Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 16 WF 273/06
Rechtsgebiete: ZPO, SGB XII


Vorschriften:

ZPO § 115
ZPO § 115 Abs. 1
ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2
ZPO § 115 Abs. 2
SGB XII § 30
SGB XII § 30 Abs. 3
SGB XII § 82 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 16 WF 273/06

25.01.2007

In dem Ehescheidungsverfahren

wegen: Prozesskostenhilfe

hat der 16. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Scheer als Einzelrichterin am 25. Januar 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) vom 9. November 2006 abgeändert:

Ratenzahlungen sind nicht zu entrichten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erhält für sich und das von ihr allein betreute, 5-jährige Kind nnn - neben Miete und Krankenversicherungskosten - Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) in Höhe von 345 EUR (Regelbedarf Antragstellerin) und 124 EUR (Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für Alleinerziehende). Der Bedarf des Kindes ist durch Unterhaltszahlungen (127 EUR) und das Kindergeld (154 EUR) gedeckt (§ 115 Abs. 1 Satz 7 ZPO).

Das Familiengericht hat unter Einbeziehung der sämtlichen vorstehenden Leistungen als Einkommen Ratenzahlungen nach der Tabelle des § 115 Abs. 2 ZPO von 15 EUR monatlich angeordnet.

II.

Die gegen diese Ratenzahlungsanordnung gerichtete zulässige Beschwerde (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) hat Erfolg.

Ob Leistungen nach dem SGB II überhaupt als Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 ZPO anzusehen ist, wird nicht einheitlich beurteilt.

Dies wird teilweise bejaht unter Hinweis darauf, dass § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO nur auf § 82 Abs. 2 SGB XII verweist, nicht aber auf dessen Abs. 1, der bestimmt, dass Sozialhilfe kein Einkommen ist. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass der Bezug von Sozialhilfe nach seiner Zweckbindung (Sicherung des Lebensunterhalts, nicht: Bezahlung von Prozesskosten) Träger anderer Sozialleistungen nicht entlasten soll (§ 2 Abs. 1 SGB XII).

In der Regel wird der vorgenannte Streit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe schon deshalb nicht entscheidungserheblich sein, weil der der Partei nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO zu belassende Freibetrag (64 % des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 Nr. 1, § 86 dem SGB XII: derzeit: 380 EUR) das durch die Sozialhilfe zu sichernde Existenzminimum (BVerfG, NJW 1988, 2231; derzeit: 345 EUR) übersteigt. Abweichendes ergibt sich hier nur deshalb, weil die Antragstellerin neben der Regelleistung für erwerbsfähige Arbeitslose einen Mehrbedarf für Alleinerziehung von 124 EUR erhält.

Dieser Mehrbedarf für Alleinerziehung (§ 30 Abs. 3 SGB XII) ist dafür bestimmt (vgl. Grube/Wahrendorf bei beck-online, SGB XII, zu § 30, Rdnr. 28-30) höhere Kosten zu kompensieren für aus Zeitgründen teurere Einkäufe, auch Fertiggerichte, Betreuungskosten bei notwendigen Erledigungen ohne das Kind, höhere Kosten für öffentliche Verkehrsmittel bei Mitnahme des Kindes, Kosten für Kontaktpflege der Betreuungsperson und auch des Kindes, Aufwendungen für die Erlangung von Rat und Hilfe in Erziehungsfragen uam). Diese zusätzlichen Sozialleistungen werden für die besonderen Belastungen, die die Alleinerziehung eines Kindes verursacht, zweckgerichtet neben dem Existenzminimum gewährt. Nach Sinn und Zweck des § 30 Abs. 3 SGB XII können diese zusätzlich -zwar pauschaliert, aber gleichwohl zweckgebunden- gewährten Sozialleistungen nicht im Rahmen des § 115 ZPO als einzusetzendes Einkommen gewertet werden. Die nach § 30 des SGB XII gewährten Mehrbedarfsbeträge erhöhen den sozialhilferechtlichen Regelbedarf (vgl. auch Zöller-Philippi ZPO, § 115 Rdnr. 40 a mwN) und damit das der Partei zu belassenden Existenzminimum (BVerfG aaO). Diese Leistungen kompensieren besondere Belastungen iSd § 115 Abs. 1 Nr. 4 ZPO und haben bei der Ermittlung der Höhe des Einkommens für die Berechnung der Ratenzahlungsanordnung nach § 115 ZPO außer Betracht zu bleiben.

Ob aus Gründen der Gleichbehandlung auch erwerbstätigen Alleinerziehenden über die Freibeträge (Grund- und Erwerbstätigenfreibetrag) hinaus ein vom Einkommen abzusetzender (§ 115 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) (auch ohne einen Einzelnachweis -etwa für Kindergarten/ Betreuungskosten- pauschaler) Mehrbedarf zugestanden werden muss, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Ende der Entscheidung

Zurück