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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 17.01.2005
Aktenzeichen: 16 UF 89/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VAÜG


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 629 b
BGB §§ 1565 ff
BGB § 1568
VAÜG § 2
VAÜG § 2 Abs. 1
Renvoi des türkischen Rechts (Art. 12 und 13 des türkischen Gesetzes über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht Nr. 2675 vom 10. Mai 1982), wenn die Parteien bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags keine gemeinsame Staatsangehörigkeit haben.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 16 UF 89/04

verkündet am : 17.01.2005

In dem Ehescheidungsverfahren

hat der 16. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Scheer als Einzelrichterin auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 18. März 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Pankow-Weißensee (Familiengericht) -16 F 7393/02 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten dieses Berufungsverfahrens nach einem Wert von 2.000 EUR an das Familiengericht zurückverwiesen.

Tatbestand

und

Entscheidungsgründe:

Wegen des Sachverhalts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Die Antragsgegnerin verfolgt ihr Begehren auf Zurückweisung des Ehescheidungsantrags auch im 2. Rechtszug, der Antragsteller bittet um Zurückweisung der Berufung.

Die Berufung der Antragsgegnerin führt zur Aufhebung des Scheidungsurteils und zur Zurückverweisung des Verfahrens entsprechend § 629 b ZPO, weil über die notwendige Folgesache Versorgungsausgleich weitere Ermittlungen anzustrengen sind.

Die Antragsgegnerin rügt mit ihrer Berufung zu Recht, dass nicht türkisches, sondern deutsches Recht anwendbar ist.

Bei Eheschließung im Jahr 1991 waren beide Parteien türkische Staatsbürger. Nur Antragsteller ist seit seiner Einbürgerung im Jahr 1996 Deutscher. Zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Ehescheidungsantrags im Jahr 2003 hatten die Parteien keine gemeinsame Staatsbürgerschaft.

Gemäß Art 17 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, Art 14 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. EGBGB unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe zwar, wenn die Ehegatten bei Rechtshängigkeit kein gemeinsames Heimatrecht mehr haben, dem früheren gemeinsamen Heimatrecht. Das wäre hier das türkische Recht. Diese Verweisung nimmt das türkische Recht aber nicht an (Art 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Nach Art 12 Abs. 2 Satz 2 (allgemeine Wirkungen der Ehe) und Art 13 Abs. 2 (Scheidungsfolgen) des türkischen Gesetzes über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht Nr. 2675 vom 20. Mai 1982 (IPRG) bestimmt nur eine gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien (zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit) das anwendbare Recht. Bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit unterliegen Ehescheidung und Folgesachen dem Recht am gemeinsamen Wohnsitz der Parteien. Danach ist, weil beide Parteien ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, deutsches Recht anwendbar.

Bei Anwendbarkeit deutschen Rechts hat das Familiengericht die Voraussetzungen für die Ehescheidung gemäß §§ 1565 ff BGB zutreffend bejaht. Die Ehegatten leben seit mindestens zwei Jahren voneinander getrennt. Der Antragsteller lehnt die Wiederaufnahme einer dem Wesen einer Ehe entsprechenden Beziehung zur Antragsgegnerin ab. Ein Widerspruchsrecht (wie Art 166 Abs. 2 des neuen türkischen Gesetzbuches (TMK), Gesetz Nr. 4721 v. 3.12.01 es formuliert) kennt das deutsche Recht nicht. Härtegründe nach § 1568 BGB sind nicht vorgetragen.

Nach deutschem Recht ist jedoch zugleich mit der Ehescheidung über die notwendige und von Amts wegen durchzuführende Folgesache Versorgungsausgleich zu entscheiden.

Nach den Feststellungen des Familiengerichts haben die Parteien während der Ehezeit folgende Anwartschaften erworben:

Ehefrau (V 13) Anwartschaften (West) 77,55 EUR Ehemann (V 19) Anwartschaften West 74,97 EUR Ost 0,72 EUR

Die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Folgesache nach § 2 Abs. 1 VAÜG sind nicht gegeben. Hinsichtlich der Ost-Anwartschaften ist der Ehemann ausgleichspflichtig. Es steht jedoch nicht fest, dass er hinsichtlich der West-Anwartschaften ausgleichsberechtigt wäre. Denn die LVA hat die Auskunft für den Ehemann aus einem teilweise ungeklärten Versicherungskonto erteilt (vgl. dazu das Erinnerungsschreiben der LVA vom 9.7.03; die dort genannten ungeklärten Zeiten sind auch im Versicherungsverlauf nicht anwartschaftserhöhend berücksichtigt).

Der Antragsteller hatte die Nachfrage der LVA zwar dahin beantwortet, dass er in den nachstehenden (bis dahin ungeklärten) Zeiten folgende Tätigkeiten ausgeübt hat:

1. 21.5.89 - 27.11.90: Türkei, ohne Arbeit

2. 30.11.90 - 10.2.91: Türkei, ohne Arbeit

3. 23.3.91 - 12.1.92: bei einer Zeitarbeitsfirma in Nürnberg, Nachweise hierzu wurden der LVA nicht eingereicht

4. 1.1.96 - 11.8.96: Arbeit in einem Familienbetrieb (Imbiss) in Berlin, Nachweise hierzu wurden der LVA nicht eingereicht

5. 8.8.97 - 14.1.98: selbständig

Während der vorstehend zu 3. und 4. genannten Zeiten war der Antragsteller nach seinen Angaben im Termin vom 13. Januar 2005 krankenversichert, so dass weitere Ermittlungen insbesondere bei der AOK Nürnberg und Berlin eine weitere Klärung des Versicherungskontos erwarten lassen. Die West- Anwartschaften des Ehemannes liegen nach den bisherigen Ermittlungen nur geringfügig unter denjenigen der Ehefrau. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Einbeziehung der Zeiten 23.3.91 - 12.1.92 und 1.1.96 - 11.8.96 der Ehemann auch hinsichtlich der West-Anwartschaften ausgleichspflichtig ist. Damit wären die Voraussetzungen des § 2 VAÜG nicht mehr erfüllt und der Versorgungsausgleich müsste durchgeführt werden.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 12 GKG a.F. (vgl. 72 Nr. 1 GKG n.F.)

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