschwerdeführer erhob eine Gehörsrüge nach § 321a ZPO und keine sofortige Beschwerde. Der Wortlaut der Erklärung "Rügeschrift nach § 321a ZPO" ist eindeutig. Der Wille wird durch den Inhalt der Rügeschrift "Verletzung rechtlichen Gehörs" ... "Fortführung des Prozesses gem. § 321 a ZPO" noch bekräftigt.

b) Auch eine Umdeutung der Gehörsrüge in eine sofortige Beschwerde kommt im Ergebnis nicht in Betracht. Allerdings gilt in entsprechender Anwendung des § 140 BGB auch im Verfahrensrecht der Grundsatz, dass eine fehlerhafte Parteihandlung in eine zulässige, wirksame und vergleichbare umzudeuten ist, wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH v. 13.12.2006 - XII ZB 71/04, NJW 2007, 1460 [1461]; BGH v. 6.12.2000 - XII ZR 219/98, NJW 2001, 1217, 1218 m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, kann allerdings offen bleiben. Denn der Beschwerdeführer hat den Antrag, den Prozess gem. § 321a ZPO analog, § 522 Abs. 2 ZPO fortzusetzen, mit bei Gericht am 8. Oktober 2008 eingegangenem Schriftsatz zurückgenommen. Der Beschwerdeführer meint zwar, nicht die Rüge, sondern nur den (falschen) Antrag, den Prozess fortzusetzen, zurückgenommen zu haben. Diese Sichtweise trägt aber nicht. Angesichts der in § 321a Abs. 5 S. 1 ZPO beschriebenen Rechtsfolge einer erfolgreichen Gehörsrüge - Fortführung des Verfahrens - kann nach Sinn und Zweck der Erklärung vom 8. Oktober 2008 nur eine Zurücknahme der am 22. August 2008 erhobenen Rüge gesehen werden. Der Beschwerdeführer hatte ersichtlich kein Interesse daran, neben der Beschwerde auch die Gehörsrüge weiter zu verfolgen. Dies zeigt sich allein darin, dass seit der Rücknahme in Bezug auf die Gehörsrüge keine prozessualen Erklärungen mehr erfolgten und der Beschwerdeführer sich auch nicht gegen die Durchführung der Berufung wendete. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer zwei Beschwerden einlegen wollte. Dieses wäre aber die Folge einer Umdeutung. Denn der Beschwerdeführer nahm die 16. September 2008 erhobene sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung nicht zurück. Im Schriftsatz vom 8. Oktober 2008 führte er selbst aus, dass nachdem [erstmals] "sofortige Beschwerde eingelegt werden konnte" nur der Antrag, den Prozess fortzusetzen, zurückgenommen werde.

III.

Die Kosten hat im Falle der Zurückweisung der Streithilfe gem. § 97 Abs. 1 ZPO der Streithelfer zu tragen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor. Die Wertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Der Senat hat 1/10 der Hauptsache als Interesse des Streithelfers an seinem Beitritt angesetzt.

Ende der Entscheidung

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