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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 25.10.1999
Aktenzeichen: 16 U 3349/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
ZPO § 711
ZPO §§ 511 ff.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 108 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 16 U 3349/99

Verkündet am: 25. Oktober 1999

In dem Rechtsstreit

hat der 16. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Freckmann, die Richterin am Kammergericht Böhrenz und den Richter am Landgericht M. Kuhnke auf die mündliche Verhandlung am 25. Oktober 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 12. Februar 1999 verkündete Urteil der Zivilkammer 8 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen

der Kläger zu 1) 13,1 %, die Kläger zu 2) je 1,8 %. die Kläger zu 3) je 14,2 %, der Kläger zu 4) 9,0 %, der Kläger zu 5) 5,9 %, der Kläger zu 6) 3,6 %, die Kläger zu 7) je 1,8 %, der Kläger zu 8) 8,8 %, die Kläger zu 9) je 4,4 %, die Kläger zu 10) je 5,8 %, und der Kläger zu 11) 3,6 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Kläger dürfen die Sicherheit durch schriftliche, unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts und der Beklagte durch eine solche Bürgschaft der Deutschen Bank AG leisten.

Die Kläger sind mit 3.500.000,00 DM beschwert.

Tatbestand:

Die Kläger beteiligten sich im Jahr 1992 mit unterschiedlichen Anteilen an der von ... mit einem Anteil von 100.000,00 DM und von seiner Ehefrau mit einem Anteil von 5.000,00 DM gegründeten ... in Berlin-Britz, einem geschlossenen Immobilienfonds.

... gab am 20. Januar 1992 einen Prospekt heraus, mit dem Gesellschafter geworben werden sollten. Der Prospekt war teilweise falsch. Er gab unter anderem den Zustand des Mietshauses und frühere Modernisierungsmaßnahmen nicht zutreffend wieder. Ferner war in ihm ein Treuhandvertrag mit der ... deren Geschäftsführer der Beklagte war, abgedruckt, der neben der Eigenmittelkontrolle auch die Aushandlung und den Abschluss aller das Bauvorhaben betreffenden Verträge durch die Treuhänderin vorsah. Der "Grundlagenurkunde" und den notariellen Beitrittserklärungen der Kläger wurden dagegen der tatsächlich zwischen den Gründungsgesellschaftern und der ... am 6. März 1992 geschlossene Treuhandvertrag zugrunde gelegt, in dem diese nur die Eigenmittelkontrolle übernahm.

Der Beklagte übersandte in seiner Eigenschaft als Steuerberater dem Kläger zu 1. nach dessen Beitritt eine steuerliche Verlustmitteilung.

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Schadensersatz im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung in Anspruch und haben hierzu geltend gemacht, dass sie der Grundstücksgesellschaft nicht beigetreten wären, wenn der Prospekt die zutreffenden Angaben enthalten hätte. Der Beklagte hafte, was sich aus - umfangreich von den Klägern vorgetragenen - Indizien ergäbe, als Initiator der Grundstücksgesellschaft; zudem habe er die Verantwortung für die Richtigkeit des Prospekts übernommen. Außerdem habe der Beklagte im Rahmen des Treuhandauftrages die Vollplatzierung des Eigenkapitals nicht abgewartet, auf die fehlende Seriosität des ... und die Fehlerhaftigkeit des Prospekts nicht hingewiesen und seine treuhänderische Tätigkeit auch sonst fehlerhaft ausgeführt. Durch die Erteilung der steuerlichen Verlustmitteilung, die auf den Zahlen des Prospekts basierte, habe er die Verantwortung für die im Prospekt genannten - unzutreffenden - Zahlen übernommen.

Das Landgericht hat die Klage, mit der die Kläger im Wege des Schadensersatzes die Erstattung ihrer Einlagen und die Befreiung beziehungsweise Freistellung von Verbindlichkeiten gegenüber den finanzierenden Banken verlangen, durch am 12. Februar 1999 verkündetes Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte sei weder Initiator der Grundstücksgesellschaft gewesen noch habe er ein besonderes Vertrauen für die Richtigkeit des Prospekts in Anspruch genommen und hafte daher nicht für falsche Angaben des Prospekts. Eine Durchgriffshaftung auf den Beklagten wegen einer eventuell fehlerhaften Treuhandtätigkeit der ... komme nicht in Betracht. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und des landgerichtlichen Urteils wird auf dieses Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzlichen Begehren im Wesentlichen unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag weiter.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und den in erster Instanz zuletzt gestellten Klageanträgen stattzugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Den Klägern stehen gegen den Beklagten die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht zu.

Eine Haftung des Beklagten aus Verschulden bei Vertragsschluss unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung kommt nicht in Betracht.

Die Kläger haben nicht nachgewiesen, dass der Beklagte Initiator des Anlageprojekts war und zum tatsächlich verantwortlichen "Management der Gesellschaft" gehörte und damit typischerweise für den Inhalt des Prospekts verantwortlich war (BGH NJW 1981, 1449/1450 zu I. 1.; BGH NJW 1995, 1025 zu I. 2.; BGH NJW-RR 1992, 879/883 zu IV. 2. a); BGH NJW 1990, 2461 zu I. 2. c); BGH NJW 1992, 228/229 zu II. 1. a). Beweis haben sie für ihre Behauptung nicht angetreten. Die von ihnen vorgetragenen Indizien - insoweit wird auf die umfangreichen Ausführungen der Kläger in ihren Schriftsätzen verwiesen - und der Prospekt lassen, wie schon das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, einen hinreichenden Rückschluss darauf, dass der Beklagte (neben ...) Initiator des Anlageprojekts war, nicht zu. Vielmehr sind alle Umstände - auch in ihrer Gesamtheit - zwanglos auch dann erklärbar, wenn die ... als Wirtschaftsprüfer und der Beklagte als Steuerberater den Initiator ... berieten und unterstützten. Allein aus der Mitwirkung eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters an der Gestaltung der im Rahmen eines Anlageprojekts abzuwickelnden Verträge und der treuhänderischen oder steuerberatenden Tätigkeit bei der Durchführung des Anlageprojekts kann nicht gefolgert werden, dass er einen mitverantwortlichen, beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft und das Anlageprojekt hat, das von einem anderen nach außen erkennbar initiiert wurde (zur Ausarbeitung des Vertragswerkes, der laufenden wirtschaftlichen und steuerlichen Beratung und der Erstellung eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens: BGH NJW-RR 1986, 1158/1159 zu 2.). Auch im Übrigen ging die Tätigkeit des Beklagten beziehungsweise der ... nicht über das übliche Maß der Tätigkeit einer Wirtschaftsprüferin oder eines Steuerberaters hinaus. Die von den Klägern vorgetragenen Umstände sprechen zum Teil sogar klar gegen eine mitverantwortliche Stellung des Beklagten. Die Einladung zum ... am 13. und 14. Oktober 1989 (Anlage K 30) führt den Beklagten unter der Überschrift "Initiatoren und Steuerberater" als Wirtschaftsprüfer mit dem Zusatz "Steuerberatung" auf, nicht jedoch als Initiator. Zudem spricht entgegen der Auffassung der Kläger gerade das von ... unterzeichnete Schreiben der ... vom 7. April 1993 (Anlage K42a) gegen eine beherrschende Mitverantwortung des Beklagten. Denn es heißt dort am Ende: "Dazu bitten wir um Ihre Stellungnahme und eine Erklärung, warum ausgerechnet die Gesellschafterin ... (Ehefrau Ihres Auftraggebers) eine solche Behandlung erhält". Der Beklagte wird dort gerade nicht als (gleichberechtigter, mitverantwortlicher) Partner oder ähnlich bezeichnet.

Der Beklagte hat auch nicht als Garant für die Prüfung und Richtigkeit des Prospekt nach außen persönliches Vertrauen in Anspruch genommen (BGH NJW 1981, 1449/1452 zu II.; BGH NJW 1990, 2461/2462 zu II. 2. a) und c); BGH NJW-RR 1986, 1156/1159). Die bloße Nennung der ... als Treuhänderin und der Abdruck des Treuhandvertrages beziehungsweise die Nennung des Beklagten als Steuerberater rechtfertigte nicht das Vertrauen der Kläger auf eine von der Treuhänderin oder dem Steuerberater vorgenommene Prüfung des Prospekts auf seine Richtigkeit (BGH NJW 1987, 1262/1264 zu 4. = WM 1987, 425/426). Vielmehr kommt eine Haftung der Wirtschaftsprüferin (oder des Steuerberaters) unter dem Gesichtspunkt der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nur dann in Betracht, wenn diese - was hier gerade nicht der Fall war - das Objekt auf seine Wirtschaftlichkeit geprüft hat und dies im Prospekt ausdrücklich werbend mitgeteilt wird (BGH NJW 1990, 2461/2462 zu II. 2. c); vgl. auch BGH NJW 1981, 1449/1452 a.E.). Zudem würde der Beklagte für ein nur von der ... als Treuhänderin in Anspruch genommenes Vertrauen nicht haften, weil die Voraussetzungen eines Durchgriffs nach § 242 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., Einf. v. § 21 Rn. 12; Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, 10. Aufl., S. 51 f.) - wie das Landgericht schon zutreffend ausgeführt hat - nicht dargetan sind.

II.

Auch aus dem Treuhandvertrag haftet der Beklagte für eventuelle Fehler - soweit diese den von den Klägern geltend gemachten Schaden überhaupt verursacht haben können - nicht nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss oder der positiven Forderungsverletzung. Denn insoweit würde nur die Treuhänderin, die ... ..., haften. Zur Annahme eines Haftungsdurchgriffs auf den Beklagten fehlt - wie oben ausgeführt - Vortrag.

III.

Ferner kommt eine Haftung des Beklagten nicht deshalb aus Verschulden bei Vertragsschluss oder nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung in Verbindung mit dem Steuerberatervertrag in Betracht, weil er dem Kläger zu 1. (und wohl auch den anderen Klägern) vor seinem notariellen Beitritt eine steuerliche Verlustmitteilung ausstellte, die auf Zahlen basierte, die auch im Prospekt genannt waren. Den Steuerberater trifft keine Pflicht, die Richtigkeit dieser Zahlen und die Wirtschaftlichkeit des Anlageprojekts zu prüfen. Er ist grundsätzlich nur für die steuerlichen Belange verantwortlich.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 und 2, 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 und 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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